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    Plenarprotokoll 12/105 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 105. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. September 1992 Inhalt: Bestimmung des Abgeordneten Hans-Ulrich Klose als ordentliches Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Hans-Jochen Vogel . . . . . . . . . . . . . 8987 A Bestimmung des Abgeordneten Hans Gottfried Bernrath als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle des aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten Harald B. Schäfer (Offenburg) 8987 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung . . 8987 B Tagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheits-Strukturgesetz 1993) (Drucksache 12/3209) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksache 12/3210) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Reform des Gesundheitswesens (Drucksache 12/3226) Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 8987 D Rudolf Dreßler SPD . . . . . . . 8995 D Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . 9000 C Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste 9003A, 9019D Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU 9004 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9008 A Dr. Klaus Gollert, Minister des Landes Mecklenburg-Vorpommern 9009 D Klaus Kirschner SPD 9010D Dr. Bruno Menzel F.D.P. 9012 D Gudrun Schaich-Walch SPD 9015 A Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . 9016B Dr. Hans-Hinrich Knaape SPD 9018 C Dr. Hans-Joachim Sopart CDU/CSU . 9021 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . 9023 D Dr. Martin Pfaff SPD 9025 C Bernhard Jagoda CDU/CSU 9026 B Wolfgang Zöller CDU/CSU . 9027C, 9027 D Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Fördervoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz und in anderen Gesetzen (Drucksache 12/3211) b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (Drucksache 12/3008) II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1992 Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 9029A Manfred Reimann SPD 9032 B Adolf Ostertag SPD . . . . . . . . . 9033 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 9035 B Petra Bläss PDS/Linke Liste 9037 C Heinz Schemken CDU/CSU 9038 D Manfred Reimann SPD . . . . . 9040B Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . 9040 D Ulrike Mascher SPD 9042 A Julius Louven CDU/CSU 9043 C Regina Kolbe SPD 9044 B Tagesordnungspunkt 4 c: c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der anderweitigen Verwendung von Berufssoldaten und Beamten des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Verteidigung (Verwendungsförderungsgesetz) (Drucksache 12/3159) 9045 C Nächste Sitzung 9045 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9047* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 9048* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1992 8987 105. Sitzung Bonn, den 11. September 1992 Beginn: 8.30 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 11. 09. 92*** Bachmaier, Hermann SPD 11. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 11. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck (Uetersen), SPD 11. 09. 92 Liselott Böhm (Melsungen), CDU/CSU 11. 09. 92* Wilfried Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 11. 09. 92 Brandt, Willy SPD 11. 09. 92 Büchler (Hof), Hans SPD 11. 09. 92* Clemens, Joachim CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 11. 09. 92 Herta Doss, Hansjürgen CDU/CSU 11. 09. 92 Feilcke, Jochen CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 11. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 11. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 11. 09. 92 Fuchs (Köln), Anke SPD 11. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 11. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 11. 09. 92 Dr. Gautier, Fritz SPD 11. 09. 92 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 11. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 11. 09. 92 Gres, Joachim CDU/CSU 11. 09. 92 Hämmerle, Gerlinde SPD 11. 09. 92 Haschke CDU/CSU 11.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Haungs, Rainer CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 11. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 11. 09. 92*** Huonker, Gunter SPD 11. 09. 92 Janz, Ilse SPD 11. 09. 92 Jaunich, Horst SPD 11. 09. 92 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 11. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11. 09. 92 Koppelin, Jürgen F.D.P. 11. 09. 92 Koschnick, Hans SPD 11. 09. 92 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 11. 09. 92 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 11. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 11. 09. 92 Elke Lohmann (Witten), Klaus SPD 11. 09. 92 Lühr, Uwe F.D.P. 11. 09. 92 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lummer, Heinrich CDU/CSU 11. 09. 92* Dr. Meseke, Hedda CDU/CSU 11. 09. 92 Michels, Meinolf CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Mildner, CDU/CSU 11. 09. 92 Klaus Gerhard Müller (Wadern), CDU/CSU 11. 09. 92 Hans-Werner Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 11. 09. 92 Neumann (Bramsche), SPD 11. 09. 92 Volker Oesinghaus, Günther SPD 11. 09. 92 Opel, Manfred SPD 11. 09. 92** Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 11. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 11. 09. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 11. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 11. 09. 92 Reichenbach, Klaus CDU/CSU 11. 09. 92 Rempe, Walter SPD 11. 09. 92 Reuschenbach, Peter W. SPD 11. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 11. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 11. 09. 92 Scheffler, Siegfried Willy SPD 11. 09. 92 Dr. Schmude, Jürgen SPD 11. 09. 92 Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 11. 09. 92 Dr. Schreiber, Harald CDU/CSU 11. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 11. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans Paul F.D.P. 11. 09. 92 Hermann Sehn, Marita F.D.P. 11. 09. 92 Dr. Sperling, Dietrich SPD 11. 09. 92 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 11. 09. 92 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 11. 09. 92 Vosen, Josef SPD 11. 09. 92 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 11. 09. 92 Welt, Jochen SPD 11. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 11. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 11. 09. 92 Wieczorek (Duisburg), SPD 11. 09. 92 Helmut Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 11. 09. 92 Simon Zurheide, Burkhard F.D.P. 11. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union 9048* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 105. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1992 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Karin Jeltsch, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Herbert Werner (Ulm) und weiterer Abgeordneter zum Bundesverkehrswegeplan, Drucksache 12/2679, ist zurückgezogen worden. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/2101 Nm. 3.7, 3.9, 3.10, 3.14-3.19, 3.21, 3.22, 3.24, 3.25 Drucksache 12/2257 Nrn. 3.8-3.10, 3.13, 3.14, 3.16-3.18, 3.20, 3.22, 3.23, 3.25, 3.26 Drucksache 12/2315 Nr. 2.3 Drucksache 12/2520 Nrn. 3.5, 3.7 Drucksache 12/2582 Nrn. 2.2, 2.5-2.13 Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Drucksache 12/269 Nr. 2.38 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 12/2774 Nr. 2.37
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dieter Thomae


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Die gesetzliche Krankenversicherung befindet sich in einer dramatischen Lage. Ich brauche die Zahlen nicht zu wiederholen. 10 % Ausgabenzuwachs im letzten Jahr und wieder 10 % im Laufe des Jahres zwingen zum Handeln, und zwar kurzfristig zu wirksamem Handeln. Die Lage ist bedrohlich. Wir haben viel zu verlieren.
    Das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik Deutschland genießt höchste Anerkennung. Es gibt medizinische Spitzenleistungen für jedermann. Wir sind in den Leistungsbereichen kaum zu übertreffen: von der schwersten Operation bis hin zu Rehabilitation, Pflege, ja sogar Sterbegeld.
    Es sind die gut ausgebildeten, engagierten und motivierten Menschen, die Ärzte, die Zahnärzte, die Krankenschwestern, die fachlich versierten Apotheker und alle anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen, die dies überhaupt möglich machen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Geld allein macht nicht gesund. All diesen Berufen möchte ich von dieser Stelle aus zurufen, daß wir im Ringen um die Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens das Menschliche nicht aus den Augen verlieren dürfen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir unterstreichen dies im Gesetzentwurf durch die Bereitstellung von Mitteln für 13 000 neue Pflegekräfte.
    Wir haben ein freiheitliches Gesundheitswesen mit Therapiefreiheit, freier Arztwahl, Selbstverwaltung und Freiberuflichkeit. Wir haben ein international kaum erreichtes Niveau bei der Entlohnung der medizinischen Leistungen. Wir haben bestmöglich ausgestattete Praxen und damit ein gut funktionierendes ambulantes Versorgungssystem.
    Wir dürfen aber nicht die Augen davor verschließen, daß das alles weitestgehend aus Beiträgen, Zwangsbeiträgen, bezahlt werden muß; Beiträge, die die Versicherten und die Arbeitgeber gemeinsam aufbringen müssen; Beiträge, die — wie Steuern — als Lasten empfunden werden, die Lohnnebenkosten sind und die über die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft entscheiden.
    Deshalb können steigende Beitragssätze nicht die Antwort auf steigende Ausgaben sein. Wer diesen Weg geht und diesen Weg propagiert, stellt auf Dauer die Grundlagen des Systems in Frage.
    Die gesetzliche Krankenversicherung ist ein Solidarsystem. Es lebt letztlich von der Akzeptanz der Beitragszahler. Niemandem — nicht den Versicherten und auch nicht denen, die im Gesundheitswesen tätig sind — wäre damit gedient, wenn wir die Krankenversicherung in den finanziellen Kollaps laufen ließen. Wir haben Verständnis dafür, daß die Mediziner aus ihrem Engagement, aus dem hippokratischen Eid heraus, der sie in die Pflicht zu maximal möglichen medizinischen Leistungen nimmt, sich schwertun, die ökonomischen Zwänge zu akzeptieren, von denen wir Politiker uns auch dann nicht befreien können, wenn



    Dr. Dieter Thomae
    es um das höchste Gut, nämlich die Gesundheit, geht.
    Höhere Beiträge — sie sind ja in den letzten Tagen wieder angekündigt worden — können auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden, wenn sie gebraucht werden, um medizinische Defizite zu beseitigen. Das steht für uns außer Frage. Die gesetzliche Krankenversicherung als Teil des beitragsfinanzierten Solidarsystems steht in einer unaufkündbaren Schicksalsgemeinschaft mit der wirtschaftlichen Entwicklung.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deshalb gilt für die Krankenversicherung wie für alle anderen Sozialleistungen der liberale Grundsatz: Es kann nicht mehr ausgegeben werden, als erwirtschaftet wurde.
    Ausgabenzuwächse von durchschnittlich 10 % sind nicht finanzierbar. Sie rechtfertigen keine Beitragssatzerhöhung, weil sie in dieser Zeitspanne auch medizinisch nicht begründbar sind. Wir stehen heute mehr denn je in allen Bereichen im Zwang zur Konsolidierung. Das gilt für die Staatshaushalte. Das gilt selbstverständlich auch für die Haushalte der Sozialversicherung.
    Vielleicht ist es uns noch immer nicht ganz bewußt: Eine Epoche geht zu Ende. Die politischen und, in ihrem Gefolge, die wirtschaftlichen Veränderungen, die Überwindung der Blöcke, das alles hat weit mehr Konsequenzen für jeden einzelnen, als wir es erkennen oder wahrhaben wollen. Es hat natürlich Konsequenzen auch für die Gestaltung der Politik. Die alten Muster, die alten Rituale des Verteilens, vor allem des Verteilens von Zuwächsen, tragen nicht mehr. Wir müssen aufpassen, daß der breite soziale Konsens nicht unter die Mühlen von Gruppenansprüchen gerät.
    In diesen schwierigen Zeiten ist die Sicherung des Erreichten schon viel, und selbst das geht nicht ohne schmerzliche Eingriffe.
    Wir müssen die Versicherten, aber auch die Leistungserbringer mehr in die Verantwortung für die Kosten einbinden. Wir Liberalen tun uns da sehr schwer.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Das merkt man!)

    Die vorgesehenen Eingriffe in Einkommenspositionen von Zahntechnikern und von Zahnärzten, von Pharmaunternehmen und Apothekern, von Ärzten, von den Chefärzten in Krankenhäusern, sind Opfer, die wir diesen Berufsgruppen abverlangen. Es sind Solidarbeiträge, die wir brauchen, weil es in dieser besonderen Notsituation, in der die gesetzliche Krankenversicherung ist, kaum kurzfristige wirksame Alternativen gibt.
    Ich will das nicht beschönigen. Budgetierung und gesetzlicher Preis bzw. Gebührensenkungen sind keine liberalen Instrumente. Nur unter bestimmten Bedingungen ist dies für uns Liberale hinnehmbar. Deshalb haben wir auf eine konsequente Befristung
    gedrängt. Eine Verlängerung des Zeitraums für die Budgetierung kommt für die F.D.P. nicht in Frage.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Im Gegenteil: Das Arzneimittelbudget soll, wenn möglich, noch vor 1995 durch eigenverantwortliche Regelungen der Selbstverwaltung abgelöst werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Hierüber sind jetzt konkrete Gespräche mit den Beteiligten aufgenommen worden. Ich bin sicher, daß wir am Ende zu einvernehmlichen Lösungen kommen werden, die auch die Ärzteschaft mittragen kann.
    Herr Dreßler, ich bitte auch zu bedenken: Auch die Koalition, jede einzelne Partei hat das Recht — die Möglichkeit dazu muß bestehen —, mit den einzelnen Gruppen zu sprechen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Zum zweiten ist es mit der Kostendämpfung allein nicht getan. Das Gesundheitswesen läßt sich nicht immer weiter durch Sparmaßnahmen sanieren. Wir brauchen keine laufende Reparatur, sondern durchgreifende Reformen.

    (Klaus Kirschner [SPD]: Sehr wahr!)

    Die Verknüpfung der Sofortbremsung, Herr Kirschner, mit Strukturveränderungen war für uns eine absolute Bedingung. Am Ende des interventionistischen Tunnels steht für uns der Übergang zu mehr Marktwirtschaft und zu mehr Freiheit.

    (Beifall bei der F.D.P.) Das erreichen wir


    (Klaus Kirschner [SPD]: Durch Preisverhandlungen bei Arzneimitteln beispielsweise!)

    durch die zeitlich unbefristeten Strukturmaßnahmen, und das erreichen wir durch den Einstieg in eine Neubestimmung der Grenzen zwischen Eigenverantwortung und Solidarabsicherung. Der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion wird beauftragt, konkrete Vorschläge für diese Neudefinition des Aufgabenkatalogs der sozialen Krankenversicherung vorzulegen.
    Daß wir nicht nur Kostendämpfung betreiben, sondern die Strukturen in wichtigen Bereichen reformieren, will ich an den folgenden Punkten aufzeigen.
    Wir führen endlich eine durchgreifende Reform im Krankenhaus durch. Rund 60 Milliarden DM werden in diesem Bereich ausgegeben; das sind rund ein Drittel der gesamten Ausgaben der GKV. Dieser riesige Beitrag wird nach einem Prinzip ausgegeben, das die ordnungsgemäße Behandlung von Kosten und eine hohe Auslastung von vorhandenen Betten belohnt.
    Die Verweildauer in deutschen Krankenhäusern ist noch zu hoch. Sie ist zwar zurückgegangen; aber sie ist noch zu hoch. Viele Leistungen, die heute stationär erbracht werden, können zudem ambulant erfolgen. Die medizinische Technik macht dies möglich. Hier liegen noch unausgeschöpfte Wirtschaftlichkeitsreserven. Deshalb meine ich, daß wir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gerade in diesem Bereich



    Dr. Dieter Thomae
    noch Öffnungen durchführen müssen, damit ambulante Operationen stärker gefördert werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Für uns Liberale ist vor allem wichtig, daß endlich das Selbstkostendeckungsprinzip abgeschafft wird. Es ist die entscheidende Ursache für Unwirtschaftlichkeiten. Wer wirtschaftlich arbeitet, wird in Zukunft durch Gewinne belohnt und kann diese vor allem behalten. Auf der anderen Seite führt Unwirtschaftlichkeit zu Verlusten. Aber die Solidargemeinschaft muß diese Verluste nicht mehr übernehmen.
    Wir werden ab 1995 schrittweise ein System der leistungsgerechten Entgelte einführen. Wenn wir den Übergang schon früher schaffen, so kann ich nur sagen, ist das der F.D.P. nur recht. Wichtig ist, daß wir echte Preise für Krankenhausleistungen bekommen. Wichtig ist auch, daß wir weiterhin Pflegesätze haben, die neben den Fallpauschalen und Sonderentgelten endlich trennen zwischen Hotelkosten oder Unterbringungskosten, Pflegekosten und medizinischen Kosten.
    Es bedarf im Krankenhaus schließlich eines schrittweisen Übergangs zur monistischen Finanzierung. Es muß die Möglichkeit geben, Rationalisierungsinvestitionen endlich anders durchzuführen und — die entscheidende Möglichkeit — private Gelder in Krankenhäusern zu investieren. Das ist vor allen Dingen eine Chance in den neuen Bundesländern. Hierauf wird mein Kollege Dr. Menzel noch näher eingehen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, ein zweiter wichtiger Bereich sind die Wahl- und Regelleistungen. Man kann in Zukunft nicht mehr für alles die Solidargemeinschaft in Anspruch nehmen. Luxus zu finanzieren gehört nicht zu den Aufgaben einer Solidarversicherung. Wer Wahlleistungen will, muß sie aus der eigenen Tasche bezahlen. Wahltarife werden angeboten. Ich würde mich freuen, wenn dies durch die private Versicherung erfolgen würde, damit hier eine klare Trennung bestehenbleibt. Dies ist für uns eine Wegweisung für die Zukunft; denn auf Dauer wird die Solidargemeinschaft, wie schon erwähnt wurde, nicht mehr alles finanzieren können.

    (Klaus Kirschner [SPD]: Das wird doch heute schon nicht gemacht!)

    Darum müssen wir in Regel- und Wahlleistungssysteme einsteigen.
    Wir haben trotz massivster Bedenken einer Absenkung der zahnprothetischen Honorare und der Preise für zahntechnische Leistungen zugestimmt. Dies war ein hoher politischer Preis für uns. Eine pauschale Honorarabsenkung bei einem freien Beruf ist ein schwerwiegender Eingriff.

    (Manfred Reiman [SPD]: Das muten Sie den Gewerkschaften doch jeden Tag zu!)

    Wir werden noch einmal sehr genau alle Auswirkungen prüfen. Niemandem, weder Zahnärzten noch Zahntechnikern, dürfen unzumutbare Opfer abverlangt werden. Eine 20 %ige Absenkung bei den prothetischen Leistungen und 10 % bei der Zahntechnik
    sind vorgesehen. Auf keinen Fall mehr! Wenn sich zeigen sollte, daß die Einsparvolumen überschritten werden, dann werden und müssen wir korrigieren.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Der dritte wesentliche Reformbestandteil des vorliegenden Gesetzespaktes ist der Arzneimittelbereich. Es wird von niemandem bestritten, daß in diesem Bereich Wirtschaftlichkeitsreserven vorhanden sind. Das hat vielfache Ursachen. Hier müssen wir dafür sorgen, daß die Arzneimittel medizinisch vernünftig verschrieben werden. Aber wir müssen auch dafür sorgen, daß die Therapiefreiheit erhalten wird. Darum bin ich froh, daß wir jetzt Gespräche führen, damit eine vernünftige Lösung mit den beteiligten Gruppen gefunden werden kann.
    Pharmaindustrie und Apotheker erbringen ebenfalls einen Solidarbeitrag. Im Laufe des Verfahrens bitte ich aber auch noch einmal in diesem Bereich die Einsparquoten genau zu definieren und festzulegen, damit wir ganz fundierte Daten haben, um die endgültigen politischen Entscheidungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren letztlich zu treffen.
    Für mich persönlich — das möchte ich betonen — ist die Einbeziehung der Selbstmedikation nicht unproblematisch.
    Meine Damen und Herren, leider läuft die Zeit ab.

    (Klaus Kirschner [SPD]: Für die Koalition läuft die Zeit ab! Das ist angesagt!)

    Ich hätte noch gerne einige Punkte vorgetragen. Ich möchte das Angebot des Gesundheitsministers an die SPD unterstützen: Die F.D.P. steht zu Gesprächen bereit. Die F.D.P. will mit Ihnen die einzelnen Themenbereiche abklopfen.
    Aber es gibt auch gewisse Bedingungen der F.D.P., Herr Dreßler. Das ist für uns das Thema Regionalisierung, und das ist für uns — ich glaube, Herr Dreßler, da liege ich mit Ihnen fast auf einer Linie — auch das Thema Finanzausgleich. Ich kann mich erinnern, daß Sie, Herr Dreßler, vor kurzer Zeit an irgendeiner Stelle gesagt haben, ein kassenartenübergreifender Finanzausgleich wäre nichts anderes als Verkleisterung.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wenn Sie bei dieser Auffassung blieben, würden wir uns sehr freuen. Wir stehen zu Gesprächen zur Verfügung.
    Eines möchte ich der Öffenlichkeit noch mitgeben — weil die Zeit nicht reicht, kann ich es nicht lange ausführen —: Die F.D.P. steht für alle zum Dialog bereit. Ich bitte alle Gruppen, die sich bisher benachteiligt fühlen oder sich ausgeklinkt haben: Suchen Sie das Gespräch mit uns! Das Gesetzgebungsverfahren läuft erst.

    (Klaus Kirschner [SPD]: Dann müßten die Patienten kommen!)

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Manfred Reimann [SPD]: 10 % sind halt etwas viel für die F.D.P.!)






Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächste spricht die Abgeordnete Dr. Ursula Fischer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ursula Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das GesundheitsStrukturgesetz verkörpert das jüngste Kapitel einer scheinbar unendlichen Big-Business-Geschichte. Je mehr sich die Medizin zum Big Business wandelte, desto ratloser wurden offensichtlich die Teilnehmer der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen.
    Die Politiker versuchten, der Expansion des medizinisch-industriellen Komplexes mit immer bürokratischeren Maßnahmen und dirigistischen Eingriffen beizukommen. So folgte einem Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz 1977 bald das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz. An das KrankenhausKostendämpfungsgesetz 1982 schloß sich das Gesetz zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung 1985 an. Und schon bald darauf, 1986, folgte die Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze. Diese wiederum wurde durch das GesundheitsReformgesetz modifiziert. Jetzt ist Minister Seehofers Gesundheits-Strukturgesetz an der Reihe.
    Bereits bevor der Referentenentwurf des Gesundheits-Strukturgesetzes vorlag, war so viel Verwirrung gestiftet worden, daß zumindest eines sicher sein konnte: Die Versicherten, um derentwillen ja all diese Anstrengungen unternommen werden, wissen nun gründlich gar nichts mehr. Sie werden und wurden zur Manövriermasse von Verbänden, Krankenkassen, kassenärztlichen Vereinigungen, Pharmaindustrie, Ärztekammern, Apotheken, Ärzten und Ärztinnen usw., usf. und selbstverständlich auch des Gesundheitsministeriums.
    Ich frage mich an dieser Stelle, ob das gewollt ist. Ich denke, ja. Das Sich-Berufen auf das Patientenwohl ist zu einem Argument geworden, welches dazu führt, daß nicht mehr sachlich diskutiert wird. Das tut mir persönlich leid. Überhaupt erinnert mich diese Debatte an die Debatte um § 218. Sie ist ähnlich emotional. Sachliche Überlegungen und Argumente bleiben auf der Strecke.
    Alles, was jetzt an politischen Forderungen aufgebaut ist und wird — da nehme ich den SPD-Antrag nicht aus —, ist unter dem Gesichtspunkt zu sehen, daß man die dargestellten Grundstrukturen nicht antastet, statt dessen jedem einzelnen aber sehr deutlich macht, worin sein Beitrag zu seiner Gesundheit und seiner Versorgung zu bestehen hat. Das ist das Dilemma, und das weiß Minister Seehofer natürlich auch. Er weiß auch, daß nur radikale Reformen des Gesundheitswesens das System vor dem Zusammenbruch retten können.
    Deutschland muß im übrigen die strukturellen Mängel des in 40 Jahren gewachsenen, wenig geplanten Gesundheitswesens in den alten Bundesländern beseitigen. Diese Struktur- und Finanzprobleme lassen sich eben nicht durch ein oder mehrere Reförmchen lösen. „Weil die Politiker den Kardinalfehler des Systems, die Ausschaltung von Marktmechanismen und den Ausschluß des Konsumenten, nicht behoben haben, folgte jedem staatlichen Eingriff prompt das Ausweichmanöver". Das ist ein Zitat eines westdeutschen Arztes, Dr. Hans Biermann, im „Stern" 37/92 und stammt nicht von mir.
    Patienten können nicht ausweichen. Dieser Kardinalfehler wird eben in keinem der vorgeschlagenen Schritte zur Reform auch nur angetastet.
    Ein paar Bemerkungen zum Gesundheits-Reformgesetz von 1988. Das sogenannte JahrhundertGesundheits-Reformgesetz von Minister Blüm konnte einen seiner Ansprüche erfüllen: Die Stabilität der Beitragssätze ist mittelfristig, nämlich zwei Jahre garantiert worden. Aber einzig und allein Patienten und Versicherte zahlten seitdem, abgesehen von ihren Kassenbeiträgen, über Zuzahlungen bei Zahnersatz, Hilfs- und Heilmitteln, Krankenhausaufenthalten und Medikamenten den Betrag, den die gesetzlichen Krankenkassen sonst als Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben verbuchen müssen. Das waren jährlich ungefähr 7 Milliarden DM, die den Versicherten und Patienten als zusätzliche Kosten auferlegt wurden. Bei den Leistungsanbietern wie Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten, Apothekern, der Pharmaindustrie und anderen wurde keine der im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen zur Ausschöpfung ihrer Wirtschaftlichkeitsreserven wirksam.
    Als ein weiterer Kostendämpfungsversuch geht das nunmehr auch von allen Politikern als gescheitert betrachtete Gesetz in die Geschichte ein, und möglicherweise wird es in einigen Jahren mit dem Gesundheits-Strukturgesetz ganz genauso sein.
    Einen Fakt sollte man an dieser Stelle ruhig sehr deutlich machen: Bei der Forderung nach Beitragsstabilität — das ist ja an und für sich etwas Gutes — geht es nicht primär um Interessen der Patienten, sondern es geht darum, daß die Arbeitgeber ihre Lohnnebenkosten so gering wie möglich halten können. Selbst mit dieser Forderung, die sehr logisch erscheint, vertritt die Bundesregierung eindeutig Arbeitgeberpolitik, Politik zugunsten des Kapitals und eben nicht unbedingt die Interessen der Patienten.
    Der Satz „Wir kämpfen um Beitragsstabilität" hört sich, wie gesagt, sehr schön populistisch an — der Minister hat das sehr klar ausgeführt —, bedeutet aber in der Realität, die wir vor uns haben, daß nur die Lohnnebenkosten so gering wie möglich gehalten werden und daß alle Kosten, die entstehen, in Privathaushalte verlagert werden, noch dazu in die der Kranken. Wer erzählt dies den Versicherten? Ich habe im übrigen überhaupt nichts vom Wegfall der Beitragsbemessungsgrenzen gehört; denn auch darüber sollte man sich unterhalten.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Um Krankheitsverhinderung als billigste Form der Gesundheitsversorgung kann es eben einfach nicht gehen, wenn feststeht, daß dieses Gesundheitswesen ein riesiger Markt ist, wo Profite realisiert werden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob diejenigen, die Profite realisieren wollen — das sagt ja auch unser Ausschußvorsitzender — überhaupt ein Interesse an Krankheitsverhinderung haben. Weil die Gesundheitsversorgung, wie sie organisiert ist, einen Markt



    Dr. Ursula Fischer
    darstellt, ist sie krankheitsfördernd und damit kostentreibend.

    (Zuruf des Abg. Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU])

    — Das hat nun wirklich nichts mit irgendwelchen sozialistischen Ideen zu tun.
    Ärztinnen und Ärzte in den neuen Bundesländern, nach ihrer Situation befragt, sagten: Wenn es meiner Praxis gutgeht, geht es mir psychisch schlecht. Wenn es mir psychisch gutgeht, dann geht es meiner Praxis schlecht. Diesen Satz halte ich für sehr aussagekräftig. Ich möchte ihn interpretieren: Wenn ich mich ärztlich verhalte, kann ich meinen Kredit bei der Anlage dieses Gesundheitswesens nicht abbezahlen.
    Der Patient wird somit zum Medium, das Kosten erzeugt, d. h. produziert. Je mehr Kosten ein Patient produziert, desto besser für meine Praxis. Ich sehe hierin eine sehr große Gefahr. So werden Patienten auch krankgemacht, und das alles unter dem Motto Patientenwohl. Mit Appellen an die Adresse der Ärztinnen und Ärzte ist da wenig zu bewegen, da die Zwänge nun einmal objektiv sind.
    Wenn Herr Minister Seehofer sagt, die Ärztinnen und Ärzte lügten wie gedruckt

    (Bundesminister Horst Seehofer: Das habe ich nicht gesagt!)

    — doch, das haben Sie in meiner Anwesenheit gesagt —, dann sind nicht vor allem die Ärztinnen und Ärzte anzuklagen, sondern das System, das sie dazu degradiert. Sie artikulieren eben ihre Meinung.
    Obwohl der Bundesregierung spätestens seit 1988 hätte klar sein müssen, daß das Gesundheitswesen selbst schwer krank ist, hinderte das die Gesundheitspolitiker der Koalition wider besseres Wissen beim Beitritt der DDR nicht daran, das Gesundheitswesen West dem Gesundheitssystem Ost einfach überzustülpen, und das, obwohl der damalige Arbeitsminister Blüm gefordert hatte — das verdient auch heute noch unsere Unterstützung —, einen qualitativen Ausbau des Gesundheitswesens durch Umbau zu erreichen.
    Deshalb lebten auch nach Beitritt der DDR zur BRD Hoffnungen auf, daß positive Ansätze — die gab es zweifelsohne — zu einer Strukturreform auch in den Altbundesländern führen könnten. Das war eine Illusion, denn gerade auch in diesem Bereich hat eine rigorose Anschlußpolitik nur dazu geführt, daß wir heute in den neuen Bundesländern mit ganz ähnlichen Bedingungen konfrontiert sind wie in allen Bundesländern.
    Das macht die Auseinandersetzung auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik sehr interessant; denn es gibt kaum noch Interessenunterschiede der Beteiligten in Ost und West, wobei ich nicht zum Ausdruck bringen möchte, daß es keine anderen Unterschiede gibt, die selbstverständlich ihre Berücksichtigung finden müssen. Also: vertane Chancen für Reformen in diesem Bereich.
    Zwei Jahre dauert nunmehr die Umstrukturierung in den neuen Ländern an, da beginnt mit Antritt des neuen Gesundheitsministers Seehofer ein erneuter Gesundheitsreformversuch, genannt GesundheitsStrukturgesetz. Dem Beitragszahler mutet das Gesundheits-Strukturgesetz „nur" weitere 3,2 Milliarden DM zu. Seit Ende der 70er Jahre schraubt sich damit die Selbstbeteiligung auf rund 15 Milliarden DM hoch— auch das sagt keiner —: 5,6 Milliarden DM nach den Kostendämpfungsbeschlüssen, 6,7 Milliarden DM durch das Gesundheits-Reformgesetz und 3,2 Milliarden DM durch das Gesundheits-Strukturgesetz. Das macht einen Schattenbeitrag von 1,3 % aus, der wohlgemerkt nur auf seiten der Versicherten entsteht. Da sich dieser Zusatzobolus vor allem bei chronisch Kranken und älteren Bürgerinnen und Bürgern konzentriert, ist die Belastung wieder sehr ungleichmäßig und deshalb auch ungerecht verteilt.
    Der Vorstoß von Herrn Seehofer, Einsparprogramme auf seiten der Leistungsanbieter zu realisieren, ist schon unterstützenswert, aber es gibt da Besonderheiten. Für mich ist es immer noch eine Art Schutzbehauptung, wenn man bereits jetzt verbreitet, daß bei den Krankenkassen in diesem Jahr rote Zahlen geschrieben werden. Mit dem im Einigungsvertrag festgelegten Beitragssatz von 12,8 % für Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben die Ostkassen seit 1990 sogar Reserven anlegen können. Das hat sehr unterschiedliche Gründe, bedeutet aber, daß das Gesundheits-Strukturgesetz in der jetzt vorliegenden Form die konkrete Situation der Leistungsanbieter, insbesondere der niedergelassenen Ärzte, und auch der Patienten der neuen Bundesländer völlig unberücksichtigt läßt. Wir lehnen es darum ab.
    In der zweiten Runde werde ich dann mit weiteren Details aufwarten.
    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)