Rede:
ID1210319300

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 16
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter: 1
    3. Kleinert,: 1
    4. das: 1
    5. Stichwort: 1
    6. „hinter: 1
    7. uns: 1
    8. bringen": 1
    9. veranlaßt: 1
    10. mich,: 1
    11. Sie: 1
    12. daran: 1
    13. zu: 1
    14. erinnern: 1
    15. —: 1
    16. —\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des ungarischen Parlaments 8785 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltspians fur das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Hans-Ulrich Klose SPD 8713B, 8761D Dr. Wolfgang Bötsch CDU/CSU 8721B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . 8725B, 8754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 8729 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 8730C Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8733 D Dr. Helmut Kohl Bundeskanzler BK 8736A, 8745C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8745 A Björn Engholm, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . . . 8746A, 8755B Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . 8750 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 8755C, 8762B Franz Müntefering SPD 8759 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA 8762 D Hans-Ulrich Klose SPD 8765 A Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 8766 A Ulrich Irmer F D P. 8767 D Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 8769 D Walter Kolbow SPD 8773 B Paul Breuer CDU/CSU 8775 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 8776 C Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 8778 B Dr. Sigrid Hoth F D P 8781 B Dr. Karl-Heinz Hornhues . . . . 8782C, 8798B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 8784 B Hans-Gerd Strube CDU/CSU 8786A Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 8787 B Carl-Ludwig Thiele F D P 8788 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 8790 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 8792 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU 8793 D Werner Zywietz F.D.P. . . . . . . . . 8794 D Dr. Ingomar Hauchler SPD 8795 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8796 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8799 B Ortwin Lowack fraktionslos 8800 C Ulrich Briefs fraktionslos 8802 B Rudolf Seiters, Bundesminister BMI . . 8804 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . 8806A, 8815C Gerd Wartenberg (Berlin) SPD 8809C Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 8813D Gerd Wartenberg (Berlin) SPD . . . 8817C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 8818C Ina Albowitz F D P 8820 B Freimut Duve SPD 8822A, 8826 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8822D, 8841 C Freimut Duve SPD 8823 C Karl Deres CDU/CSU 8824 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 8826 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 8829 A Dr. Hans de With SPD 8831 B Norbert Geis CDU/CSU 8834 B Dr. Hans de With SPD 8834 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 8836 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 8836D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 8838 C Dr. Michael Luther CDU/CSU 8840B Dr. Norbert Geis CDU/CSU 8842 D Tagesordnungspunkt 4: a) Fortsetzung der Beratung (Abstimmung) der Entschließungsanträge der Fraktion der SPD zum Nachtragshaushaltsgesetz 1992 (Drucksachen 12/2910, 12/2911) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/92 und 2 BvE 2/92 (Drucksache 12/3195) Ortwin Lowack fraktionslos (Erklärung nach § 31 GO) 8804 A Nächste Sitzung 8843 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8845* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude CDU/CSU . . . . 8845* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 8713 103. Sitzung Bonn, den 9. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 09. 09. 92*** Antretter, Robert SPD 09. 09. 92* Dr. Blank, CDU/CSU 09. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck, Lieselott SPD 09. 09. 92* Böhm (Melsungen), CDU/CSU 09. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 09. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 09. 09. 92 van Essen, Jörg F.D.P. 09. 09. 92*** Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Fuchs, Ruth PDS/LL 09. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 09. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 09. 09. 92 Haschke CDU/CSU 09.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Holtz, Uwe SPD 09. 09. 92*** Jaunich, Horst SPD 09. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 09. 09. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 09. 09. 92*** Oesinghaus, Günther SPD 09. 09. 92 Opel, Manfred SPD 09. 09. 92** Pfuhl, Albert SPD 09. 09. 92 Poß, Joachim SPD 09. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 09. 09. 92* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 09. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 09. 09. 92 Rempe, Walter SPD 09. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 09. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 09. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 09. 09. 92*** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 09. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 09. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 09. 09. 92*** Weyel, Gudrun SPD 09. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 09. 09. 92 Dr. Wieczorek CDU/CSU 09. 09. 92 (Auerbach), Bertram Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 09. 09. 92 Simon Zierer, Benno CDU/CSU 09. 09. 92* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude (CDU/CSU): Der einigungsbedingte Mehraufwand im Justizetat 1993 unterstreicht erneut den festen Willen von Regierung und Parlament, den Aufbau des Rechtsstaates weiter voranzutreiben und zu konsolidieren. Bei der Haushaltsdebatte 1991 wurde sehr zu Recht die schleppende Abwicklung von Gerichtsverfahren, die totale Überlastung der Grundbuch- und Katasterämter beklagt. Inzwischen hat sich trotz noch immer vorhandener Mängel auch vieles überaus positiv entwickelt. Wer hätte gedacht, daß nach den ersten Erfahrungen-wir mußten ja nach der Säuberung der alten DDR-Justiz in den meisten Bereichen bei Null anfangen - eine derart große Zahl von Juristen für die neuen Bundesländer gewonnen werden könnte. Erinnern wir uns: Es gab dort zur Zeit der Wende 1989 ganze 600 Rechtsanwälte, heute sind es immerhin schon 3 200. Das von der Bundesregierung initiierte Modell „Aufbau des Rechtsstaates" leistet nunmehr einen entscheidenden Beitrag zur Personalausstattung der Gerichte und Grundbuchämter in den neuen Ländern. War es 1991 noch ein Etatansatz von 117,4 Millionen DM, der nur mit 53,5 Millionen ausgenutzt werden konnte, so mußten wir bereits in diesem Jahr den vorgesehenen Betrag von 104,5 Millionen DM noch um Haushaltsreste aus 1991 von rund 19 Millionen DM für EDV-Maßnahmen aufstocken. Damit sind die Zielvorgaben per heute wie folgt verwirklicht worden: i. 1 000 Richter und Staatsanwälte, davon 820 tätig, 500 Rechtspfleger, davon 500 tätig. 2. Der Einsatz von pensionierten Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und Urkundsbeamten zeigt leider immer noch ein unbefriedigendes Ergebnis, obwohl bürokratische Hemmnisse beseitigt wurden. Statt der angestrebten Zahl von 500 sind es jetzt erst ganze 68. Man sollte also mehr für ein Seniorenmodell werben. 3. Die Bundesförderung für die Neueinstellung von Richtern, Rechtsanwälten, Rechtspflegern - insgesamt sollen es 300 sein -, wird von den neuen Ländern voll in Anspruch genommen. Diese Gesamtförderung wird 1993 mit 107,5 Millionen DM fortgesetzt, wobei wir die Unterstützung bei der EDV-Ausstattung der Grundbuchämter erneut mit einschließen. Natürlich besteht auch darüber hinaus für die Folgejahre noch Handlungsbedarf. Ich möchte aber heute auch allen danken, die in den neuen Bundesländern auf Dauer oder vorübergehend beim schwierigen Aufbau des Rechtsstaates mitwirken. Sie tragen entscheidend dazu bei, das Vertrauen in unseren Staat zu stärken. Für ganz Deutschland gilt gleiches Recht, und damit muß auch die gleiche Rechtswirklichkeit einhergehen. Allerdings müssen wir in diesem Zusammenhang auch einige selbstkritische Fragen stellen: - Was bremst und blockiert eigentlich den Wiederaufbau im 8846* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Osten? — Sind es nicht vielfach bürokratische Hemmnisse, ist es nicht vor allem unser Gesetzesperfektionismus, der schon den Wirtschaftsstandort Westdeutschland mehr als genug belastet? Insoweit muß dringend geprüft werden, ob und wie Maßnahmegesetze zur Beschleunigung — so wie im Verkehrsbereich — auch im Umwelt- und Baubereich für eine begrenzte Zeit einzuführen sind. Die Ungeduld und Unzufriedenheit vieler Landsleute mit bestimmten Verwaltungsabläufen ist verständlicherweise groß. Wir als Gesetzgeber sind darüber hinaus gefordert, bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts zügig fortzufahren. In den letzten 12 Monaten sind wir bereits ein gutes Stück vorangekommen. Ich nenne hier das 1. SED-Unrechts-Bereinigungsgesetz sowie das 2. Vermögensrechts-Änderungsgesetz. Es sind noch gesetzliche Regelungen zur Wiedergutmachung von Berufs- und Verwaltungsunrecht zu beschließen und vor allem das in Kürze vorliegende Entschädigungsgesetz. Die Erwartung aller Betroffenen ist in diesem Bereich besonders groß. Die Höhe der Entschädigung bei Unmöglichkeit der Rückgabe — gleich aus welchen Gründen — muß sich leider auch an den finanziellen Möglichkeiten orientieren. Dasselbe gilt für die Ausgleichsleistungen für besatzungsrechtliche Enteignungen in der Zeit von 1945 bis 1949. Die Anerkennung der Bodenreform auf Grund der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und _des Einigungsvertrages stellen für den betroffenen Personenkreis eine besondere Härte dar. Die Rückgabe des oft unter unvorstellbaren Bedingungen enteigneten Besitzes wurde ausgeschlossen, obwohl gerade im Bereich der Land- und Forstwirtschaft oft noch wesentliche Teile des Altbesitzes für eine Rückübertragung verfügbar wären. Es ist deshalb dringend geboten, den Anspruch von Alteigentümern auf das geplante Wiedereinrichtermodell ausdrücklich festzuschreiben. Für die nach 1949 Enteigneten sollte noch einmal überprüft werden, ob das bisher geltende Wahlrecht: Rückgabe oder Entschädigung nicht auch künftig beizubehalten ist, da bereits Fälle bekannt wurden, wo Anspruchsberechtigte im Vertrauen auf das geltende Vermögensgesetz freiwillig auf ihren Besitz verzichtet haben, um kommunale Planungen zu ermöglichen. Wichtig ist auch, daß Vertriebene vor allem jenseits von Oder und Neiße, die nach 1945 ihren ständigen Aufenthalt in der früheren DDR genommen haben, eine einmalige Zuwendung von 4 000 DM erhalten sollen, da sie von der in Westdeutschland durchgeführten Lastenausgleichsregelung nicht begünstigt wurden. Zur sozialen Gerechtigkeit gehört selbstverständlich, daß mit dem geplanten Entschädigungsgesetz bei Rückgabe von Vermögenswerten auch der gezahlte Lastenausgleich zurückzuzahlen ist und daß darüber hinaus wegen des Ungleichgewichts zwischen Sachwert bei Rückgabe und Entschädigung eine Vermögensabgabe erhoben werden soll. Zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts gehört ferner, daß die Verfolgung von Regierungskriminalität zügig vorangetrieben wird. Bund und Länder hatten vereinbart, 60 Staatsanwälte zum Kammergericht nach Berlin zu delegieren. Als einziges Bundesland hat das Saarland sich bisher geweigert, seinen Anteil, der sowieso nur aus einem Staatsanwalt besteht, zu leisten. Ein vergleichbar unwürdiges Verhalten konnte man übrigens auch bei anderen SPD-regierten Ländern in der Vergangenheit bereits feststellen, wenn es um die Finanzierung der zentralen Dokumentationsstelle Salzgitter ging. Die Mitarbeiter dieser Einrichtung haben in vorbildlicher Weise Unrechtstatbestände ermittelt und die dafür Verantwortlichen festgestellt. Großen Unmut in der Bevölkerung gibt es verständlicherweise über Fälle von Bereicherung in der früheren DDR, die bis heute nicht rückgängig gemacht wurden. Einige Beispiele dafür hat BILD am Sonntag gerade in der letzten Ausgabe dargestellt. Da wird Herr Diestel ebenso erwähnt wie sein damaliger Stellvertreter Müller, aber auch eine Reihe von Generälen der NVA, u. a. der Chef der DDR-Grenztruppen sowie der frühere Polizeipräsident von Berlin. Bei beiden stellt sich übrigens nicht nur die Frage der Überprüfung der Grundstücksgeschäfte, sondern auch nach deren strafrechtlicher Verantwortung auf Grund ihrer früheren Tätigkeit. Die Reformaufgaben der Justiz werden — wenn auch nicht im gleichen Tempo wie in den vergangenen Jahren — fortgeführt. Dabei steht volumenmäßig die Überprüfung des Nichtehelichenrechts im Vordergrund. Das Justizministerium muß aber jetzt mit besonderer Priorität Änderungen im Ausländer- und Asylrecht vorbereiten. Die Erfahrungen der letzten Monate, insbesondere der letzten Wochen, zeigen, mit welcher Dringlichkeit auch eine Grundgesetzänderung zum Schutz des Asylrechts und gegen den ungezügelten Mißbrauch durch Wirtschaftsflüchtlinge erfolgen muß. Abschließend möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesjustizministerium bedanken, die auch in diesem Jahr in besonderer Weise Mehrarbeit für den Aufbau des Rechtsstaats in den neuen Bundesländern zu leisten hatten.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Detlef Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Sommerpause ist ja nicht nur Pause,

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Sondern auch Sommer!)

    sondern in dieser Zeit gibt es mehr Möglichkeiten, einmal in die Kreisverbände zu fahren und zuzuhören, was den Bürger drückt, als wir uns das hier in den Sitzungswochen — mit immer noch zunehmender Tendenz — gönnen. Ob diese Tendenz irgendwelchen zusätzlichen Nutzen bringt, mag dahingestellt sein. Jedenfalls kann man bei dieser Gelegenheit lernen, daß es uns ja vielleicht gut gefallen würde, uns einmal über das Insolvenzrecht zu unterhalten, über so richtig wissenschaftlich interessante und auch für die Rechtspolitik hochwichtige Themen von sachlichem Gehalt, fern von Schlagworten und fern von ständigen Angriffen einer zu Recht überreizten Bevölkerung.
    Aber die Verhältnisse, die sind nicht so. Deshalb ist es wohl auch angemessen, am Beginn einiger Bemerkungen zu der rechtspolitischen Debatte wieder auf



    Detlef Kleinert (Hannover)

    das Asylthema zu sprechen zu kommen, denn es hat nun einmal erste Priorität, und so genau sind an dieser Stelle Innen- und Rechtspolitik wahrlich nicht voneinander zu trennen.
    Etwas ist mir — diese Ahnung hat mich schon früher des öfteren dumpf beschlichen — im Zusammenhang mit den Unterhaltungen mit den Bürgern deutlich geworden. Hier gehen wir ja anschließend aus dem Plenum, sitzen dann an den dafür bestimmten Orten und rechnen uns aus, wer wohl in der Debatte einen Punktgewinn bei dem ungewöhnlich geschickten Versuch erzielt hat, dem anderen nachzuweisen, was er gerade mal wieder falsch gemacht hat, handele es sich nun um ein Vollzugsdefizit, um eine noch ausstehende Regelung oder etwas anderes dieser Art. Wenn einer es dann noch so schön formuliert, wie die Kollegen von der Opposition das natürlich können, dann sagen Sie sich hinterher: Heute haben wir aber einen eindeutigen Etappensieg errungen, einen Punktsieg in der Gegend von 18 :17 oder 17 :14 wie beim Basketballspiel.

    (Dr. Hans de With [SPD]: Da sind die Punktzahlen aber sehr viel höher!)

    Dann sind Sie ganz zufrieden, daß Sie aus einer solchen Debatte einen Punktsieg nach Hause tragen.
    Dasselbe gilt natürlich auch für uns. Ich will nicht behaupten, wir seien davon frei, und es handele sich nur um Ihr Hobby. Nein, alle hier im Hause tun das. Wir alle sind doch schon bei den anschließenden Diskussionen dabei gewesen.
    Wissen Sie, was die lautere Wahrheit ist? Die Leute sagen nicht, die oder jene waren in der Debatte besser bzw. die oder jene haben zu irgendeiner Einzelfrage besonders schön herausgearbeitet, daß die anderen nicht recht hatten, sondern die Leute sagen: Die da in Bonn kriegen es nicht hintereinander. Und damit sind wir alle gemeint! Nichts von Punkten, nichts von Teilerfolgen; wir alle sind es, die nicht hintereinanderbekommen, was die Menschen drückt und quält und kneift.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Dr. Uwe Küster [SPD]: Dann machen Sie doch einmal vernünftige Vorschläge!)

    — Es war bei Ihnen auch nicht so üppig. Aber ich bin ja bereit, Ihnen dazu etwas zu sagen.
    Wir laufen nun seit 20 Jahren der Entwicklung hinterher, weil wir uns irgendwann einmal gewisse dogmatische Grundsätze eingesungen haben. Dann wird es zur Regel: Dieses und jenes darf man nicht mehr tun, über dieses und jenes wird nicht gesprochen.
    Es gibt hier im Hause und überhaupt in unserem politischen Leben Tabuisierungen und Dogmatisierungen. Dazu gehört natürlich auch und gerade Art. 16 des Grundgesetzes. Dann verstellt man sich überhaupt den Blick dafür, daß wir nicht mehr logisch denken, und zwar schon seit vielen Jahren nicht mehr logisch denken. Wir sind der Entwicklung hinterhergelaufen, häufig noch im Streit zwischen Rechts- und Innenpolitikern. Die Rechtspolitiker wollten immer etwas mehr Rechtsstaatlichkeit, Rechtsgarantien — dazu gehören auch Rechtswege — erhalten. Die Innenpolitiker haben sich mehr für die Lösung des praktischen Problems interessiert.
    Aber bei allem, was wir gemacht haben, sind wir der Entwicklung hinterhergehinkt. Wir haben sie nie eingeholt. Es sind immer mehr Asylbewerber gekommen, obwohl wir uns jedesmal gedacht hatten: Wenn wir das jetzt machen, werden es weniger, und bei weniger Bewerbern kommen die Verfahren besser in Gang, so daß sich alles zum Guten wenden wird.
    Nein, es hat sich immer mehr zum Schlechteren gewendet, weil sich nach wie vor zu Recht weltweit herumspricht, daß man auf Grund gewisser rechtlicher Regeln bei uns — die diejenigen, die hierherkommen, wahrscheinlich noch weniger verstehen als unsere Bürger, denen es auch schon Hekuba genug ist — hier erst einmal einreisen und dann lange dableiben kann. Zum Schluß ist dann keiner mehr bereit, Konsequenzen zu ziehen, die unsere Rechtsordnung an und für sich vorsieht.
    Diesen Zustand nehmen wir hin. Dabei haben wir uns — deshalb sagte ich: unlogisch — dazu hinreißen lassen, das Prinzip, die Theorie der Rechtsstaatlichkeit bis zur Unkenntnis zu verstümmeln. Wir freuen uns, daß wir nach wie vor einen Individualanspruch gewähren und diesen nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes mit Rechtsgarantien verfolgen lassen. Daß dies alles in Wirklichkeit gar nicht mehr stattfindet, sondern nur noch formal, nehmen wir bewußt nicht zur Kenntnis, damit nur ja nicht unsere Idee zusammenbricht, wir hätten es ja immer noch rechtsstaatlich geregelt.
    Teilen Sie doch einmal die Zahl der Verfahren durch die Zahl der Bearbeiter und die Zahl der Richter. Rechnen Sie sich auf diese Weise einmal aus, wie viele Minuten auf die „gründliche rechtsstaatliche Prüfung" bei diesem rechtsstaatlichen Verfahren, das wir uns hier gegönnt haben, entfallen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Zahlen wären interessant, ja!)

    Dann müssen Sie doch zu dem Ergebnis kommen, daß wir nicht konsequent und nicht hart genug denken und nicht konsequent genug miteinander reden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Das ist auch Rechtspolitik.

    Wir haben uns das auch so angewöhnt, daß wir es nicht gern ändern möchten. Wir haben es uns angewöhnt, immer noch zu denken: Vielleicht wird es sich nach der nächsten Ecke doch wenden, und dann kann auf einmal der Ansturm nicht mehr so groß sein. Nein, wir machen uns da ständig und immer wieder etwas vor.
    Mit den Krawallen, die stattgefunden haben, hat das für mich überhaupt nichts zu tun. Diejenigen, die in diesem Lande Krawalle machen wollen, suchen sich ihre Anlässe. Sie werden sie an den merkwürdigsten Plätzen und bei den merkwürdigsten Themen finden. Sie versuchen, etwas zu finden, mit dem eine gewisse Duldung oder gar eine leise Sympathie in Teilen der Bevölkerung verbunden ist. Aber wenn es das nicht gäbe, würden sie immer noch Krawall machen.



    Detlef Kleinert (Hannover)

    Deshalb glaube ich nicht, daß wir wegen irgendeines jüngsten Ereignisses, so dramatisch und ärgerlich — nicht nur ärgerlich, sondern wirklich sehr tragisch — die Dinge gewesen sind und noch zu werden drohen, einen Grund hätten, die Asyldiskussion neu aufzunehmen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Nein, ich nehme sie auf, nachdem wir uns 20 Jahre lang etwas vorgemacht haben. Wir haben es einfach nicht geschafft. Das müssen wir endlich einsehen. Das geschieht in geheimen Kränzchen ja auch. Nun fragen die, die an den geheimen Kränzchen beteiligt sind, die stolz darauf sind, daß sie dazugehören und daß sie auch so schön den Mund halten können,

    (Dr. Hans de With [SPD]: Anwesende ausgenommen!)

    die jeweils anderen nach ihren Vorschlägen, über die sie seit Wochen schon dauernd reden. Das ist ja auch nicht ganz korrekt.

    (Beifall bei der F.D.P. — Dr. Hans de With [SPD]: Der hat große Erfahrung!)

    Es kommt irgendwann der Punkt, an dem der harte Satz greift: Der Erfolg ist das objektive Urteil über die subjektive Arbeitsmethode. Damit sieht es bei uns in dieser Angelegenheit düster aus.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: So ist es!)

    Deshalb werden wir uns mit etwas mehr Offenheit — nicht mit dem Versuch, Scharzer Peter zu spielen, uns hinterher hier die Punkte vorzurechnen und uns etwas in die Tasche zu lügen, sondern mit dem Ziel, ein Ergebnis zu erreichen — unterhalten müssen.
    Meine Vorschläge sind jetzt auch nicht so sehr konkret. Ich wollte Ihnen eigentlich keine Formulierung für etwaige Grundgesetzänderungen vorlegen. Ich weiß auch, wie sie aussehen, obwohl das alles so schrecklich geheim ist. Es gibt sicher noch bessere; die werden wir auch herausfinden. Nur, eines steht fest: Daß die Idee, „Das Nähere regeln die Gesetze" zu formulieren, nicht das Gelbe vom Ei war, wie man so schön sagt.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Das fällt auch schon wieder unter das SchwarzerPeter-Spiel; darum tue ich es gleich wieder weg, nachdem ich meinen Spaß gehabt habe, und sage Ihnen: Wir können uns hier keine Späße mehr leisten.
    Es tut mir sehr leid, daß ich heute abend über dieses Thema sprechen mußte. Ich wollte uns allen noch einmal vor Augen führen, daß wir wirklich nicht verstanden werden und daß wir in einem Boot sitzen, einschließlich der Opposition.

    (Zuruf des Abg. Otto Schily [SPD])

    Es haben etliche bei Ihnen, mit zunehmender Tendenz, die Sache verstanden. Herr Schily, ich habe vorhin an einer, so glaube ich, sehr beachtlichen Stelle Ihren Gesichtsausdruck und Ihre Mimik ganz richtig verstanden.

    (Otto Schily [SPD]: Ja, haben Sie?) Sie können so scharf denken, wie wir alle zusammen es in dieser ganzen Angelegenheit schon länger hätten tun sollen.


    (Otto Schily [SPD]: Ich bin neugierig!)

    Wir müssen sehen, daß wir diese Sache jetzt hinter uns bringen, damit wir uns das nächste Mal wieder mit einer Reihe von den etwas pfleglicheren Themen, die uns so schön verbinden und bei denen man sich in der Rechtspolitik wohlfühlen kann, beschäftigen können.


Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter Kleinert, das Stichwort „hinter uns bringen" veranlaßt mich, Sie daran zu erinnern — —

(Heiterkeit)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Detlef Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Aber vor diesen Preis haben die Götter den Schweiß gesetzt.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)