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    Plenarprotokoll 12/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des ungarischen Parlaments 8785 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltspians fur das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Hans-Ulrich Klose SPD 8713B, 8761D Dr. Wolfgang Bötsch CDU/CSU 8721B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . 8725B, 8754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 8729 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 8730C Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8733 D Dr. Helmut Kohl Bundeskanzler BK 8736A, 8745C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8745 A Björn Engholm, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . . . 8746A, 8755B Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . 8750 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 8755C, 8762B Franz Müntefering SPD 8759 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA 8762 D Hans-Ulrich Klose SPD 8765 A Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 8766 A Ulrich Irmer F D P. 8767 D Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 8769 D Walter Kolbow SPD 8773 B Paul Breuer CDU/CSU 8775 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 8776 C Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 8778 B Dr. Sigrid Hoth F D P 8781 B Dr. Karl-Heinz Hornhues . . . . 8782C, 8798B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 8784 B Hans-Gerd Strube CDU/CSU 8786A Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 8787 B Carl-Ludwig Thiele F D P 8788 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 8790 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 8792 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU 8793 D Werner Zywietz F.D.P. . . . . . . . . 8794 D Dr. Ingomar Hauchler SPD 8795 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8796 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8799 B Ortwin Lowack fraktionslos 8800 C Ulrich Briefs fraktionslos 8802 B Rudolf Seiters, Bundesminister BMI . . 8804 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . 8806A, 8815C Gerd Wartenberg (Berlin) SPD 8809C Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 8813D Gerd Wartenberg (Berlin) SPD . . . 8817C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 8818C Ina Albowitz F D P 8820 B Freimut Duve SPD 8822A, 8826 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8822D, 8841 C Freimut Duve SPD 8823 C Karl Deres CDU/CSU 8824 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 8826 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 8829 A Dr. Hans de With SPD 8831 B Norbert Geis CDU/CSU 8834 B Dr. Hans de With SPD 8834 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 8836 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 8836D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 8838 C Dr. Michael Luther CDU/CSU 8840B Dr. Norbert Geis CDU/CSU 8842 D Tagesordnungspunkt 4: a) Fortsetzung der Beratung (Abstimmung) der Entschließungsanträge der Fraktion der SPD zum Nachtragshaushaltsgesetz 1992 (Drucksachen 12/2910, 12/2911) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/92 und 2 BvE 2/92 (Drucksache 12/3195) Ortwin Lowack fraktionslos (Erklärung nach § 31 GO) 8804 A Nächste Sitzung 8843 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8845* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude CDU/CSU . . . . 8845* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 8713 103. Sitzung Bonn, den 9. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 09. 09. 92*** Antretter, Robert SPD 09. 09. 92* Dr. Blank, CDU/CSU 09. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck, Lieselott SPD 09. 09. 92* Böhm (Melsungen), CDU/CSU 09. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 09. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 09. 09. 92 van Essen, Jörg F.D.P. 09. 09. 92*** Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Fuchs, Ruth PDS/LL 09. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 09. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 09. 09. 92 Haschke CDU/CSU 09.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Holtz, Uwe SPD 09. 09. 92*** Jaunich, Horst SPD 09. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 09. 09. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 09. 09. 92*** Oesinghaus, Günther SPD 09. 09. 92 Opel, Manfred SPD 09. 09. 92** Pfuhl, Albert SPD 09. 09. 92 Poß, Joachim SPD 09. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 09. 09. 92* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 09. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 09. 09. 92 Rempe, Walter SPD 09. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 09. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 09. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 09. 09. 92*** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 09. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 09. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 09. 09. 92*** Weyel, Gudrun SPD 09. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 09. 09. 92 Dr. Wieczorek CDU/CSU 09. 09. 92 (Auerbach), Bertram Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 09. 09. 92 Simon Zierer, Benno CDU/CSU 09. 09. 92* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude (CDU/CSU): Der einigungsbedingte Mehraufwand im Justizetat 1993 unterstreicht erneut den festen Willen von Regierung und Parlament, den Aufbau des Rechtsstaates weiter voranzutreiben und zu konsolidieren. Bei der Haushaltsdebatte 1991 wurde sehr zu Recht die schleppende Abwicklung von Gerichtsverfahren, die totale Überlastung der Grundbuch- und Katasterämter beklagt. Inzwischen hat sich trotz noch immer vorhandener Mängel auch vieles überaus positiv entwickelt. Wer hätte gedacht, daß nach den ersten Erfahrungen-wir mußten ja nach der Säuberung der alten DDR-Justiz in den meisten Bereichen bei Null anfangen - eine derart große Zahl von Juristen für die neuen Bundesländer gewonnen werden könnte. Erinnern wir uns: Es gab dort zur Zeit der Wende 1989 ganze 600 Rechtsanwälte, heute sind es immerhin schon 3 200. Das von der Bundesregierung initiierte Modell „Aufbau des Rechtsstaates" leistet nunmehr einen entscheidenden Beitrag zur Personalausstattung der Gerichte und Grundbuchämter in den neuen Ländern. War es 1991 noch ein Etatansatz von 117,4 Millionen DM, der nur mit 53,5 Millionen ausgenutzt werden konnte, so mußten wir bereits in diesem Jahr den vorgesehenen Betrag von 104,5 Millionen DM noch um Haushaltsreste aus 1991 von rund 19 Millionen DM für EDV-Maßnahmen aufstocken. Damit sind die Zielvorgaben per heute wie folgt verwirklicht worden: i. 1 000 Richter und Staatsanwälte, davon 820 tätig, 500 Rechtspfleger, davon 500 tätig. 2. Der Einsatz von pensionierten Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und Urkundsbeamten zeigt leider immer noch ein unbefriedigendes Ergebnis, obwohl bürokratische Hemmnisse beseitigt wurden. Statt der angestrebten Zahl von 500 sind es jetzt erst ganze 68. Man sollte also mehr für ein Seniorenmodell werben. 3. Die Bundesförderung für die Neueinstellung von Richtern, Rechtsanwälten, Rechtspflegern - insgesamt sollen es 300 sein -, wird von den neuen Ländern voll in Anspruch genommen. Diese Gesamtförderung wird 1993 mit 107,5 Millionen DM fortgesetzt, wobei wir die Unterstützung bei der EDV-Ausstattung der Grundbuchämter erneut mit einschließen. Natürlich besteht auch darüber hinaus für die Folgejahre noch Handlungsbedarf. Ich möchte aber heute auch allen danken, die in den neuen Bundesländern auf Dauer oder vorübergehend beim schwierigen Aufbau des Rechtsstaates mitwirken. Sie tragen entscheidend dazu bei, das Vertrauen in unseren Staat zu stärken. Für ganz Deutschland gilt gleiches Recht, und damit muß auch die gleiche Rechtswirklichkeit einhergehen. Allerdings müssen wir in diesem Zusammenhang auch einige selbstkritische Fragen stellen: - Was bremst und blockiert eigentlich den Wiederaufbau im 8846* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Osten? — Sind es nicht vielfach bürokratische Hemmnisse, ist es nicht vor allem unser Gesetzesperfektionismus, der schon den Wirtschaftsstandort Westdeutschland mehr als genug belastet? Insoweit muß dringend geprüft werden, ob und wie Maßnahmegesetze zur Beschleunigung — so wie im Verkehrsbereich — auch im Umwelt- und Baubereich für eine begrenzte Zeit einzuführen sind. Die Ungeduld und Unzufriedenheit vieler Landsleute mit bestimmten Verwaltungsabläufen ist verständlicherweise groß. Wir als Gesetzgeber sind darüber hinaus gefordert, bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts zügig fortzufahren. In den letzten 12 Monaten sind wir bereits ein gutes Stück vorangekommen. Ich nenne hier das 1. SED-Unrechts-Bereinigungsgesetz sowie das 2. Vermögensrechts-Änderungsgesetz. Es sind noch gesetzliche Regelungen zur Wiedergutmachung von Berufs- und Verwaltungsunrecht zu beschließen und vor allem das in Kürze vorliegende Entschädigungsgesetz. Die Erwartung aller Betroffenen ist in diesem Bereich besonders groß. Die Höhe der Entschädigung bei Unmöglichkeit der Rückgabe — gleich aus welchen Gründen — muß sich leider auch an den finanziellen Möglichkeiten orientieren. Dasselbe gilt für die Ausgleichsleistungen für besatzungsrechtliche Enteignungen in der Zeit von 1945 bis 1949. Die Anerkennung der Bodenreform auf Grund der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und _des Einigungsvertrages stellen für den betroffenen Personenkreis eine besondere Härte dar. Die Rückgabe des oft unter unvorstellbaren Bedingungen enteigneten Besitzes wurde ausgeschlossen, obwohl gerade im Bereich der Land- und Forstwirtschaft oft noch wesentliche Teile des Altbesitzes für eine Rückübertragung verfügbar wären. Es ist deshalb dringend geboten, den Anspruch von Alteigentümern auf das geplante Wiedereinrichtermodell ausdrücklich festzuschreiben. Für die nach 1949 Enteigneten sollte noch einmal überprüft werden, ob das bisher geltende Wahlrecht: Rückgabe oder Entschädigung nicht auch künftig beizubehalten ist, da bereits Fälle bekannt wurden, wo Anspruchsberechtigte im Vertrauen auf das geltende Vermögensgesetz freiwillig auf ihren Besitz verzichtet haben, um kommunale Planungen zu ermöglichen. Wichtig ist auch, daß Vertriebene vor allem jenseits von Oder und Neiße, die nach 1945 ihren ständigen Aufenthalt in der früheren DDR genommen haben, eine einmalige Zuwendung von 4 000 DM erhalten sollen, da sie von der in Westdeutschland durchgeführten Lastenausgleichsregelung nicht begünstigt wurden. Zur sozialen Gerechtigkeit gehört selbstverständlich, daß mit dem geplanten Entschädigungsgesetz bei Rückgabe von Vermögenswerten auch der gezahlte Lastenausgleich zurückzuzahlen ist und daß darüber hinaus wegen des Ungleichgewichts zwischen Sachwert bei Rückgabe und Entschädigung eine Vermögensabgabe erhoben werden soll. Zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts gehört ferner, daß die Verfolgung von Regierungskriminalität zügig vorangetrieben wird. Bund und Länder hatten vereinbart, 60 Staatsanwälte zum Kammergericht nach Berlin zu delegieren. Als einziges Bundesland hat das Saarland sich bisher geweigert, seinen Anteil, der sowieso nur aus einem Staatsanwalt besteht, zu leisten. Ein vergleichbar unwürdiges Verhalten konnte man übrigens auch bei anderen SPD-regierten Ländern in der Vergangenheit bereits feststellen, wenn es um die Finanzierung der zentralen Dokumentationsstelle Salzgitter ging. Die Mitarbeiter dieser Einrichtung haben in vorbildlicher Weise Unrechtstatbestände ermittelt und die dafür Verantwortlichen festgestellt. Großen Unmut in der Bevölkerung gibt es verständlicherweise über Fälle von Bereicherung in der früheren DDR, die bis heute nicht rückgängig gemacht wurden. Einige Beispiele dafür hat BILD am Sonntag gerade in der letzten Ausgabe dargestellt. Da wird Herr Diestel ebenso erwähnt wie sein damaliger Stellvertreter Müller, aber auch eine Reihe von Generälen der NVA, u. a. der Chef der DDR-Grenztruppen sowie der frühere Polizeipräsident von Berlin. Bei beiden stellt sich übrigens nicht nur die Frage der Überprüfung der Grundstücksgeschäfte, sondern auch nach deren strafrechtlicher Verantwortung auf Grund ihrer früheren Tätigkeit. Die Reformaufgaben der Justiz werden — wenn auch nicht im gleichen Tempo wie in den vergangenen Jahren — fortgeführt. Dabei steht volumenmäßig die Überprüfung des Nichtehelichenrechts im Vordergrund. Das Justizministerium muß aber jetzt mit besonderer Priorität Änderungen im Ausländer- und Asylrecht vorbereiten. Die Erfahrungen der letzten Monate, insbesondere der letzten Wochen, zeigen, mit welcher Dringlichkeit auch eine Grundgesetzänderung zum Schutz des Asylrechts und gegen den ungezügelten Mißbrauch durch Wirtschaftsflüchtlinge erfolgen muß. Abschließend möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesjustizministerium bedanken, die auch in diesem Jahr in besonderer Weise Mehrarbeit für den Aufbau des Rechtsstaats in den neuen Bundesländern zu leisten hatten.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Karl Deres


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Duve, ich habe erst den ersten Teil meiner Ausführungen zur Frage der Kulturhoheit dargelegt.
    Ich habe soeben sehr gut zugehört. Der Minister hat von Kulturerbe gesprochen, und Sie haben von Kulturleben gesprochen. Jetzt stelle ich Ihnen eine Gegenfrage, die Sie aber nicht beantworten müssen. Ich darf es also in Frageform kleiden. Würden Sie es auch als kulturelles Leben und Förderung des kulturellen Lebens bezeichnen, wenn die kommunistische, kulturell hochstehende Jugendweihe auch in Zukunft weiterhin mit AB-Maßnahmen unterstützt wird?

    (Gerd Wartenberg [Berlin] [SPD]: Nicht nur Kommunisten, auch Freidenker gibt es ja!)

    — Gut.

    (Freimut Duve [SPD]: Ich habe nicht mit solcher Polemik über die Kultur gesprochen!)

    Ich will Ihnen nur sagen, daß es sehr kritische und schwierige Stellungnahmen auch aus dem Kunst- und Kulturbereich in Einzelfällen gibt, daß wir das Wort Substanzerhaltungsprogramm im Grunde genommen sehr ernst nehmen wollen, daß wir etwas tun wollen, aber daß wir das nicht auf Dauer tun können.
    Herr Duve, Sie müssen sich die Diskussion im einzelnen vergegenwärtigen. Sie müssen sehen, daß Sie Lander unter Druck setzen müssen, daß sie ihre Anteile von 25 % in einen bestimmten Fonds zahlen. Wir haben bittere Erfahrungen in dem Bereich, gerade was diesen Punkt angeht.
    Ich komme in Zeitverlegenheit. Ich bin der Meinung, daß wir die Ansätze bis in die Liste der Objekte hinein besonders kritisch prüfen müssen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt, um es nicht zur Daueraufgabe werden zu lassen.
    Ich weise Sie abschließend in einem letzten Satz darauf hin, daß bei uns Berichterstattern vor der Türe andere gesellschaftliche Gruppen stehen, sich unter Berufung auf Kunst und Kultur bei uns um diese außergewöhnlich hohe Förderung bemühen und bitten, daß sie genauso behandelt werden. Das ist dann ein Problem für uns Haushälter.
    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Schmidt (Salzgitter).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wilhelm Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns im Lauf des heutigen Tages mehrfach bemüht, über die Überwindung von Perspektivlosigkeit in diesem Lande, insbesondere bei der jungen Generation, zu sprechen. Ich denke, deswegen ist es gut, wenn zwar zum Schluß, aber immerhin, doch noch mit einem speziellen Redebeitrag auf den wichtigen Bereich des Sports eingegangen wird, der 24 Millionen und mehr Menschen in diesem Lande unter



    Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

    seinen Dächern versammelt und dafür sorgt, daß gerade diesen Menschen eine Perspektive gegeben wird.
    Wir haben uns in der Rolle der Politik hier daran zu orientieren, daß wir zum einen die Autonomie des Sports akzeptieren und anerkennen, zum anderen nicht in der Rolle sind, nur stiller Finanzier zu sein, sondern im Sport auch zur Orientierung beitragen und uns zur Klärung von Strukturen und zur Anpassung an moderne Zeiterscheinungen äußern.
    Wir haben in den 70er und 80er Jahren bedauerlicherweise an vielen Stellen einen solchen Prozeß nicht wahrgenommen und ihn oft verdrängt oder geradezu verschlafen. Dies kann nicht ohne Folgen bleiben, zumal dann, wenn es zu einer Verschärfung kommt. Wir werden wahrscheinlich die Folgen leider zu spüren bekommen. Daher müssen wir sehr schnell und sehr konkret gegen solche Entwicklungen angehen.
    Der Haushalt 1993 und die Arbeit der Regierung werden diesem Anspruch bedauerlicherweise nicht gerecht. Ich sehe dabei nicht nur die vielfältigen ungelösten Fragen beispielsweise der künftigen Finanzierung des Sports, sondern auch die Fragen der Nachwuchsförderung, die Fragen der Qualitätssicherung auch im Leistungssport und natürlich den Kampf gegen die Leistungsmanipulation.
    Um zu differenzieren: Die Finanzierung des Sports mit Hilfe öffentlicher Kassen wird immer schwieriger, und wir wissen dies. Dennoch ist die Aussicht auf eine Umgestaltung der Finanzierungsinstrumente beispielsweise in der Form, daß die Aktivierung kommerzieller Einnahmen erfolgt, nicht in dem Maße zu spüren, wie es notwendig wäre.
    Wir brauchen auch in diesem Zusammenhang — ich erinnere an meine Rede an dieser Stelle vor einem Jahr — Solidaritätsregelungen. Wenn dies dem Sport nicht selbst in eigener Verantwortung gelingt, erinnere ich an das, was auch der Vorgänger des jetzigen Innenministers in seiner Eigenschaft als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU inzwischen Gott sei Dank aufgegriffen hat: Wir müssen notfalls über eine Sportvermarktungsabgabe nachdenken, wenn wir das nicht in den Griff bekommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es kann ja wohl nicht angehen, daß die Vermarktungsrechte in einer Weise umgesetzt und kommerzialisiert werden, daß es geradezu explodiert. Der Staat hat mit 25 Milliarden DM an Kosten für die Verkabelung seinen Beitrag als Grundlage dafür geleistet, und wir haben am Ende von dem, was z. B. insbesondere Fußball und Tennis an dieser Stelle erlösen, nicht eine einzige Mark für andere Sportförderungsauf gaben.
    Ich frage an dieser Stelle: Was macht die Regierung, und was macht sie über diesen Haushalt im Zusammenhang mit dem aktiven Kampf gegen das Doping? Zusätzliche Mittel für Dopingkontrollen sind im Haushalt leider nicht enthalten. Wir alle sind uns klar darüber, Herr Seiters, daß wir sie dringend brauchen und daß wir mehr tun müssen als das, was zur Zeit geschieht, wenn wir sauberen Sport, wie Sie selber und der Bundeskanzler das immer genannt haben, haben wollen, ein Ziel, das auch ich unterstütze.

    (Karl Deres [CDU/CSU]: Sie wissen doch, daß wir die Untersuchungen finanzieren!)

    — Aber nicht in dem Maße, wie es notwendig ist, Herr Deres. Wir brauchen viel mehr Untersuchungen und Kontrollen als zur Zeit erfolgen. Das ist klar. Darüber sind wir uns zumindest unter den Fachleuten einig. Die Frage ist nur, wie das umgesetzt wird. Daran fehlt es.

    (Karl Deres [CDU/CSU]: Das, was zusätzlich notwendig ist, sollen die Verbände doch selber machen! Dafür sind wir nicht zuständig!)

    — Dafür bin ich Ihnen fast dankbar, Herr Deres. Freilich müßte das diskutiert werden. Dann müßte das Innenministerium seine Schularbeiten machen, weil die Verbände an dieser Stelle auch mit ihren eigenen Einnahmen, z. B. aus der Vermarktung, erheblich dazu beitragen können; sie haben ja zum Teil Geld aus eigenen Quellen.
    Ich halte es auch für sehr wichtig, in diesem Zusammenhang — wir werden in den nächsten Monaten ja mehrere Gelegenheiten haben, das fortzusetzen — auf die Anti-Doping-Charta des Europarats aufmerksam zu machen, deren Ratifizierung, Herr Innenminister, leider immer noch nicht stattgefunden hat, weil die Bundesregierung das Ratifizierungsgesetz noch nicht verabschiedet und uns vorgelegt hat, obwohl diese Charta schon seit November 1989 vorliegt und die Bundesregierung ihr mit großer Verzögerung beigetreten ist. Es gibt also Handlungsbedarf auch auf diesem Sektor.
    Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten die Gelegenheit — nicht nur im Sportausschuß, sondern auch weit darüber hinaus — nutzen, um auf diese Punkte aufmerksam zu machen und zu einer Lösung in gemeinsamer Arbeit mit dem Sport, der natürlich ursächlich zuständig ist — Herr Deres, Sie haben völlig recht —, beizusteuern.
    Wir müssen uns darauf besinnen, daß die Auswüchse der olympischen Bewegung nicht so weitergehen können wie jetzt. Die Kommerzialisierung dieses Bereichs ist einfach nicht mehr hinzunehmen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Sportlerinnen und Sportler sind an vielen Stellen nur Mittel zum Zweck. Wir müssen die Beherrschung der Kommerzialisierung, nicht nur im Bereich der olympischen Bewegung, sichern, um auf diese Weise dem Sport eine Perspektive zu geben.
    Ich erinnere auch an das Chaos und die Reaktionen von der Regierungsseite im Zusammenhang mit der Olympia-Bewerbung Berlins. Dies ist nicht mehr erträglich. Ich will das hier nicht länger ausführen, weil das auf der Hand liegt und selbstverständlich ist.
    Es kann nicht angehen, daß der Finanzminister immer wieder als aktiver Gegner dieser OlympiaBewerbung auftritt, daß ihm von der einen und von der anderen Seite in den eigenen Reihen der Koalition



    Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

    dann auch Beifall gezollt wird, und daß sich dann der Innenminister und der Außenminister hin und wieder dagegenstellen. Hier fehlt das Kanzlerwort. Es ist einfach nicht vorhanden.
    Wir werden Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Gelegenheit geben, bei -spielsweise im Rahmen einer Antwort auf eine Kleine Anfrage, die wir jetzt eingebracht haben, dafür zu sorgen. Wenn dies nicht erfolgt, sollten wir uns die Kosten für die Olympia-Bewerbung, die noch nicht ausgegeben sind, sparen. Denn dies ist genau der Punkt, auf den wir zusteuern. Wir geben das Geld unnütz aus, wenn diese Regierung nicht hinter der Bewerbung steht.

    (Beifall bei der SPD)

    Eine ganz besonders wichtige Rolle im Sport spielt die deutsche Einheit. Darauf muß an dieser Stelle mit großem Nachdruck hingewiesen werden. Es ging um die Überwindung von Perspektivlosigkeit. Der Sport kann gerade für junge Menschen ein unglaublich positives Signal setzen. Wir alle müssen dazu beitragen, daß die vorhanden Strukturen des Sports gestärkt werden und daß vor allen Dingen der Ausbau der Strukturen des Sports in den nächsten Monaten und Jahren vorankommt. Wir dürfen nicht hinnehmen, daß der Niedergang des Sports, der zur Zeit in den ostdeutschen Bundesländern festzustellen ist, praktisch widerspruchslos hingenommen wird.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Ruth Fuchs [PDS/Linke Liste])

    Wir müssen in diesem Zusammenhang dafür sorgen, daß der Niedergang, der jetzt statistisch feststellbar ist — dahinter stehen ja oftmals auch menschliche Schicksale —, nicht fortschreitet. In Leipzig beispielsweise ist nicht einmal mehr die Hälfte der vormals organisierten Sportler in den Vereinen organisiert. Mehr als die Hälfte der Sporttreibenden wird nicht mehr betreut. Da darf man sich nicht wundern, wenn Hoyerswerda, Rostock und viele andere Entwicklungen Platz greifen.
    Wir müssen reagieren. Die SPD-Bundestagsfraktion wird Ihnen zu diesem Zweck im Herbst drei Anträge zu drei verschiedenen Bereichen vorlegen, die entsprechende Vorschläge enthalten, worüber wir in den nächsten Wochen und Monaten hier diskutieren werden. In diesen Anträgen geht es zum einen um den Sportstättenbau, zum anderen — das ist mindestens genauso wichtig — um die Strukturen des Sports. Hier muß eine Übergangsfinanzierung gesichert werden. Wir kommen nicht daran vorbei, auch wenn an mancher Stelle immer wieder auf die Kompetenzlage hingewiesen wird.
    In dieser Frage schließe ich mich dem, was Herr Duve zum Thema Kultur gesagt hat, für den Bereich des Sports ausdrücklich an. Wir müssen in diesen schwierigen Zeiten auch dafür sorgen, daß diese Dinge trotzdem übergangsweise aufrechterhalten und gesichert werden. Deswegen brauchen wir für den Sportstättenbau einen Goldenen Plan 2000, und wir brauchen Mittel, die weit darüber hinausgehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will Herrn Oswald und seinen Freunden in der Region Augsburg folgendes sagen: Ich habe sogar einen Finanzierungsvorschlag. Wir brauchen zur Finanzierung eines Hochglanz- und Superprojekts wie des Regenerationszentrums in Königsbrunn nicht 70 % Bundesförderung auszuschütten; das sind fast 30 Millionen DM. Dieses Geld könnten wir sinnvoll zum Aufbau von Sportstätten in Ostdeutschland verwenden. Die bayerische Landesregierung wird Wege finden, um ihr Hochglanzprojekt selber zu finanzieren.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Ich will zum Schluß hinzufügen: Wir als verantwortungsbewußte Politikerinnen und Politiker dürfen auf der einen Seite doch wohl nicht Beifall klatschen, wenn zwei Drittel aller Medaillen, die in Barcelona gewonnen worden sind, von ostdeutschen Sportlerinnen und Sportlern gewonnen wurden, und uns damit brüsten, daß der OSC Potsdam der erfolgreichste Sportverein der Welt ist, wenn wir auf der anderen Seite all das, was zur Stabilisierung dieser Erfolge beigetragen hat, nun auf einmal zusammenbrechen lassen. Das ist nicht nur inkonsequent, sondern auch zutiefst menschenunwürdig gegenüber denen, die sich im Sport engagieren.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Wir finden glücklicherweise immer noch nicht nur aktive Sportlerinnen und Sportler, sondern auch ehrenamtlich Tätige, die uns dabei helfen, diese Strukturen im Sport einigermaßen aufrechtzuerhalten. Leisten wir unseren Beitrag, um auf diese Weise diese Motivation aufrechtzuerhalten!