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    Plenarprotokoll 12/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des ungarischen Parlaments 8785 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltspians fur das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Hans-Ulrich Klose SPD 8713B, 8761D Dr. Wolfgang Bötsch CDU/CSU 8721B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . 8725B, 8754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 8729 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 8730C Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8733 D Dr. Helmut Kohl Bundeskanzler BK 8736A, 8745C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8745 A Björn Engholm, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . . . 8746A, 8755B Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . 8750 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 8755C, 8762B Franz Müntefering SPD 8759 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA 8762 D Hans-Ulrich Klose SPD 8765 A Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 8766 A Ulrich Irmer F D P. 8767 D Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 8769 D Walter Kolbow SPD 8773 B Paul Breuer CDU/CSU 8775 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 8776 C Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 8778 B Dr. Sigrid Hoth F D P 8781 B Dr. Karl-Heinz Hornhues . . . . 8782C, 8798B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 8784 B Hans-Gerd Strube CDU/CSU 8786A Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 8787 B Carl-Ludwig Thiele F D P 8788 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 8790 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 8792 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU 8793 D Werner Zywietz F.D.P. . . . . . . . . 8794 D Dr. Ingomar Hauchler SPD 8795 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8796 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8799 B Ortwin Lowack fraktionslos 8800 C Ulrich Briefs fraktionslos 8802 B Rudolf Seiters, Bundesminister BMI . . 8804 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . 8806A, 8815C Gerd Wartenberg (Berlin) SPD 8809C Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 8813D Gerd Wartenberg (Berlin) SPD . . . 8817C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 8818C Ina Albowitz F D P 8820 B Freimut Duve SPD 8822A, 8826 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8822D, 8841 C Freimut Duve SPD 8823 C Karl Deres CDU/CSU 8824 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 8826 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 8829 A Dr. Hans de With SPD 8831 B Norbert Geis CDU/CSU 8834 B Dr. Hans de With SPD 8834 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 8836 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 8836D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 8838 C Dr. Michael Luther CDU/CSU 8840B Dr. Norbert Geis CDU/CSU 8842 D Tagesordnungspunkt 4: a) Fortsetzung der Beratung (Abstimmung) der Entschließungsanträge der Fraktion der SPD zum Nachtragshaushaltsgesetz 1992 (Drucksachen 12/2910, 12/2911) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/92 und 2 BvE 2/92 (Drucksache 12/3195) Ortwin Lowack fraktionslos (Erklärung nach § 31 GO) 8804 A Nächste Sitzung 8843 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8845* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude CDU/CSU . . . . 8845* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 8713 103. Sitzung Bonn, den 9. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 09. 09. 92*** Antretter, Robert SPD 09. 09. 92* Dr. Blank, CDU/CSU 09. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck, Lieselott SPD 09. 09. 92* Böhm (Melsungen), CDU/CSU 09. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 09. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 09. 09. 92 van Essen, Jörg F.D.P. 09. 09. 92*** Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Fuchs, Ruth PDS/LL 09. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 09. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 09. 09. 92 Haschke CDU/CSU 09.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Holtz, Uwe SPD 09. 09. 92*** Jaunich, Horst SPD 09. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 09. 09. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 09. 09. 92*** Oesinghaus, Günther SPD 09. 09. 92 Opel, Manfred SPD 09. 09. 92** Pfuhl, Albert SPD 09. 09. 92 Poß, Joachim SPD 09. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 09. 09. 92* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 09. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 09. 09. 92 Rempe, Walter SPD 09. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 09. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 09. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 09. 09. 92*** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 09. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 09. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 09. 09. 92*** Weyel, Gudrun SPD 09. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 09. 09. 92 Dr. Wieczorek CDU/CSU 09. 09. 92 (Auerbach), Bertram Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 09. 09. 92 Simon Zierer, Benno CDU/CSU 09. 09. 92* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude (CDU/CSU): Der einigungsbedingte Mehraufwand im Justizetat 1993 unterstreicht erneut den festen Willen von Regierung und Parlament, den Aufbau des Rechtsstaates weiter voranzutreiben und zu konsolidieren. Bei der Haushaltsdebatte 1991 wurde sehr zu Recht die schleppende Abwicklung von Gerichtsverfahren, die totale Überlastung der Grundbuch- und Katasterämter beklagt. Inzwischen hat sich trotz noch immer vorhandener Mängel auch vieles überaus positiv entwickelt. Wer hätte gedacht, daß nach den ersten Erfahrungen-wir mußten ja nach der Säuberung der alten DDR-Justiz in den meisten Bereichen bei Null anfangen - eine derart große Zahl von Juristen für die neuen Bundesländer gewonnen werden könnte. Erinnern wir uns: Es gab dort zur Zeit der Wende 1989 ganze 600 Rechtsanwälte, heute sind es immerhin schon 3 200. Das von der Bundesregierung initiierte Modell „Aufbau des Rechtsstaates" leistet nunmehr einen entscheidenden Beitrag zur Personalausstattung der Gerichte und Grundbuchämter in den neuen Ländern. War es 1991 noch ein Etatansatz von 117,4 Millionen DM, der nur mit 53,5 Millionen ausgenutzt werden konnte, so mußten wir bereits in diesem Jahr den vorgesehenen Betrag von 104,5 Millionen DM noch um Haushaltsreste aus 1991 von rund 19 Millionen DM für EDV-Maßnahmen aufstocken. Damit sind die Zielvorgaben per heute wie folgt verwirklicht worden: i. 1 000 Richter und Staatsanwälte, davon 820 tätig, 500 Rechtspfleger, davon 500 tätig. 2. Der Einsatz von pensionierten Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und Urkundsbeamten zeigt leider immer noch ein unbefriedigendes Ergebnis, obwohl bürokratische Hemmnisse beseitigt wurden. Statt der angestrebten Zahl von 500 sind es jetzt erst ganze 68. Man sollte also mehr für ein Seniorenmodell werben. 3. Die Bundesförderung für die Neueinstellung von Richtern, Rechtsanwälten, Rechtspflegern - insgesamt sollen es 300 sein -, wird von den neuen Ländern voll in Anspruch genommen. Diese Gesamtförderung wird 1993 mit 107,5 Millionen DM fortgesetzt, wobei wir die Unterstützung bei der EDV-Ausstattung der Grundbuchämter erneut mit einschließen. Natürlich besteht auch darüber hinaus für die Folgejahre noch Handlungsbedarf. Ich möchte aber heute auch allen danken, die in den neuen Bundesländern auf Dauer oder vorübergehend beim schwierigen Aufbau des Rechtsstaates mitwirken. Sie tragen entscheidend dazu bei, das Vertrauen in unseren Staat zu stärken. Für ganz Deutschland gilt gleiches Recht, und damit muß auch die gleiche Rechtswirklichkeit einhergehen. Allerdings müssen wir in diesem Zusammenhang auch einige selbstkritische Fragen stellen: - Was bremst und blockiert eigentlich den Wiederaufbau im 8846* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Osten? — Sind es nicht vielfach bürokratische Hemmnisse, ist es nicht vor allem unser Gesetzesperfektionismus, der schon den Wirtschaftsstandort Westdeutschland mehr als genug belastet? Insoweit muß dringend geprüft werden, ob und wie Maßnahmegesetze zur Beschleunigung — so wie im Verkehrsbereich — auch im Umwelt- und Baubereich für eine begrenzte Zeit einzuführen sind. Die Ungeduld und Unzufriedenheit vieler Landsleute mit bestimmten Verwaltungsabläufen ist verständlicherweise groß. Wir als Gesetzgeber sind darüber hinaus gefordert, bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts zügig fortzufahren. In den letzten 12 Monaten sind wir bereits ein gutes Stück vorangekommen. Ich nenne hier das 1. SED-Unrechts-Bereinigungsgesetz sowie das 2. Vermögensrechts-Änderungsgesetz. Es sind noch gesetzliche Regelungen zur Wiedergutmachung von Berufs- und Verwaltungsunrecht zu beschließen und vor allem das in Kürze vorliegende Entschädigungsgesetz. Die Erwartung aller Betroffenen ist in diesem Bereich besonders groß. Die Höhe der Entschädigung bei Unmöglichkeit der Rückgabe — gleich aus welchen Gründen — muß sich leider auch an den finanziellen Möglichkeiten orientieren. Dasselbe gilt für die Ausgleichsleistungen für besatzungsrechtliche Enteignungen in der Zeit von 1945 bis 1949. Die Anerkennung der Bodenreform auf Grund der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und _des Einigungsvertrages stellen für den betroffenen Personenkreis eine besondere Härte dar. Die Rückgabe des oft unter unvorstellbaren Bedingungen enteigneten Besitzes wurde ausgeschlossen, obwohl gerade im Bereich der Land- und Forstwirtschaft oft noch wesentliche Teile des Altbesitzes für eine Rückübertragung verfügbar wären. Es ist deshalb dringend geboten, den Anspruch von Alteigentümern auf das geplante Wiedereinrichtermodell ausdrücklich festzuschreiben. Für die nach 1949 Enteigneten sollte noch einmal überprüft werden, ob das bisher geltende Wahlrecht: Rückgabe oder Entschädigung nicht auch künftig beizubehalten ist, da bereits Fälle bekannt wurden, wo Anspruchsberechtigte im Vertrauen auf das geltende Vermögensgesetz freiwillig auf ihren Besitz verzichtet haben, um kommunale Planungen zu ermöglichen. Wichtig ist auch, daß Vertriebene vor allem jenseits von Oder und Neiße, die nach 1945 ihren ständigen Aufenthalt in der früheren DDR genommen haben, eine einmalige Zuwendung von 4 000 DM erhalten sollen, da sie von der in Westdeutschland durchgeführten Lastenausgleichsregelung nicht begünstigt wurden. Zur sozialen Gerechtigkeit gehört selbstverständlich, daß mit dem geplanten Entschädigungsgesetz bei Rückgabe von Vermögenswerten auch der gezahlte Lastenausgleich zurückzuzahlen ist und daß darüber hinaus wegen des Ungleichgewichts zwischen Sachwert bei Rückgabe und Entschädigung eine Vermögensabgabe erhoben werden soll. Zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts gehört ferner, daß die Verfolgung von Regierungskriminalität zügig vorangetrieben wird. Bund und Länder hatten vereinbart, 60 Staatsanwälte zum Kammergericht nach Berlin zu delegieren. Als einziges Bundesland hat das Saarland sich bisher geweigert, seinen Anteil, der sowieso nur aus einem Staatsanwalt besteht, zu leisten. Ein vergleichbar unwürdiges Verhalten konnte man übrigens auch bei anderen SPD-regierten Ländern in der Vergangenheit bereits feststellen, wenn es um die Finanzierung der zentralen Dokumentationsstelle Salzgitter ging. Die Mitarbeiter dieser Einrichtung haben in vorbildlicher Weise Unrechtstatbestände ermittelt und die dafür Verantwortlichen festgestellt. Großen Unmut in der Bevölkerung gibt es verständlicherweise über Fälle von Bereicherung in der früheren DDR, die bis heute nicht rückgängig gemacht wurden. Einige Beispiele dafür hat BILD am Sonntag gerade in der letzten Ausgabe dargestellt. Da wird Herr Diestel ebenso erwähnt wie sein damaliger Stellvertreter Müller, aber auch eine Reihe von Generälen der NVA, u. a. der Chef der DDR-Grenztruppen sowie der frühere Polizeipräsident von Berlin. Bei beiden stellt sich übrigens nicht nur die Frage der Überprüfung der Grundstücksgeschäfte, sondern auch nach deren strafrechtlicher Verantwortung auf Grund ihrer früheren Tätigkeit. Die Reformaufgaben der Justiz werden — wenn auch nicht im gleichen Tempo wie in den vergangenen Jahren — fortgeführt. Dabei steht volumenmäßig die Überprüfung des Nichtehelichenrechts im Vordergrund. Das Justizministerium muß aber jetzt mit besonderer Priorität Änderungen im Ausländer- und Asylrecht vorbereiten. Die Erfahrungen der letzten Monate, insbesondere der letzten Wochen, zeigen, mit welcher Dringlichkeit auch eine Grundgesetzänderung zum Schutz des Asylrechts und gegen den ungezügelten Mißbrauch durch Wirtschaftsflüchtlinge erfolgen muß. Abschließend möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesjustizministerium bedanken, die auch in diesem Jahr in besonderer Weise Mehrarbeit für den Aufbau des Rechtsstaats in den neuen Bundesländern zu leisten hatten.
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    Rede von Ina Albowitz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Jelpke, wenn ich wüßte, Ihre Gruppe würde dem Bundeshaushalt zustimmen, dann hätten wir mit Sicherheit etwas verkehrt gemacht. Insoweit beruhigt mich das eigentlich.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, täglich gibt es neue Meldungen über Angriffe auf Asylbewerberheime. Dies macht betroffen. Besonders betroffen machen jedoch nicht allein die steinewerfenden Chaoten, sondern die offene oder stille Sympathie, die ihnen von Teilen der Bevölkerung entgegengebracht wird. Ich verhehle überhaupt nicht, daß mich auch betroffen macht, wie wir hier miteinander über diese Problematik diskutieren. Das gilt für heute morgen, das gilt aber auch für heute nachmittag.

    (Beifall bei der F.D.P. — Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Erst einmal hören, was Sie sagen! Seien Sie nicht so groß!)

    — Das gilt für alle, Herr Kollege; vielleicht hören Sie wirklich zu.

    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]): Ich höre

    zu! Aber Sie sollten nicht kritisieren! Sagen
    Sie etwas Besseres, dann werden wir zuhören!)
    — Also, ich denke, genauso sollten wir nicht miteinander umgehen. Ich habe meine persönlichen Empfindungen von Debattenbeiträgen hier dargestellt. Ich habe Sie überhaupt noch nicht gehört. Ich denke, wenn Menschen in Brand gesteckt werden, sollten wir nicht so diskutieren, wie Sie es jetzt versuchen.

    (Beifall bei der F.D.P. — Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das habe ich nicht verstanden, aber ist auch egal!)

    Kein Bürger unseres Landes, ob in Ost oder West, darf vergessen, welchen Beitrag die ausländischen Mitbürger seit vielen Jahrzehnten für den Wohlstand der Bundesrepublik leisten und wie wichtig und fruchtbringend die Zusammenarbeit mit ihnen in allen gesellschaftlichen Bereichen ist.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir alle dürfen keine Zweifel daran aufkommen lassen, daß wir ein ausländerfreundliches Deutschland sind. Wir müssen aufpassen, daß auch keine Mißverständnisse aus der Politik entstehen, und sei es nur durch sprachliche Schludrigkeiten.
    Keine sprachliche Schludrigkeit, sondern offensichtlich eine wohlüberlegte böse Äußerung war das gestrige Interview von SPD-Geschäftsführer Karlheinz Blessing, in dem er jeden möglichen neuen Anschlag auf eine Asylbewerberunterkunft als KohlKrawall bezeichnete.

    (Zuruf von der F.D.P.: Unglaublich!)

    Wer versucht, die zu verabscheuenden Aktionen der steinewerfenden Chaoten so für seine politischen Zwecke zu benutzen, verbündet sich mit den Falschen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Blessing liefert den Werfern von Steinen und Brandsätzen ein Motiv für ihr Tun: Seid ihr gegen Kohl, dann stürmt weiter Asylbewerberheime.
    Die derzeitige Situation in der Bundesrepublik ist offenbar auch ein Nährboden für fehlgeleitete Feindbilder und eine willkommene Spielwiese für Krawalltouristen aus ganz Europa. An wehrlosen Asylbewerbern entlädt sich der Frust über eigene Existenzängste. Daß der überwiegende Teil der Gewalttäter sehr junge Menschen sind, muß uns nicht nur zum Reden, sondern auch endlich zum Handeln zwingen. Etwa 70 000 Jugendlichen in den neuen Bundesländern,



    Ina Albowitz
    die einen Ausbildungsplatz suchen, stehen rund 120 000 nicht besetzte Ausbildungsplätze in Westdeutschland gegenüber. Es wird Zeit, daß wir dafür eine konzertierte Aktion ins Leben rufen.

    (Zuruf von der F.D.P.: Sehr wahr!)

    Wir müssen alle unsere Kräfte darauf konzentrieren, den Menschen wieder mehr Vertrauen in die Politik und dauerhafte Zukunftsperspektiven zu geben.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Vertrauen muß auch das Ausland in dieses Deutschland haben. Unser Ansehen in der Welt hat nach Hünxe und Hoyerswerda, nach Rostock, Bornheim und Alfter erheblichen Schaden genommen. Wir werden lange brauchen, um dies wieder in Ordnung zu bringen. Die Leserbriefspalte aus dem „Stern", der morgen erscheint, muß uns auch zum Nachdenken bringen. Ich darf mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, zitieren!
    Allmächtiger Gott, beschütze uns vor Sturm, Wind und vor Deutschen, die wiedervereinigt sind.
    Das schreibt ein Schweizer Bürger. Wenn uns das nicht zum Nachdenken zwingt!

    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das ist ein Verrückter, der so etwas sagt!)

    Meine Damen und Herren, mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens wurden dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge 2 426 neue Stellen zur Verfügung gestellt. Wir, die dafür verantwortlich sind, wissen, daß die Einstellung von Einzelentscheidern, Sachbearbeitern und Folgepersonal schwierig ist und einige Zeit dauert, zumal die Gauck-Behörde und andere oberste Bundesbehörden ebenfalls Mitarbeiter mit ähnlichem Anforderungsprofil suchen. Das befreit jedoch die Verantwortlichen nicht von der Pflicht, die Vorgaben des Gesetzes und der Allparteienvereinbarung schnellstmöglich umzusetzen und nicht auf Zeit zu spielen.

    (Beifall bei der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Der Bundesinnenminister muß mit seinen Kollegen aus den Ländern umgehend dafür sorgen, daß Vollzugsdefizite ausgeräumt werden — mit den Ländern, meine Damen und Herren! Wir alle, meine Kolleginnen und Kollegen, müssen mit dafür sorgen, daß auf allen Ebenen Druck auf die Verantwortlichen ausgeübt wird, anstatt immer mit dem Finger auf andere zu zeigen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Das ist im Interesse der Sache angebrachter, als uns über Presseveröffentlichungen ständig mitzuteilen, welcher Verantwortliche angeblich versagt hat.
    Die Bürger in Deutschland erwarten von uns Lösungen. Dazu können wir alle beitragen. Die F.D.P. ist bereit, sich an einer Koordinierungsgruppe von Bund und Ländern zu beteiligen und die Zusammenarbeit zu verbessern, die hilft, das zu beschleunigen. Verstärkte intensive Zusammenarbeit ist notwendig, um den Antragsstau abzuarbeiten, da nur dann das neue Asylverfahrensgesetz, wie beschlossen, in Kraft treten kann.
    Meine Damen und Herren, ausgebaut wird im Haushalt 1993 die Förderung von Projekten in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion, in denen Deutschstämmige leben. Bei einem Besuch vor Ort habe ich festgestellt, daß viele dieser Menschen nach Deutschland kommen wollen, wenn sich ihre Situation verschlimmert. Ebenso wurde in den Gesprächen aber auch deutlich, daß dies nur als letzter Ausweg bezeichnet wird, weil die eigentliche Lebensperspektiven in Rußland, der Ukraine oder den anderen Republiken liegt. Die 160 Millionen DM, die im Haushalt 1993 für Projekte vor Ort vorgesehen sind, sind nach meiner Auffassung notwendig. Allerdings müssen die Kontrollmechanismen für den Einsatz der Hilfen deutlich verbessert werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ganz wichtig ist auch, daß die Projekte, die wir initiieren, der Gesamtbevölkerung zugute kommen. Hilfen für die deutsche Minderheit müssen deshalb nach Möglichkeit mit anderen Hilfsmaßnahmen der Bundesrepublik koordiniert werden.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, die Übergangsförderung der kulturellen Infrastruktur in den neuen Ländern durch den Bund ist derzeit Gegenstand erheblicher Diskussionen.

    (Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]: Sehr wahr!)

    Wir wissen um unsere Verantwortung und sind ihr auch gerecht geworden, indem in den beiden letzten Jahren fast 2 Milliarden DM zur Verfügung gestellt wurden.

    (Karl Deres [CDU/CSU]: Mehr, viel mehr!)

    Der Grundsatz, daß die Kulturhoheit der Länder auch für den Bereich der Finanzierung gilt — Herr Kollege, ich meinte nicht die Mittel im Bundeshaushalt für die Kultur insgesamt, sondern nur für den Aspekt — und diese nur vorübergehend über den Bundeshaushalt erfolgen darf, wird auch nicht durch den Einigungsvertrag aufgehoben. Bedauerlich ist allerdings, daß die von mir mehrfach geforderte Kulturkonzeption noch immer nicht vorliegt. Das gilt für Berlin wie auch für die neuen Bundesländer.

    (Zuruf des Abg. Freimut Duve [SPD])

    — Herr Kollege, hören Sie doch bitte zu! Ich bin Berichterstatterin für diesen Haushalt. In dieser Funktion habe ich das hier in den Beratungen der letzten Jahre mehrfach gefordert, nicht nur für mich, sondern auch für meine Fraktion. Wenn auch Sie das immer getan hätten, wäre das durchaus hilfreich gewesen.
    Wir müssen den Menschen ehrlicherweise sagen, daß wir auf Dauer nicht alles finanzieren können. Deshalb noch einmal meine Bitte und die Aufforderung an die Kultusminister der Länder, sich endlich hinzusetzen und eine Bestandsaufnahme zu erarbei-



    Ina Albowitz
    ten. Das nutzt der Kultur in den neuen Ländern mehr als zögerliches Taktieren und Spielen auf Zeit.

    (Abg. Freimut Duve [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Sekunde, ich möchte den Gedanken zu Ende führen. — Trotzdem werden wir im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen den Bürgerinnen und Bürgern in den neuen Bundesländern zuliebe prüfen, wie es möglich ist, durch Umschichtungen innerhalb des Haushaltes mehr Geld für die Erhaltung und Förderung der kulturellen Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

    (Beifall bei der F.D.P.)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter Duve, bitte schön.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Freimut Duve


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Kollegin, Sie haben in liebenswürdiger Strenge gesagt, daß die SPD-Fraktion doch auch solche Konzepte hätte machen sollen, so daß Sie das dann nicht hätten tun müssen.
    Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß wir bereits im Dezember 1989 nach dem Wegfall der Mauer einen solchen Antrag hier im Bundestag eingebracht haben und seither alle Fraktionen des Deutschen Bundestages die Politik der Finanzierung durch den Bund im Rahmen des Einigungsvertrages gemeinsam getragen und nicht versucht haben, in einen Wettbewerb um die „leuchtende Fackel" einzutreten, die der eine oder andere getragen hat? Da Sie gesagt haben, Sie hätten die Konzepte, hatte ich mir erlaubt, zu sagen: Ach, Sie waren das. Wenn Sie das getroffen hat, nehme ich das sofort zurück.

    (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Herr Präsident, das hat echt Format!)