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    Plenarprotokoll 12/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des ungarischen Parlaments 8785 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltspians fur das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Hans-Ulrich Klose SPD 8713B, 8761D Dr. Wolfgang Bötsch CDU/CSU 8721B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . 8725B, 8754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 8729 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 8730C Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8733 D Dr. Helmut Kohl Bundeskanzler BK 8736A, 8745C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8745 A Björn Engholm, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . . . 8746A, 8755B Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . 8750 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 8755C, 8762B Franz Müntefering SPD 8759 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA 8762 D Hans-Ulrich Klose SPD 8765 A Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 8766 A Ulrich Irmer F D P. 8767 D Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 8769 D Walter Kolbow SPD 8773 B Paul Breuer CDU/CSU 8775 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 8776 C Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 8778 B Dr. Sigrid Hoth F D P 8781 B Dr. Karl-Heinz Hornhues . . . . 8782C, 8798B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 8784 B Hans-Gerd Strube CDU/CSU 8786A Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 8787 B Carl-Ludwig Thiele F D P 8788 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 8790 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 8792 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU 8793 D Werner Zywietz F.D.P. . . . . . . . . 8794 D Dr. Ingomar Hauchler SPD 8795 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8796 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8799 B Ortwin Lowack fraktionslos 8800 C Ulrich Briefs fraktionslos 8802 B Rudolf Seiters, Bundesminister BMI . . 8804 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . 8806A, 8815C Gerd Wartenberg (Berlin) SPD 8809C Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 8813D Gerd Wartenberg (Berlin) SPD . . . 8817C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 8818C Ina Albowitz F D P 8820 B Freimut Duve SPD 8822A, 8826 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8822D, 8841 C Freimut Duve SPD 8823 C Karl Deres CDU/CSU 8824 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 8826 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 8829 A Dr. Hans de With SPD 8831 B Norbert Geis CDU/CSU 8834 B Dr. Hans de With SPD 8834 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 8836 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 8836D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 8838 C Dr. Michael Luther CDU/CSU 8840B Dr. Norbert Geis CDU/CSU 8842 D Tagesordnungspunkt 4: a) Fortsetzung der Beratung (Abstimmung) der Entschließungsanträge der Fraktion der SPD zum Nachtragshaushaltsgesetz 1992 (Drucksachen 12/2910, 12/2911) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/92 und 2 BvE 2/92 (Drucksache 12/3195) Ortwin Lowack fraktionslos (Erklärung nach § 31 GO) 8804 A Nächste Sitzung 8843 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8845* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude CDU/CSU . . . . 8845* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 8713 103. Sitzung Bonn, den 9. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 09. 09. 92*** Antretter, Robert SPD 09. 09. 92* Dr. Blank, CDU/CSU 09. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck, Lieselott SPD 09. 09. 92* Böhm (Melsungen), CDU/CSU 09. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 09. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 09. 09. 92 van Essen, Jörg F.D.P. 09. 09. 92*** Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Fuchs, Ruth PDS/LL 09. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 09. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 09. 09. 92 Haschke CDU/CSU 09.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Holtz, Uwe SPD 09. 09. 92*** Jaunich, Horst SPD 09. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 09. 09. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 09. 09. 92*** Oesinghaus, Günther SPD 09. 09. 92 Opel, Manfred SPD 09. 09. 92** Pfuhl, Albert SPD 09. 09. 92 Poß, Joachim SPD 09. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 09. 09. 92* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 09. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 09. 09. 92 Rempe, Walter SPD 09. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 09. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 09. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 09. 09. 92*** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 09. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 09. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 09. 09. 92*** Weyel, Gudrun SPD 09. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 09. 09. 92 Dr. Wieczorek CDU/CSU 09. 09. 92 (Auerbach), Bertram Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 09. 09. 92 Simon Zierer, Benno CDU/CSU 09. 09. 92* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude (CDU/CSU): Der einigungsbedingte Mehraufwand im Justizetat 1993 unterstreicht erneut den festen Willen von Regierung und Parlament, den Aufbau des Rechtsstaates weiter voranzutreiben und zu konsolidieren. Bei der Haushaltsdebatte 1991 wurde sehr zu Recht die schleppende Abwicklung von Gerichtsverfahren, die totale Überlastung der Grundbuch- und Katasterämter beklagt. Inzwischen hat sich trotz noch immer vorhandener Mängel auch vieles überaus positiv entwickelt. Wer hätte gedacht, daß nach den ersten Erfahrungen-wir mußten ja nach der Säuberung der alten DDR-Justiz in den meisten Bereichen bei Null anfangen - eine derart große Zahl von Juristen für die neuen Bundesländer gewonnen werden könnte. Erinnern wir uns: Es gab dort zur Zeit der Wende 1989 ganze 600 Rechtsanwälte, heute sind es immerhin schon 3 200. Das von der Bundesregierung initiierte Modell „Aufbau des Rechtsstaates" leistet nunmehr einen entscheidenden Beitrag zur Personalausstattung der Gerichte und Grundbuchämter in den neuen Ländern. War es 1991 noch ein Etatansatz von 117,4 Millionen DM, der nur mit 53,5 Millionen ausgenutzt werden konnte, so mußten wir bereits in diesem Jahr den vorgesehenen Betrag von 104,5 Millionen DM noch um Haushaltsreste aus 1991 von rund 19 Millionen DM für EDV-Maßnahmen aufstocken. Damit sind die Zielvorgaben per heute wie folgt verwirklicht worden: i. 1 000 Richter und Staatsanwälte, davon 820 tätig, 500 Rechtspfleger, davon 500 tätig. 2. Der Einsatz von pensionierten Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und Urkundsbeamten zeigt leider immer noch ein unbefriedigendes Ergebnis, obwohl bürokratische Hemmnisse beseitigt wurden. Statt der angestrebten Zahl von 500 sind es jetzt erst ganze 68. Man sollte also mehr für ein Seniorenmodell werben. 3. Die Bundesförderung für die Neueinstellung von Richtern, Rechtsanwälten, Rechtspflegern - insgesamt sollen es 300 sein -, wird von den neuen Ländern voll in Anspruch genommen. Diese Gesamtförderung wird 1993 mit 107,5 Millionen DM fortgesetzt, wobei wir die Unterstützung bei der EDV-Ausstattung der Grundbuchämter erneut mit einschließen. Natürlich besteht auch darüber hinaus für die Folgejahre noch Handlungsbedarf. Ich möchte aber heute auch allen danken, die in den neuen Bundesländern auf Dauer oder vorübergehend beim schwierigen Aufbau des Rechtsstaates mitwirken. Sie tragen entscheidend dazu bei, das Vertrauen in unseren Staat zu stärken. Für ganz Deutschland gilt gleiches Recht, und damit muß auch die gleiche Rechtswirklichkeit einhergehen. Allerdings müssen wir in diesem Zusammenhang auch einige selbstkritische Fragen stellen: - Was bremst und blockiert eigentlich den Wiederaufbau im 8846* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Osten? — Sind es nicht vielfach bürokratische Hemmnisse, ist es nicht vor allem unser Gesetzesperfektionismus, der schon den Wirtschaftsstandort Westdeutschland mehr als genug belastet? Insoweit muß dringend geprüft werden, ob und wie Maßnahmegesetze zur Beschleunigung — so wie im Verkehrsbereich — auch im Umwelt- und Baubereich für eine begrenzte Zeit einzuführen sind. Die Ungeduld und Unzufriedenheit vieler Landsleute mit bestimmten Verwaltungsabläufen ist verständlicherweise groß. Wir als Gesetzgeber sind darüber hinaus gefordert, bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts zügig fortzufahren. In den letzten 12 Monaten sind wir bereits ein gutes Stück vorangekommen. Ich nenne hier das 1. SED-Unrechts-Bereinigungsgesetz sowie das 2. Vermögensrechts-Änderungsgesetz. Es sind noch gesetzliche Regelungen zur Wiedergutmachung von Berufs- und Verwaltungsunrecht zu beschließen und vor allem das in Kürze vorliegende Entschädigungsgesetz. Die Erwartung aller Betroffenen ist in diesem Bereich besonders groß. Die Höhe der Entschädigung bei Unmöglichkeit der Rückgabe — gleich aus welchen Gründen — muß sich leider auch an den finanziellen Möglichkeiten orientieren. Dasselbe gilt für die Ausgleichsleistungen für besatzungsrechtliche Enteignungen in der Zeit von 1945 bis 1949. Die Anerkennung der Bodenreform auf Grund der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und _des Einigungsvertrages stellen für den betroffenen Personenkreis eine besondere Härte dar. Die Rückgabe des oft unter unvorstellbaren Bedingungen enteigneten Besitzes wurde ausgeschlossen, obwohl gerade im Bereich der Land- und Forstwirtschaft oft noch wesentliche Teile des Altbesitzes für eine Rückübertragung verfügbar wären. Es ist deshalb dringend geboten, den Anspruch von Alteigentümern auf das geplante Wiedereinrichtermodell ausdrücklich festzuschreiben. Für die nach 1949 Enteigneten sollte noch einmal überprüft werden, ob das bisher geltende Wahlrecht: Rückgabe oder Entschädigung nicht auch künftig beizubehalten ist, da bereits Fälle bekannt wurden, wo Anspruchsberechtigte im Vertrauen auf das geltende Vermögensgesetz freiwillig auf ihren Besitz verzichtet haben, um kommunale Planungen zu ermöglichen. Wichtig ist auch, daß Vertriebene vor allem jenseits von Oder und Neiße, die nach 1945 ihren ständigen Aufenthalt in der früheren DDR genommen haben, eine einmalige Zuwendung von 4 000 DM erhalten sollen, da sie von der in Westdeutschland durchgeführten Lastenausgleichsregelung nicht begünstigt wurden. Zur sozialen Gerechtigkeit gehört selbstverständlich, daß mit dem geplanten Entschädigungsgesetz bei Rückgabe von Vermögenswerten auch der gezahlte Lastenausgleich zurückzuzahlen ist und daß darüber hinaus wegen des Ungleichgewichts zwischen Sachwert bei Rückgabe und Entschädigung eine Vermögensabgabe erhoben werden soll. Zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts gehört ferner, daß die Verfolgung von Regierungskriminalität zügig vorangetrieben wird. Bund und Länder hatten vereinbart, 60 Staatsanwälte zum Kammergericht nach Berlin zu delegieren. Als einziges Bundesland hat das Saarland sich bisher geweigert, seinen Anteil, der sowieso nur aus einem Staatsanwalt besteht, zu leisten. Ein vergleichbar unwürdiges Verhalten konnte man übrigens auch bei anderen SPD-regierten Ländern in der Vergangenheit bereits feststellen, wenn es um die Finanzierung der zentralen Dokumentationsstelle Salzgitter ging. Die Mitarbeiter dieser Einrichtung haben in vorbildlicher Weise Unrechtstatbestände ermittelt und die dafür Verantwortlichen festgestellt. Großen Unmut in der Bevölkerung gibt es verständlicherweise über Fälle von Bereicherung in der früheren DDR, die bis heute nicht rückgängig gemacht wurden. Einige Beispiele dafür hat BILD am Sonntag gerade in der letzten Ausgabe dargestellt. Da wird Herr Diestel ebenso erwähnt wie sein damaliger Stellvertreter Müller, aber auch eine Reihe von Generälen der NVA, u. a. der Chef der DDR-Grenztruppen sowie der frühere Polizeipräsident von Berlin. Bei beiden stellt sich übrigens nicht nur die Frage der Überprüfung der Grundstücksgeschäfte, sondern auch nach deren strafrechtlicher Verantwortung auf Grund ihrer früheren Tätigkeit. Die Reformaufgaben der Justiz werden — wenn auch nicht im gleichen Tempo wie in den vergangenen Jahren — fortgeführt. Dabei steht volumenmäßig die Überprüfung des Nichtehelichenrechts im Vordergrund. Das Justizministerium muß aber jetzt mit besonderer Priorität Änderungen im Ausländer- und Asylrecht vorbereiten. Die Erfahrungen der letzten Monate, insbesondere der letzten Wochen, zeigen, mit welcher Dringlichkeit auch eine Grundgesetzänderung zum Schutz des Asylrechts und gegen den ungezügelten Mißbrauch durch Wirtschaftsflüchtlinge erfolgen muß. Abschließend möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesjustizministerium bedanken, die auch in diesem Jahr in besonderer Weise Mehrarbeit für den Aufbau des Rechtsstaats in den neuen Bundesländern zu leisten hatten.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Lieber Herr Kollege Gerster!

    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Drohung!)

    — Nein, das war keine Drohung. Das war eine Anrede.
    Lieber Kollege Gerster, wenn Sie so über das französische Asylrecht sprechen, dann müssen Sie doch auch sagen, daß Frankreich gerade bei den Flüchtlingen, die wir fast vollständig als Mißbrauchs-fälle betrachten — also Flüchtlinge aus Rumänien und Bulgarien —, Anerkennungsquoten hat, die bei über 20 % liegen. In diesem Zusammenhang müssen Sie doch auch gleichzeitig einräumen, daß die Zuwanderung von Flüchtlingen in die Bundesrepublik fast ausschließlich über unsere östlichen Grenzen erfolgt und unsere westlichen Nachbarn uns mit diesen Folgen der offenen Grenzen allein lassen. Das ist doch die Wahrheit.


Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren Abgeordneten, das Fragezeichen denken wir uns jetzt hinzu.

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    Rede von Dr. Johannes Gerster


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Dr. Hirsch, zum zweiten Teil Ihrer Frage: Sie können doch nicht wirklich glauben — ich wiederhole das —, daß eine Entfernung von 500 Kilometern

    (Zuruf von der SPD: 25!)

    dazu führt, daß wir in Deutschland 500 000 Asylbewerber haben, die Franzosen aber unter 30 000 bleiben.
    Weiterhin stelle ich fest: Die Prozentzahl der anerkannten Flüchtlinge ist natürlich um so höher, je weniger kommen. Deswegen können Sie diese Zahl nicht anführen.
    Ich habe Ihnen vorhin gesagt: Bleiben Sie anständig, sonst zitiere ich aus einem Brief. Sie, Herr Hirsch, haben vorhin Herrn von Nieding gewissermaßen als Kronzeugen dafür genannt, daß das Bundesamt in Zirndorf nicht funktioniert. Ich muß jetzt leider Gottes seinen Brief vom 3. November 1991, der viele Details enthält, in einer Passage zitieren. Herr von Nieding schreibt wörtlich an Bundesinnenminister Schäuble:
    Mehreren Abgeordneten des Deutschen Bundestages und der Landtage der Partei, der ich seit
    Jahrzehnten angehöre, habe ich deutlich ge-



    Johannes Gerster (Mainz)

    macht, daß die F.D.P. zur Zeit keine Verantwortung auf Kommunal- und Länderebene in Sozial-und Innenressorts trägt und ihre Vorschläge auf dem Asylsektor immer lebensfremder wirken.

    (Zuruf von der F.D.P.: Das müssen Sie ändern, Herr Gerster!)

    Weiter heißt es:
    Meines Erachtens muß daher das Grundrecht auf Asyl ganz gestrichen und in die Verfassung allenfalls eine Staatszielsetzung aufgenommen werden.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Ich hätte das hier nicht vorgelesen, wenn nicht seit Monaten Herr von Nieding als Kronzeuge benutzt würde, um Innenminister Seiters Vorwürfe zu machen. Das war nun ein Originalzitat von Herrn von Nieding.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU: Das scheint ja ein vernünftiger Mann zu sein, der von Nieding!)

    — Ja, der Herr von Nieding ist ein sehr ordentlicher Mann.

    (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Herr Gerster, das glauben Sie doch selber nicht!)

    Der war auf jeden Fall manchen Genossen und sonstigen Zeitgenossen weit voraus.
    Meine Damen, meine Herren, wir brauchen, um das klar zu sagen, den Gleichklang des Asylrechts in Europa, und zwar mit dreierlei Wirkung.
    Erstens. Wir werden bei der erreichten Zahl von Asylbewerbern bei noch so viel Anstrengungen nicht in der Lage sein, das derzeitige Verfahren durchzuführen. Es hat überhaupt keinen Sinn, diese Frage jetzt vorschnell durch eine Altfallregelung lösen zu wollen; denn wer sagt, diese 350 000 unerledigten Fälle sollten sofort anerkannt werden,

    (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wer sagt denn das? — Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sie nicht, Herr Wiefelspütz, aber Herr Hirsch!)

    der ruft einen erfahrungsgemäß nachgewiesenen Nachzug von etwa 900 000 anderen Personen über die Familienzusammenführung hervor.

    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Eine Million Menschen sind das!)

    Glauben Sie doch nicht, daß sich das nicht herumsprechen würde! Die Leute würden sagen: Jetzt ist Deutschland ganz offen, und wir können alle kommen. — Das ist doch das Problem, das wir nicht lösen können.
    Deswegen, meine Damen, meine Herren, brauchen wir ein kursorisches, objektiviertes Verfahren für die offensichtlich unbegründeten Fälle, und wir brauchen das derzeitige Verfahren für die echten Zweifelsfälle mit der Konsequenz, daß politisch Verfolgte schneller anerkannt werden — das ist im Interesse der politisch Verfolgten —, aber die offensichtlich unbegründeten Anträge schneller abgelehnt werden können.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

    Zweitens erreichen wir auf diesem Wege die Harmonisierung unseres Asylrechts mit dem Recht, mit dem unsere sämtlichen elf Nachbarstaaten arbeiten und operieren. Erst damit wird auch unser Asylrecht europafähig.
    Drittens muß sogar in Zukunft bei offenen Grenzen in Europa eine Verteilung der Lasten innerhalb Europas möglich werden. Das heißt, wir brauchen, so wie wir heute in der Bundesrepublik Deutschland einen gewissen Schlüssel in bezug auf die Zahl derjenigen haben, die die Bundesländer aufnehmen, mittelfristig eine Verteilung auf Europa; denn es kann nicht wahr sein, daß wir zwar offene Grenzen haben, aber auf der anderen Seite die Lasten ungleich verteilt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das wird sehr schwer werden!)

    Wir behaupten übrigens nicht, daß wir mit der Änderung des Asylrechts alle Probleme lösen. Genauso falsch ist aber die Behauptung, der Zuwanderungsdruck würde mit einer Änderung des Rechts nicht verändert. Nein, der Zuwanderungsdruck generell bleibt, wenn er aber auf ein Recht stößt, das praktisch zu einer ungesteuerten Zuwanderung führt, wird er natürlich größer. Unser Ziel muß sein, unter anderem das Verfassungsrecht auf Asyl einzusetzen, um die ungesteuerte Zuwanderung zumindest zu reduzieren.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Und wer jetzt sagt, die Angleichung etwa auf der Basis der Genfer Flüchtlingskonvention sei inhuman, der sollte das sehr genau bedenken; denn wer dies sagt, behauptet, die Franzosen seien inhuman, die Engländer seien inhuman, die Spanier seien inhuman, die Luxemburger, die Belgier und wer auch immer. Meine Damen, meine Herren, es kann doch nicht wahr sein, daß auch der Hohe Flüchtlingskommissar akzeptiert, daß diese Länder — ich sehe sie nicht auf der Anklagebank — dieses Verfahren praktizieren, und nur wir sollen ein anderes Verfahren anwenden.
    Und wer behauptet, meine Damen, meine Herren, daß wir diese Forderung wegen der schrecklichen, grausamen, unmenschlichen Ausschreitungen in Rostock und anderen Orten jetzt stellen, der verschweigt einfach, daß wir seit Jahren darauf hingewiesen haben, daß ein ungesteuertes Zuwandern auf der Brücke des Asylrechts Ausländerfeindlichkeit begründet und verstärkt.

    (Dr. Uwe-Jens Heuer [PDS/Linke Liste]: Ohne Ausländer gibt es keine Ausländerfeindlichkeit!)

    Das, was derzeit als Überforderung vor allen Dingen auch bei vielen Menschen in den neuen Bundesländern erfahren wird, führt natürlich zu einer undifferenzierten Betrachtung, wenn ich nicht ausdrücklich Wert auf die Feststellung lege, daß die Mehrheit der Deutschen eben nicht ausländerfeindlich ist, daß sie nur glaubt, daß hier in Deutschland erstens eine Rechtspraxis Platz gegriffen hat, die wegen der Zahl der Zuwanderungen nicht mehr funktioniert, und daß zweitens hier Leistungen durch Personen in Anspruch genommen werden, denen das Asylrecht nicht zur Verfüng steht.



    Johannes Gerster (Mainz)

    Deswegen, meine Damen, meine Herren, ist völlig klar: Wir brauchen diese Grundgesetzergänzung, wir brauchen eine neue Regelung. Deswegen war das, Kollege Wartenberg, was Sie gesagt haben, fast ein bißchen rührend. Sie haben gesagt, wir könnten das Ganze nicht auf eine Verfassungsdebatte reduzieren, und wir müßten jetzt einen Diskussionsprozeß in Gang setzen. Also, lieber Herr Wartenberg, die Weimarer Republik ist unter anderem daran gescheitert, daß die Bevölkerung gesagt hat: Die im Reichstag reden und reden und kommen nicht zu einer Entscheidung.

    (Widerspruch bei der SPD — Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Lesen Sie mal die Rede des Kanzlers! — Freimut Duve [SPD]: Dieses Zitat ist so ziemlich das Schlechteste, was man gegen unser Parlament und unsere Demokratie sagen kann! Wir heißen Parlament!)

    — Ich weiß, Herr Kollege Duve, und ich erkenne an, daß Sie der Oberparlamentarier sind, der die Moral per se seit Geburt für alle gepachtet hat. Lassen Sie mich wenigstens den Gedanken zu Ende führen!

    (Freimut Duve [SPD]: Dann dürfen Sie dieses Argument nicht benutzen!)

    Es ist für mich keine Frage, daß wir in Deutschland Rechts- und Linksradikale hatten und haben, und zwar in Ost und West. Es gibt sie in j eder Gesellschaft. Und es ist für mich keine Frage: Wenn die Bürger das Gefühl haben, daß Bedürfnisse, die sie vor Ort bei ganz konreten Mißständen empfinden, von den Politikern nicht beachtet werden, daß sie ihnen nicht gerecht werden, dann ist das die Einstiegsfahrkarte für Menschen, die Radikalen mit ganz einfachen Lösungen nachlaufen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das war aber etwas ganz anderes als das, was Sie vorher gesagt haben! Dagegen gibt es keinen Widerspruch!)