Rede:
ID1210313100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 9
    1. Als: 1
    2. nächster: 1
    3. hat: 1
    4. das: 1
    5. Wort: 1
    6. Herr: 1
    7. Kollege: 1
    8. Gerd: 1
    9. Wartenberg.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des ungarischen Parlaments 8785 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltspians fur das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Hans-Ulrich Klose SPD 8713B, 8761D Dr. Wolfgang Bötsch CDU/CSU 8721B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . 8725B, 8754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 8729 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 8730C Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8733 D Dr. Helmut Kohl Bundeskanzler BK 8736A, 8745C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8745 A Björn Engholm, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . . . 8746A, 8755B Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . 8750 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 8755C, 8762B Franz Müntefering SPD 8759 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA 8762 D Hans-Ulrich Klose SPD 8765 A Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 8766 A Ulrich Irmer F D P. 8767 D Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 8769 D Walter Kolbow SPD 8773 B Paul Breuer CDU/CSU 8775 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 8776 C Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 8778 B Dr. Sigrid Hoth F D P 8781 B Dr. Karl-Heinz Hornhues . . . . 8782C, 8798B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 8784 B Hans-Gerd Strube CDU/CSU 8786A Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 8787 B Carl-Ludwig Thiele F D P 8788 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 8790 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 8792 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU 8793 D Werner Zywietz F.D.P. . . . . . . . . 8794 D Dr. Ingomar Hauchler SPD 8795 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8796 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8799 B Ortwin Lowack fraktionslos 8800 C Ulrich Briefs fraktionslos 8802 B Rudolf Seiters, Bundesminister BMI . . 8804 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . 8806A, 8815C Gerd Wartenberg (Berlin) SPD 8809C Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 8813D Gerd Wartenberg (Berlin) SPD . . . 8817C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 8818C Ina Albowitz F D P 8820 B Freimut Duve SPD 8822A, 8826 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8822D, 8841 C Freimut Duve SPD 8823 C Karl Deres CDU/CSU 8824 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 8826 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 8829 A Dr. Hans de With SPD 8831 B Norbert Geis CDU/CSU 8834 B Dr. Hans de With SPD 8834 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 8836 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 8836D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 8838 C Dr. Michael Luther CDU/CSU 8840B Dr. Norbert Geis CDU/CSU 8842 D Tagesordnungspunkt 4: a) Fortsetzung der Beratung (Abstimmung) der Entschließungsanträge der Fraktion der SPD zum Nachtragshaushaltsgesetz 1992 (Drucksachen 12/2910, 12/2911) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/92 und 2 BvE 2/92 (Drucksache 12/3195) Ortwin Lowack fraktionslos (Erklärung nach § 31 GO) 8804 A Nächste Sitzung 8843 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8845* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude CDU/CSU . . . . 8845* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 8713 103. Sitzung Bonn, den 9. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 09. 09. 92*** Antretter, Robert SPD 09. 09. 92* Dr. Blank, CDU/CSU 09. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck, Lieselott SPD 09. 09. 92* Böhm (Melsungen), CDU/CSU 09. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 09. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 09. 09. 92 van Essen, Jörg F.D.P. 09. 09. 92*** Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Fuchs, Ruth PDS/LL 09. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 09. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 09. 09. 92 Haschke CDU/CSU 09.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Holtz, Uwe SPD 09. 09. 92*** Jaunich, Horst SPD 09. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 09. 09. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 09. 09. 92*** Oesinghaus, Günther SPD 09. 09. 92 Opel, Manfred SPD 09. 09. 92** Pfuhl, Albert SPD 09. 09. 92 Poß, Joachim SPD 09. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 09. 09. 92* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 09. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 09. 09. 92 Rempe, Walter SPD 09. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 09. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 09. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 09. 09. 92*** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 09. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 09. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 09. 09. 92*** Weyel, Gudrun SPD 09. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 09. 09. 92 Dr. Wieczorek CDU/CSU 09. 09. 92 (Auerbach), Bertram Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 09. 09. 92 Simon Zierer, Benno CDU/CSU 09. 09. 92* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude (CDU/CSU): Der einigungsbedingte Mehraufwand im Justizetat 1993 unterstreicht erneut den festen Willen von Regierung und Parlament, den Aufbau des Rechtsstaates weiter voranzutreiben und zu konsolidieren. Bei der Haushaltsdebatte 1991 wurde sehr zu Recht die schleppende Abwicklung von Gerichtsverfahren, die totale Überlastung der Grundbuch- und Katasterämter beklagt. Inzwischen hat sich trotz noch immer vorhandener Mängel auch vieles überaus positiv entwickelt. Wer hätte gedacht, daß nach den ersten Erfahrungen-wir mußten ja nach der Säuberung der alten DDR-Justiz in den meisten Bereichen bei Null anfangen - eine derart große Zahl von Juristen für die neuen Bundesländer gewonnen werden könnte. Erinnern wir uns: Es gab dort zur Zeit der Wende 1989 ganze 600 Rechtsanwälte, heute sind es immerhin schon 3 200. Das von der Bundesregierung initiierte Modell „Aufbau des Rechtsstaates" leistet nunmehr einen entscheidenden Beitrag zur Personalausstattung der Gerichte und Grundbuchämter in den neuen Ländern. War es 1991 noch ein Etatansatz von 117,4 Millionen DM, der nur mit 53,5 Millionen ausgenutzt werden konnte, so mußten wir bereits in diesem Jahr den vorgesehenen Betrag von 104,5 Millionen DM noch um Haushaltsreste aus 1991 von rund 19 Millionen DM für EDV-Maßnahmen aufstocken. Damit sind die Zielvorgaben per heute wie folgt verwirklicht worden: i. 1 000 Richter und Staatsanwälte, davon 820 tätig, 500 Rechtspfleger, davon 500 tätig. 2. Der Einsatz von pensionierten Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und Urkundsbeamten zeigt leider immer noch ein unbefriedigendes Ergebnis, obwohl bürokratische Hemmnisse beseitigt wurden. Statt der angestrebten Zahl von 500 sind es jetzt erst ganze 68. Man sollte also mehr für ein Seniorenmodell werben. 3. Die Bundesförderung für die Neueinstellung von Richtern, Rechtsanwälten, Rechtspflegern - insgesamt sollen es 300 sein -, wird von den neuen Ländern voll in Anspruch genommen. Diese Gesamtförderung wird 1993 mit 107,5 Millionen DM fortgesetzt, wobei wir die Unterstützung bei der EDV-Ausstattung der Grundbuchämter erneut mit einschließen. Natürlich besteht auch darüber hinaus für die Folgejahre noch Handlungsbedarf. Ich möchte aber heute auch allen danken, die in den neuen Bundesländern auf Dauer oder vorübergehend beim schwierigen Aufbau des Rechtsstaates mitwirken. Sie tragen entscheidend dazu bei, das Vertrauen in unseren Staat zu stärken. Für ganz Deutschland gilt gleiches Recht, und damit muß auch die gleiche Rechtswirklichkeit einhergehen. Allerdings müssen wir in diesem Zusammenhang auch einige selbstkritische Fragen stellen: - Was bremst und blockiert eigentlich den Wiederaufbau im 8846* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Osten? — Sind es nicht vielfach bürokratische Hemmnisse, ist es nicht vor allem unser Gesetzesperfektionismus, der schon den Wirtschaftsstandort Westdeutschland mehr als genug belastet? Insoweit muß dringend geprüft werden, ob und wie Maßnahmegesetze zur Beschleunigung — so wie im Verkehrsbereich — auch im Umwelt- und Baubereich für eine begrenzte Zeit einzuführen sind. Die Ungeduld und Unzufriedenheit vieler Landsleute mit bestimmten Verwaltungsabläufen ist verständlicherweise groß. Wir als Gesetzgeber sind darüber hinaus gefordert, bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts zügig fortzufahren. In den letzten 12 Monaten sind wir bereits ein gutes Stück vorangekommen. Ich nenne hier das 1. SED-Unrechts-Bereinigungsgesetz sowie das 2. Vermögensrechts-Änderungsgesetz. Es sind noch gesetzliche Regelungen zur Wiedergutmachung von Berufs- und Verwaltungsunrecht zu beschließen und vor allem das in Kürze vorliegende Entschädigungsgesetz. Die Erwartung aller Betroffenen ist in diesem Bereich besonders groß. Die Höhe der Entschädigung bei Unmöglichkeit der Rückgabe — gleich aus welchen Gründen — muß sich leider auch an den finanziellen Möglichkeiten orientieren. Dasselbe gilt für die Ausgleichsleistungen für besatzungsrechtliche Enteignungen in der Zeit von 1945 bis 1949. Die Anerkennung der Bodenreform auf Grund der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und _des Einigungsvertrages stellen für den betroffenen Personenkreis eine besondere Härte dar. Die Rückgabe des oft unter unvorstellbaren Bedingungen enteigneten Besitzes wurde ausgeschlossen, obwohl gerade im Bereich der Land- und Forstwirtschaft oft noch wesentliche Teile des Altbesitzes für eine Rückübertragung verfügbar wären. Es ist deshalb dringend geboten, den Anspruch von Alteigentümern auf das geplante Wiedereinrichtermodell ausdrücklich festzuschreiben. Für die nach 1949 Enteigneten sollte noch einmal überprüft werden, ob das bisher geltende Wahlrecht: Rückgabe oder Entschädigung nicht auch künftig beizubehalten ist, da bereits Fälle bekannt wurden, wo Anspruchsberechtigte im Vertrauen auf das geltende Vermögensgesetz freiwillig auf ihren Besitz verzichtet haben, um kommunale Planungen zu ermöglichen. Wichtig ist auch, daß Vertriebene vor allem jenseits von Oder und Neiße, die nach 1945 ihren ständigen Aufenthalt in der früheren DDR genommen haben, eine einmalige Zuwendung von 4 000 DM erhalten sollen, da sie von der in Westdeutschland durchgeführten Lastenausgleichsregelung nicht begünstigt wurden. Zur sozialen Gerechtigkeit gehört selbstverständlich, daß mit dem geplanten Entschädigungsgesetz bei Rückgabe von Vermögenswerten auch der gezahlte Lastenausgleich zurückzuzahlen ist und daß darüber hinaus wegen des Ungleichgewichts zwischen Sachwert bei Rückgabe und Entschädigung eine Vermögensabgabe erhoben werden soll. Zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts gehört ferner, daß die Verfolgung von Regierungskriminalität zügig vorangetrieben wird. Bund und Länder hatten vereinbart, 60 Staatsanwälte zum Kammergericht nach Berlin zu delegieren. Als einziges Bundesland hat das Saarland sich bisher geweigert, seinen Anteil, der sowieso nur aus einem Staatsanwalt besteht, zu leisten. Ein vergleichbar unwürdiges Verhalten konnte man übrigens auch bei anderen SPD-regierten Ländern in der Vergangenheit bereits feststellen, wenn es um die Finanzierung der zentralen Dokumentationsstelle Salzgitter ging. Die Mitarbeiter dieser Einrichtung haben in vorbildlicher Weise Unrechtstatbestände ermittelt und die dafür Verantwortlichen festgestellt. Großen Unmut in der Bevölkerung gibt es verständlicherweise über Fälle von Bereicherung in der früheren DDR, die bis heute nicht rückgängig gemacht wurden. Einige Beispiele dafür hat BILD am Sonntag gerade in der letzten Ausgabe dargestellt. Da wird Herr Diestel ebenso erwähnt wie sein damaliger Stellvertreter Müller, aber auch eine Reihe von Generälen der NVA, u. a. der Chef der DDR-Grenztruppen sowie der frühere Polizeipräsident von Berlin. Bei beiden stellt sich übrigens nicht nur die Frage der Überprüfung der Grundstücksgeschäfte, sondern auch nach deren strafrechtlicher Verantwortung auf Grund ihrer früheren Tätigkeit. Die Reformaufgaben der Justiz werden — wenn auch nicht im gleichen Tempo wie in den vergangenen Jahren — fortgeführt. Dabei steht volumenmäßig die Überprüfung des Nichtehelichenrechts im Vordergrund. Das Justizministerium muß aber jetzt mit besonderer Priorität Änderungen im Ausländer- und Asylrecht vorbereiten. Die Erfahrungen der letzten Monate, insbesondere der letzten Wochen, zeigen, mit welcher Dringlichkeit auch eine Grundgesetzänderung zum Schutz des Asylrechts und gegen den ungezügelten Mißbrauch durch Wirtschaftsflüchtlinge erfolgen muß. Abschließend möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesjustizministerium bedanken, die auch in diesem Jahr in besonderer Weise Mehrarbeit für den Aufbau des Rechtsstaats in den neuen Bundesländern zu leisten hatten.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Seiters


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, ich möchte jetzt wirklich gerne einmal im Gesamtzusammenhang vortragen.
    Ich sage noch einmal: Rekordzahl bei der Bearbeitung von Fällen, 140 000 in den ersten acht Monaten dieses Jahres; gleichzeitig sind 274 000 neue Asylbewerber in unser Land gekommen. Deswegen finde ich es, wie gesagt, nicht fair, wenn jemand mit den erwähnten Unterstellungen arbeitet.
    Ich weise insbesondere die schlimme Entgleisung aus den Reihen einer rot-grünen Landesregierung, der Bund wolle vom Terror der Straße profitieren, als eine ganz üble und schäbige Diffamierung mit allem Nachdruck zurück.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch der Vorwurf, der Bund handle bei der Einstellung von Personal beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zögerlich, ist nicht in Ordnung. Es gibt manche Schwierigkeiten. Manches, worauf ich dränge, geht nicht so schnell, wie auch ich mir das wünschen würde. Aber dabei hat übrigens eine entscheidende Rolle gespielt, Herr Kollege Hirsch, daß die Standortentscheidungen der Länder für eine Erstaufnahmeeinrichtung sehr spät erfolgten, teilweise heute, im September 1992, noch nicht vorliegen, aber die Einrichtung von Außenstellen des Bundesamtes wiederum davon abhängig ist, was für Standortentscheidungen der Länder getroffen sind. Wir wollen doch erreichen, daß möglichst viele Standortentscheidungen getroffen werden. Aber wir schaffen das eben nicht. Der Bund kann seine Leistungen erst danach bringen.
    Im übrigen fragen viele Bewerber, die sich jetzt in den Vorstellungsgesprächen äußern, natürlich: Wo ist denn dieser Standort, und wo werde ich tätig? Der eine, der vielleicht am Standort Hannoversch Münden tätig sein möchte, will aber nicht in Osnabrück tätig sein. Das gilt für Augsburg und für Bamberg gleichermaßen.



    Bundesminister Rudolf Seiters
    Wenn auf Grund von 1 600 Bewerbungsgesprächen zwischenzeitlich immerhin fast 1 000 Einstellungszusagen ergangen sind, dann sollte gelten: Wenn SPD-Länder an diesen Einstellungsbemühungen Kritik üben, dann sollten sie nicht vergessen, wie zögerlich sie mit ihren eigenen Entscheidungen und der Einlösung von Zusagen sind.
    Ich habe — ich will auch das hier gerne noch einmal sagen — in den vergangenen Wochen Nordrhein-Westfalen nicht angegriffen, obwohl es an Stelle von 112 zugesagten qualifizierten Beamten lediglich 1 200 Bewerbungsunterlagen zugeleitet hat und damit allein dem Bundesamt die zeit- und arbeitsaufwendige Auswahl von qualifiziertem Personal zugeschoben hat.
    Ich habe in den vergangenen Wochen Hessen nicht angegriffen, obwohl es noch Mitte August nicht in der Lage war, 37 qualifizierte Bewerber zu benennen.
    Wer selbst solche gravierenden Personalgewinnungsprobleme hat, sollte etwas zurückhaltender bei seiner Kritik an anderen sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das ist Heuchelei!)

    Ich jedenfalls kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß viele dieser Angriffe an die Adresse der Bundesregierung der durchsichtige Versuch sind, von einer entscheidenden Frage abzulenken: Wo stünden wir heute eigentlich, wenn die Petersberger Erkenntnisse des SPD-Vorsitzenden Engholm, daß angesichts des zunehmenden Asylbewerberzustroms in der Bundesrepublik Deutschland und der sich zuspitzenden Probleme in den Kommunen und Ländern eine Grundgesetzergänzung notwendig sei, bereits beim Parteivorsitzendengespräch am 10. Oktober 1991 vorhanden gewesen wären? Kostbare Zeit ist uns verlorengegangen: ein Jahr vertan, ein Jahr verspielt. Die SPD hat Grund zur Selbstkritik, nicht aber zu Vorwürfen an die Adresse anderer.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Bundeskanzler hat heute morgen gesagt, auch eine Verfassungsänderung löse nicht alle Probleme. Das ist auch meine Meinung. Ohne eine Änderung des Grundgesetzes aber werden wir die Probleme vor Ort ebensowenig lösen, wie wir zu einer europäischen Harmonisierung des Asylrechts kommen.

    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Wenn wir nicht wollen, daß Radikale und Extremisten von einer Situation verschärft profitieren, die von vielen Menschen in unserem Lande, in den Gemeinden und Kreisen, mittlerweile als beängstigend, besorgniserregend und unerträglich empfunden wird, dann müssen die demokratischen Parteien jetzt unverzüglich und ohne Zögern eine überzeugende, demokratische Antwort auf den erkennbaren Asylmißbrauch geben und die Verfassung unter voller Wahrung der Genfer Flüchtlingskonvention ändern.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Freimut Duve [SPD]: Was heißt das konkret?)

    Mein Ziel: Wer wirklich politisch verfolgt ist, wird auch weiterhin in Deutschland Asyl erhalten. Wir müssen aber das Asyl vor Mißbrauch schützen.

    (Zustimmung der Abg. Ina Albowitz [F.D.P.])

    Von der Asylgewährung muß deshalb ausgeschlossen werden, wer aus einem Land stammt, in dem keine politische Verfolgung stattfindet, wer aus einem verfolgungsfreien Drittstaat kommt, wer keinen ausreichenden Identitätsnachweis erbringt oder seine Ausweispapiere vernichtet, wer im Ausland ein schweres Verbrechen begangen hat, wer nicht unverzüglich nach Einreise in die Bundesrepublik seinen Asylantrag stellt oder wer als Bürgerkriegsflüchtling vorübergehend bei uns aufgenommen wird.
    Auch darf das Asylrecht in Deutschland nicht länger einer einheitlichen Regelung auf europäischer Ebene entgegenstehen. Es sollte deshalb erreicht werden, daß für die Gewährung von Asyl, wie auch in den anderen europäischen Staaten, alleinige Grundlage die Genfer Flüchtlingskonvention ist, die uneingeschränkt gewährleistet sein muß.
    Es bedarf weiterer flankierender Maßnahmen: Verstärkung der Überwachung an den grünen Grenzen; das Schlepperwesen muß unnachsichtig verfolgt werden; abgelehnte ausreisepflichtige Asylbewerber müssen sofort und konsequent abgeschoben werden — diese Verpflichtung liegt allein und ausschließlich bei den Ländern —; nicht zuletzt muß der wirtschaftliche Anreiz für politisch nicht verfolgte Ausländer, nach Deutschland zu kommen, entscheidend gemindert werden. Dem müssen das Sozialhilferecht und die Sozialhilfepraxis entsprechen.
    Ich plädiere nachdrücklich dafür, daß wir Prioritäten setzen. Das heißt: großzügige Regelungen auch künftig für wirklich politisch Verfolgte und gleichzeitig vergrößerten Handlungsspielraum für Bürgerkriegsflüchtlinge, die sich in existentieller Not und Gefahr befinden.
    Meine Damen und Herren, zur Kriminalität einige wenige Sätze: Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur organisierten Kriminalität haben wir einen erheblichen Fortschritt zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens erzielt. Weiterer Bestandteil wird die strafrechtliche Verfolgung der Geldwäsche sein.
    Die Begehung von Straftaten muß finanziell unattraktiv gemacht werden, indem Straftätern der Gewinn entzogen wird. Die rechtlichen Voraussetzungen sollen durch das Gewinnaufspürungsgesetz geschaffen werden, das sich derzeit in der parlamentarischen Beratung befindet und noch in diesem Jahr in Kraft treten sollte.
    Ich plädiere dafür, daß wir uns über weitere Maßnahmen wie den Einsatz technischer Mittel in Wohnungen verdächtiger Krimineller verständigen. Ich halte es auch nach den Erfahrungen in vielen anderen Ländern — in Italien, in den USA, in Luxemburg und in Frankreich — für zwingend notwendig, daß die gesetzlichen Möglichkeiten zur Bekämpfung organisierten Verbrechens der kriminellen Herausforderung entsprechen.



    Bundesminister Rudolf Setters
    Ein Schwerpunkt der Kriminalitätsbekämpfung ist die internationale Zusammenarbeit: Das Zusammenwachsen Europas stellt auch die Polizei vor neue Herausforderungen. Der Abbau von Grenzkontrollen bietet auch den international arbeitenden Verbrecherorganisationen mehr Entfaltungsmöglichkeiten. Durch ein Bündel von Ausgleichsmaßnahmen müssen wir verhindern, daß der künftige Wegfall der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der Europäischen Gemeinschaft Nachteile für die innere Sicherheit mit sich bringt. Das Gesetz zu dem entsprechenden Schengener Übereinkommen befindet sich zur Zeit in der parlamentarischen Beratung.
    Wir sind dabei, Europol aufzubauen. Mit meinem französischen Kollegen war ich in der letzten Woche in Straßburg; der Aufbaustab befindet sich unter deutscher Leitung. Wir sind einig, alles zu tun, um den Aufbau von Europol zu beschleunigen.
    Gleichfalls ist mit unseren unmittelbaren östlichen Nachbarn CSFR und Polen sowie mit Ungarn die polizeiliche Zusammenarbeit auf der Grundlage von Abkommen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vorangebracht worden. Zuletzt habe ich zur Umsetzung des Abkommens mit Polen am 19. und 20. August 1992 in Warschau mit meinem polnischen Amtskollegen gesprochen und Vereinbarungen getroffen, die auch der Bekämpfung des Rauschgiftschmuggels, der illegalen Zuwanderung und der Verfolgung der Schlepperkriminalität dienen.
    Ich füge hinzu: Die Bekämpfung der Schleuserbanden, meine Damen und Herren, ist dabei nicht nur als eine polizeiliche oder strafrechtliche Aufgabe zu sehen, sondern auch als ein Gebot der Humanität und der Solidarität. Schlepperorganisationen sind keine Wohltäter, die Flüchtlinge in eine bessere Zukunft geleiten, sondern moderne Menschenhändler, deren einziges Motiv die Ausbeutung der Opfer ist.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Ich nenne jetzt aus Zeitgründen nur noch Stichworte, wofür ich um Verständnis bitte. Wir werden die Aussprache im einzelnen bei den Ausschußberatungen fortsetzen. Zunächst das Stichwort innere Einheit. Zu den Aufgaben des Bundesministers des Innern gehören auch der Aufbau der Verwaltung und die Kultur.
    Ich weiß, daß das Thema „Kultur" in unserem Lande eine ganz große Bedeutung hat. Ich möchte folgendes sagen: Die Bundesregierung hat seit der Vereinigung der beiden Teile Deutschlands über 2,5 Milliarden DM für das kulturelle Leben in den neuen Bundesländern ausgegeben. Sie hat auf der Grundlage von Art. 35 die Übergangsfinanzierung ins Leben gerufen: 1991 waren es 950 Millionen DM, 1992 sind es 830 Millionen DM für Substanzerhaltung, Infrastruktur, Denkmalschutzsonderprogramm.
    Die Übergangsfinanzierung hat in den vergangenen Jahren ganz wesentlich zur Erhaltung der kulturellen Substanz in den neuen Ländern beigetragen. Zusammen mit den Mitteln der Länder und Kommunen ist es bisher gelungen, die Kontinuität des kulturellen Lebens auch unter veränderten Vorzeichen zu bewahren.
    Die Hoffnung, daß zur Sicherung der kulturellen Substanz zweijährige Überbrückungsmaßnahmen ausreichen würden, hat sich nicht erfüllt.

    (Freimut Duve [SPD]: Sehr wahr!)

    Die finanzielle Lage insbesondere der Kommunen macht die Fortführung der Übergangsfinanzierung im Jahre 1993 dringend erforderlich.

    (Freimut Duve [SPD]: Und 1994!)

    Ich habe mich deshalb in den Haushaltsverhandlungen nachdrücklich für eine Beibehaltung der Übergangsfinanzierung eingesetzt. Ich gehe auch davon aus, daß dies in den Beratungen des Haushaltsausschusses noch eine wichtige Rolle spielen wird. Wir müssen in jedem Falle sicherstellen, daß auch in kommenden Jahren ausreichend Mittel zur Erhaltung des kulturellen Erbes in den neuen Ländern zur Verfügung stehen.

    (Freimut Duve [SPD]: Nicht nur des Erbes, sondern auch des kulturellen Lebens!)

    Im übrigen nenne ich noch fünf Punkte. Erstens. Für die Zukunft der Deutschen in den Staaten Ost-, Mittelost- und Südosteuropas kommt es darauf an, flexibel und mit großem Einfühlungsvermögen auf ihre Bedürfnisse einzugehen und unsere Hilfe vor Ort zu verstärken. Die Bereitschaft der Deutschen, sich in der Südukraine oder an der Wolga anzusiedeln, wächst in einem Maße, daß die eingeleiteten Hilfsmaßnahmen schon bald nicht mehr ausreichen werden. Auch die sich seit 1991 auf einem niedrigeren Niveau verstetigenden Aussiedlerzahlen zeigen, daß wir auf dem richtigen Wege sind.
    Natürlich darf niemand verkennen, daß die Entscheidung zum Bleiben nicht allein von unseren Hilfsmaßnahmen abhängt, sondern auch durch die allgemeine Entwicklung in den jeweiligen Staaten wesentlich beeinflußt wird. Aussiedlern, die sich dennoch zum Verlassen ihrer angestammten Heimat entschließen, werden wir die unverzichtbaren Hilfen zur Eingliederung weiter gewähren. Allerdings sind auch hier Mittelkürzungen unvermeidbar.
    Zweitens. Was den öffentlichen Dienst anbetrifft, so ist sich die Bundesregierung der Bedeutung einer besonderen zukunftsorientierten öffentlichen Verwaltung bewußt. Um das auch international anerkannt hohe Niveau unseres öffentlichen Dienstes zu bewahren, zählt der Erhalt seiner Wettbewerbsfähigkeit zu den wichtigen politischen Aufgaben. Die Bundesregierung wird noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur Sicherung der Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes vorlegen.
    Drittens. Auch vor dem Hintergrund der veränderten sicherheitspolitischen Lage bleibt staatliche Notfallvorsorge zum Schutz der Bevölkerung unverzichtbar. Allerdings bedürfen Struktur und Organisation sowie Art, Umfang und Gewichtung der Aufgaben in kritischer Überprüfung einer sachgerechten Anpassung an veränderte Bedingungen.
    In diesem Rahmen gilt es auch die anstehenden Entscheidungen zur Verselbständigung des THW, der Umstrukturierung des Zivilschutzes sowie zur neuen Gewichtung der Aufgaben des Selbstschutzes zu



    Bundesminister Rudolf Seiters
    treffen. Innerhalb der verfassungsmäßigen Aufgabenverteilung zwischen den Ländern und dem Bund wird der Bund seinen Beitrag im Hilfeleistungssystem erbringen.
    Viertens. Im Sport haben die Erfolge unserer nach 28 Jahren wiedervereinten Olympiamannschaft insgesamt gezeigt, daß das Zusammenwachsen hier erfreulich weit gediehen ist. Wir werden einen dopingfreien Leistungssport auch künftig fördern.
    Das gilt auch für den Behindertenleistungssport. Ich war vor wenigen Tagen bei den Paralympics.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Sehr gut, Herr Minister!)

    Mir liegt daran, auch an dieser Stelle nach vielen persönlichen Gesprächen meine Anerkennung, meine Bewunderung und meinen Respekt zum Ausdruck zu bringen für die Leistung und den Lebensmut vieler dieser behinderten Sportler.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Fünftens. Am 3. Juni 1992 hat die Bundesregierung eine Gesamtkonzeption zur Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 vorgelegt, deren Realisierung sie in enger Abstimmung mit dem Deutschen Bundestag und den Ländern Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie den betroffenen Regionen zügig vorantreiben wird. Noch in diesem Jahr werden wir einen Gesetzentwurf zur Umsetzung des Beschlusses vorlegen, der sich an der Verpflichtung zu einer fairen Arbeitsteilung zwischen Berlin und Bonn sowie zu einem angemessenen Ausgleich der für Berlin wie auch für Bonn aus der Hauptstadtentscheidung resultierenden Belastung orientiert.
    Nach den bereits mit dem Senat von Berlin und dem Land Brandenburg abgeschlossenen Vereinbarungen über Fragen der Zusammenarbeit in Hauptstadtangelegenheiten wird die Bundesregierung in Kürze Vorschläge zur vertraglichen Regelung von Ausgleichsleistungen für die Region Bonn unterbreiten.
    Meine Damen und Herren, wir werden die großen und schwierigen Aufgaben gerade auf dem Felde der Innenpolitik nur, wie ich denke, in einer ganz großen gemeinsamen Kraftanstrengung bewältigen können. Für die Innenpolitik gilt ebenso wie für andere Bereiche: Wir müssen klare Prioritäten setzen. Unser Hauptaugenmerk muß dem Prozeß des inneren Zusammenwachsens Deutschlands gelten. Der Aufbau im Osten muß Vorrang haben vor dem weiteren Ausbau im Westen.
    Schließlich: Im innenpolitischen Bereich stehen wir vor ganz drängenden Problemen; Asyl und Kriminalität haben wir angesprochen. Die Bürger erwarten von diesem Parlament, daß es nach diesen langen und ausgesprochen schwierigen Monaten der Diskussion jetzt endlich die Rechtsgrundlagen schafft, die dem Staat den unverzichtbar notwendigen Handlungsrahmen eröffnen.
    Ich appelliere auch von dieser Stelle aus an alle demokratischen Parteien, daß wir jetzt wirklich eine Lösung dieser Probleme herbeiführen. Ich füge hinzu: Sollte uns dies nicht gemeinsam gelingen, werden die extremistischen Kräfte eine böse Ernte einfahren. Wir haben schon zuviel Zeit verloren.
    Lassen Sie uns entschlossen handeln, an unseren Grundwerten orientiert, und sich unsere Demokratie beweisen lassen als ein wehrhafter Staat, der unsere Stabilität und unsere Sicherheit zu bewahren weiß. Je intensiver wir dies gemeinsam tun, desto besser für unser Land und unsere Bürger.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Als nächster hat das Wort Herr Kollege Gerd Wartenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerd Wartenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die innenpolitische Lage in der Bundesrepublik Deutschland ist dramatisch. Gewaltexzesse gegen Menschen erschüttern unser Land. Das Vertrauen in demokratische Entscheidungsprozesse und in die Handlungsfähigkeit der Regierung ist nachhaltig erschüttert. Der Rückgang der Akzeptanz und des Vertrauens für Politik generell ist besorgniserregend. Dies ist um so schwerwiegender in einer Zeit, in der die Veränderungsprozesse innerhalb unserer Gesellschaft gewaltig sind.
    Die Deindustrialisierung im Osten unseres Landes, verbunden mit sozialer Desintegration, bildet eine gefährliche Gemengelage. Die Ängste vieler Menschen in Westdeutschland, nicht mehr die Insel des Wohlstands bleiben zu können, verstärken die Verunsicherung.
    Trotz all dieser Probleme: Die Gewaltexzesse gegen Menschen müssen scharf verurteilt und zurückgewiesen werden. Kein soziales Problem — und davon gibt es genug — kann entschuldigen, wenn menschlicher Anstand und menschliche Würde auf so fundamentale Weise verletzt werden, wie wir es in den letzten Wochen erlebt haben. Gewalttätige Exzesse sind heute ein Element vieler Industriestaaten. Gerade die Lust an der Gewalt ist vielleicht das beunruhigendste Phänomen. Die Sucht junger Menschen, die sogar häufig in Arbeitsprozesse voll integriert sind, in der Auseinandersetzung mit der Polizei ein Gemeinschaftserlebnis zu finden, ist besorgniserregend. Jene Lust, gewalttätig zu sein bei hohem persönlichem Risikoeinsatz, hat wohl sehr viel tiefergehende Ursachen als jene aktuellen Probleme, vor denen wir in der Bundesrepublik stehen.
    Wir kennen solche gewalttätigen Exzesse schon aus der Zeit vor der deutschen Vereinigung. Man denke an jenen berühmten 1. Mai vor fünf Jahren in Kreuzberg, als sinnlose Zerstörungswut ausbrach, ein Kaufhaus abbrannte, die Feuerwehr nicht löschen konnte, die Polizei sich zurückziehen mußte. Ähnliches haben wir bei Krawallen bei Fußballspielen erlebt.
    Das heißt, dieses Grundphänomen hat man schon relativ lange an den verschiedensten Stellen und bei den verschiedensten Anlässen feststellen können. Die Gefährlichkeit der jetzigen Situation besteht darin, daß sich diese Form von Gewalttätigkeit das erste Mal gezielt und bewußt gegen Menschen richtet und das Leben dieser Menschen im Bewußtsein der Angreifer offensichtlich nichts mehr zählt. Dies wird verkoppelt mit neuen Naziideologien, mit rechtsradikalen Ideologien. Dies ist der Unterschied zu den gewalttätigen



    Gerd Wartenberg (Berlin)

    Exzessen, die wir in der Vergangenheit erlebt haben
    Hier gibt es erst einmal nur eine Antwort: Mit harten Polizei einsätzen müssen die Gewalttäter bekämpft werden. Im Vordergrund muß der Schutz der bedrohten Menschen stehen.

    (Beinfall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Bruno Menzel [F.D.P.])

    Gleichzeitig müssen die Gewalttäter hart bestraft werden. Bei dieser Gruppe von Menschen wird nur dies eine abschreckende Wirkung haben.

    (Dr. Heribert Blens [CDU/CSU]: Vielleicht!)

    Der Glaube, daß man bei dieser relativ kleinen Gruppe die Lust an der Gewalt, manchmal mit Ideologie verkoppelt, durch rationale Argumentation eindämmen könne, ist wohl ein Irrglaube.

    (Beifall bei der SPD)

    Gefährlich an der jetzigen Situation ist, daß der Anlaß der Gewalt, nämlich fremde Menschen anzugreifen und auszugrenzen, von einem Teil unserer Bevölkerung — keinem großen Teil unserer Bevölkerung —, der selbst niemals gewalttätig wird, mit klammheimlicher Zustimmung oder zum Teil mit offener Zustimmung begleitet wird. An diese Menschen müssen wir uns mit unserer Argumentation und auch mit unseren politischen Lösungsansätzen zuerst wenden. Sie sind derjenige Teil der Bevölkerung, dem unsere größte Aufmerksamkeit dienen muß. Seine Probleme müssen ernst genommen werden.
    Zur Eindämmung der Gewalt sind natürlich gleich wieder unsinnige Vorschläge gemacht worden. Es wurde sofort eine Sondereingreiftruppe des Bundes gefordert. Dies ist Schwachsinn.

    (Beifall bei der SPD)

    Wichtig ist, die Instrumentarien, die zur Verfügung stehen, so auszustatten, daß sie wirksam sein können. Im Westteil unseres Landes haben wir damit im großen und ganzen keine Probleme. Im Osten verschärft sich die Situation dadurch, daß die örtliche Polizei sowohl in Ausbildung und Ausrüstung als auch bei Fragen der Logistik noch nicht auf dem Stand ist, der notwendig ist. Dies muß vordringlich von den neuen Bundesländern mit Unterstützung des Bundes geleistet werden.
    Der Bund muß allerdings auch den Bundesgrenzschutz, der in besonderen Lagen immer wieder als Hilfsorgan der Polizei herangezogen wird, vernünftig ausstatten. Es kann nicht angehen, daß bei der Neuausrüstung des Bundesgrenzschutzes in den neuen Bundesländern beispielsweise kein einziger Angehöriger mit Schwerstschutz ausgerüstet wird.
    Herr Bundesinnenminister, Sie haben den Polizeibeamten und dem Bundesgrenzschutz gedankt. Das ist in Ordnung; das tun auch wir. Aber noch besser wäre es, der Bundesinnenminister würde dafür sorgen, daß diese Beamten über Schutzausrüstungen verfügen, die sie solche Einsätze ohne Gefahr überstehen lassen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ich habe die Vermerke der Personalräte des Bundesgrenzschutzes Ost gelesen. Das, was dort läuft, kann so nicht weitergehen. Es ist unmöglich, daß im Augenblick nur Westbeamte mit Schwerstschutz ausgerüstet werden und die gesamte Neuausrüstung des Bundesgrenzschutzes Ost nicht für solche Einsätze geeignet ist.
    Wenn die These richtig ist, daß es auch Gewalttätigkeit um jeden Preis, um des Erlebnisses willen und mit hohem persönlichem Risiko der Gewalttäter gibt, dann müssen die Beamten, die zur Abwehr eingesetzt werden, auch in größtmöglichem Umfang geschützt werden.

    (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sehr richtig!)

    Wer die Einsatzbereitschaft dieser Beamten langfristig sichern will, darf sie nicht unvorbereitet oder schlecht ausgerüstet in solche Auseinandersetzungen schicken.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Hier ist ein erhebliches Defizit des Bundes, insbesondere beim BGS-Ost, festzustellen.
    Herr Bundesinnenminister, Sie haben vorgeschlagen, den Verfassungsschutz etwa bei der organisierten Kriminalität einzusetzen. Wir als Sozialdemokraten gehören nicht zu denen, die sagen, der Verfassungsschutz müsse grundsätzlich abgeschafft werden. Gerade bei der Bekämpfung der Entwicklung der Rechtsradikalität kann er sogar neue sinnvolle Aufgaben gewinnen.

    (Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein fatales Argument!)

    Aber eines werden wir nicht mitmachen: daß der Verfassungsschutz polizeiliche Aufgaben bekommt.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.])

    Hier wird das Trennungsgebot der Verfassung nicht beachtet. Diese Diskussion darf nicht weitergeführt werden; sie ist unsinnig und gefährlich. Lassen Sie das! Dies ist wieder eine Fehlentwicklung in der öffentlichen Diskussion bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität. Sie darf nicht mit dem Instrument des Verfassungssschutzes geschehen.

    (Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]: Sehr wahr!)

    Meine Damen und Herren, die Asyldebatte ist ein Kristallisationspunkt der augenblicklichen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung. Das ist fatal und unangemessen. Wir haben große Probleme in der Überlastung der Infrastruktur durch die hohe Zuwanderung in den letzten beiden Jahren. Nur, dies alles auf die Asylproblematik zu reduzieren, ist untauglich und gefährlich zugleich.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Kennen Sie einen, der das macht? Den gibt es nicht!)




    Gerd Wartenberg (Berlin)

    Die Verengung der Diskussion auf die Veränderung von Rechtsinstrumentarien, insbesondere auf eine mögliche Verfassungsänderung ist unerträglich. Sie ist auch für Leute wie mich, die bereit sind, einer Verfassungsdiskussion nicht auszuweichen, unerträglich.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Dies darf so nicht weiter geschehen.
    Diese Diskussion ist auch deswegen so gefährlich, weil hier Erwartungen geweckt werden, die mit der Änderung von Rechtsinstrumentarien nicht erfüllt werden können.

    (Zuruf von der SPD: Genau! — Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das denn?)

    Gewiß, die Handlungsspielräume müssen auch im Bereich der Zuwanderung erweitert werden. Aber es muß immer wieder deutlich gesagt werden, daß diese zu schaffenden Handlungsspielräume das Grundproblem der Zuwanderung nicht in dem Maße steuern können, wie es ein Teil unserer Bevölkerung erwartet und wie Koalitionspolitiker es den Menschen einreden.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Kennen Sie einen einzigen? Den gibt es nicht! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Nein, tun wir nicht!)

    Die SPD hat sich immer für ein Gesamtkonzept für die Zuwanderung ausgesprochen. Da geht es um alle Gruppen der Zuwanderung: um Menschen, die unter dem Dach des Asylrechts in die Bundesrepublik Deutschland kommen, um Vertragsarbeitnehmer, um Aussiedler und um spezielle Gruppen wie etwa die Bürgerkriegsflüchtlinge. Wer diesen Gesamtverbund der Problemlösung aufgibt und nur isoliert über das Asylrecht redet, betrügt die Bevölkerung.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wenn überhaupt über Asyl gesprochen wird, dann darf eben nicht über das politische Asylrecht gesprochen werden, sondern nur darüber, wie Menschen, die unter dem Dach des Asylrechts als Armutsflüchtlinge in die Bundesrepublik Deutschland kommen, aus dem Asylrechtsinstrumentarium herausgehalten werden können.
    Dabei muß gleichzeitig festgestellt werden, daß diese Armutsflüchtlinge nicht Menschen sind, die irgend etwas Ungeheuerliches tun, indem sie unter dem Dach eines für sie nicht geschaffenen deutschen Asylrechts Zuflucht suchen, sondern daß sie dramatische Gründe haben, um sich auf die Wanderschaft zu begeben.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es sind die gleichen Gründe, die im letzten Jahrhundert Hunderttausende von Menschen, etwa aus Mecklenburg, veranlaßt haben, in die USA zu gehen.

    (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Auch in den 50er Jahren noch!)

    Wir dürfen in diesem Zusammenhang auch nicht die Wanderungsbewegungen aus Deutschland in andere Länder vergessen. Auch diese Menschen aus Deutschland hatten damals auf Grund ihrer hoffnungslosen und miserablen Lage in den Armutsgebieten des Deutschen Reiches unerhörte Erwartungen an ein anderes Land.
    Gleichwohl müssen wir feststellen, daß nicht alle Armutsflüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen werden können und wir gruppenspezifische Lösungen anbieten müssen. Dabei kann es auch nicht angehen, daß man nur feststellt: Die Armutswanderung wird überhaupt nicht zu stoppen sein, und deswegen müssen wir sie einfach hinnehmen. Es geht auch nicht, zu sagen — wie es Herr Gysi heute morgen getan hat —, erst müsse die Weltwirtschaftsordnung geändert werden, und dann könne man über Einwanderungsquoten reden.

    (Zuruf von der SPD: Traumtänzer!)

    Auch dies ist eine trügerische Diskussion, ein Ablenkungsmanöver.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Jeder weiß, daß wir alles daransetzen müssen, die Weltwirtschaftsordnung zu verbessern und die Fluchtursachen zu bekämpfen.

    (Beifall der Abg. Gerlinde Hämmerle [SPD])

    Aber wir wissen auch, daß dies selbst bei höchstem Einsatz von Mitteln in nächsten Jahrzehnten nur partiell gelingen wird. Der Unterschied zwischen den Industriestaaten und dem Rest der Welt wird sich eher dramatisch vergrößern.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Insofern darf man hier keine Illusion wecken, wenn man über ein innenpolitisches Problem spricht,

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    wenngleich man immer wieder fordern muß, daß die Anstrengung der Industriestaaten zur Stabilisierung der Fluchtländer vordringlich ist.
    Wir müssen die Debatte um das Asylrecht und die Zuwanderungsdiskussion auf ihren Kern zurückführen. Die Infrastruktur der Bundesrepublik hat eine Belastungsgrenze erreicht, die es vielen Gemeinden objektiv schwierig macht, immer wieder große Gruppen von Menschen neu unterzubringen. Dies kann man nicht wegdiskutieren. Die Lösung dieses Problems auf eine Verfassungsdebatte zu reduzieren heißt, eine Ersatzhandlung vorzunehmen, an deren Ende nur eine dramatische Enttäuschung und Desillusionierung stehen können.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ich verstehe nicht, daß Sie ihren Verfassungsänderungsantrag jetzt — was Ihnen ja zusteht — schon im Oktober zur Abstimmung stellen wollen, ohne einen



    Gerd Wartenberg (Berlin)

    Diskussionsprozeß in Gang zu setzen, der in diesem Parlament vielleicht möglich ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben fünf Jahre diskutiert!)

    Ich sage Ihnen: Das erhöht die Dramatik und die Reduzierung auf die Verfassungsdebatte noch mehr. Sie werden sich wundern, wie die Leute hinterher aufwachen, wenn die Verfassung tatsächlich einmal ergänzt worden ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig ergänzt worden ist!)

    Ich gehöre zu denjenigen, die meinen, daß wir über das Asylverfahrensgesetz hinaus weitere Handlungsspielräume benötigen. Insbesondere auch im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarstaaten müssen wir wohl Handlungsspielräume im Sinne der Praktiken dieser Staaten gewinnen. Aber gerade wenn ich das sage, muß ich immer wieder deutlich machen, daß eine Lösung des Problems auch bei Erweiterung des Handlungsspielraums nicht grundsätzlich gefunden werden kann.
    Auch umgekehrt ist es schwer, eine Diskussion zu ertragen, die da meint, eine Diskussion über den Art. 16 des Grundgesetzes sei grundsätzlich unsittlich und eine Aushöhlung des Grundrechts, um dann gleichwohl zu sagen, eine Änderung würde überhaupt nichts bewirken. Auch dies ist ein Widerspruch, der nicht gut ist,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    weil damit die Diskussion um den Art. 16 auf eine reine Symboldiskussion reduziert wird und der eigentliche Grundrechtscharakter minimiert wird. Auch darüber müssen einige von denen nachdenken, die dies so im Verbund diskutieren.

    (V o r s i t z: Dieter-Julius Cronenberg)

    Wir werden eine Diskussion über Instrumente zu führen haben, die einerseits wirkungsvoll und andererseits vertretbar sind, vertretbar unter dem Aspekt der Aufrechterhaltung des politischen Asyls und vertretbar unter dem Aspekt, daß die Bundesrepublik Deutschland weiterhin Menschen aufnehmen muß, die in Not geraten.
    Meine Damen und Herren, wie man ein Thema populistisch dramatisieren und damit Öl in das Feuer gießen kann, hat der Bundesfinanzminister gestern gezeigt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Oh! — Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Der war das!)

    Als der Bundesfinanzminister anfing, über die Notwendigkeit der Sparmaßnahmen zu sprechen, hat er an erster Stelle die Asylbewerber genannt.

    (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Unglaublich!) Das ist unerträglich.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wir haben ganz bestimmt viele Möglichkeiten und Notwendigkeiten, Einsparungen zu machen. Es ist auch legitim, über die Kosten, die uns der Zustrom von Menschen beschert, zu reden. Aber dies sozusagen als
    das vordringliche Problem des Bundesfinanzministers darzustellen, kann bei einem nur noch Übelkeit verursachen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Lassen Sie mich etwas zur Umsetzung des Asylverfahrensgesetzes sagen. Die Umsetzung dieses Gesetzespaketes, das in Wirklichkeit nur eine Neuordnung der Verwaltungszuständigkeiten ist, ist schwieriger, als sich das manche vorstellen. Die Versäumnisse der Bundesregierung sind gleichwohl eklatant. Die Beamten, die für die Entscheidung der Verwaltungsverfahren notwendig sind, fehlen nach wie vor. Ich weiß, daß für diese Beamten vom Verfassungsgericht hohe Anforderungskriterien gesetzt worden sind.
    Die Arbeitsfähigkeit des Bundesamtes für die Ankennung ausländischer Flüchtlinge ist aber insbesondere in der Zeit, als Herr Schäuble Innenminister war, sträflich vernachlässigt worden.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Auch dies muß hier einmal deutlich gesagt werden: In der Amtszeit des Herrn Schäuble hat sich das Bundesinnenministerium um die Problematik in Wirklichkeit überhaupt nicht gekümmert.

    (Zustimmung bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

    In dieser Zeit sind keine Vorschläge gekommen. Vier Wochen, bevor Herr Schäuble als Innenminister aufhörte, hat er dazu das erste Mal einen Gesetzesvorschlag gemacht, nämlich diesen Vorschlag zur Änderung der Verfassung, und zwar nur als Morgengabe für seinen Fraktionsvorsitz, den er in vier Wochen erringen sollte.
    So einfach kann es sich die CDU nicht machen. Ich kenne die Debatte in den Ausschüssen und in diesem Hause seit langer Zeit. Gerade Herr Schäuble hat die Asylproblematik weitestgehend von sich geschoben und verdrängt.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ziemlich falsch, was Sie da sagen!)

    Meine Damen und Herren, eine Voraussetzung für das Funktionieren des Beschleunigungsgesetzes ist der Aufbau des Datenverarbeitungssystems AFIS, jenes erkennungsdienstlichen Systems, das bundesweit Asylanträge und Asylbewerber speichert, abrufbar und auswertbar macht.
    Immer wieder wird der Mißbrauch des Asylrechts diskutiert und die Frage der Doppelanträge in der Öffentlichkeit angesprochen. Dieses Problem hätte organisatorisch längst gelöst werden können. Nachdem uns im letzten Jahr gesagt worden war, AFIS könnte im Juli in Betrieb gehen, wurde uns im Sommer gesagt, es werde wohl September werden. Heute wissen wir, daß dieses System realistischerweise Mitte nächsten Jahres funktionieren wird. Aber solange AFIS nicht funktioniert, wird auch das Asyl-



    Gerd Wartenberg (Berlin)

    beschleunigungsgesetz nur unzureichend umzusetzen sein.

    (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es kann doch wohl nicht sein, daß zur Schäuble-Zeit im letzten Jahr ein automatisierter Abruf beim Bundeskriminalamt über einen Asylbewerber acht Monate gedauert hat.

    (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Unglaublich!)

    Ich sage Ihnen: Man kann ja versuchen, eine andere Partei dramatisch unter Druck zu setzen, bezogen auf die Verfassung, aber wer seine Schularbeiten nicht gemacht hat, ist kein guter Kronzeuge für den Versuch, die Verfassungsdebatte zu dramatisieren.

    (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Aber ich will nicht nur die Bundesregierung ansprechen. Wir haben das dringende Problem der Altfallregelung und der Regelung für Bürgerkriegsflüchtlinge. Dies sind Regelungen, die nur zwischen Bund und Ländern gemeinsam getroffen werden können. Es kann nicht angehen, daß die Länder sagen, der Bund solle eine Vorleistung und einen Vorschlag machen, während der Bund sagt, die Länder sollten das machen. Dieser Verschiebebahnhof ist auch eine Form institutionalisierter Verantwortungslosigkeit, die nicht weiter hingenommen werden kann.

    (Beifall bei der SPD)

    In diesem Bereich sind Bund und Länder gleichermaßen zuständig. Für die Lösung dieses Problems bedarf es nicht einer einzigen Gesetzesänderung durch den Deutschen Bundestag. Mit dem Ausländerrecht, mit Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern wären diese Probleme lösbar. Ich kann es langsam auch an dieser Stelle nicht mehr hinnehmen, wenn bei einem solch schwierigen Problem der Schwarze Peter nur immer hin- und hergeschoben wird.

    (Johannes Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich! Was machen Sie denn die ganze Zeit?)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein Element einer möglichen Zuwanderungsbegrenzung nennen. Seit vielen Jahren kommen viele Aussiedler, insbesondere aus der Sowjetunion, in die Bundesrepublik. Den Sozialdemokraten geht es nicht darum, diesen Menschen grundsätzlich den Weg in die Bundesrepublik abzuschneiden. Aber auch diese Zuwanderungsgruppe kann nicht auf Dauer einen uneingeschränkten Anspruch haben.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Den haben Sie doch heute schon nicht mehr!)

    Es muß 50 Jahre nach dem Krieg eine Schlußgesetzgebung geben. Ein Kriegsfolgengesetz ist ein Kriegsfolgengesetz, und es muß dann auch einmal beendet werden. Der Vorschlag, den Sie jetzt Bundesrat und Bundestag vorlegen, klammert dieses Problem wieder aus. Wir werden dabei nicht mitmachen; wir werden es in der übernächsten Woche hier zu debattieren haben. Wer für eine Zuwanderungskonzeption ist, kann sich nicht auf Asyl kaprizieren und andere
    Gruppen aus dem Blickfeld verlieren. Das geht nicht.

    (Beifall bei der SPD — Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wo er recht hat, hat er recht!)

    Meine Damen und Herren, die Fragen der Zuwanderung sind gewiß schwierig, und die Situation für Bund, Länder und Gemeinden ist nicht einfach. Aber ich bitte Sie alle darum, diese Fragen auf den Kern zurückzuführen und dort, wo Steuerungsmöglichkeiten da sind, es gemeinsam zu versuchen und auch der Bevölkerung vorher zu sagen, welche Steuerungsmaßnahmen denn was bringen können. Dies ist ehrlicher, als Erwartungen zu wecken, die dann nicht eingelöst werden können. Aber in dieser Situation befinden wir uns im Moment leider.

    (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, die allgemeine Kriminalitätsentwicklung in der Bundesrepublik ist besorgniserregend. Ich kann dazu nur noch wenige Sätze sagen; aber eines muß hier immer wieder deutlich gemacht werden: Die Fortentwicklung des Sicherheitskonzepts in der Bundesrepublik Deutschland, die Umsetzung neuer Richtlinien und Zielsetzungen ist jetzt über Jahre nicht geschehen. In den 70er Jahren, nämlich 1974, ist das letzte Programm für die innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland zwischen Bund und Ländern aufgestellt worden. Seitdem ist nichts mehr gemacht worden. Auch dies, Herr Bundesinnenminister, können Sie so nicht weiter treiben lassen.
    Wenn es in der Bevölkerung tatsächlich eine große Beunruhigung darüber gibt, daß die Sicherheitsorgane und die Strafverfolgungsbehörden mit der Kriminalität nicht mehr fertig werden, dann muß auch der Bund reagieren, und zwar nicht mit Einzelmaßnahmen, sondern mit einem neuen sicherheitspolitischen Konzept. Seit 1974 sind inzwischen fast 20 Jahre vergangen. Wir werden Sie daran prüfen, ob Sie in der Lage sind, eine solches Konzept in absehbarer Zeit vorzulegen.
    Recht herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)