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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des ungarischen Parlaments 8785 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltspians fur das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Hans-Ulrich Klose SPD 8713B, 8761D Dr. Wolfgang Bötsch CDU/CSU 8721B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . 8725B, 8754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 8729 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 8730C Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8733 D Dr. Helmut Kohl Bundeskanzler BK 8736A, 8745C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8745 A Björn Engholm, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . . . 8746A, 8755B Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . 8750 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 8755C, 8762B Franz Müntefering SPD 8759 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA 8762 D Hans-Ulrich Klose SPD 8765 A Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 8766 A Ulrich Irmer F D P. 8767 D Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 8769 D Walter Kolbow SPD 8773 B Paul Breuer CDU/CSU 8775 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 8776 C Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 8778 B Dr. Sigrid Hoth F D P 8781 B Dr. Karl-Heinz Hornhues . . . . 8782C, 8798B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 8784 B Hans-Gerd Strube CDU/CSU 8786A Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 8787 B Carl-Ludwig Thiele F D P 8788 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 8790 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 8792 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU 8793 D Werner Zywietz F.D.P. . . . . . . . . 8794 D Dr. Ingomar Hauchler SPD 8795 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8796 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8799 B Ortwin Lowack fraktionslos 8800 C Ulrich Briefs fraktionslos 8802 B Rudolf Seiters, Bundesminister BMI . . 8804 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . 8806A, 8815C Gerd Wartenberg (Berlin) SPD 8809C Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 8813D Gerd Wartenberg (Berlin) SPD . . . 8817C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 8818C Ina Albowitz F D P 8820 B Freimut Duve SPD 8822A, 8826 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8822D, 8841 C Freimut Duve SPD 8823 C Karl Deres CDU/CSU 8824 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 8826 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 8829 A Dr. Hans de With SPD 8831 B Norbert Geis CDU/CSU 8834 B Dr. Hans de With SPD 8834 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 8836 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 8836D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 8838 C Dr. Michael Luther CDU/CSU 8840B Dr. Norbert Geis CDU/CSU 8842 D Tagesordnungspunkt 4: a) Fortsetzung der Beratung (Abstimmung) der Entschließungsanträge der Fraktion der SPD zum Nachtragshaushaltsgesetz 1992 (Drucksachen 12/2910, 12/2911) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/92 und 2 BvE 2/92 (Drucksache 12/3195) Ortwin Lowack fraktionslos (Erklärung nach § 31 GO) 8804 A Nächste Sitzung 8843 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8845* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude CDU/CSU . . . . 8845* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 8713 103. Sitzung Bonn, den 9. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 09. 09. 92*** Antretter, Robert SPD 09. 09. 92* Dr. Blank, CDU/CSU 09. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck, Lieselott SPD 09. 09. 92* Böhm (Melsungen), CDU/CSU 09. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 09. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 09. 09. 92 van Essen, Jörg F.D.P. 09. 09. 92*** Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Fuchs, Ruth PDS/LL 09. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 09. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 09. 09. 92 Haschke CDU/CSU 09.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Holtz, Uwe SPD 09. 09. 92*** Jaunich, Horst SPD 09. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 09. 09. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 09. 09. 92*** Oesinghaus, Günther SPD 09. 09. 92 Opel, Manfred SPD 09. 09. 92** Pfuhl, Albert SPD 09. 09. 92 Poß, Joachim SPD 09. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 09. 09. 92* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 09. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 09. 09. 92 Rempe, Walter SPD 09. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 09. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 09. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 09. 09. 92*** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 09. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 09. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 09. 09. 92*** Weyel, Gudrun SPD 09. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 09. 09. 92 Dr. Wieczorek CDU/CSU 09. 09. 92 (Auerbach), Bertram Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 09. 09. 92 Simon Zierer, Benno CDU/CSU 09. 09. 92* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude (CDU/CSU): Der einigungsbedingte Mehraufwand im Justizetat 1993 unterstreicht erneut den festen Willen von Regierung und Parlament, den Aufbau des Rechtsstaates weiter voranzutreiben und zu konsolidieren. Bei der Haushaltsdebatte 1991 wurde sehr zu Recht die schleppende Abwicklung von Gerichtsverfahren, die totale Überlastung der Grundbuch- und Katasterämter beklagt. Inzwischen hat sich trotz noch immer vorhandener Mängel auch vieles überaus positiv entwickelt. Wer hätte gedacht, daß nach den ersten Erfahrungen-wir mußten ja nach der Säuberung der alten DDR-Justiz in den meisten Bereichen bei Null anfangen - eine derart große Zahl von Juristen für die neuen Bundesländer gewonnen werden könnte. Erinnern wir uns: Es gab dort zur Zeit der Wende 1989 ganze 600 Rechtsanwälte, heute sind es immerhin schon 3 200. Das von der Bundesregierung initiierte Modell „Aufbau des Rechtsstaates" leistet nunmehr einen entscheidenden Beitrag zur Personalausstattung der Gerichte und Grundbuchämter in den neuen Ländern. War es 1991 noch ein Etatansatz von 117,4 Millionen DM, der nur mit 53,5 Millionen ausgenutzt werden konnte, so mußten wir bereits in diesem Jahr den vorgesehenen Betrag von 104,5 Millionen DM noch um Haushaltsreste aus 1991 von rund 19 Millionen DM für EDV-Maßnahmen aufstocken. Damit sind die Zielvorgaben per heute wie folgt verwirklicht worden: i. 1 000 Richter und Staatsanwälte, davon 820 tätig, 500 Rechtspfleger, davon 500 tätig. 2. Der Einsatz von pensionierten Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und Urkundsbeamten zeigt leider immer noch ein unbefriedigendes Ergebnis, obwohl bürokratische Hemmnisse beseitigt wurden. Statt der angestrebten Zahl von 500 sind es jetzt erst ganze 68. Man sollte also mehr für ein Seniorenmodell werben. 3. Die Bundesförderung für die Neueinstellung von Richtern, Rechtsanwälten, Rechtspflegern - insgesamt sollen es 300 sein -, wird von den neuen Ländern voll in Anspruch genommen. Diese Gesamtförderung wird 1993 mit 107,5 Millionen DM fortgesetzt, wobei wir die Unterstützung bei der EDV-Ausstattung der Grundbuchämter erneut mit einschließen. Natürlich besteht auch darüber hinaus für die Folgejahre noch Handlungsbedarf. Ich möchte aber heute auch allen danken, die in den neuen Bundesländern auf Dauer oder vorübergehend beim schwierigen Aufbau des Rechtsstaates mitwirken. Sie tragen entscheidend dazu bei, das Vertrauen in unseren Staat zu stärken. Für ganz Deutschland gilt gleiches Recht, und damit muß auch die gleiche Rechtswirklichkeit einhergehen. Allerdings müssen wir in diesem Zusammenhang auch einige selbstkritische Fragen stellen: - Was bremst und blockiert eigentlich den Wiederaufbau im 8846* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Osten? — Sind es nicht vielfach bürokratische Hemmnisse, ist es nicht vor allem unser Gesetzesperfektionismus, der schon den Wirtschaftsstandort Westdeutschland mehr als genug belastet? Insoweit muß dringend geprüft werden, ob und wie Maßnahmegesetze zur Beschleunigung — so wie im Verkehrsbereich — auch im Umwelt- und Baubereich für eine begrenzte Zeit einzuführen sind. Die Ungeduld und Unzufriedenheit vieler Landsleute mit bestimmten Verwaltungsabläufen ist verständlicherweise groß. Wir als Gesetzgeber sind darüber hinaus gefordert, bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts zügig fortzufahren. In den letzten 12 Monaten sind wir bereits ein gutes Stück vorangekommen. Ich nenne hier das 1. SED-Unrechts-Bereinigungsgesetz sowie das 2. Vermögensrechts-Änderungsgesetz. Es sind noch gesetzliche Regelungen zur Wiedergutmachung von Berufs- und Verwaltungsunrecht zu beschließen und vor allem das in Kürze vorliegende Entschädigungsgesetz. Die Erwartung aller Betroffenen ist in diesem Bereich besonders groß. Die Höhe der Entschädigung bei Unmöglichkeit der Rückgabe — gleich aus welchen Gründen — muß sich leider auch an den finanziellen Möglichkeiten orientieren. Dasselbe gilt für die Ausgleichsleistungen für besatzungsrechtliche Enteignungen in der Zeit von 1945 bis 1949. Die Anerkennung der Bodenreform auf Grund der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und _des Einigungsvertrages stellen für den betroffenen Personenkreis eine besondere Härte dar. Die Rückgabe des oft unter unvorstellbaren Bedingungen enteigneten Besitzes wurde ausgeschlossen, obwohl gerade im Bereich der Land- und Forstwirtschaft oft noch wesentliche Teile des Altbesitzes für eine Rückübertragung verfügbar wären. Es ist deshalb dringend geboten, den Anspruch von Alteigentümern auf das geplante Wiedereinrichtermodell ausdrücklich festzuschreiben. Für die nach 1949 Enteigneten sollte noch einmal überprüft werden, ob das bisher geltende Wahlrecht: Rückgabe oder Entschädigung nicht auch künftig beizubehalten ist, da bereits Fälle bekannt wurden, wo Anspruchsberechtigte im Vertrauen auf das geltende Vermögensgesetz freiwillig auf ihren Besitz verzichtet haben, um kommunale Planungen zu ermöglichen. Wichtig ist auch, daß Vertriebene vor allem jenseits von Oder und Neiße, die nach 1945 ihren ständigen Aufenthalt in der früheren DDR genommen haben, eine einmalige Zuwendung von 4 000 DM erhalten sollen, da sie von der in Westdeutschland durchgeführten Lastenausgleichsregelung nicht begünstigt wurden. Zur sozialen Gerechtigkeit gehört selbstverständlich, daß mit dem geplanten Entschädigungsgesetz bei Rückgabe von Vermögenswerten auch der gezahlte Lastenausgleich zurückzuzahlen ist und daß darüber hinaus wegen des Ungleichgewichts zwischen Sachwert bei Rückgabe und Entschädigung eine Vermögensabgabe erhoben werden soll. Zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts gehört ferner, daß die Verfolgung von Regierungskriminalität zügig vorangetrieben wird. Bund und Länder hatten vereinbart, 60 Staatsanwälte zum Kammergericht nach Berlin zu delegieren. Als einziges Bundesland hat das Saarland sich bisher geweigert, seinen Anteil, der sowieso nur aus einem Staatsanwalt besteht, zu leisten. Ein vergleichbar unwürdiges Verhalten konnte man übrigens auch bei anderen SPD-regierten Ländern in der Vergangenheit bereits feststellen, wenn es um die Finanzierung der zentralen Dokumentationsstelle Salzgitter ging. Die Mitarbeiter dieser Einrichtung haben in vorbildlicher Weise Unrechtstatbestände ermittelt und die dafür Verantwortlichen festgestellt. Großen Unmut in der Bevölkerung gibt es verständlicherweise über Fälle von Bereicherung in der früheren DDR, die bis heute nicht rückgängig gemacht wurden. Einige Beispiele dafür hat BILD am Sonntag gerade in der letzten Ausgabe dargestellt. Da wird Herr Diestel ebenso erwähnt wie sein damaliger Stellvertreter Müller, aber auch eine Reihe von Generälen der NVA, u. a. der Chef der DDR-Grenztruppen sowie der frühere Polizeipräsident von Berlin. Bei beiden stellt sich übrigens nicht nur die Frage der Überprüfung der Grundstücksgeschäfte, sondern auch nach deren strafrechtlicher Verantwortung auf Grund ihrer früheren Tätigkeit. Die Reformaufgaben der Justiz werden — wenn auch nicht im gleichen Tempo wie in den vergangenen Jahren — fortgeführt. Dabei steht volumenmäßig die Überprüfung des Nichtehelichenrechts im Vordergrund. Das Justizministerium muß aber jetzt mit besonderer Priorität Änderungen im Ausländer- und Asylrecht vorbereiten. Die Erfahrungen der letzten Monate, insbesondere der letzten Wochen, zeigen, mit welcher Dringlichkeit auch eine Grundgesetzänderung zum Schutz des Asylrechts und gegen den ungezügelten Mißbrauch durch Wirtschaftsflüchtlinge erfolgen muß. Abschließend möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesjustizministerium bedanken, die auch in diesem Jahr in besonderer Weise Mehrarbeit für den Aufbau des Rechtsstaats in den neuen Bundesländern zu leisten hatten.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ortwin Lowack


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herzlichen Dank, Herr Präsident.
    Ich wollte mein Nein zu dieser Beschlußempfehlung kurz damit begründen, daß dem Rechtsausschuß bei seiner Entscheidung am 4. Juni der Text der Organklage überhaupt noch nicht bekannt war, weil er erst am 7. Juni beim Verfassungsgericht eingereicht wurde. Ich halte es für ein sehr merkwürdiges und unparlamentarisches Verfahren, wenn über diese Beschlußempfehlung, die so zustande gekommen ist, auch noch ohne eine Beratung durch das Parlament entschieden werden soll.
    Danke.

    (Freimut Duve [SPD]: Das waren 31 Sekunden nach § 31!)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe ins Gedächtnis: Es dreht sich um die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht, Drucksache 12/3195. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenommen.
Wir setzen jetzt die Aussprache zum Haushalt 1993 fort. Ich erteile das Wort dem Bundesminister des Innern, Rudolf Seiters.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Seiters


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Bilder aus den vergangenen Wochen: auf der einen Seite eine beispiellose Bekundung der Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen aus den Bürgerkriegsgebieten des ehemaligen Jugoslawien, eine eindrucksvolle Welle der Menschlichkeit, Sammlungen, die Verteilung von Hilfsgütern vor Ort, die Zurverfügungstellung von Unterkünften. Ich möchte ganz bewußt auch an dieser Stelle für diese Welle der Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung ganz herzlich danken.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P., der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ich füge hinzu: Auf der Genfer Flüchtlingskonferenz vor einigen Wochen sind auch die staatlichen Hilfen Deutschlands als Hauptaufnahmeland und Hauptgeberland in Europa für die Bürgerkriegsflüchtlinge ausdrücklich anerkannt worden: von den Delegationen aus Bosnien, Kroatien, Slowenien, aber auch von der für Flüchtlingsfragen zuständigen Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen und vom Präsidenten des Internationalen Roten Kreuzes. Wir Deutschen werden auch weiterhin helfen.
    Auf der anderen Seite: immer heftigere Proteste aus den Gemeinden und Städten unseres Landes gegen die Zuweisung von Asylbewerbern. Nach allen Umfragen ist in einem ausländerfreundlichen Deutschland — was beweisbar ist — die Asylfrage zum drängendsten innenpolitischen Problem geworden.
    Wir sahen drittens — das waren schaurige Bilder — Gewalttäter mit primitiver ausländerfeindlicher Hetze und brutalen kriminellen Handlungsweisen gegenüber anderen Menschen. Ich wiederhole, was ich schon bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts gesagt habe: Die Gewalttaten gegen Ausländer waren und sind schändlich. Nichts und niemand gibt das Recht zu ausländerfeindlicher Hetze oder gar zur Gewalt. Wir verurteilen die gewalttätigen Übergriffe und Angriffe und schämen uns dafür. Die Täter müssen unnachsichtig zur Rechenschaft gezogen werden. Die Gesetze müssen konsequent angewandt und die Möglichkeiten zur Verhinderung und Ahndung von Straf- und Gewalttaten ausgeschöpft werden. Ich bin dafür, das Versammlungsrecht und den Straftatbestand des Landfriedensbruchs zu überprüfen und zu verschärfen. Der Rechtsstaat muß sich auch hier als wehrhafte Demokratie erweisen.
    Ich sage auch, meine Damen und Herren: Unsere Polizeibeamten, die unter schwersten physischen und psychischen Bedingungen ihren Dienst für diesen Rechtsstaat versehen, und auch unsere Soldaten beim Bundesgrenzschutz haben Anspruch auf unsere volle Unterstützung und unsere volle Solidarität.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN — Zuruf von der SPD: Soldaten beim Bundesgrenzschutz — das war wohl nicht richtig!)

    — Unsere Beamten beim Bundesgrenzschutz, aber auch unsere Soldaten in anderen Zusammenhängen bei der Bundeswehr, die in vielen humanitären Einsätzen für die Bundesrepublik Deutschland unterwegs sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD)

    Ich plädiere angesichts einer zunehmenden Organisation in der gewaltbereiten Szene — darauf habe



    Bundesminister Rudolf Setters
    ich auch beim Verfassungsschutzbericht hingewiesen — dafür, alle Möglichkeiten der Vorfeldaufklärung zu nutzen, um gewalttätige Bestrebungen richtig und rechtzeitig einschätzen zu können. Hierzu sind voll funktionsfähige Verfassungsschutzbehörden auch in den neuen Bundesländern notwendig.
    Ich bin in der Vergangenheit kritisiert worden, weil ich die Notwendigkeit des Verfassungsschutzes auch in der Zukunft immer und uneingeschränkt unterstrichen habe. Die Richtigkeit dieser Auffassung dürfte heute nicht mehr ernsthaft streitig sein. Wenn jetzt sogar aus den Reihen der SPD die Forderung kommt, man möge das Personal beim Bundesamt für Verfassungsschutz aufstocken, dann halte ich das für eine bemerkenswerte Erklärung. Sie sollte auch Anlaß dazu geben, manche abwertenden Qualifizierungen aus den Reihen der SPD über den Verfassungsschutz gründlichst zu überdenken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Verfassungsauftrag der wehrhaften Demokratie und der gesetzliche Auftrag der Verfassungsschutzbehörden haben jeweils unverändert Bestand. Ich weise auf die Bedrohung durch den Terrorismus, auf die Erstarkung rechtsextremistischer Bestrebungen und auf die Notwendigkeit hin, die Hinterlassenschaft des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und die damit weiterhin verbundenen Gefahren für unser Staatswesen aufzuarbeiten.
    Ich nenne ferner die Probleme, die wir mit dem Ausländerextremismus haben. Der Verfassungsschutz hat sich immer an der jeweiligen Bedrohungssituation ausgerichtet. Von daher stellt sich schon die Frage, ob wir die Erfahrungen und Fähigkeiten des Verfassungsschutzes nicht auch zur Abwehr anderer schwerwiegender Bedrohungen wie der organisierten Kriminalität nutzbar machen sollten.

    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, langfristig können fremdenfeindliche Gewalttaten nur dann entscheidend eingedämmt werden, wenn wir über die Intensivierung polizeilicher Schutzmaßnahmen, die Strafverfolgung und die Vorfeldaufklärung hinaus die geistigpolitische Auseinandersetzung verstärken. Ich denke, daß wir insbesondere jungen Menschen die Ungerechtigkeit, die Schädlichkeit, die Inhumanität und die Kriminalität solcher Angriffe deutlich machen müssen, sie davon überzeugen müssen und mit Entschlossenheit gleichzeitig all denen entgegentreten müssen, die zu Gewalttaten ermuntern oder sie dulden, unter welchem Vorwand auch immer. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, den Trend zur Gewaltbereitschaft zu stoppen und umzukehren.
    Meine Damen und Herren, ich sagte schon, daß sich in einem unstreitig ausländerfreundlichen Deutschland die ungelöste Asylfrage zum dringendsten innenpolitischen Thema und Problem entwickelt hat. 50 000, 100 000 oder 250 000 Asylbewerber in einem Jahr, in diesem Jahr möglicherweise 500 000, einer solchen Herausforderung — ein Blick in die internationale Presse zeigt im übrigen, daß man diese besonderen Schwierigkeiten Deutschlands auch im Ausland sieht —, bei der auch der Mißbrauch unseres
    Asylrechts eine entscheidende Rolle spielt, ist kein anderes europäisches Land auch nur annähernd ausgesetzt. Dieser unkontrollierte Zustrom ist bei der geltenden Rechts- und Verfassungslage der Bundesrepublik Deutschland weder vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge noch von den Ausländerbehörden der Länder noch von den Gerichten zu bewältigen.
    Ich wundere mich bei mancher Kritik an die Adresse der Bundesregierung und des Bundesamtes, daß aus den Reihen der SPD überhaupt kein Wort zu den Ausländerbehörden der Länder gesagt wird, die teilweise wegen des Zustroms haben dichtmachen müssen, mit dem sie nicht mehr klarkamen.

    (Johannes Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sehr wahr! — Zuruf von der SPD: Machen Sie doch erst einmal Ihre Arbeit!)

    Sie wissen doch, was in Schleswig-Holstein und in Bremen in den letzten Monaten und Jahren geschehen ist. Kein Wort wird darüber gesprochen, daß bei unseren Gerichten hunderttausend Anträge liegen, die bearbeitet werden wollen. Ich sage das nicht im Tone der Kritik, sondern weil ich darauf hinweisen will, daß wir ohne eine Änderung der geltenden Rechts- und Verfassungslage weder bei unseren Gerichten noch bei den Ausländerbehörden noch beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge eine Chance haben, diesen Zustrom zu bewältigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nun will ich auch ein persönliches Wort sagen: Ich habe mein Amt als Bundesminister des Innern am 26. November 1991 übernommen.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sprechen Sie mal mit Ihrem Vorgänger! — Dieter Wiefelspütz [SPD]: Können wir uns darauf einigen, daß jeder seine Arbeit machen muß?)

    Ich habe damals ca. 240 000 Altfälle vorgefunden, wie Sie ganz genau wissen. In den ersten acht Monaten dieses Jahres hat das Bundesamt 140 000 Asylanträge bearbeitet und entschieden, eine Rekordzahl, eine Steigerung von 30 %. Das hat es in dieser Intensität noch niemals in unserem Lande gegeben.
    Wenn dennoch die Zahl der unbearbeiteten Fälle steigt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann hängt das doch damit zusammen, daß gleichzeitig in den ersten acht Monaten des Jahres 1992 274 000 neue Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sind. Ich muß einfach feststellen: Wer vor diesem Hintergrund den Vorwurf der Verzögerung bei der Bearbeitung von Asylanträgen erhebt, der versucht bewußt, die Öffentlichkeit zu täuschen und irrezuführen. Das ist die Wahrheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)