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ID1210306600

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    Plenarprotokoll 12/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des ungarischen Parlaments 8785 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltspians fur das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Hans-Ulrich Klose SPD 8713B, 8761D Dr. Wolfgang Bötsch CDU/CSU 8721B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . 8725B, 8754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 8729 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 8730C Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8733 D Dr. Helmut Kohl Bundeskanzler BK 8736A, 8745C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8745 A Björn Engholm, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . . . 8746A, 8755B Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . 8750 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 8755C, 8762B Franz Müntefering SPD 8759 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA 8762 D Hans-Ulrich Klose SPD 8765 A Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 8766 A Ulrich Irmer F D P. 8767 D Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 8769 D Walter Kolbow SPD 8773 B Paul Breuer CDU/CSU 8775 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 8776 C Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 8778 B Dr. Sigrid Hoth F D P 8781 B Dr. Karl-Heinz Hornhues . . . . 8782C, 8798B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 8784 B Hans-Gerd Strube CDU/CSU 8786A Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 8787 B Carl-Ludwig Thiele F D P 8788 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 8790 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 8792 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU 8793 D Werner Zywietz F.D.P. . . . . . . . . 8794 D Dr. Ingomar Hauchler SPD 8795 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8796 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8799 B Ortwin Lowack fraktionslos 8800 C Ulrich Briefs fraktionslos 8802 B Rudolf Seiters, Bundesminister BMI . . 8804 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . 8806A, 8815C Gerd Wartenberg (Berlin) SPD 8809C Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 8813D Gerd Wartenberg (Berlin) SPD . . . 8817C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 8818C Ina Albowitz F D P 8820 B Freimut Duve SPD 8822A, 8826 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8822D, 8841 C Freimut Duve SPD 8823 C Karl Deres CDU/CSU 8824 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 8826 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 8829 A Dr. Hans de With SPD 8831 B Norbert Geis CDU/CSU 8834 B Dr. Hans de With SPD 8834 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 8836 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 8836D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 8838 C Dr. Michael Luther CDU/CSU 8840B Dr. Norbert Geis CDU/CSU 8842 D Tagesordnungspunkt 4: a) Fortsetzung der Beratung (Abstimmung) der Entschließungsanträge der Fraktion der SPD zum Nachtragshaushaltsgesetz 1992 (Drucksachen 12/2910, 12/2911) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/92 und 2 BvE 2/92 (Drucksache 12/3195) Ortwin Lowack fraktionslos (Erklärung nach § 31 GO) 8804 A Nächste Sitzung 8843 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8845* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude CDU/CSU . . . . 8845* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 8713 103. Sitzung Bonn, den 9. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 09. 09. 92*** Antretter, Robert SPD 09. 09. 92* Dr. Blank, CDU/CSU 09. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck, Lieselott SPD 09. 09. 92* Böhm (Melsungen), CDU/CSU 09. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 09. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 09. 09. 92 van Essen, Jörg F.D.P. 09. 09. 92*** Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Fuchs, Ruth PDS/LL 09. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 09. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 09. 09. 92 Haschke CDU/CSU 09.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Holtz, Uwe SPD 09. 09. 92*** Jaunich, Horst SPD 09. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 09. 09. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 09. 09. 92*** Oesinghaus, Günther SPD 09. 09. 92 Opel, Manfred SPD 09. 09. 92** Pfuhl, Albert SPD 09. 09. 92 Poß, Joachim SPD 09. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 09. 09. 92* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 09. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 09. 09. 92 Rempe, Walter SPD 09. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 09. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 09. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 09. 09. 92*** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 09. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 09. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 09. 09. 92*** Weyel, Gudrun SPD 09. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 09. 09. 92 Dr. Wieczorek CDU/CSU 09. 09. 92 (Auerbach), Bertram Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 09. 09. 92 Simon Zierer, Benno CDU/CSU 09. 09. 92* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude (CDU/CSU): Der einigungsbedingte Mehraufwand im Justizetat 1993 unterstreicht erneut den festen Willen von Regierung und Parlament, den Aufbau des Rechtsstaates weiter voranzutreiben und zu konsolidieren. Bei der Haushaltsdebatte 1991 wurde sehr zu Recht die schleppende Abwicklung von Gerichtsverfahren, die totale Überlastung der Grundbuch- und Katasterämter beklagt. Inzwischen hat sich trotz noch immer vorhandener Mängel auch vieles überaus positiv entwickelt. Wer hätte gedacht, daß nach den ersten Erfahrungen-wir mußten ja nach der Säuberung der alten DDR-Justiz in den meisten Bereichen bei Null anfangen - eine derart große Zahl von Juristen für die neuen Bundesländer gewonnen werden könnte. Erinnern wir uns: Es gab dort zur Zeit der Wende 1989 ganze 600 Rechtsanwälte, heute sind es immerhin schon 3 200. Das von der Bundesregierung initiierte Modell „Aufbau des Rechtsstaates" leistet nunmehr einen entscheidenden Beitrag zur Personalausstattung der Gerichte und Grundbuchämter in den neuen Ländern. War es 1991 noch ein Etatansatz von 117,4 Millionen DM, der nur mit 53,5 Millionen ausgenutzt werden konnte, so mußten wir bereits in diesem Jahr den vorgesehenen Betrag von 104,5 Millionen DM noch um Haushaltsreste aus 1991 von rund 19 Millionen DM für EDV-Maßnahmen aufstocken. Damit sind die Zielvorgaben per heute wie folgt verwirklicht worden: i. 1 000 Richter und Staatsanwälte, davon 820 tätig, 500 Rechtspfleger, davon 500 tätig. 2. Der Einsatz von pensionierten Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und Urkundsbeamten zeigt leider immer noch ein unbefriedigendes Ergebnis, obwohl bürokratische Hemmnisse beseitigt wurden. Statt der angestrebten Zahl von 500 sind es jetzt erst ganze 68. Man sollte also mehr für ein Seniorenmodell werben. 3. Die Bundesförderung für die Neueinstellung von Richtern, Rechtsanwälten, Rechtspflegern - insgesamt sollen es 300 sein -, wird von den neuen Ländern voll in Anspruch genommen. Diese Gesamtförderung wird 1993 mit 107,5 Millionen DM fortgesetzt, wobei wir die Unterstützung bei der EDV-Ausstattung der Grundbuchämter erneut mit einschließen. Natürlich besteht auch darüber hinaus für die Folgejahre noch Handlungsbedarf. Ich möchte aber heute auch allen danken, die in den neuen Bundesländern auf Dauer oder vorübergehend beim schwierigen Aufbau des Rechtsstaates mitwirken. Sie tragen entscheidend dazu bei, das Vertrauen in unseren Staat zu stärken. Für ganz Deutschland gilt gleiches Recht, und damit muß auch die gleiche Rechtswirklichkeit einhergehen. Allerdings müssen wir in diesem Zusammenhang auch einige selbstkritische Fragen stellen: - Was bremst und blockiert eigentlich den Wiederaufbau im 8846* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Osten? — Sind es nicht vielfach bürokratische Hemmnisse, ist es nicht vor allem unser Gesetzesperfektionismus, der schon den Wirtschaftsstandort Westdeutschland mehr als genug belastet? Insoweit muß dringend geprüft werden, ob und wie Maßnahmegesetze zur Beschleunigung — so wie im Verkehrsbereich — auch im Umwelt- und Baubereich für eine begrenzte Zeit einzuführen sind. Die Ungeduld und Unzufriedenheit vieler Landsleute mit bestimmten Verwaltungsabläufen ist verständlicherweise groß. Wir als Gesetzgeber sind darüber hinaus gefordert, bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts zügig fortzufahren. In den letzten 12 Monaten sind wir bereits ein gutes Stück vorangekommen. Ich nenne hier das 1. SED-Unrechts-Bereinigungsgesetz sowie das 2. Vermögensrechts-Änderungsgesetz. Es sind noch gesetzliche Regelungen zur Wiedergutmachung von Berufs- und Verwaltungsunrecht zu beschließen und vor allem das in Kürze vorliegende Entschädigungsgesetz. Die Erwartung aller Betroffenen ist in diesem Bereich besonders groß. Die Höhe der Entschädigung bei Unmöglichkeit der Rückgabe — gleich aus welchen Gründen — muß sich leider auch an den finanziellen Möglichkeiten orientieren. Dasselbe gilt für die Ausgleichsleistungen für besatzungsrechtliche Enteignungen in der Zeit von 1945 bis 1949. Die Anerkennung der Bodenreform auf Grund der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und _des Einigungsvertrages stellen für den betroffenen Personenkreis eine besondere Härte dar. Die Rückgabe des oft unter unvorstellbaren Bedingungen enteigneten Besitzes wurde ausgeschlossen, obwohl gerade im Bereich der Land- und Forstwirtschaft oft noch wesentliche Teile des Altbesitzes für eine Rückübertragung verfügbar wären. Es ist deshalb dringend geboten, den Anspruch von Alteigentümern auf das geplante Wiedereinrichtermodell ausdrücklich festzuschreiben. Für die nach 1949 Enteigneten sollte noch einmal überprüft werden, ob das bisher geltende Wahlrecht: Rückgabe oder Entschädigung nicht auch künftig beizubehalten ist, da bereits Fälle bekannt wurden, wo Anspruchsberechtigte im Vertrauen auf das geltende Vermögensgesetz freiwillig auf ihren Besitz verzichtet haben, um kommunale Planungen zu ermöglichen. Wichtig ist auch, daß Vertriebene vor allem jenseits von Oder und Neiße, die nach 1945 ihren ständigen Aufenthalt in der früheren DDR genommen haben, eine einmalige Zuwendung von 4 000 DM erhalten sollen, da sie von der in Westdeutschland durchgeführten Lastenausgleichsregelung nicht begünstigt wurden. Zur sozialen Gerechtigkeit gehört selbstverständlich, daß mit dem geplanten Entschädigungsgesetz bei Rückgabe von Vermögenswerten auch der gezahlte Lastenausgleich zurückzuzahlen ist und daß darüber hinaus wegen des Ungleichgewichts zwischen Sachwert bei Rückgabe und Entschädigung eine Vermögensabgabe erhoben werden soll. Zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts gehört ferner, daß die Verfolgung von Regierungskriminalität zügig vorangetrieben wird. Bund und Länder hatten vereinbart, 60 Staatsanwälte zum Kammergericht nach Berlin zu delegieren. Als einziges Bundesland hat das Saarland sich bisher geweigert, seinen Anteil, der sowieso nur aus einem Staatsanwalt besteht, zu leisten. Ein vergleichbar unwürdiges Verhalten konnte man übrigens auch bei anderen SPD-regierten Ländern in der Vergangenheit bereits feststellen, wenn es um die Finanzierung der zentralen Dokumentationsstelle Salzgitter ging. Die Mitarbeiter dieser Einrichtung haben in vorbildlicher Weise Unrechtstatbestände ermittelt und die dafür Verantwortlichen festgestellt. Großen Unmut in der Bevölkerung gibt es verständlicherweise über Fälle von Bereicherung in der früheren DDR, die bis heute nicht rückgängig gemacht wurden. Einige Beispiele dafür hat BILD am Sonntag gerade in der letzten Ausgabe dargestellt. Da wird Herr Diestel ebenso erwähnt wie sein damaliger Stellvertreter Müller, aber auch eine Reihe von Generälen der NVA, u. a. der Chef der DDR-Grenztruppen sowie der frühere Polizeipräsident von Berlin. Bei beiden stellt sich übrigens nicht nur die Frage der Überprüfung der Grundstücksgeschäfte, sondern auch nach deren strafrechtlicher Verantwortung auf Grund ihrer früheren Tätigkeit. Die Reformaufgaben der Justiz werden — wenn auch nicht im gleichen Tempo wie in den vergangenen Jahren — fortgeführt. Dabei steht volumenmäßig die Überprüfung des Nichtehelichenrechts im Vordergrund. Das Justizministerium muß aber jetzt mit besonderer Priorität Änderungen im Ausländer- und Asylrecht vorbereiten. Die Erfahrungen der letzten Monate, insbesondere der letzten Wochen, zeigen, mit welcher Dringlichkeit auch eine Grundgesetzänderung zum Schutz des Asylrechts und gegen den ungezügelten Mißbrauch durch Wirtschaftsflüchtlinge erfolgen muß. Abschließend möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesjustizministerium bedanken, die auch in diesem Jahr in besonderer Weise Mehrarbeit für den Aufbau des Rechtsstaats in den neuen Bundesländern zu leisten hatten.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rita Süssmuth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Kolbow, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Breuer? —


Rede von Paul Breuer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Kolbow, ich möchte Sie noch einmal fragen zum Thema der Teilnahme von Wehrpflichtigen an Krisenreaktionsstreitkräften. Es ist doch richtig, daß wir in der Vergangenheit die Solidarität der anderen NATOPartner in Deutschland erfahren haben und daß in den Streitkräften der NATO-Partner, zumindest zum Teil, auch Wehrpflichtige eingesetzt waren.

(Karsten D. Voigt [SPD]: Darum ging es doch gar nicht!)

Mit welcher Begründung, jetzt im Rahmen der gegenseitigen Solidarität, schließen Sie eigentlich den Einsatz deutscher Wehrpflichtiger in Krisenreaktionsstreitkräften, das heißt auch im NATOGebiet, aus?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Kolbow


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Breuer, wenn Sie mir genau zugehört hätten, wäre Ihnen aufgefallen, daß ich von „out of area"-Einsätzen, daß heißt außerhalb des Vertragsgebietes stattfindenden Einsätzen, gesprochen habe. Sie denken offensichtlich selbst schon, daß „in area"-Vorbereitungen für „out of area" genutzt werden sollen, wenn Sie mir im Augenblick diese Frage stellen. Das allerdings finde ich nicht gut.

    (Beifall bei der SPD)

    Zu rügen — weil ich schon beim Rügen bin —, Herr Kollege Rühe, ist weiterhin, daß der Planungsprozeß der Bundeswehr auf den Kopf gestellt wird. Ohne Beteiligung des Bundestages wird über Streitkräftestrukturen im Bündnis und national entschieden, die normalerweise erst das Ergebnis eines parlamentarisch gebilligten neuen Auftrages der Bundeswehr wären. Wo sind denn die Einsatzkonzepte für diese Verbände, die es uns erst ermöglichen würden, zu beurteilen, ob diese neuen Krisenreaktionsstreitkräfte tatsächlich in der geplanten Stärke und Zusammensetzung sowie mit der vorgesehenen deutschen Beteiligung für Operationen innerhalb des NATO-Vertragsgebietes zu rechtfertigen sind? Und, wie beurteilen Sie, Herr Kollege Rühe, die Weisung Nr. 1 des Inspekteurs des Heeres und den Auftrag an das 3. Korps, sich auf Kriseneinsätze vorzubereiten bis hin zum Transport von Gefallenen? Hat der Verteidigungsminister — damit meine ich Sie — Kenntnis von diesen Plänen, billigen Sie sie, oder ist ein General wieder einmal der Politik vorausgeeilt? Wo sind denn, Herr Kollege Rühe, die notwendigen deutschen Grundlagendokumente wie die verteidigungspolitischen Richtlinien, die militärstrategische Zielsetzungen und die neue Konzeption der Bundeswehr? Sie schaffen Fakten ohne die dafür erforderlichen Grundlagen, so wird es uns nach allem, was ich bisher festgestellt habe, auch nach ausführlichen Beratungen im Verteidigungsausschuß im Dialog mit Ihnen sehr schwerfallen, diesen Verteidigungshaushalt, der auf einem äußerst wackligen Fundament steht, unsere Zustimmung zu geben.
    Es ist inzwischen eine Binsenweisheit, daß die allgemeinen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen völlig neu zu bewerten sind. Beim „Welt am Sonntag"-Forum in Berlin haben Sie im Juni selbst betont — ich zitiere: Eine existenzielle militärische Bedrohung Deutschlands gibt es nicht mehr. — Wenn dies so ist — und wir stimmen dieser Feststellung uneingeschränkt zu —, dann kann — ich rede von der Zeit nach 1994 — die Verkleinerung der Bundeswehr auf 370 000 Mann nicht das letzte Wort sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Der erweiterte Sicherheitsbegriff taugt nicht für die von der Bundesregierung betriebene bedrohungsunabhängige Begründung der Bundeswehr, schon gar nicht für deren Umfang; denn er stellt ganz im Gegenteil auf neue nicht militärische und globale Risiken ab, die, wie z. B. die Klimakatastrophe, unter Umständen das Überleben der Menschheit insgesamt gefährden können. Hier helfen keine Streitkräfte, und es bleibt unserer Bundeswehr als Aufgabe die Landesverteidigung und die Erfüllung der eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen im Rahmen der NATO und der WEU, allerdings auf einem viel niedrigeren Niveau als bisher.
    Die auch von uns befürwortete Beteiligung an humanitären und Blauhelmeinsätzen der UNO — über mehr diskutieren wir im Moment nicht — wird immer nur ein sehr begrenztes Kräftepotential berühren. Deshalb fordern wir zum wiederholten Male, die adäquaten Konsequenzen aus der neuen Lage zu ziehen. Das geht am ehesten für das Haushaltsjahr 1993 mit der Reduzierung des Verteidigungsumfanges auf 500 000 Mann und mit der Rücknahme der Reservistenkonzeption, die auf einem geradezu absurden Ansatz beruht und die Sie auch wenig später selber in den Chefgesprächen mit Herrn Waigel wohl korrigiert haben. Denn die nur durch Sie dann für den Übergang vorgesehene Verringerung der Wehrübungsplätze auf 1 000 Mann ist richtig, entspricht der Lage, muß aber unserer Meinung nach in eine dauerhafte umgewandelt werden. Die entsprechende Ausbildungsorganisation des Heeres muß drastisch verkleinert werden. Dies ermöglicht zudem dann erhebliche Einsparungen bei vorgehaltenem Material und bei der Infrastruktur. Lassen Sie mich das auch sagen, insbesondere weil uns von unseren Freundinnen und Freunden in der Fraktion und in der Bürgerschaft aus den neuen Ländern gesagt wird, daß das Gruppenübungsplatzkonzept auf ein vernünftiges von der Bevölkerung akzeptiertes Maß zurückgeführt werden muß. Die Abstriche, die Sie bisher vorgenommen haben, reichen dafür noch nicht aus.
    Alles, was gestern galt, muß heute einer vorurteilsfreien Prüfung unterzogen werden. Auch das fordern Sie. Ihr tagtägliches Handeln legt das nicht immer nahe. Auch bilaterale Verträge, wie die Abkommen zur Unterstützung von Verstärkungstruppen der NATO-Partner im Kriegsfall, das WHNS-Abkommen, gehören dazu. Sie sind Fossilien einer glücklicherweise vergangenen Zeit.



    Walter Kolbow
    Wir sind bereit, die übrigen bisherigen Eckwerte bis zum Vollzug der Umstrukturierung der Bundeswehr mitzutragen. Schon jetzt aber sind Überlegungen für die Zeit danach anzustellen, damit auf dem Wege dorthin nicht teure Einzelfallentscheidungen getroffen werden, die später zu revidieren sind und, Herr Rühe, erhebliche Fehlinvestitionen beinhalten würden. Dies gilt vor allem für die Rüstungsprojekte. Wir fordern deshalb erneut — teilweise sind Sie uns verbal entgegengekommen — ein Rüstungsmoratorium, bis das Parlament einen neuen Auftrag der Bundeswehr und eine darauf abgestellte Bundeswehrplanung gebilligt hat.
    In diesem Zusammenhang fordern wir außerdem eine engere Koordinierung zwischen den Planungen der europäischen Bündnispartner. Nicht jeder von ihnen muß auch zukünftig in seinen Streitkräften über alle Komponenten und Waffengattungen verfügen. Die Möglichkeiten der Aufgabenteilung und der Rollenspezialisierung sind sowohl im Bündnis als auch im Verteidigungsministerium bisher sehr halbherzig angegangen worden.
    Der künftige Personalabbau der Bundeswehr, der notwendige Ausschluß der Wehrpflichtigen von der Teilnahme an Einsätzen außerhalb des Verteidigungsauftrages der NATO sowie die mangelnde Wehrgerechtigkeit werden uns zunehmend mit der Frage konfrontieren, ob die Wehrpflicht, diese Wehrpflicht oder die Wehrpflicht überhaupt, weiterhin aufrecht erhalten werden kann. Wir werden diese Diskussion intensiv miteinander zu führen haben. Mit Interesse haben wir zur Kenntnis genommen, daß die CDU/CSU-Fraktion der Bitte der F.D.P.-Fraktion nachgekommen ist, diesen Themenkomplex für die nächste Sitzung des Verteidigungsausschusses mit Rücksicht auf den Oktober-Parteitag der Freien Demokraten abzusetzen. Denn was Herr Ortleb oder Frau Schwaetzer in diesem Zusammenhang sagen, lassen einen Beschluß der F.D.P. für eine Freiwilligenarmee in die Nähe des Vorstellbaren rücken.
    Streichen, strecken, kürzen und verschieben reichen für den Verteidigungshaushalt nicht mehr aus. Es ist ein radikaler Umbau der Bundeswehr erforderlich. Je früher damit angefangen wird, desto besser. Dies muß mit den zutreffenden Informationen über die Lage und einer Neuformulierung des Auftrags beginnen und in der Umsetzung die Sozial- und Gesellschaftsverträglichkeit einschließen. Die verheerende Finanzsituation jetzt und in den kommenden Jahren muß zwangsläufig im Verteidigungshaushalt stärkere Spuren hinterlassen, als heute geplant. Die mittelfristige Finanzplanung — das werden wir in dieser Legislaturperiode hier im Hause noch erleben — greift mit 47,8 Milliarden DM noch zu kurz. Wenn so dramatisch gespart werden muß und die sicherheitspolitische Lage es zuläßt, ist ein Kurswechsel notwendig, der die Streitkräfte auf die verfügbaren Mittel beschränkt. Geld als Führungsmittel auf der Hardthöhe wird weit mehr eine Rolle zu spielen haben, als das in der Vergangenheit der Fall war.
    Allen Fachleuten ist klar, daß das Verhältnis von Investitionen zu Betriebskosten nicht bei 1: 3 oder gar 1 :4 bleiben darf. Denn das würde auf die Dauer die notwendige Modernisierung der Streitkräfte verhindern und auch die Erfüllung der eingeschränkten Aufträge unmöglich machen. Das meinte ich, als ich davon sprach, wir müßten unter Berücksichtigung der Gesamtsituation darüber nachdenken, den Umfang und auch die entsprechenden Strukturen nicht nur der Prüfung, sondern auch der Veränderung zu unterziehen.
    Sie haben das Gespräch mit der Opposition gesucht. Sie haben es in Einzelfällen auch praktiziert. Das ist noch zuwenig. Kommen Sie weiter auf uns zu, aber mit den facts, mit den klaren Informationen, mit den Vorhaben, die Sie sich vorgenommen haben, bevor die Streitkräfte auf dem alten Weg, den dieser Haushalt repräsentiert, irreparablen Schaden genommen haben! Gerade Sie, Herr Rühe, haben bis 1994 diese Chance. Nutzen Sie sie noch besser als Ihre bisherigen 158 Tage! Das wird auch notwendig sein. Dazu brauchen Sie unsere Hilfe. Wir versagen Sie Ihnen nicht. Das haben Sie gewußt. Aber dazu brauchen wir die Klarheit und die Wahrheit Ihres Kurses.

    (Beifall bei der SPD)