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    Plenarprotokoll 12/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des ungarischen Parlaments 8785 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltspians fur das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Hans-Ulrich Klose SPD 8713B, 8761D Dr. Wolfgang Bötsch CDU/CSU 8721B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . 8725B, 8754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 8729 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 8730C Ingrid Köppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8733 D Dr. Helmut Kohl Bundeskanzler BK 8736A, 8745C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8745 A Björn Engholm, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . . . 8746A, 8755B Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . 8750 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 8755C, 8762B Franz Müntefering SPD 8759 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA 8762 D Hans-Ulrich Klose SPD 8765 A Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 8766 A Ulrich Irmer F D P. 8767 D Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 8769 D Walter Kolbow SPD 8773 B Paul Breuer CDU/CSU 8775 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 8776 C Andrea Lederer PDS/Linke Liste . . . 8778 B Dr. Sigrid Hoth F D P 8781 B Dr. Karl-Heinz Hornhues . . . . 8782C, 8798B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 8784 B Hans-Gerd Strube CDU/CSU 8786A Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 8787 B Carl-Ludwig Thiele F D P 8788 B Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 8790 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 8792 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU 8793 D Werner Zywietz F.D.P. . . . . . . . . 8794 D Dr. Ingomar Hauchler SPD 8795 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8796 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8799 B Ortwin Lowack fraktionslos 8800 C Ulrich Briefs fraktionslos 8802 B Rudolf Seiters, Bundesminister BMI . . 8804 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . 8806A, 8815C Gerd Wartenberg (Berlin) SPD 8809C Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 8813D Gerd Wartenberg (Berlin) SPD . . . 8817C Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 8818C Ina Albowitz F D P 8820 B Freimut Duve SPD 8822A, 8826 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8822D, 8841 C Freimut Duve SPD 8823 C Karl Deres CDU/CSU 8824 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 8826 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 8829 A Dr. Hans de With SPD 8831 B Norbert Geis CDU/CSU 8834 B Dr. Hans de With SPD 8834 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 8836 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 8836D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 8838 C Dr. Michael Luther CDU/CSU 8840B Dr. Norbert Geis CDU/CSU 8842 D Tagesordnungspunkt 4: a) Fortsetzung der Beratung (Abstimmung) der Entschließungsanträge der Fraktion der SPD zum Nachtragshaushaltsgesetz 1992 (Drucksachen 12/2910, 12/2911) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/92 und 2 BvE 2/92 (Drucksache 12/3195) Ortwin Lowack fraktionslos (Erklärung nach § 31 GO) 8804 A Nächste Sitzung 8843 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8845* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude CDU/CSU . . . . 8845* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 8713 103. Sitzung Bonn, den 9. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 09. 09. 92*** Antretter, Robert SPD 09. 09. 92* Dr. Blank, CDU/CSU 09. 09. 92** Joseph-Theodor Blunck, Lieselott SPD 09. 09. 92* Böhm (Melsungen), CDU/CSU 09. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 09. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 09. 09. 92 van Essen, Jörg F.D.P. 09. 09. 92*** Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 09. 09. 92*** Friedrich, Horst F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Fuchs, Ruth PDS/LL 09. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 09. 09. 92*** Gattermann, Hans H. F.D.P. 09. 09. 92 Haschke CDU/CSU 09.09.92 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Holtz, Uwe SPD 09. 09. 92*** Jaunich, Horst SPD 09. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 09. 09. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 09. 09. 92*** Oesinghaus, Günther SPD 09. 09. 92 Opel, Manfred SPD 09. 09. 92** Pfuhl, Albert SPD 09. 09. 92 Poß, Joachim SPD 09. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 09. 09. 92* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 09. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 09. 09. 92 Rempe, Walter SPD 09. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 09. 09. 92** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 09. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 09. 09. 92*** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 09. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 09. 09. 92** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 09. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 09. 09. 92*** Weyel, Gudrun SPD 09. 09. 92*** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 09. 09. 92 Dr. Wieczorek CDU/CSU 09. 09. 92 (Auerbach), Bertram Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 09. 09. 92 Simon Zierer, Benno CDU/CSU 09. 09. 92* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates **für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 (Haushaltsgesetz 1993) Michael von Schmude (CDU/CSU): Der einigungsbedingte Mehraufwand im Justizetat 1993 unterstreicht erneut den festen Willen von Regierung und Parlament, den Aufbau des Rechtsstaates weiter voranzutreiben und zu konsolidieren. Bei der Haushaltsdebatte 1991 wurde sehr zu Recht die schleppende Abwicklung von Gerichtsverfahren, die totale Überlastung der Grundbuch- und Katasterämter beklagt. Inzwischen hat sich trotz noch immer vorhandener Mängel auch vieles überaus positiv entwickelt. Wer hätte gedacht, daß nach den ersten Erfahrungen-wir mußten ja nach der Säuberung der alten DDR-Justiz in den meisten Bereichen bei Null anfangen - eine derart große Zahl von Juristen für die neuen Bundesländer gewonnen werden könnte. Erinnern wir uns: Es gab dort zur Zeit der Wende 1989 ganze 600 Rechtsanwälte, heute sind es immerhin schon 3 200. Das von der Bundesregierung initiierte Modell „Aufbau des Rechtsstaates" leistet nunmehr einen entscheidenden Beitrag zur Personalausstattung der Gerichte und Grundbuchämter in den neuen Ländern. War es 1991 noch ein Etatansatz von 117,4 Millionen DM, der nur mit 53,5 Millionen ausgenutzt werden konnte, so mußten wir bereits in diesem Jahr den vorgesehenen Betrag von 104,5 Millionen DM noch um Haushaltsreste aus 1991 von rund 19 Millionen DM für EDV-Maßnahmen aufstocken. Damit sind die Zielvorgaben per heute wie folgt verwirklicht worden: i. 1 000 Richter und Staatsanwälte, davon 820 tätig, 500 Rechtspfleger, davon 500 tätig. 2. Der Einsatz von pensionierten Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern und Urkundsbeamten zeigt leider immer noch ein unbefriedigendes Ergebnis, obwohl bürokratische Hemmnisse beseitigt wurden. Statt der angestrebten Zahl von 500 sind es jetzt erst ganze 68. Man sollte also mehr für ein Seniorenmodell werben. 3. Die Bundesförderung für die Neueinstellung von Richtern, Rechtsanwälten, Rechtspflegern - insgesamt sollen es 300 sein -, wird von den neuen Ländern voll in Anspruch genommen. Diese Gesamtförderung wird 1993 mit 107,5 Millionen DM fortgesetzt, wobei wir die Unterstützung bei der EDV-Ausstattung der Grundbuchämter erneut mit einschließen. Natürlich besteht auch darüber hinaus für die Folgejahre noch Handlungsbedarf. Ich möchte aber heute auch allen danken, die in den neuen Bundesländern auf Dauer oder vorübergehend beim schwierigen Aufbau des Rechtsstaates mitwirken. Sie tragen entscheidend dazu bei, das Vertrauen in unseren Staat zu stärken. Für ganz Deutschland gilt gleiches Recht, und damit muß auch die gleiche Rechtswirklichkeit einhergehen. Allerdings müssen wir in diesem Zusammenhang auch einige selbstkritische Fragen stellen: - Was bremst und blockiert eigentlich den Wiederaufbau im 8846* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. September 1992 Osten? — Sind es nicht vielfach bürokratische Hemmnisse, ist es nicht vor allem unser Gesetzesperfektionismus, der schon den Wirtschaftsstandort Westdeutschland mehr als genug belastet? Insoweit muß dringend geprüft werden, ob und wie Maßnahmegesetze zur Beschleunigung — so wie im Verkehrsbereich — auch im Umwelt- und Baubereich für eine begrenzte Zeit einzuführen sind. Die Ungeduld und Unzufriedenheit vieler Landsleute mit bestimmten Verwaltungsabläufen ist verständlicherweise groß. Wir als Gesetzgeber sind darüber hinaus gefordert, bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts zügig fortzufahren. In den letzten 12 Monaten sind wir bereits ein gutes Stück vorangekommen. Ich nenne hier das 1. SED-Unrechts-Bereinigungsgesetz sowie das 2. Vermögensrechts-Änderungsgesetz. Es sind noch gesetzliche Regelungen zur Wiedergutmachung von Berufs- und Verwaltungsunrecht zu beschließen und vor allem das in Kürze vorliegende Entschädigungsgesetz. Die Erwartung aller Betroffenen ist in diesem Bereich besonders groß. Die Höhe der Entschädigung bei Unmöglichkeit der Rückgabe — gleich aus welchen Gründen — muß sich leider auch an den finanziellen Möglichkeiten orientieren. Dasselbe gilt für die Ausgleichsleistungen für besatzungsrechtliche Enteignungen in der Zeit von 1945 bis 1949. Die Anerkennung der Bodenreform auf Grund der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und _des Einigungsvertrages stellen für den betroffenen Personenkreis eine besondere Härte dar. Die Rückgabe des oft unter unvorstellbaren Bedingungen enteigneten Besitzes wurde ausgeschlossen, obwohl gerade im Bereich der Land- und Forstwirtschaft oft noch wesentliche Teile des Altbesitzes für eine Rückübertragung verfügbar wären. Es ist deshalb dringend geboten, den Anspruch von Alteigentümern auf das geplante Wiedereinrichtermodell ausdrücklich festzuschreiben. Für die nach 1949 Enteigneten sollte noch einmal überprüft werden, ob das bisher geltende Wahlrecht: Rückgabe oder Entschädigung nicht auch künftig beizubehalten ist, da bereits Fälle bekannt wurden, wo Anspruchsberechtigte im Vertrauen auf das geltende Vermögensgesetz freiwillig auf ihren Besitz verzichtet haben, um kommunale Planungen zu ermöglichen. Wichtig ist auch, daß Vertriebene vor allem jenseits von Oder und Neiße, die nach 1945 ihren ständigen Aufenthalt in der früheren DDR genommen haben, eine einmalige Zuwendung von 4 000 DM erhalten sollen, da sie von der in Westdeutschland durchgeführten Lastenausgleichsregelung nicht begünstigt wurden. Zur sozialen Gerechtigkeit gehört selbstverständlich, daß mit dem geplanten Entschädigungsgesetz bei Rückgabe von Vermögenswerten auch der gezahlte Lastenausgleich zurückzuzahlen ist und daß darüber hinaus wegen des Ungleichgewichts zwischen Sachwert bei Rückgabe und Entschädigung eine Vermögensabgabe erhoben werden soll. Zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts gehört ferner, daß die Verfolgung von Regierungskriminalität zügig vorangetrieben wird. Bund und Länder hatten vereinbart, 60 Staatsanwälte zum Kammergericht nach Berlin zu delegieren. Als einziges Bundesland hat das Saarland sich bisher geweigert, seinen Anteil, der sowieso nur aus einem Staatsanwalt besteht, zu leisten. Ein vergleichbar unwürdiges Verhalten konnte man übrigens auch bei anderen SPD-regierten Ländern in der Vergangenheit bereits feststellen, wenn es um die Finanzierung der zentralen Dokumentationsstelle Salzgitter ging. Die Mitarbeiter dieser Einrichtung haben in vorbildlicher Weise Unrechtstatbestände ermittelt und die dafür Verantwortlichen festgestellt. Großen Unmut in der Bevölkerung gibt es verständlicherweise über Fälle von Bereicherung in der früheren DDR, die bis heute nicht rückgängig gemacht wurden. Einige Beispiele dafür hat BILD am Sonntag gerade in der letzten Ausgabe dargestellt. Da wird Herr Diestel ebenso erwähnt wie sein damaliger Stellvertreter Müller, aber auch eine Reihe von Generälen der NVA, u. a. der Chef der DDR-Grenztruppen sowie der frühere Polizeipräsident von Berlin. Bei beiden stellt sich übrigens nicht nur die Frage der Überprüfung der Grundstücksgeschäfte, sondern auch nach deren strafrechtlicher Verantwortung auf Grund ihrer früheren Tätigkeit. Die Reformaufgaben der Justiz werden — wenn auch nicht im gleichen Tempo wie in den vergangenen Jahren — fortgeführt. Dabei steht volumenmäßig die Überprüfung des Nichtehelichenrechts im Vordergrund. Das Justizministerium muß aber jetzt mit besonderer Priorität Änderungen im Ausländer- und Asylrecht vorbereiten. Die Erfahrungen der letzten Monate, insbesondere der letzten Wochen, zeigen, mit welcher Dringlichkeit auch eine Grundgesetzänderung zum Schutz des Asylrechts und gegen den ungezügelten Mißbrauch durch Wirtschaftsflüchtlinge erfolgen muß. Abschließend möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesjustizministerium bedanken, die auch in diesem Jahr in besonderer Weise Mehrarbeit für den Aufbau des Rechtsstaats in den neuen Bundesländern zu leisten hatten.
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    Wir haben inzwischen im Bereich der Chemie vergleichbar interessante Entwicklungen.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    — Aber selbstverständlich. Die deutsche Chemie ist gegenwärtig dabei — auch was Betriebsorganisation angeht —, in der Welt die Spitzenrolle zu übernehmen. Stellen Sie das doch nicht in Frage. Im deutschen Werkzeugmaschinenbau haben wir vergleichbar gute Werte, wenngleich dieser Bereich inzwischen schwer belastet ist, weil es in Deutschland keine Industriepolitik gibt.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie werden feststellen, daß wir bei dem, worum sich alle modernen Unternehmen kümmern — z. B. lean productions —, dabei sind, die Japaner auf vielen Gebieten einzuholen, und zwar in der Effektivität, in der Produktivität. Aber doch nicht dadurch, daß Deutschland wieder ein Billiglohn- und -einkommensland wird.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das will ja niemand!)

    Ziel Nummer 2: den Wirtschaftsstandort Deutschland für die Herausforderungen der Zukunft sichern und stärken. Dazu schlagen wir folgendes vor, das im Bundestag miteinander ganz schnell über die Bühne gebracht werden könnte. Erstens: eine aufkommensneutrale Unternehmensteuerreform für mehr Investitionen und neue Arbeitsplätze. Das heißt technisch: im Unternehmen belassene und vor allem reinvestierte Gewinne stärker fördern, weil damit die Innovation und die Arbeit der Zukunft gefördert wird. Wir sind bereit, ein solches Konzept in diesem Hause mitzutragen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Dann können Sie ja den Vorschlägen von Waigel zustimmen!)

    Zweitens: eine steuerfreie Investitionszulage, die die Investitionskraft der kleineren und der mittelständischen Unternehmen als eine der wichtigsten Säulen unserer Wirtschaft stärken soll.

    (Dr. Otto Graf Lambsdorff [F.D.P.]: Meinen Sie Zulage oder Rücklage? Herr Engholm, Sie reden wirklich kraus!)

    — Rücklage. Habe ich „Zulage" gesagt? Dann bitte ich um Nachsicht. Das war nicht einmal ein Freudscher Versprecher. Eine steuerfreie Investitionsrücklage.
    Drittens. Wir sollten die Weichen jetzt auf ökologische Umorientierung unserer Volkswirtschaft stellen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir sollten vor allem darauf achten, daß nicht in einer falschen nachholenden Entwicklung in Ostdeutschland, weil die Not dort größer ist, dieselben Fehler gemacht werden, die wir in 40 Jahren schon hinter uns haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Viertens. Ich plädiere dafür, daß wir die Spielräume für die Vermögensbildung von Produktivkapital in Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenhand vergrößern. Die Beteiligung der Arbeitnehmer sowohl am Sagen wie am Haben durch Mitbestimmung und Mitbesitz ist eine Aufgabe, die wir mit der schnelleren Bewältigung der Aufgaben in Ostdeutschland verbinden können.

    (Beifall bei der SPD)

    Fünftens. Die Bundesrepublik kann mit Anspruch und mit Reputation kein Land sein, in dem im Alter Hunderttausende von einfachen Menschen in dem Augenblick, wo sie elendiglich krank sind, zu Taschengeldempfängern des Staates werden. Die Pflegeversicherung gehört notwendig zu einem modernen Wirtschafts- und Sozialstaat.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Dann möchte ich — sechstens — vorschlagen, daß mit der Initiative unserer Fraktion ein Schritt nach vorn zur Entlastung jener Menschen getan wird, die über ganz geringe und geringste Einkommen verfügen. Einkommen bis zu 8 000 DM für Ledige und 16 000 DM für Verheiratete im Jahr sollten als Existenzminimum steuerfrei gestellt werden.

    (Beifall bei der SPD)




    Ministerpräsident Björn Engholm (Schleswig-Holstein)

    Wenn es uns dann gelänge, in diesem Hause die Zustimmung für eine Veränderung des hoch ungerechten Familienlastenausgleichs zu bekommen, wenn es uns gelänge, das, was man dort einsparen könnte, auf Komma und Pfennig in Form eines einheitlichen Kindergeldes zurückzugeben, dann würden Minister und Staatssekretäre und Bezieher guter Einkommen nicht sehr darunter leiden. Aber die Familien, die an der unteren Kante des Kulturminimums leben, würden mit 230 DM oder 250 DM pro Kind wissen: Es geht einen kraftvollen Schritt bergauf.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Lassen Sie mich eine Bemerkung zu meinem dritten Ziel machen. Wir müssen uns vornehmen, spätestens gegen Ende dieses Jahrhunderts die Wohnungsnot in Deutschland beseitigt zu haben. Es geht nicht an, daß in einem reichen Land Hunderttausende auf der Suche nach dauerhaft bezahlbaren Wohnungen sind und der Markt leergefegt ist. Deshalb plädiere ich dafür, mehr Mittel in den sozialen Wohnungsbau zu investieren und bis zu 200 000 Sozialwohnungen pro Jahr zu finanzieren. Dann können wir das Ziel pakken.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich plädiere zugleich dafür, daß dieses Parlament einen kritischen Blick auf das gegenwärtig geltende Wohnrecht wirft. Was zur Zeit aus Spekulationsgründen an Bodenhortung stattfindet und was insbesondere im Osten Deutschlands an Hortung stattfindet, spottet jeder Beschreibung. Ich teile voll die Auffassung des Grafen Lambsdorff: Marktwirtschaft bedeutet nicht, leistungslose Gewinne zu kassieren. Das heißt, wo Bodenwertsteigerungen ohne eigene Leistung realisiert werden, müssen sie der vollen Besteuerung unterliegen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste)

    Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik Deutschland droht zum Zeitpunkt größter Herausforderungen — darüber, daß es solche sind, ist sich das Haus einig — ihrer finanzpolitischen Handlungsfähigkeit verlustig zu gehen. Von 1992 bis Ende 1996 wird sich der Schuldenstand aller öffentlichen Haushalte von 600 Milliarden DM auf über 2 Billionen DM erhöhen — möglicherweise 2,3 Billionen — mit der Folge eines geradezu explodierenden Anstiegs der Zinsausgaben.
    Ziel Nummer 4 heißt deshalb Konsolidierung der Staatsfinanzen, die eine hohe Priorität hat und von der auch heute wieder zuwenig gesprochen worden ist. Sie sollten, um dieser Priorität deutlicher Ausdruck zu geben, den Zirkus, der in Bonn aufgeführt wird, beenden,

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    den Zirkus, der unterschiedliche Artisten hat, die
    heißen: Autobahngebühr, Mineralölsteuer, Mehr-
    wertsteuer, Investitionsabgabe, Zwangsanleihe mit
    Zinsen, Zwangsanleihe mit halben Zinsen, Zwangsanleihe ohne Zinsen. Wie heute aus dem Finanzministerium berichtet wird, soll der Bundesfinanzminister dabei sein, eine freiwillige Zwangsanleihe vorzubereiten, um sie dem Parlament vorzuschlagen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Wir haben ein ausgewogenes Finanzierungskonzept vorgeschlagen, und dieses Finanzierungskonzept trägt bis zum heutigen Tage. Wir können damit einen neuen Handlungsspielraum schaffen in der Größenordnung von etwa 40 Milliarden DM. Wir sind bereit, sparen, kürzen, strecken und verzichten zu helfen in Größenordnungen wachsend bis auf 15 Milliarden DM. Wir schlagen vor, eine Arbeitsmarktabgabe zur solidarischen Mitfinanzierung der Arbeitsmarktpolitik im Osten zu machen in einer Größenordnung von 5 Milliarden DM.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Statt einer Zwangsanleihe sind wir bereit, mit jeder Fraktion dieses Hauses über eine sozial anständig ausgestaltete Ergänzungsabgabe für besserverdienende Menschen in Deutschland zu reden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich bin davon überzeugt, daß immer noch mehr Menschen bereit sind zu teilen, auch heute noch, nachdem so vieles schiefgelaufen ist. Aber sie wollen, daß es dabei erkennbar sozial gerecht zugeht.
    Ich habe in Erinnerung, daß der Bundesfinanzminister mir einmal gesagt hat, die bisherigen Kosten und Lasten der deutschen Einheit seien zu 75 % von den Besserverdienenden erbracht worden. Die Rechnung muß ich mir einfach noch einmal genauer angucken. Vielleicht besteht ja in den kommenden Wochen Gelegenheit, eine nüchterne Analyse zu machen. Das wäre für mich eine ganz überraschende historische Erkenntnis, die Herr Waigel da zum Ausdruck gebracht hat.
    Dann lassen Sie mich bitte ein Wort zu dem anfügen, was auch Graf Lambsdorff gesagt hat: Ich glaube, daß es nicht gut ist bei dem im Prinzip ordentlichen Verhältnis der beiden Kammern in Deutschland und zwischen Bund und Ländern, Ländervertreter, die hier auftreten, um ihre elementaren Interessen zu vertreten, mit der Vokabel „schäbig" zu belegen. Ich finde das nicht in Ordnung.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Das kommt auf den Inhalt an!)

    — Sie können das kritisieren. Dagegen bin ich nicht. Das tue ich bei Ihnen ja auch.
    Aber mir wäre es lieb gewesen, Sie hätten dann eine Antwort auf die Herausforderung gegeben, die das Bundesverfassungsgericht im letzten Finanzurteil schon formuliert hat. Darin steht: Der Bund muß Anstrengungen machen, um zumindest die beiden höchstverschuldeten Länder aus der Schuldenklemme herauszukriegen. Jemand muß doch irgendeine Weichenstellung vornehmen.

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Aber wir sind doch gerade dabei, Herr Engholm!)




    Ministerpräsident Björn Engholm (Schleswig-Holstein)

    Sie können sich hier doch nicht hinstellen und im Ernst sagen: Alle negativen Folgen und Lasten aus der Treuhand, aus dem Kreditabwicklungsfonds werden zu 50% den Ländern über die Schultern gestülpt. Jeder, der einen Haushalt eines strukturschwachen Landes einmal gesehen hat, weiß, daß es schlichtweg irreal ist — nicht nur einfach gemein und pieksig, sondern irreal —, weil es nicht funktionieren kann. Mit irrealen Vorschlägen geht man nicht an die Öffentlichkeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Bundeskanzler hat eben eingeworfen, daß es Bemühungen gebe, auf dem Felde der Strukturschwächsten weiterzukommen. Die Vorschläge, die mir bisher bekannt sind, sehen so aus, daß dann das drittschwächste Land zum Mitfinanzier der beiden ärmsten Länder würde. Ich glaube, daß wir nicht die Rechnung aufmachen sollten — ich sage das als ein Föderalist aus der Ländersicht besonders deutlich —, bei der am Ende die Ost-Länder gegen die West-Länder ins Feld geschickt werden, der Norden gegen den Süden, die reichen gegen die armen Länder. Wenn wir diese Schlacht einmal anfangen, haben wir sie gegen den Bund immer schon verloren, bevor sie begonnen worden ist. Kein guter Weg!

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, nur eine im Innern stabile Bundesrepublik Deutschland kann auch im internationalen Feld ihrer größeren Verantwortung und jener Verantwortung, die von ihr erwartet wird, gerecht werden. Ich teile die Auffassung von Herrn Dr. Kohl: Die vordringlichste Aufgabe, die wir haben, ist das Zuendebauen des Hauses Europa. Ich hoffe, daß sich unsere französischen Nachbarn — wie auch immer — zu einem deutlichen Ja zu Maastricht durchringen können, weil die Schwierigkeiten, die aufträten, würde es zu einem „Non" kommen, unkalkulierbar sind.

    (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Deshalb ist meine Auffassung — wir werden im Hause darüber ja des längeren diskutieren —: Trotz mancher Unzulänglichkeiten des Vertrages von Maastricht, ist dies ein Schritt in eine Zukunft, von der ich hoffe, daß sie niemand wieder reversibel macht.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das heißt auch, daß dieses Europa, das wir alle angestrebt und mitgebaut haben, nie wieder den Irrweg alten oder neuen Nationalismus geht. Wohin das führt, haben wir inzwischen in Jugoslawien in einer unglaublichen Furchtbarkeit gesehen und miterlebt.
    Bei aller Entrüstung, bei aller manchmal tiefen Wut über die Zerstörung von Menschen, von Kulturerbe, von ganzen ethnischen Gruppen in Jugoslawien: Ich neige dazu, allen zu raten, einen klaren Kopf bei der Beurteilung dieser Situation zu behalten. Militärische Einsätze helfen bei allem, was alle uns sagen und raten können, in überhaupt keiner Form. Deswegen sollte auch niemand damit spekulieren.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ich meine, daß es auch nicht mit einer wie immer gearteten Idee, deutsche Soldaten könnten auf dem Balkan etwas machen, getan wäre. Ich finde, die Deutschen haben — wie auch manche anderen mit ihnen — ein schlimmes geschichtliches Soll auf dem Balkan erfüllt; das reicht für dieses Jahrhundert mit Sicherheit aus.

    (Zuruf von der SPD: Für das nächste auch!)

    — für das nächste auch. Ich will das nicht eingeschränkt sehen.
    Ich glaube, daß die Sozialdemokratie richtig gelegen hat, als sie im November des vergangenen Jahres vorgeschlagen hat, die europäischen Sicherheitsstrukturen konsequent weiterzuentwickeln und die KSZE unter Einschluß der USA, von Kanada und der neuen GUS-Staaten schrittweise zu einem kollektiven Sicherheitssystem auszubauen. Das wird uns eine Weile in Europa beschäftigen. Das Ziel ist, glaube ich, gleichwohl richtig formuliert.
    Damit es in dieser Zwischenzeit kein Mißverständnis gibt: Die NATO ist in dieser Phase das einzige intakte und funktionierende Sicherheitsbündnis. Es wird seine Rolle bis dahin weiter spielen müssen und mit unserer Zustimmung weiter spielen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir sind dafür, die Vereinten Nationen zu stärken und im Sinne der Gründerväter und -mütter zu einer Weltfriedensinstanz mit am Ende einem internationalen Gewaltmonopol auszubauen.
    Wir haben unseren Beitrag in der aktuellen Debatte mit einem Antrag zur deutschen Beteiligung an Blauhelmaktionen im Bundestag eingebracht. Ich vermisse, daß die Regierung einen eigenen Antrag in dieser Sache vorlegt. Wir könnten jetzt in kurzer Zeit einen weltweit anerkannten deutschen Beitrag vereinbaren.

    (Beifall bei der SPD — Hans-Ulrich Klose [SPD]: Die sind ja in dieser Frage nicht einig!)

    Dann wissen Sie, daß wir noch einige Wochen einer gemeinsamen Debatte vor uns haben. Ich habe aus meiner Meinung keinen Hehl gemacht: Wenn sich der Generalsekretär der Vereinten Nationen mit der Reform dieser Vereinten Nationen durchsetzt, dann bin ich bereit — ich jedenfalls bin es und werde es auch in meiner Partei vertreten —, daraus auch weiterreichende rechtliche Konsequenzen zu ziehen.

    (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Aber dann sind Sie doch gar nicht mehr Vorsitzender, wenn es soweit ist!)

    — Glauben Sie das wirklich?

    (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Das glaube ich wirklich!)




    Ministerpräsident Björn Engholm (Schleswig-Holstein)

    — Das treibt mir die Tränen in die Augen.

    (Zuruf von der SPD: Was hat er gesagt?)

    — Er hat gesagt, zu dem Zeitpunkt sei ich kein Vorsitzender mehr.

    (Heiterkeit bei der SPD — Detlev von Larcher [SPD]: Was der sagt, kannst du vergessen!)

    Sind Sie wettfähig? — Dann wetten wir hinterher.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Wenn die UNO das Gewaltmonopol hat!)

    Ich will mit dem, was ich gesagt habe, zugleich deutlich machen: Militärische Konfliktlösungsmuster nach dem Golf-Modell dürfen nicht festgeschrieben werden, schon gar nicht mit deutscher Unterstützung.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Eine Großmacht-Weltpolizei ist unter keinem Vorzeichen ein erstrebenswertes Ziel und schon gar kein erstrebenswertes Ziel für die Deutschen mit ihrer besonderen Geschichte.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich glaube auch, daß wir bei der Umkehr des Denkens von militärischen zu zivilen Konfliktlösungsmustern anfangen sollten, uns ein bißchen mehr Grips zu gönnen.

    (Zustimmung bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wenn wir die ganze Kraft, die wir über eine Generation in militärische Strategien investiert haben, jetzt umgekehrt in die Vorbeugung von Konflikten, in die Verhütung von Konflikten, in zivile Konfliktregelungsmechanismen investierten, wir könnten — auch gedanklich — mit weit, weit weniger Militär auskommen, als wir es heute tun.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich stimme meinen Vorrednerinnen und Vorrednern darin zu, daß die Bereitschaft zu guter Nachbarschaft vor allem daran zu messen ist, wie wir im Innern unserer Gesellschaft miteinander und vor allen Dingen mit Menschen anderer Nationen umgehen.

    (V o r sitz: Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg)

    Deshalb kann sich nach Rostock nicht als erstes die Frage nach dem Art. 16 stellen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Nach den Ereignissen von Rostock — damit es nicht immer nur Rostock heißt: Rostock gibt es auch im Westen, d. h. Rostock ist in diesem Falle ein Synonym —

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Überall!)

    — überall, ich gebe Ihnen völlig recht —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auch im Ausland!)

    ist deshalb die erste Frage die nach dem Art. 1. Darin steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar."

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS/Linke Liste)

    Deshalb mit allem Nachdruck: Menschenverachtende Gewalttäter — und um die handelt es sich — sind eine Schande für dieses Land und müssen mit der vollen Härte des Gesetzes verfolgt und bestraft werden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich glaube, daß wir bei allem, was uns im Streit trennt, viel stärker wieder gemeinschaftlich eine Front gegen die schleichenden rechtsradikalen Tendenzen in unserem Land errichten müssen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das Schwenken der falschen Fahnen, die miesen Einfachantworten, die wieder Konjunktur bekommen, jene Art von Rechtsradikalismus, wie man ihn auch in älteren Köpfen wieder erlebt, waren, wenn man in die Geschichte zurückschaut, immer der Anfang vom Ende der deutschen Nation. Wenn wir dies heute begreifen, dann wollen wir mit Aufklärung, mit dem organisierten Anstand in Deutschland — den gibt es massenweise, damit daran überhaupt kein Zweifel besteht —,

    (Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

    denen entgegentreten, die drohen, unser Land sonst, wenn wir nicht rechtzeitig aufpassen, wieder an den Rand des Abgrunds zu bringen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, ich schließe mich dem an, was Herr Klose in sehr prägnanter Form gesagt hat: Das Grundrecht „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" muß erhalten bleiben. Es gehört zum Kernbestand unserer Geschichte und zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland.
    Ich kann Frau Köppe nicht recht geben, weil nicht nur meine Auffassung, sondern auch meine praktische Erfahrung in einem Land vor Ort ist: Wenn Hunderttausende von Menschen in ein Asylverfahren gelangen, das nicht für sie gemacht worden ist, dann, so sage ich Ihnen, wird am Ende das Asylverfahren rein quantitativ ausgehebelt werden,

    (Dieter Wiefelspütz [SPD]: So ist es, genau so!)

    nämlich durch die Überschwemmung eines Rechtes, das für die Verfolgten dieser Welt gedacht worden ist, durch Gruppen, die andere Zuwanderungswege zu diesem Kontinent gebrauchen. Da ist die Frage: Wie trennen wir es voneinander, ohne daß damit die Substanz eingeschränkt wird?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)




    Ministerpräsident Björn Engholm (Schleswig-Holstein)

    Wenn man, um dies hinzubekommen, eine Ergänzung der Verfassung machen muß — bei uns ist der Konflikt ja größer als bei Ihnen —, dann will ich deutlich sagen: Ich bin dazu bereit, sie zu machen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Bald!)

    Das Problem ist nämlich — da bin ich nicht Populist; bitte mißverstehen Sie das nicht —: Wenn das Volk anfängt, uns die Legitimation schleichend zu entziehen, und wenn das auch mit diesem Punkt zusammenhängt, dann hängt eines Tages der Art. 16 in der Luft.

    (Zuruf von der SPD: Richtig!)

    Ich kann als Politiker — das will ich Frau Köppe sagen — nicht mit einem einmal vorgeschneiderten Hut erwarten, daß sich das Volk bei Veränderungen immer wieder unter dem zu klein gewordenen Hut einfindet.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir schon gelesen!)

    — Das haben Sie schon gelesen? Ist aber trotzdem gut, nicht?

    (Heiterkeit im ganzen Hause — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich glaube deshalb, daß wir auch die Akzeptanz unseres Volkes brauchen, damit die Würde von Menschen, die zu uns kommen, erhalten bleibt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Das heißt Wege finden, um die Überlastung jener Verfahren, die für andere Zwecke gemacht worden sind, abzustellen und andere Wege der Zuwanderung zu finden, damit Menschen nicht völlig abgeschnitten werden und damit sie — wenn es geht, dann auch europäisch abgestimmt — eine reale Chance haben, zu uns zu kommen. Ich denke, über die vier oder fünf offenen Punkte werden wir in absehbarer Zeit miteinander reden müssen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist überfällig!)

    Klar ist eines, und Herr Klose hat recht: Wir lösen das Problem „Zuwanderung" nicht, indem wir uns immer und immer wieder ausschließlich mit dem Art. 16 beschäftigen. Wir müssen ein Paket vereinbaren, das die großen Ströme kontrollierbarer macht, als sie heute sind, ohne das Recht der wirklich Verfolgten zu beeinträchtigen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Darin wird das Kunststück liegen, und dazu sind alle Gutwilligen im Parlament aufgerufen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dann macht mal!)

    Klar ist, und Herr Schäuble weiß es: Wir können das, was wir wollen, ohne ein Minimum an Zustimmung von Ihnen nicht erreichen; umgekehrt gilt dasselbe. Das heißt, bestimmte Sachen, die gemacht werden müssen, müssen über die Fraktionsgrenzen hinaus vereinbart werden, oder es passiert nichts. Ich bin der Meinung, diesen Versuch sollten wir unternehmen.

    (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Wann denn?)

    — Ja gut, bis wann, das werden wir in absehbarer Zeit sehen. Herr Rüttgers, daß gerade Sie das fragen, der eben prognostiziert hat, daß ich das nicht mehr miterlebe, finde ich merkwürdig.

    (Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU — Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Das hoffe ich, daß Sie das noch schaffen, möglichst im Oktober!)

    — Danke.
    Meine Damen und Herren, für Deutschland und Europa gilt heute: Die Einheit ist immer noch Wunsch, die Teilung im Innern immer noch Realität. Am Ende des Jahrzehnts urollen wir sagen können: Die Einheit ist komplett Realität und die Teilung komplett Vergangenheit.
    Der Bundespräsident Heinemann hat uns eine Maxime hinterlassen, die heißt:
    In einer sich verändernden Welt kann nur bewahren, wer zu Veränderungen bereit ist. Wer nicht verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.
    Die Welt hat sich verändert, und zwar epochal verändert. Wir leben in einem quasi neuen Zeitalter, in einem Zeitalter voll unglaublicher Chancen, aber zunehmend großer Risiken, in einer Zeit, die zukunftsorientiertes Handeln verlangt.
    Unser Volk hat in weiten Bereichen den Glauben an die Handlungsfähigkeit der Regierung verloren. Jetzt kommt es darauf an, daß wir unserem Volk den Glauben an seine Zukunft erhalten. Wir Sozialdemokraten sind, wo immer wir benötigt werden, bereit, daran mitzuwirken.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Dr. Otto Graf Lambsdorff das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident, vielen Dank.
    Herr Engholm, Sie haben mich verschiedentlich angesprochen. Ich möchte auf zwei Punkte eingehen.
    Erstens. Es bestreitet niemand, daß bei der Situation in der früheren DDR der Staat mit aufgerufen ist, die Dinge in Ordnung zu bringen, und daß es dort selbstverständlich Staatsintervention und Staatsmitwirkung gibt. Das geschieht in einem Ausmaß, das beinahe unvorstellbar ist. Deswegen ist es nach meiner Meinung nicht richtig, in dieser Hinsicht nach mehr zu rufen.
    Wenn Sie allerdings so weit gehen, eine Staatsbeteiligung an früheren Kombinatsunternehmen usw. zu verlangen, werden Sie eine dauerhafte Staatsinter-



    Dr. Otto Graf Lambsdorff
    vention bewirken, und dies ist ein falscher Weg, meine Damen und Herren.

    (Zurufe von der SPD)

    Das Unheil, das dort drüben angerichtet wurde, ist durch Staatswirtschaft entstanden. Es sollte nicht durch eine Neuauflage von Staatswirtschaft perpetuiert werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Die zweite Bemerkung: Herr Engholm, Sie haben die Haltung der Bundesländer angesprochen. Ich verstehe ja, daß Sie das aus der Sicht eines Ministerpräsidenten so betrachten. Zur Klarstellung: Ich habe selbstverständlich nicht die hessische Finanzministerin als schäbig bezeichnet. Ich kannte die Dame bisher nicht, noch nicht einmal ihren Namen, bevor sie hier aufgetreten ist. Wie sollte ich also auf diesen Gedanken kommen? Allerdings: Die Politik, die sie vertreten hat, halte ich in der Tat für schäbig, Herr Engholm.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich sage hier noch einmal: Die alten Bundesländer haben bisher an der Einheit verdient. Wenn Sie von einem strukturschwachen Land sprechen und damit wahrscheinlich Schleswig-Holstein meinen, dann frage ich Sie: Woran messen Sie sich? Auf welcher Basis stellen Sie den Vergleich an? Sind immer noch Baden-Württemberg oder Bayern die Grundlage oder Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern?

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Ich füge gleich hinzu: Wenn der baden-württembergische Finanzminister von einer katastrophalen Finanzlage seines Landes spricht, was sollen denn der sächsische und der sachsen-anhaltinische Finanzminister sagen?
    Wenn Sie hier bestreiten, daß sich die alten Länder solidarisch verhalten haben, dann sage ich Ihnen: Das allerschlimmste Beispiel war immer noch die Tatsache, wie sie die Bundesratsstimmen fünf Tage vor dem 3. Oktober so zusammengebastelt haben, daß sie immer eine Zweidrittelmehrheit gegen die neuen Lander haben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)