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ID1210201000

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    Plenarprotokoll 12/102 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 102. Sitzung Bonn, Dienstag, den 8. September 1992 Inhalt: Nachruf auf den Abgeordneten Dr. FranzHermann Kappes 8661 A Erklärung der Präsidentin Dr. Rita Süssmuth zu den Ausschreitungen gegen Asylsuchende und Ausländer 8661 C Eintritt der Abgeordneten Dr. Michaela Blunk in den Deutschen Bundestag für den durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Wolfgang Kubicki 8662 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Detlef Kleinert (Hannover) . . 8662 B Mitteilung zum Stenographischen Bericht (Plenarprotokoll) 8662 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 8662 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 8672 D Jochen Borchert CDU/CSU 8680 D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . 8684 C Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste 8689B, 8709C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8690 C Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 8692 D Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD . . 8695 A Dr. Annette Fugmann-Heesing, Staatsministerin des Landes Hessen 8695 C Ina Albowitz F D P 8699 B Hinrich Kuessner SPD 8701 D Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 8705A Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8707 D Nächste Sitzung 8709 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8711* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 8711* B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. September 1992 8661 102. Sitzung Bonn, den 8. September 1992 Beginn: 13.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 08. 09. 92 * * Bartsch, Holger SPD 08. 09. 92 Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 08. 09. 92 Blunck (Uetersen), SPD 08. 09. 92 * Lieselott Bock, Thea SPD 08. 09. 92 Brandt, Willy SPD 08. 09. 92 Dreßler, Rudolf SPD 08. 09. 92 van Essen, Jörg F.D.P. 08. 09. 92 * * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 08. 09. 92 * * Friedrich, Horst F.D.P. 08. 09. 92 Dr. Fuchs, Ruth PDS/LL 08. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 08. 09. 92 * Gattermann, Hans H. F.D.P. 08. 09. 92 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 08. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 08. 09. 92 * * Jaunich, Horst SPD 08. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 08. 09. 92 Lenzer, Christian CDU/CSU 08. 09. 92* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 08. 09. 92 * * Oesinghaus, Günther SPD 08. 09. 92 Pfuhl, Albert SPD 08. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 08. 09. 92 * Rempe, Walter SPD 08. 09. 92 Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 08. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 08. 09. 92 * * Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 08. 09. 92 Schuster, Hans Paul F.D.P. 08. 09. 92 Hermann Dr. Solms, Hermann Otto F.D.P. 08. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 08. 09. 92 * * Dr. Waffenschmidt, Horst CDU/CSU 08. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 08. 09. 92 * * Dr. Wieczorek, Norbert SPD 08. 09. 92 Zierer, Benno CDU/CSU 08. 09. 92 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 26. Juni 1992 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz zu dem Vertrag vom 27. Februar 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit Anlagen zum Stenographischen Bericht Gesetz zu dem Vertrag vom 6. Februar 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) Gesetz zur Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechts für Beratung in Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit Gesetz zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes Gesetz zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes und anderer Gesetze Gesetz über die nachträgliche Umstellung von Kontoguthaben, über die Tilgung von Anteilrechten an der AltguthabenAblösungs-Anleihe, zur Änderung lastenausgleichsrechtlicher Bestimmungen und zur Ergänzung des Gesetzes über die Errichtung der „Staatlichen Versicherung der DDR in Abwicklung" Strafrechtsänderungsgesetz - Menschenhandel - (... StrÄndG) Gesetz zur Anpassung der Rechtspflege im Beitrittsgebiet (Rechtspflege-Anpassungsgesetz-RpflAnpG) Gesetz zur Verlängerung der Verwaltungshilfe Gesetz zur Festlegung des Anwendungsbereiches und zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 Gesetz zu dem Protokoll vom 20. Dezember 1990 betreffend die Änderung des Übereinkommens vom 9. Mai 1980 über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) Drittes Gesetz zur Änderung des Marktstrukturgesetzes Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens Gesetz zur Regelung der Aufnahme von Krediten durch die Treuhandanstalt (Treuhandkreditaufnahmegesetz - THA KredG) Zu den beiden letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: Zum Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens: Der Bundesrat hat nach wie vor gewichtige Bedenken gegen das Gesetz. Er hält das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vor allem in folgenden zentralen Punkten für verbesserungsbedürftig: 1. Konzentration der Zuständigkeit für das gesamte beschleunigte Verfahren beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Neubestimmung der Schnittstelle zur Ausländerbehörde) 2. Schaffung einer asylverfahrensunabhängigen Aufenthalts- und Verteilungsregelung für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, bei der der Bund die Kosten trägt. 3. Schaffung einer gesetzlichen Verpflichtung des Bundes, den Ländern für die Unterbringung von Asylbewerbern freie und frei werdende Liegenschaften kostenfrei zu überlassen. 4. Darüber hinaus wird der Bund aufgefordert, endlich geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Rückstände der mehr als 300 000 unerledigten Asylanträge schnellstens zu bewältigen. Dies ist zwingend geboten, um das neue beschleunigte Verfahren überhaupt zu gewährleisten. Der Bundesrat behält sich Gesetzesinitiativen ausdrücklich vor, wenn sich in der Praxis herausstellen sollte, daß das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens die erhoffte Verfahrensbeschleunigung nicht erbringt; er fordert die Bundesregierung auf, die praktischen Erfahrungen beim Gesetzvollzug aufmerksam zu registrieren und Verfahrensmängel unverzüglich durch geeignete Maßnahmen abzustellen. Zum Treuhandkreditaufnahmegesetz: Der Bundesrat hält die von der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates im Zusammenhang mit der Begründung zu § 4 des Gesetzes zur Regelung der Aufnahme von Krediten durch die Treuhandanstalt vertretene Auffassung für rechtlich und sachlich unbegründet, wonach sich aus dem Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 und dem Einigungsvertrag vom 31. August 1990 eine Verpflichtung der Länder des Beitrittsgebietes ergibt, sich an einer verbleibenden Verschuldung der Treuhandanstalt zu beteiligen. 8712* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. September 1992 Der Bundesrat bekräftigt seine Auffassung, daß der Bund bei Auflösung der Treuhandanstalt allein die verbleibenden Schulden zu übernehmen hat. Er verweist dabei auf die bereits in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf gegebene Begründung (BT-Drucksache 12/2217 vom 11.3. 1992, Anlage 2; BR-Drucksache 2/92 [Beschluß] vom 14. 02. 1992). Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 10. Juli 1992 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1992 (Nachtragshaushaltsgesetz 1992) Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung des Strukturhilfegesetzes und zur Aufstockung des Fonds „Deutsche Einheft" Gesetz zur Anpassung des Umsatzsteuergesetzes und anderer Rechtsvorschriften an den EG-Binnenmarkt (Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz) Erstes Gesetz zur Änderung des Agrarstatistikgesetzes Gesetz zur Einführung des passiven Wahlrechts für Ausländer bei den Sozialversicherungswahlen und zur Änderung weiterer Vorschriften (2. Wahlrechtsverbesserungsgesetz) Zweites Gesetz zur Änderung des Gerätesicherheitsgesetzes Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag Gesetz zur Änderung des Vermögensgesetzes und anderer Vorschriften — Zweites Vermögensrechtsänderungsgesetz (2. VermRÄndG) — Gesetz zur Prüfung von Rechtsanwaltszulassungen, Notarbestellungen und Berufungen ehrenamtlicher Richter Gesetz über das Inverkehrbringen von und den freien Warenverkehr mit Bauprodukten zur Umsetzung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (Bauproduktengesetz — BauPG) Gesetz zu dem Vertrag vom 9. Oktober 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bulgarien über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa Gesetz zum Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Verletzungen verursachen oder unterschiedslos wirken können (VN-Waffenübereinkommen) Gesetz zur Änderung des Übereinkommens vom 22. März 1974 über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets (Helsinki-Übereinkommen) Gesetz zur Änderung des Wohngeldsondergesetzes und des Wohngeldgesetzes Gesetz zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: 1. Der Bundesrat stimmt dem vom Deutschen Bundestag beschlossenen „Schwangeren- und Familienhilfegesetz " zu. Es beruht auf der Erkenntnis, daß der Schutz des werdenden Lebens nur mit der Mutter und nicht gegen sie möglich ist, und dient dem Ziel, Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern, ohne aber zu bezweifeln, daß die Entscheidung der Schwangeren im Bewußtsein ihrer Verantwortung getroffen wird. Das Gesetz bezweckt auf diese Weise, insbesondere in Verbindung mit den sozialen Maßnahmen, die einen ernstzunehmenden Schritt zu einer familien-, (rauen- und kinderfreundlichen Gesellschaft darstellen, den Schutz des werdenden Lebens besser zu gewährleisten, als dies die bisherigen Regelungen vermocht haben. 2. Mit Blick auf die finanziellen Folgen des vom Deutschen Bundestag am 25. Juni 1992 beschlossenen Schwangeren- und Familienhilfegesetzes stellt der Bundesrat fest, daß Ländern und Gemeinden durch die sozialen Begleitmaßnahmen erhebliche Kosten auferlegt werden. Nach Berechnungen der Bundesregierung belaufen sich die zur Kinderbetreuung vorgesehenen investiven Kosten auf über 42 Mrd. DM, die jährlichen Betriebskosten auf über 11 Mrd. DM. 3. Der Bundesrat fordert mit Nachdruck eine Beteiligung des Bundes an diesen Kosten. Er bedauert, daß der Deutsche Bundestag nicht gleichzeitig mit der inhaltlichen Ausgestaltung des Reformanliegens eine Regelung über dessen gemeinsame Finanzierung entwickelt hat. Eine Lastentragung allein durch Länder und Kommunen ist nicht hinnehmbar. Der Bundesrat wird daher umgehend einen Gesetzentwurf einbringen, mit dem die finanziellen Folgen des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetzes auf alle Ebenen angemessen verteilt werden; dazu soll zumindest der Anteil der Länder an der Umsatzsteuer zu Lasten des Bundes erhöht werden. Eine solche Ausgleichsregelung ist in der Kostenübersicht des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetzes bereits ausdrücklich vorgesehen; auch der Sonderausschuß „Schutz des ungeborenen Lebens" empfiehlt in seinem Bericht an den Deutschen Bundestag, die Umsetzung dieses Gesetzes in eine Neuregelung des Finanzausgleichs einfließen zu lassen. 4. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat im übrigen in seiner Sitzung am 17. Juni 1992 das vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz als „mit der Haushaltslage des Bundes vereinbar" erklärt; dies schließt auch die mittelbaren finanziellen Auswirkungen ein. Der Deutsche Bundestag hat seine Entscheidung damit in Kenntnis der Auswirkungen auf den Haushalt des Bundes getroffen. Der Bundesrat erwartet deshalb, daß der Deutsche Bundestag seine Zustimmung zu einer gesetzlichen Neuregelung des Anteilsverhältnisses bei der Umsatzsteuer geben wird. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/1789 Drucksache 12/2102 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 10/2125 Drucksache 11/3254 Drucksache 11/3631 Drucksache 11/1621 Drucksache 11/1622 Drucksache 12/2150 Drucksache 12/2151 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/2113 Drucksache 12/2204 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 12/1783 Sonderausschuß Schutz des ungeborenen Lebens Drucksache 11/6895 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 12/1838 Nr. 3.14 Drucksache 12/2144 Nrn. 2.7, 2.8, 2.9, 2.10, 2.11 Drucksache 12/2257 Nrn. 3.60, 3.61 Ausschuß für Verkehr Drucksache 12/152 Nrn.. 56, 65 Drucksache 12/1961 Nrn. 3.1, 3.4 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 12/1220 Nr. 3.13 Drucksache 12/1612 Nr. 2.10 Drucksache 12/1681 Nr. 3.12 Drucksache 12/2101 Nr. 3.46 Drucksache 12/2257 Nr. 3.69 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 12/2101 Nr. 3.48 Drucksache 12/2144 Nrn.. 2.16, 2.17
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Weng


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist unstrittig, daß die Vollendung der deutschen Einheit das wichtiste Ziel unserer Politik ist und daß wir alles tun müssen, um die Angleichung der Lebensbedingungen der neuen Mitbürger so schnell wie möglich zu erreichen.
    Es ist ebenso unstrittig und es ist bitter, daß die wirtschaftliche Lage in den neuen Bundesländern in einem wesentlichen Bereich bis heute weit hinter den Erwartungen, weit hinter den Hoffnungen zurückgeblieben ist, nämlich beim Aufbau von Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe.
    Es ist traurig, daß auch in einer solchen, ja wirklich außerordentlich schwierigen Lage nicht alle Verantwortlichen an einen Tisch kommen, um nach sorgfältiger Analyse gemeinsam bestmögliche Wege der Lösung anzugehen, sondern daß das übliche und in der Öffentlichkeit zu Recht kritisierte Verfahren fortgesetzt wird: Jeder versucht, seine vermeintliche oder tatsächliche Klientel bestmöglich zu bedienen, und dies mit lautem öffentlichen Feldgeschrei. Ob es nun Tarifparteien oder auch politische Parteien sind: Einzelinteressen stehen im Vordergrund. Offensichtlich wird dabei übersehen, daß radikale Gruppierungen, die von solchem Verhalten profitieren, nicht nur vor der Tür stehen, sondern bereits einen Fuß in die Tür gestellt haben.
    Frau Matthäus-Maier hat meines Erachtens mit ihrem Auftritt hier ein gutes Beispiel für eine solche Verhaltensweise gegeben.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ein schlechtes Beispiel)

    — Ein gutes schlechtes Beispiel, Herr Kollege Schäuble. — Die Aufforderung, den Haushaltsentwurf zurückzuziehen, hat sie hier heute auch für ihre Partei noch einmal genannt. Diese Aufforderung der SPD

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Einen neuen Entwurf vorzulegen!)

    gehört zu solchem parteipolitischen Taktieren. Frau Kollegin Matthäus-Maier, nichts in der Finanzpolitik ist wichtiger als Beständigkeit.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Eine ständige Verunsicherung der Wirtschaft, eine ständige Verunsicherung der Kapitalmärkte,

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das müssen Sie nicht sagen!)

    eine ständige Verunsicherung der Investoren sorgt sehr schnell für eine Verschlechterung der Situation.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Zur Sicherheit gehört auch eine ordnungsgemäße und
    zeitgerechte Beratung des öffentlichen Haushalts, wie
    wir sie seit Beginn der Koalition zwischen CDU/CSU



    Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

    und F.D.P. ständig gehabt haben, und zwar eine Beratung auf der Basis der bekannten Tatsachen unter Berücksichtigung von bekannten Risiken.
    Die Haushaltsgruppe der Koalitionsfraktionen hat in die hektische Finanzdiskussion der letzten Tage die nötige Ruhe gebracht. In diesem Zusammenhang hat auch der Finanzminister hier mit seiner Haushaltsrede heute eine ganz klare Haltung eingenommen. Hierfür ist ihm ebenso wie dem Sprecher der CDU/CSU, Jochen Borchert, zu danken.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Es kann ja wohl auch nicht sein, daß nach den Festlegungen der Koalitionsfraktionen auf einen gemeinsamen Kurs im Mai dieses Jahres und nach der Billigung des Haushaltsentwurfs in den Fraktionen der Koalition und dann nach seiner Verabschiedung im Kabinett wenige Wochen später, ohne eine Veränderung der haushaltsrelevanten Daten, plötzlich das reine Chaos ausbricht.
    Wir können auch nicht, wie dies der Vorsitzende der SPD, Herr Engholm, in seinem gestrigen Interview mit der „Süddeutschen Zeitung" getan hat, auf der Basis von Spekulationen arbeiten. Wenn er behauptet, die Grundlagen des Haushalts würden sich in den kommenden Monaten so sicher verändern wie das Amen in der Kirche, dann halte ich ihm entgegen, daß der Deutsche Bundestag und die verantwortliche Mehrheit der Koalition im Deutschen Bundestag möglichen Änderungen Rechnung tragen werden. Wir sind nicht so ängstlich wie Frau Matthäus-Maier, daß wir die Kompetenz des Parlaments, den Haushalt zu beraten und zu verabschieden, an die Regierung zurückgeben wollen, nachdem wir heute in diese Verantwortung gestellt werden.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Frau Matthäus-Maier, Ihre verbal immer wieder geäußerte Bereitschaft zur Mitarbeit können Sie von der Opposition jetzt bei den anstehenden Beratungen zeigen. Ihre Rede hat hierfür kein Signal gegeben, wenn man ihr auf den Grund geht.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Aber auch hier ist das Interview Ihres Vorsitzenden, Herrn Engholm, den ich vorhin genannt habe, entlarvend. Die Entscheidung über schwierige Dinge soll verschoben werden, und der Staat soll sich in ungeahnter Weise Probleme aufladen, die er nach meiner Überzeugung in keinem Fall bewältigen kann, nämlich eine totale Industriesanierung in Ostdeutschland in staatlicher Regie. Meine Damen und Herren, das wäre das Ende der Bundesrepublik als eines modernen Industriestaates mit Zukunft.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Nun hat Herr Engholm mit seiner vorher geäußerten Bereitschaft, auf politische Führung in Deutschland zu verzichten, um in einer Großen Koalition auf leisen Sohlen Machtbeteiligung zu erreichen — und dies ohne politisch inhaltliche Alternative mit einer in sich zerstrittenen Partei —, seine persönliche Zielsetzung ja offengelegt. Von seiner SPD ist bei dieser Zielsetzung für die Lösung der anstehenden Probleme nicht viel zu erwarten.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Die Öffentlichkeit erwartet von der verantwortlichen Politik Handlungsfähigkeit. Lassen Sie mich ein besonders augenfälliges Beispiel nennen, bei dem auch ich mich frage, ob es wirklich in der aufgezeigten Weise ablaufen muß. Vor weit über einem Jahr haben alle parlamentarisch vertretenen Fraktionen ein Konzept zur Abwehr unberechtigt einreisender Menschen aus anderen Ländern beschlossen. Jetzt hört man, daß vor Mitte nächsten Jahres mit der Durchführung nicht zu rechnen sei.

    (Zuruf von der F.D.P.: Unglaublich!)

    Meine Damen und Herren, außerhalb jeder Diskussion über Änderungen der Verfassung sei gesagt: Wenn sich unsere tatsächliche Handlungsfähigkeit in solcher Weise dokumentiert, dann brauchen wir uns über Unmut und Zorn, ja, über Verzweiflung vieler Bürger nicht zu wundern.
    Wenn unser entscheidendes Problem in Ostdeutschland die Hemmung wichtiger Investitionen ist, dann muß auch hier politische Handlungsfähigkeit in größerem Maße zum Tragen kommen. Der erklärte Wille der Koalition, z. B. die Beschleunigung des Ausbaus der notwendigen Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern voranzubringen, ist bekannt. Es geht beim Bau der Straßen auch zügig voran. Aber im Bereich der Bahn, vor allem bei den Projekten deutsche Einheit, taucht offensichtlich etwas auf, was sich auch bei vielen anderen Investitionsvorhaben in gleicher Weise als entscheidendes Hemmnis negativ niederschlägt, nämlich Bürokratie, um nicht zu sagen Überbürokratisierung.

    (Zuruf von der F.D.P.: Sehr wahr!)

    Das Überstülpen des im Westen gewohnten bürokratischen Perfektionismus auf die besondere Situation der neuen Bundesländer war ein Fehler. Dieser Fehler muß korrigiert werden, wenn z. B. der bei der Telekommunikation und beim Straßenbau erfreulich vorangekommene Ausbau der Infrastruktur nicht verpuffen soll. Entscheidungsfreude und nicht das Wandern von Akten über unzählige Schreibtische überforderter Bürokraten ist gefordert.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir haben, um auf die Situation des Verkehrsweges Schiene zurückzukommen, schon viel Zeit verloren. Für den Ausbau wird ja auch viel Zeit gebraucht werden. Dies alles sorgt für eine zusätzliche Verlängerung. Bei aller von meiner Person ja bekannten Wertschätzung der Rechnungshöfe bei der Kontrolle öffentlichen Finanzgebarens: Eine reine Rechnungshofmentalität bedeutet hier jahrelange Verzögerungen, und der Aufbau wird über die jetzige schwierige Situation hinaus noch nachhaltig gestört.
    Die Rahmendaten für die Förderung von Industrieansiedlungen in Ostdeutschland sind so gut wie in keinem vergleichbaren Land, was die Finanzausstattung und die Steuervergünstigung von staatlicher Seite angeht. Wenn aber Unternehmer demotiviert werden — hierfür gibt es leider viele Beispiele; wir



    Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

    haben in unserer Fraktionsklausur in der vergangenen Woche von einer ganzen Zahl von Beispielen dafür gehört, daß Anträge liegenbleiben, daß nicht entschieden wird —, dann wird die Gesamtentwicklung ganz nachhaltig gestört, es wird ihr geschadet.
    Eine Entindustrialisierung im ganzen Osten muß aber verhindert werden. Die bisherigen Ansätze zur Schaffung von Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe genügen nicht. Auch hierüber herrscht Einstimmigkeit und Einmütigkeit. Nur, meine Damen und Herren, Umverteilung mit staatlicher Gewalt in einer kleiner gewordenen Welt und in einem Europa ohne Grenzen wird keine Lösung bedeuten. Die Rahmendaten für Industrieansiedlungen setzt ja nicht nur der Staat — die vom Staat gesetzten Daten habe ich aufgeführt —, sondern sie werden auch vom Markt gesetzt.
    Ich weiß, daß ein Rückblick hier nicht weiterhilft, möchte aber trotzdem daran erinnern, daß der Zusammenbruch des gesamten östlichen Wirtschaftsgefüges die Märkte im Osten auch dann für lange Zeit blokkiert hätte, und zwar sicherlich mit einer noch erheblicheren Einschränkung, als es ohnehin schon der Fall ist, wenn die Wiedervereinigung nicht stattgefunden hätte. Daß der Verlust dieser Märkte die Situation entscheidend und einschneidend verschlechtert hat, hat auch der Herr Bundesfinanzminister bereits vorgetragen. Wir würden uns als Staat aber ganz sicher übernehmen, wenn wir, entsprechend der Anregung von Frau Matthäus-Maier, in großem Umfang Produktion auf Staatskosten vornehmen lassen würden, ohne daß es überhaupt zahlungsfähige Käufer für die Produkte gibt.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Frau Matthäus-Maier, das von Ihnen angeführte Einzelbeispiel ist natürlich sehr plausibel und griffig, aber es greift in der Gesamtbetrachtung nicht, weil ein solches staatliches Handeln im Gesamtbereich praktisch den Staatskonkurs zur Konsequenz hätte. Wir brauchen eine Marktsituation, in der Investitionen getätigt werden.
    Der rasante Anstieg der Risiken bei Exportbürgschaften für Exporte in die Nachfolgestaaten der Sowjetunion macht dies ja um so deutlicher, als der Haushaltsansatz für die Gewährleistungen schon für das kommende Jahr eklatant erhöht werden mußte. Meine Damen und Herren, wir wußten seinerzeit, daß wir uns hier hohe Risiken aufladen, aber die Frage, wo die Grenze solcher Belastungen liegt, wird ja dadurch beantwortet, daß es jetzt nicht so weitergeht. Das holt einen ein. Die leichte oder vermeintlich einfache Lösung des Augenblicks ist in der Politik häufig das, was in der Konsequenz nicht mehr oder nur sehr schwer in Ordnung gebracht werden kann.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Der Vortrag von Frau Matthäus-Maier war auch an anderer Stelle außerordentlich wenig nützlich; denn zusätzlich sind für einen Investitionsstandort steuerpolitische Rahmenbedingungen wichtig. Der Eindruck, der hier erweckt wird, als wären wir eine kleine, in uns geschlossene Nation, als ob internationale Kapitalströme keine Rolle spielten, ist einfach falsch. Wir sind darauf angewiesen, und es ist ausdrücklich wünschenswert, daß auch Investoren aus anderen Ländern zu uns kommen. Sie tun es im Moment in einem viel zu geringen Umfang, und zwar auch deshalb, weil die steuerlichen Rahmenbedingungen nicht ausreichend sind.
    Es ist — ich glaube, auch bei der SPD — unstrittig, daß die Forderung der deutschen Wirtschaft nach einer Unternehmensteuerreform begründet ist. Nirgendwo sind die Unternehmensteuern so hoch wie bei uns. Wer investiert denn, wenn er weiß, daß der Fiskus in dem Augenblick, in dem — vielleicht nach langen Jahren — endlich Gewinne anfallen, diese Gewinne im wesentlichen abschöpft?
    Die Idee von Finanzminister Waigel, den Totschlagargumenten der sozialdemokratischen Neiddiskussion durch eine Differenzierung der Spitzenbelastung nach Einkunftsarten zu begegnen, muß sicher sorgfältig diskutiert und auch in ihrer Tragweite bezüglich anderer als der rein fiskalischen und der investiven Auswirkungen geprüft werden. Sie erscheint mir aber spontan als ein möglicher Weg aus einer politischen Sackgasse und ein erfolgversprechender Anstoß zu sein. — Hier bedürfte es eigentlich einer Reaktion unserer Fraktionen.

    (Heiterkeit)

    Sonst entsteht der Eindruck, als ob ich mit diesen Überlegungen allein dastünde, und das ist nicht der Fall.


Rede von Renate Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Soll ich zwischendurch — immer sagen: „Nun klatscht mal schön"?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Weng


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Da hierdurch ich sage das schon einmal im Vorgriff auf eine sich sicherlich entwickelnde kontroverse Diskussion — niemand gegenüber dem jetzigen Zustand benachteiligt würde, die investierende Wirtschaft aber bevorzugt würde, müßten sich eigentlich auch die Organisationen der Wirtschaft diesem Gedanken gegenüber aufgeschlossen äußern.

    (Zuruf von der SPD: Begeisterung bei der F.D.P.! — Beifall bei der F.D.P.)

    — Ich bedanke mich für die Hilfe. Man sieht doch, was ein Zuruf aus den Reihen der Opposition gleich an Solidarisierung in den eigenen Reihen nach sich ziehen kann.
    Die Wirtschaft hat der Koalition in letzter Zeit schlechte Noten erteilt, gerade deshalb, weil die Zusagen in diesem Bereich bisher nicht eingehalten worden sind.

    (Helmut Esters [SPD]: Zu Recht!)

    — Ja, Herr Kollege Esters, da die schlechten Noten aber gerade in bezug auf den Bereich erteilt worden sind, bei dem sich Ihre Partei vehement gegen unsere Bemühungen wehrt, glaube ich, daß dieser Zwischenruf von Ihrer Seite nicht ganz begründet war.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Es kommt hinzu, daß diese Kritik — wie so oft — nicht mit konkreten Vorschlägen für eine bessere Politik verbunden ist, aber damit müssen wir leben. Es ist immer so, daß sich die verantwortliche Mehrheit dem aussetzen muß, auch wenn es nicht immer ganz



    Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

    leichtfällt, Pauschalkritik zu ertragen, ohne daß konkrete Alternativen aufgezeigt werden. Aber ich glaube, daß man in Kenntnis der von der Opposition vorgetragenen Alternativen auch dort im richtigen Moment sicherlich wieder zur Besinnung kommen wird.
    Ich will allerdings einen Hinweis geben und auf einen Teil der Wirtschaft hinweisen, der sich nach meiner Überzeugung zu dem nationalen Anliegen der Schaffung vergleichbarer Lebensverhältnisse in Deutschland und des Aufbaus im Osten in unglaublicher Weise rücksichtslos verhält: Die deutschen Großbanken müssen sich die Frage stellen lassen, ob nicht in der jetzigen Situation eine massive Abwerbung von Kapital ins Ausland für unser ganzes Land schädlich ist.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und der SPD — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Sehr gut und sehr mutig!)

    Man hätte aus diesem Bereich, z. B. in den neuen Bundesländern, dem Land durchaus dienen können, wenn man sich großzügiger, wenn man sich unbürokratischer verhalten hätte. Gerade das durch die schwierige Situation beim Eigentum an Grund und Boden häufig fehlende, jedenfalls grundbuchmäßig gesicherte Eigentum ist ja oft ein entscheidendes Investitionshemmnis bei der Schaffung von Arbeitsplätzen. Hier hätte eine größere Beweglichkeit der Banken bei der Forderung nach Sicherheiten bestimmt eine Chance für mehr Fortschritte beinhaltet. Aber viele Menschen mit Mut und Bereitschaft zum Unternehmertum sind bei den Bankfilialen im Osten abgewiesen worden, weil sie die im Westen bankenübliche Sicherheit nicht geben konnten. Hier liegt eine nationale Aufgabe für das Kreditgewerbe; hier hätte man besser als mit großen Worten zu einer positiveren Entwicklung beitragen können.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wir leben in einer offenen Welt mit offenen Grenzen. Investoren haben viele Möglichkeiten der Niederlassung, und die Koalition hat mit den von mir ausgeführten großzügigen Förderungen Wege geebnet. Daß wir mit unseren massiven Zinssubventionen aus den öffentlichen Etats Unmut bei der Deutschen Bundesbank erregt haben, kann ich verstehen; deren Aufgabe, die Sicherung der Stabilität der Deutschen Mark, ist durch diesen gespaltenen Kapitalmarkt natürlich nicht erleichtert.
    Die F.D.P.-Fraktion hat in den langen Jahren eine gute Tradition aufgebaut, ihre haushalts- und finanzpolitischen Vorstellungen unter bestmöglicher Berücksichtigung der Position der Deutschen Bundesbank zu erarbeiten. Wir tun dies deshalb, weil wir die Bedeutung einer stabilen Währung für unsere Menschen richtig einschätzen. Ohne eine starke Mark, meine Damen und Herren, wäre alles noch viel schwieriger. Da wäre die heutige Wirtschafts- und Finanzsituation extrem problematisch; denn das Vertrauen von Anlegern auch aus anderen Ländern, das uns in der Phase der vereinigungsbedingt höheren Verschuldung hilft, könnten wir sonst verlieren.
    Natürlich wäre wirtschaftspolitisch in der jetzigen Situation eine Zinssenkung außerordentlich wünschenswert, aber die handelnde Politik muß — ich glaube, daß wir hierzu mit dem heute diskutierten Haushaltsentwurf einen guten Beitrag leisten — für eine solche Zinssenkung auch die Voraussetzungen schaffen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das tun wir!)

    Es macht ein wenig besorgt, wenn die Deutsche Bundesbank in den letzten Tagen unter dem Druck der Politik, vor allem dem Druck aus anderen Ländern, Zinssignale gegeben hat. Sie sollte ihre Unabhängigkeit in jedem Fall wahren.
    Die Sparsamkeit der öffentlichen Hände ist die erste Voraussetzung für einen Zinssenkungsspielraum. Die Sparsamkeit der öffentlichen Hände kann natürlich nicht den Bund allein betreffen.
    Das Konzept der Koalition bleibt richtig. Ich erinnere an die Daten: Das Wachstum des Bundeshaushalts soll in den kommenden Jahren im Schnitt nur 2,5 % betragen. An Länder und Gemeinden im Westen ergeht der dringende Appell, es nach den zum Teil übertriebenen Aufblähungen ihrer Etats in den letzten drei Jahren jetzt wirklich mit Steigerungsraten von 3 % genug sein zu lassen.
    Meine Damen und Herren, an dieser Stelle kann natürlich eine Anmerkung in Richtung Bayern nicht ganz unterbleiben; denn der Herr Bundesfinanzminister ist ja Vorsitzender der Partei, die in Bayern mit absoluter Mehrheit im Landtag das Sagen hat. Sie haben es leider nicht geschafft, das Land Bayern auf den von Ihnen gewünschten Kurs zu bringen.

    (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Bayern hat die niedrigsten Schulden!)

    Wenn die genannte Steigerungszahl von deutlich über 5 % stimmt, dann heißt dies, daß Sie hier eine zusätzliche Hausaufgabe haben.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Der Herr Minister wendet sich gerade mit Grausen ab, aber wahrscheinlich wird es ihm Herr Kraus bestätigt haben, daß diese eine Angelegenheit ist, die verbessert werden sollte.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, es ist schon unglaublich — hier wieder den Blick zurück in den Westen —, in welchem Maße vor allem wohlhabende Kommunen im Westen den Eindruck vermitteln, als hätte sich durch die staatliche Einheit Deutschlands nichts geändert. Statt eine für die Kapitalmärkte notwendige Atempause von einigen Jahren auf dem erreichten hohen Niveau einzulegen, wird hier oft der Eindruck einer gewissen Endzeitstimmung vermittelt: Jetzt ganz schnell noch möglichst viel; wer weiß, wie die Entwicklung weitergeht! Aber genau mit solchem Verhalten bedroht man die Entwicklung. Diese Verhaltensweise ist zwar menschlich verständlich, aber es darf nicht jeder nur an sich denken. Das ist auch ein dringender Appell an demokratisch gewählte Gre-



    Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

    mien in den Kommunen. Für unser Staatswesen ist solches Verhalten insgesamt eine falsche Haltung.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    An der schwerwiegenden Situation haben, wie es ja fast immer in der Politik der Fall ist, viele Aspekte schuld. Wir sollten nicht vergessen, daß 40 Jahre sozialistischer Mißwirtschaft den entscheidenden Anteil an der Misere tragen, daß uns die Dimension des Unterschieds an Produktivität, daß uns die unfaßlichen Investitionsrückstände in der Wirtschaft des Ostens, der damaligen DDR, nicht bewußt waren. Aber ich sage auch, die handelnde Politik hat bisher nicht alle Chancen dieser schwierigen Lage genutzt. Ordnungspolitische Ansätze einer anderen Struktur als der im Westen gewohnten sind häufig steckengeblieben. Die Bürokratie hat ihren schneckenhaften Langsamgang sehr schnell etabliert, Dynamik ist hierbei oft auf der Strecke geblieben. Die Chancen breiter Deregulierung sind nur in wenigen Kommunen Ostdeutschlands genutzt worden. Dabei gibt es gute Beispiele dafür, daß eine solche Politik funktioniert und daß eine solche Politik deutliche Verbesserungen der kommunalen Situation und der Situation der Bürger solcher Gemeinden nach sich zieht.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Privatisierungen, gerade auch im Bereich öffentlicher Dienstleistungen, wären möglich; sie finden nicht im gewünschten Umfang statt. Ich bin Ihnen, Herr Finanzminister, für Ihre Ankündigung dankbar, daß die Bundesregierung hier im Westen konsequent mit Privatisierung fortschreiten wird, daß Sie das was wir gemeinsam in der Koalitionsvereinbarung festgelegt haben, auch wirklich bestmöglich in Angriff nehmen. Ich bin Ihnen für diese Ankündigung ausdrücklich verbunden.
    Die öffentliche Hand, auch der Bund, könnte allerdings mit ihrem Grundbesitz an vielen Stellen für eine Beschleunigung für Investitionen sorgen. Sie hätten das in der Vergangenheit tun können, sie können es immer noch. Trotz des weiten Entgegenkommens, daß Sie, Herr Waigel, geschildert haben, ist nicht alles Mögliche geschehen. Oft werden durch übertriebene Ängstlichkeit die Entscheidungen hinausgezögert, oft wird eine Entscheidung verhindert.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein weiteres Beispiel staatlichen Handlungsbedarfs nennen. Im Vertrag über den Abzug der Truppen der früheren Sowjetunion aus den neuen Bundesländern ist ja festgelegt, daß die Bundesrepublik für den Mehrwert, der an den Kasernenanlagen oder Wohnungsanlagen dieser Truppen entstanden ist, etwas zahlen muß, daß jedoch entstandene Altlasten in diesem Bereich gegengerechnet werden sollen. Wenn es hierbei ordnungsgemäß kaufmännisch zuginge, bestünde sicherlich ein hoher finanzieller Anspruch der Bundesrepublik gegenüber den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, weil jeder weiß und jeder sehen kann, daß die Beseitigung der Altlasten einen enormen Aufwand bedeuten wird. Aber es geschieht gar nichts, es bleibt liegen, es stagniert. Und dieses Liegenlassen nützt nichts.
    In Kenntnis der hohen Verbindlichkeiten — ich glaube, niemand denkt daran, daß diese hohen Verbindlichkeiten voll erfüllt werden —, die die GUS-Staaten gegenüber der Bundesrepublik haben, stellt sich doch die Frage, ob man nicht auf der politischen Ebene durch einen Erlaß eines Teiles dieser Schulden entgegenkommt und eine Vereinbarung erreicht, um dafür dann den sofortigen Zugriff auf die genannten Einrichtungen, auf die Wohnungen, auf Kasernen zu erhalten. Hier müßte intensiv verhandelt werden; denn das Liegenlassen kostet, wie gesagt, Geld, zerstört Werte und hindert die Aufwärtsentwicklung.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Eine Chance in schwieriger Lage wäre sicher auch, wenn die Tarifparteien in größerem Maße Arbeitnehmer am Produktivkapital beteiligen würden. Die Äußerung von Frau Matthäus-Maier in dem Zusammenhang war interessant. Statt zusätzlicher und wirtschaftlich im internationalen Wettbewerb unvertretbarer Tariferhöhungen könnte eine Beteiligung von Mitarbeitern an ihrem Betrieb einen wichtigen Fortschritt bedeuten.
    Ich weiß, daß die Gewerkschaften im Sinne der Ausweitung ihrer eigenen Verbandsmacht lieber als Institutionen beteiligt werden möchten. Dies ist natürlich alles andere als ein liberaler Ansatz. Aber die Äußerungen von Frau Matthäus-Maier haben offengelassen, ob nicht auch über den von mir vorgetragenen liberalen Ansatz offen diskutiert werden kann. Über einen neuen Anlauf bei der Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivvermögen sollte dringend gesprochen werden.
    Meine Damen und Herren, zum Stichwort Solidaritätspakt: Das Ergebnis der Lufthansa-Verhandlungen der letzten Woche zeigt ja auch, daß zumindest ein Teil der Gewerkschaften die entstandenen Notwendigkeiten erkannt hat. Das Stichwort der Öffnungsklauseln für betriebliche Eingangstarife — in Kenntnis der Tatsache, daß diese in Ostdeutschland an vielen Stellen Realität sind — muß hier wieder genannt werden. Diese Forderung der F.D.P. — Kollege Haussmann hat das heute in der Fraktion noch einmal gesagt — ist seit Anfang der 70er Jahre bisher ungehört verhallt. Aber jetzt scheint doch langsam die Erkenntnis aufzukommen, daß wir auf der richtigen Seite sind.
    Meine Damen und Herren, ob wir bei höherer Abgabenlast — wie in den letzten Tagen von verschiedenen Seiten gefordert — tatsächlich mehr Geld bekämen, ist zu bezweifeln. Wichtiger sind öffentliche Einsparungen. Solche öffentlichen Einsparungen sind schwierig, sind nicht populär, betreffen viele Menschen in unserem Land sehr direkt, häufig auch sozial Schwache. Für unsere notwendige sparsame Politik müssen wir unsere Bürger um Verständnis bitten. Ebenso bitte ich unsere Bürger, Zusagen und Versprechungen der Opposition auf ihren wahren Kern zu untersuchen.

    (Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Ja!)

    Sie werden sehen, daß diese Versprechungen keine Substanz haben.

    (Zuruf von der F.D.P.: Mogelpackung!)




    Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen)

    Die SPD hat hier keine Alternativen zur Haushaltspolitik der Koalition aufgezeigt. Sie hat das hinter lautem Geschrei zu verbergen versucht.

    (Zustimmung bei der F.D.P. und der CDU/ CSU — Dr. Peter Struck [SPD]: Na, na, na! — Gegenruf des Abg. Manfred Richter [Bremerhaven] [F.D.P.]: Das ist schon so!)

    — Ich gebe zu: Als ich mir das mit dem „lauten Geschrei" aufgeschrieben habe, hatte ich Frau Matthäus-Maier natürlich noch nicht gehört. Sie hat heute etwas leiser geschrien als sonst.

    (Heiterkeit bei der F.D.P.)

    Wenn eine große Oppositionspartei auf den eigenen Machtanspruch verzichtet und noch nicht einmal sagt, mit welchen politischen Alternativen sie als Juniorpartner mitwirken will, hat sie ihre Funktion verloren.
    Die F.D.P. geht in die Detailberatungen des heute in erster Lesung debattierten Bundeshaushalts 1993

    (Zuruf von der SPD: Offen und frei!)

    mit der Bereitschaft, die finanzpolitische Festlegung der Koalition auszufüllen und dabei bis zum Abschluß der Beratungen im November auch neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Trotz aller Probleme: Wir sind auf dem richtigen Weg.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Dr. Peter Struck [SPD]: Na, na, na!)