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    Plenarprotokoll 12/100 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 100. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 Inhalt: Bestimmung des Abgeordneten Gunter Huonker als ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuß für den ausgeschiedenen Abgeordneten Harald B. Schäfer sowie Bestimmung des Abgeordneten Hermann Bachmaier als stellvertretendes Mitglied . 8468 D Bestimmung des Abgeordneten Ulrich Irmer als stellvertretendes Mitglied in der Gemeinsamen Verfassungskommission für die ausgeschiedene Abgeordnete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 8468 D Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 8469A Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, den Richtlinien für Aktuellen Stunden und der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 7. September 1992 8469 C Wahl des Abgeordneten Hans-Joachim Otto als ordentliches Mitglied in der Verfassungskommission für den ausgeschiedenen Abgeordneten Wolfgang Mischnick 8505 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. Kündigung des ILO-Abkommens 96: Privatisierung der Arbeitsvermittlung Günther Heyenn SPD 8457B Julius Louven CDU/CSU 8458 A Dr. Gisela Babel F.D.P. 8458 D Renate Rennebach SPD 8459 C Matthias Wissmann CDU/CSU 8460 B Petra Bläss PDS/Linke Liste 8460 D Konrad Gilges SPD 8462 A Ernst Hinsken CDU/CSU 8463C Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. 8464 C Hans Urbaniak SPD 8465 C Rainer Haungs CDU/CSU 8466 B Dr. Bernd Protzner CDU/CSU 8467 C Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 8468 B Tagesordnungspunkt 14: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Umsatzsteuergesetzes und anderer Rechtsvorschriften an den EG-Binnenmarkt (Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz) (Drucksachen 12/2463, 12/2691, 12/2906, 12/2907) Dankward Buwitt CDU/CSU 8469D Gunter Weißgerber SPD 8471 C Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 8472A Joachim Poß SPD 8472 B Gerhard Schüßler F.D.P. 8473 B Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste 8474 A Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 8475A Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. (Erklärung nach § 31 GO) 8475 B Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 8475 C Ingrid Matthäus-Maier SPD (Erklärung nach § 31 GO) 8476A Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg 8545 C Namentliche Abstimmung 8476 B Ergebnis 8521 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 Tagesordnungspunkt 15 a: Beratung der Beschlußempfehlung des Ältestenrates zum zweiten Zwischenbericht der Konzeptkommission des Altestenrates zur Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands (Drucksache 12/2850) Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU 8476 C Helmuth Becker (Nienberge) SPD 8477 D Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU 8479B Dr. Jürgen Starnick F.D.P. 8480 D Angela Stachowa PDS/Linke Liste 8483 B Franz Müntefering SPD 8484 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 8485 C Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8485D, 8496C Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 8486B Peter Conradi SPD 8487 A Editha Limbach CDU/CSU 8487 A Dr. Franz Möller CDU/CSU 8488 A Peter Conradi SPD 8489 A Peter Kittelmann CDU/CSU 8490 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 8491 A Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8491 B Martin Grüner F.D.P. 8492 A Rudolf Seiters, Bundesminister BMI 8492 C Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister von Berlin 8493 D Siegrun Klemmer SPD 8495 B Franz Müntefering SPD 8495 C Editha Limbach CDU/CSU 8496 D Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 8497 A Jochen Feilcke CDU/CSU 8498 D Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8499 A Brigitte Baumeister CDU/CSU 8499B Martin Grüner F.D.P. (Erklärung nach § 31 GO) 8500A, D Franz Müntefering SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8500 C Ortwin Lowack fraktionslos (Erklärung nach § 31 GO) 8501 A Tagesordnungspunkt 15 b: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ältestenrates zu den Vorschlägen der unabhängigen Föderalismuskommission vom 27. Mai 1992 für eine ausgeglichene Verteilung von Bundesbehörden unter besonderer Berücksichtigung der neuen Länder (Drucksache 12/2853 [neu]) Dr. Bernhard Vogel, Ministerpräsident des Landes Thüringen 8501 D Gerlinde Hämmerle SPD 8503 D Ina Albowitz F.D.P. 8505 B Angela Stachowa PDS/Linke Liste 8506 D Steffen Heitmann, Staatsminister des Landes Sachsen 8507 C Anke Brunn, Ministerin des Landes Nordrhein-Westfalen 8508 C Peter Zumkley, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg 8509 D Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8511B Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) CDU/CSU 8512A Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD 8512D Dr. Jürgen Schmieder F.D.P. 8513 B Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU 8514 C Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8515D Dr. Hans de With SPD (Erklärung nach § 31 GO) 8516B Dr. Immo Lieberoth CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 8516B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) 8517 A Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste (Erklärung nach § 31 GO) 8517B Günther Heyenn SPD (Erklärung nach § 31 GO) 8518B Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU (zur GO) 8518D Namentliche Abstimmungen 8518C, 8521 A Ergebnisse 8519A, 8521B Zusatztagesordnungspunkt 2: Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission Wahlvorschlag der Fraktion der CDU/ CSU (Drucksache 12/2873) 8525 C Ergebnis 8530 A Tagesordnungspunkt 16: — Zweite und dritte Beratung eines Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vermögensgesetzes und anderer Vorschriften— Zweites Vermögensrechtsänderungsgesetz (Drucksachen 12/2480, 12/2695) — Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung redlich Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 III erworbener Eigentums- und Nutzungsrechte an Gebäuden und Grundstücken in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Drucksache 12/ 2358) — Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vermögensgesetzes (Drucksache 12/2228) — Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wolfgang Ullmann, Christina Schenk und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Herstellung des Rechtsfriedens im Bereich des Wohneigentums in den neuen Bundesländern (Drucksachen 12/2073, 12/2944, 12/2946) Hans-Joachim Hacker SPD 8526A Norbert Geis CDU/CSU 8527 D Dr. Jürgen Schmieder F.D.P. 8530B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste 8532 A Joachim Gres CDU/CSU 8533 D Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU 8535 C Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 8536B Norbert Geis CDU/CSU 8537 B Dr. Walter Hitschler F.D.P. 8538B Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 8540B Dr. Michael Luther CDU/CSU 8542 A Dr. Uwe Küster SPD 8543 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 8543 D Dr. Uwe Küster SPD (Erklärung nach § 31 GO) 8544 C Tagesordnungspunkt 17: a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1992 (Nachtragshaushaltsgesetz 1992) (Drucksachen 12/2600, 12/2800, 12/2801, 12/2806) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung des Strukturhilfegesetzes und zur Aufstockung des Fonds „Deutsche Einheit" (Drucksachen 12/2692, 12/2925) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. KlausDieter Feige, Werner Schulz (Berlin) und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kosten für die Sanierung der durch die ehemalige SDAG Wismut verursachten Umwelt- und Gesundheitsschäden (Drucksachen 12/2638 [neu], 12/2918) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Freimut Duve, Dr. Willfried Penner, Wolfgang Thierse, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Beibehaltung der bisherigen Förderungshöhe für die Kultur in den neuen Bundesländern (Drucksachen 12/1437, 12/2299) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1992 bei Kapitel 60 02 Titel 882 04 — Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104 a Abs. 4 GG an strukturschwache Bundesländer — (Drucksachen 12/2402, 12/2854) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Geplanter Erwerb einer Kinderkrippe und eines Kinderhorts für die Institutionen und Organe der Gemeinschaften (Clovis-Wilson) Geplanter Erwerb eines Grundstücks für den Bau einer Kinderkrippe in Woluwe (Drucksachen 12/2315 Nr. 2.1, 12/2855) Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD 8546D Helmut Esters SPD 8549A Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 8549 D Walter Kolbow SPD 8550 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 8553 C Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD (zur GO) 8555 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (zur GO) 8555 C Freimut Duve SPD 8555 C Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär BMF 8556A Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 8557 A Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU (zur GO) 8557 C Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD (zur GO) 8557 C IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Wohngeldsondergesetzes (Drucksachen 12/2601, 12/2920, 12/2941) Rolf Rau CDU/CSU 8558 C Siegfried Scheffler SPD 8559 C Dr. Walter Hitschler F.D.P. 8562B Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 8563 C Achim Großmann SPD (zur GO) 8564 B Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 8564 C Tagesordnungspunkt 4 b: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag (Drucksachen 12/2794, 12/2915) Michael Stübgen CDU/CSU 8567 A Dr. Uwe Küster SPD 8568 B Dr. Jürgen Schmieder F.D.P. 8569 D Gerlinde Hämmerle SPD 8570 A Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste 8570 D Zusatztagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG -Änderungsgesetz) (Drucksachen 12/1985, 12/2922, 12/2935) in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 5: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Gerd Andres, Hans Büttner (Ingolstadt), Konrad Gilges, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Sofortmaßnahmen zur Arbeitsmarktpolitik (Drucksachen 12/2212, 12/2922) 8571 C Tagesordnungspunkt 19: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gerätesicherheitsgesetzes (Drucksachen 12/2693, 12/2919) 8572B Tagesordnungspunkt 20: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 9. Oktober 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bulgarien über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa (Drucksachen 12/2263, 12/2865) 8572 C Tagesordnungspunkt 4: c) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des passiven Wahlrechts für Ausländer bei den Sozialversicherungswahlen (Drucksachen 12/2734, 12/2909) d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Agrarstatistikgesetzes (Drucksachen 12/2696, 12/2914) e) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der bundeseigenen Liegenschaft in Regensburg, Betriebs- und Geschäftsgrundstück (Drucksachen 12/2401, 12/2631) f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 69/169/EWG durch Verlängerung und Modifizierung der Ausnahmeregelung für Dänemark und Irland hinsichtlich der Vorschriften über die Befreiung im grenzüberschreitenden Reiseverkehr (Drucksachen 12/2101 Nr. 3.6, 12/2632) g) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 05 02 Titel 686 30 — Beitrag an die Vereinten Nationen — (Drucksachen 12/2485, 12/2754) h) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Weitere überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 05 02 Titel 686 30 — Beitrag an die Vereinten Nationen — (Drucksachen 12/2593, 12/2755) i) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 64 zu Petitionen (Drucksache 12/2849) 8572 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1992 bei Kapitel 10 04 Titel 682 08 (Lagerung von Interventionswaren) (Drucksachen 12/2586, 12/2930) 8573 C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 V Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Außerplanmäßige Ausgabe sowie außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung bei Kapitel 12 14 — Deutscher Wetterdienst — apl. Titel 685 01— Beitrag zum Sekretariatsneubau EUMETSAT — im Haushaltsjahr 1992 (Drucksachen 12/2646, 12/2931) 8573 D Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1992 hier: Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 02 Titel 685 08 — Kassenhilfe an die Rundfunkanstalten „Deutsche Welle" und „Deutschlandfunk" — Drucksachen 12/2641, 12/2932 8573D Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 65 zu Petitionen (Drucksache 12/2916) 8574 A Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 66 zu Petitionen (Drucksache 12/2917) 8574 A Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Umsetzung des Westsahara-Friedensplans der Vereinten Nationen (Drucksache 12/2896) 8574 A Tagesordnungspunkt 3: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen Einwilligung in die Veräußerung eines Grundstücks in Berlin gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (Drucksache 12/2836) b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Appell an die Regierung des Iran (Drucksache 12/2119) c) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: Unterrichtung durch die Bundesregierung über die deutsche Humanitäre Hilfe im Ausland (Drucksache 12/2776) d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt), Brigitte Adler, Gerd Andres und weiterer Abgeordneter: Zuckerrübentransport auf die Schiene) (Drucksache 12/2772) 8574 D Zusatztagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Drucksache 12/2866) 8575 A Zusatztagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: KSZE-Parlamentarierversammlung (Drucksache 12/2893) 8575 A Zusatztagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt), Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/ Linke Liste: Bestandsgarantie für sanierungsfähige Betriebe der Treuhandanstalt (Drucksache 12/2848) 8575 A Zusatztagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Sicherung von Sportstätten in den neuen Ländern (Drucksache 12/2534) 8575 C Nächste Sitzung 8575 C Berichtigung 8575 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 8577* A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung zum zweiten Zwischenbericht der Konzeptkommission des Ältestenrates zur Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands (Tagesordnungspunkt 15b) Gunter Weißgerber SPD 8577* C Christian Müller (Zittau) SPD 8577* D Dr. Dietrich Mahlo CDU/CSU 8578* A Dr. Klaus Kübler SPD 8578* B Dr. Klaus Röhl F.D.P. 8578* D Wilfried Böhm (Melsungen) CDU/CSU 8579* B Birgit Homburger F.D.P. 8579* C Anlage 3 Liste der Teilnehmer an der Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission 8579* D Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 16 (Vermögensrechtsänderung, Wohneigentum in den neuen Bundesländern) Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8581* C VI Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Entwurf des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 16) 8583* A Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt i 7 (Nachtragshaushaltsgesetz 1992, Strukturhilfegesetz, Fonds „Deutsche Einheit", Kosten für die Sanierung der durch die ehemalige SDAG Wismut verursachten Umwelt- und Gesundheitsschäden) Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste 8583* D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8584* D Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 18 (Wohngeldsondergesetz) Dr. Christine Lucyga SPD 8585* C Hans Raidel CDU/CSU 8586* D Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Konrad Gilges, Gerd Andres, Hans Büttner (Ingolstadt), Günther Heyenn, Renate Jäger, Regina Kolbe, Ulrike Mascher, Adolf Ostertag, Manfred Reimann, Renate Rennebach, Ottmar Schreiner, Hans Urbaniak, Barbara Weiler und Rudolf Dreßler (alle SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag 8587* D Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Rolf Schwanitz (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag 8588* D Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 4 b (Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag) Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 8589* B Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 6 (Arbeitsförderungsgesetz) und Tagesordnungspunkt 5 (Sofortmaßnahmen zur Arbeitsmarktpolitik) Dr. Gisela Babel F D P. 8590* A Petra Bläss PDS/Linke Liste 8590* C Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8591* C Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 8592* A Regina Kolbe SPD 8593* C Adolf Ostertag SPD 8594* D Heinz Rother CDU/CSU 8596* D Heinz Schemken CDU/CSU 8597* D Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 19 (Gerätesicherheitsgesetz) Dr. Gisela Babel F.D.P. 8598* C Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU 8599* B Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 8600* A Renate Rennebach SPD 8600* C Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 20 (Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bulgarien über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa) Gernot Erler SPD 8601* B Klaus Francke (Hamburg) CDU/CSU 8602* A Ulrich Irmer F.D.P 8602* D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste 8603* D Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8604* D Helmut Schäfer, Staatsminister AA 8604* D Anlage 14 Amtliche Mitteilungen 8605* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8457 100. Sitzung Bonn, den 26. Juni 1992 Beginn: 8.00 Uhr
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    Berichtigung 98. Sitzung, Seite 8139C, 14. Zeile von oben: Statt „umstritten" ist „unbestritten" zu lesen. 99. Sitzung: Auf den Seiten 8360 dritte Spalte, 8363 zweite Spalte, 8365 dritte Spalte, 8368 dritte Spalte, 8369 D rechte Spalte, 8373 dritte Spalte, 8375 B zweite Spalte, 8378 erste Spalte, 8382 dritte Spalte, ist bei dem Namen „Schmidbauer (Nürnberg)"" statt des Vornamens „Bernd" der Vorname „Horst" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Berger, Johann Anton SPD 26. 06. 92 Brandt, Willy SPD 26. 06. 92 Burchardt, Ulla SPD 26. 06. 92 Doss, Hansjürgen CDU/CSU 26. 06. 92 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 26. 06. 92 Gattermann, Hans H. F.D.P. 26. 06. 92 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 26. 06. 92 Dr. Glotz, Peter SPD 26. 06. 92 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 26. 06. 92 Huonker, Gunter SPD 26. 06. 92 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 26. 06. 92 Kubatschka, Horst SPD 26. 06. 92 Marten, Günter CDU/CSU 26. 06. 92 ** Mattischeck, Heide SPD 26. 06. 92 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 26. 06. 92 Dr. Mertens (Bottrop), SPD 26. 06. 92 Franz-Josef Mischnick, Wolfgang F.D.P. 26. 06. 92 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 26. 06. 92 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 26. 06. 92 * Müller (Kirchheim), CDU/CSU 26. 06. 92 Elmar Müller (Schweinfurt), SPD 26. 06. 92 Rudolf Dr. Pfaff, Martin SPD 26. 06. 92 Dr. Pohl, Eva F.D.P. 26. 06. 92 Reichenbach, Klaus CDU/CSU 26. 06. 92 Rempe, Walter SPD 26. 06. 92 Schäfer (Offenburg), SPD 26. 06. 92 Harald B. Schmidt (Nürnberg), SPD 26. 06. 92 Renate Graf von Schönburg- CDU/CSU 26. 06. 92 Glauchau, Joachim Simm, Erika SPD 26. 06. 92 Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 26. 06. 92 Sigrid Stiegler, Ludwig SPD 26. 06. 92 Terborg, Margitta SPD 26. 06. 92 * Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 26. 06. 92 Walther (Zierenberg), SPD 26. 06. 92 Rudi Dr. Wetzel, Margrit SPD 26. 06. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung zum zweiten Zwischenbericht der Konzeptkommission des Altestenrates zur Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands (Tagesordnungspunkt 15 b) Gunter Weißgerber (SPD): Als Leipziger stimme ich heute gegen die Beschlußempfehlung der Kommission. Es wäre mir unmöglich gewesen, jedes andere Stimmverhalten den Menschen meiner Region auch nur ansatzweise erklären zu können. Eigentlich müßte es dem Hohen Hause peinlich sein, daß ich heute und hier an dieser Stelle in Erinnerung rufen muß, welchen Anteil speziell Leipzig 1989 am Zusammenbrechen des ungeliebten zweiten deutschen Staates hatte. Es waren Hunderttausende, welche Montag für Montag aus ganz Ostdeutschland nach Leipzig zogen, um den in Ostberlin Herrschenden Angst vor dem Volk einzujagen. Leipzig war das Fanal für die nachfolgenden Demonstrationen in den anderen ostdeutschen Städten! Von Leipzig ging der Ruf „Wir sind das Volk" aus! Was für ein Volk sind wir eigentlich? Nicht einmal der historischen Stadt des Herbstes 1989 lassen wir den Rang zukommen, welcher ihr in Deutschland gebührt? Leipzig war mit dem Reichsgericht einer der wichtigsten Justizstandorte in Deutschland. Ein Gericht, welches den Nazis nicht willfährig genug war! Der für die Nazis mißlungene Reichstagsbrandprozeß ließ die Machthaber erst den Volksgerichtshof bilden. In Leipzig wurde die „Deutsche Bücherei" gegründet, nicht in Frankfurt! Nach der Beschlußempfehlung wird der Stadt Leipzig auch diese Institution nicht gegeben. Als Teilnehmer an den Leipziger Montagsdemonstrationen, welche uns nicht zuletzt die deutsche Einheit brachten, erkläre ich: Ich bin tief enttäuscht! Christian Müller (Zittau) (SPD): Zu meinem Bedauern sehe ich mich auch heute, wie bereits bei der abschließenden Abstimmung in der Föderalismuskommission, nicht in der Lage, dem Vorschlag zuzustimmen. Meine persönlichen Vorstellungen über das Ziel der Beratungen in der Kommission gingen dahin, daß ein Ergebnis zu erreichen ist, welches wirklich dem Anspruch des Teilens gerecht wird. Bereits die langwierigen Verhandlungen zeigten aber deutlich, wie die Realitäten beschaffen sind. Das vorliegende Ergebnis ist für mich ein Ausdruck für das derzeit dominierende Prinzip der Besitzstandswahrung. Die Tatsache, daß der größte Teil der für die östlichen Bundesländer bestimmten Behörden und Einrichtungen aus Bèrlin und nicht aus den westlichen Bundesländern kommen soll, hat die negative Folge, daß die Zeitplanung für diese Umzüge an den Vollzug des Regierungssitzwechsels gekoppelt wird. Es wurde bei den Beratungen geltend gemacht, daß der Bundesgerichtshof nicht an zwei Standorten arbeiten könne, was aber hinsichtlich des fünften 8578* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 Strafsenats, der in Berlin ansässig ist und künftig nach Leipzig gehen wird, ohnehin der Fall ist. Da außerdem jeder neuzugründende Zivil- oder Strafsenat nicht zu einer Vermehrung der Senate in Karlsruhe, sondern in Leipzig führen soll, wäre es wahrhaftig im Sinne des Föderalismus gewesen, wenn Karlsruhe schon jetzt auf einen Strafsenat zugunsten von Leipzig verzichtet hätte. Dies hätte ein Zeichen für die neuen Bundesländer im Sinne der Erneuerung des Rechtsstaates im Osten Deutschlands sein können, welches durchaus etwas mit dem Verlauf des Herbstes 1989 in Leipzig zu tun hat. So verbleibt mir nur die Feststellung, daß diese Chance vergeben wurde. Dr. Dietrich Mahlo (CDU/CSU): Bei allem grundsätzlichen Willen zum Ausgleich vermag ich keine Lösung zu akzeptieren, die der Stadt Leipzig die selbstverständliche Rückkehr des dem Reichsgericht entsprechenden Bundesgerichtshofs vorenthält. Ich kritisiere, daß das aus dem preußischen Oberverwaltungsgericht hervorgegangene Bundesverwaltungsgericht, gewissermaßen seit 1907 im selben Haus in Berlin ansässig, wegverlegt wird. Hier handelt es sich um Institutionen, die Geschichte haben, Geschichte geschrieben haben und sich daher der willkürlichen geographischen Austauschbarkeit entziehen. Keine andere Nation in Europa würde solche traditionellen Einrichtungen in gleicher Weise dem Ringen um Partikularinteressen anheimstellen. Ich bedaure, daß die Föderalismuskommission zwar den richtigen Grundsatz aufstellte, zukünftige Neugründungen von Bundeseinrichtungen ausschließlich in den neuen Bundesländern vorzunehmen, daß sie aber gleichzeitig und selbstwidersprüchlich einige der ersten mühsamen Neugründungen dort nach der Wende (etwa die Bundesanstalt für Geowissenschaften in Ostberlin) schon wieder in das westliche Deutschland verlegen will. Es ist unrichtig, daß diese unstimmigen Entscheidungen durch den Beschluß des Bundestages vom 19. Juni 1991 über die „Verteilung nationaler und internationaler Institutionen" erzwungen würden. Tatsache ist, daß einige große westliche Bundesländer aus der vierzigjährigen Besetzung und Drangsalierung des östlichen Teils unseres Vaterlandes faktisch Vorteil gezogen haben und zu großer Wirtschaftskraft angewachsen sind. Daher rührt u. a. die Ungleichgewichtigkeit der Länder in Deutschland. Sie hätte bei einer fairen Verteilung vorhandener Bundesinstitutionen selbstverständlich und gerechterweise in Betracht gezogen werden müssen. Der Beschluß vom 19. Juni 1991 schloß eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Wirtschaftskraft in keiner Weise aus. Ich empfinde die Ergebnisse der Arbeit der Föderalismuskommission daher insgesamt nicht als ausgewogen. Bei der Abstimmung über ihren Bericht werde ich mich der Stimme enthalten. Dr. Klaus Kübler (SPD): Dem Vorschlag der Föderalismuskommission, das Umweltbundesamt von Berlin nach Sachsen-Anhalt zu verlagern, kann ich insbesondere aus folgenden Gründen nicht zustimmen. Diesen Vorschlag halte ich für falsch. Wenn schon das Bundesumweltministerium in Bonn verbleibt, sollte wenigstens das Umweltbundesamt in Berlin verbleiben. Beide Einrichtungen des zentralen Politikbereiches „Umwelt" vom Parlament zu trennen, ist ein nicht gerade von Weitsicht und Sachkompetenz geprägter Vorschlag. Eine doppelte Abwesenheit der Umweltadministration (Umweltministerium und Umweltbundesamt) vom Parlament würde nachhaltig die Umweltpolitik belasten. Deshalb müßte eine solche Entscheidung nochmals überprüft werden. Es ist auch fachlich, umweltpolitisch und personalpolitisch falsch, das Umweltbundesamt aus der einzigartigen Umweltforschungslandschaft Berlins herauszunehmen. Eine Verlagerung des Umweltbundesamtes, das sich in Berlin mitten im Problemgebiet der Umweltzerstörung in den neuen Bundesländern und in Osteuropa befindet, nützt niemandem etwas. Eine Verlagerung nach Sachsen-Anhalt löst vor Ort keine Probleme — das Umweltbundesamt hat bundesweite und internationale Aufgaben. In Berlin haben alle Interessenten, das Parlament, alle Länder schnellen Zugriff auf die Umweltinformation des Umweltbundesamtes, in Sachsen-Anhalt ist der Zugriff erschwert. Ich halte es auch für falsch, das Bundesgesundheitsamt (Teile) nach Bonn zu verlagern. Bundesumweltamt und Bundesgesundheitsamt sollten im Hinblick auf zahlreiche Notwendigkeiten der Zusammenarbeit benachbart untergebracht sein. Im übrigen halte ich den Gesamtansatz, und ich meine insoweit nicht die grundsätzliche Frage der Verlagerung in die neuen Bundesländer, fast alle anderen Bundeseinrichtungen, die in Berlin seit Jahrzehnten untergebracht sind, nach Bonn zu verlagern, für falsch. Dr. Klaus Röhl (F.D.P.): Die Föderalismuskommission hat in ihrem Beschluß vom 27. Mai 1992 Vorschläge für eine „ausgeglichene Verteilung von Einrichtungen des Bundes in der Bundesrepublik" unterbreitet. Betrachtet man diese als „ausgeglichen" bezeichnete Verteilung von Bundeseinrichtungen genauer, so stellt man fest, daß zwei Einrichtungen nach Sachsen-Anhalt, je drei nach MecklenburgVorpommern und Brandenburg und je vier nach Sachsen bzw. Thüringen verlagert werden sollen. Dem gegenüber stehen 16 Einrichtungen, die nach Bonn verlagert werden. Das bedeutet zugleich, daß sie in das alte Bundesland Nordrhein-Westfalen verlegt werden, in ein Bundesland, das mit Bundesinstitutionen schon jetzt reichlich bedacht ist. Als noch fragwürdiger erkennbar wird diese „ausgeglichene" Lösung, wenn man feststellt, daß eine Institution von Hamburg, vier von Hessen und 21 von Berlin abgegeben werden. Diesen Ländern ist unbedingt zu danken! Aber acht alte Bundesländer beteiligen sich an dieser Lösung überhaupt nicht, darunter so potente Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Dieses Ergebnis ist nicht nur schlecht, es ist so erbärmlich, daß es einem die Schamröte ins Gesicht treibt. Mir als Berliner, als Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8579* Ostberliner, ist es klar und selbstverständlich, daß wir aus Berlin den größten Anteil von Einrichtungen abgeben müssen. Wir wollen und werden das auch tun. Bei der weiteren Analyse des als „ausgeglichen" bezeichneten Vorschlags stellt man weiterhin fassungslos fest, daß auch vier Institutionen aus Ostberlin, also aus dem neuen Bundesgebiet, ausgelagert werden sollen, so z. B. das Zentrum für Telekommunikation, die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Ost (Ost-Berlin), die Bundesanstalt für Wasserbau (OstBerlin) und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (Außenstelle Ost-Berlin). Den Vorschlag, diese Institutionen in andere Bundesländer zu verlagern, halte ich für eine krasse Fehlentscheidung. Hierbei ist die Verlegung der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Ost und der Bundesanstalt für Wasserbau nach Sachsen-Anhalt bzw. nach Thüringen und des Zentrums für Telekommunikation nach Sachsen noch verständlich, da dadurch Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern erhalten bleiben. Die Entscheidung in bezug auf die Ostberliner Außenstelle der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, die nach Bonn soll, ist jedoch vollkommen inakzeptabel und zudem politisch instinktlos. Zur Begründung möchte ich Ihnen die Situation etwas genauer darlegen. Die Außenstelle Berlin dieser Bundesanstalt wurde 1990 gegründet. Beschäftigt sind hier 130 Mitarbeiter, überwiegend Fachleute aus den neuen Bundesländern (95 %). Die Aufgaben dieser Außenstelle sind primär auf geowissenschaftliche Arbeiten in den neuen Bundesländern und Osteuropa ausgerichtet. Die Entscheidung der Föderalismuskommission, diese Außenstelle nach Bonn zu verlegen, ist meiner Meinung nach ein absoluter Mißgriff. Da alle Beschäftigten aus den neuen Bundesländern in dieser Außenstelle bereits im Oktober 1990 mit dem „Zentralen Geologischen Institut" bzw. der „Anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe" abgewickelt wurden, besteht bei den Mitarbeitern nunmehr die berechtigte Sorge, daß der Umzug nach Bonn einer erneuten Abwicklung gleichkommt. Das ist meines Erachtens weder politisch noch sozial zu verantworten. Zudem macht es auch keinen Sinn, Aufgaben, die sich ausschließlich auf die neuen Bundesländer und Osteuropa konzentrieren, von Bonn aus lösen zu wollen. Ich halte daher die Entscheidung, wenn sie realisiert würde, für politisch unsinnig und nicht tragbar. Sie wäre darüber hinaus ein absolut negatives Signal mit verheerender Wirkung auf das Verhältnis zwischen den neuen und den alten Bundesländern, zwischen Ost und West. Aus diesen gesamten Gründen ist es mir unmöglich, diesem Antrag auch nur die Kenntnisnahme zu erteilen, und ich fordere alle Mitglieder dieses Hauses und ganz besonders die Mitglieder der Föderalismuskommission auf, diese gravierenden Fehlentscheidungen zu korrigieren. Ansonsten wäre dies ein Armutszeugnis für solidarisches Verhalten im Föderalismus. Wilfried Böhm (Melsungen) (CDU/CSU): Den Vorschlägen der Unabhängigen Föderalismuskommission vom 27. Mai 1992 habe ich nur deswegen zugestimmt, weil die Kommission in Zukunft ihre Arbeit fortsetzen soll und ich darauf vertraue, daß sie ihrem Auftrag doch noch nachkommen wird, der in erster Linie darin besteht, in die neuen Lander in noch viel stärkerem Maße als bisher öffentliche Einrichtungen und Stellen zu verlegen oder neu zu schaffende dort zu errichten. Birgit Homburger (F.D.P.): Ich werde in der folgenden Abstimmung zur Beschlußempfehlung des Altestenrates zu den Vorschlägen der Unabhängigen Föderalismuskommission auf Drucksache 12/2853 (neu) nicht zustimmen. Die Beschlußempfehlung enthält unter II.3. eine Empfehlung, wonach die Absicht der Bundesregierung unterstützt wird, in Bonn geschlossene Politikbereiche zu bilden. Dies würde bedeuten, daß einige Bundesministerien, auch bei einem Umzug vom Parlament und einem Teil der Regierung nach Berlin, in Bonn verbleiben würden. Ich habe im Plenum dieses Hauses am 20. Juni 1991 in der Debatte um den Sitz des Parlaments für einen Antrag gestimmt, der eine Trennung von Regierung und Parlament ablehnt. Ich bin der Überzeugung, daß wir, wenn wir einen Verbleib einiger Ministerien in Bonn dulden, dem Parlament in diesen Bereichen einen wesentlichen Teil seiner Kontrollmöglichkeiten nehmen. Eine solche Trennung von Parlament und Regierung halte ich für schädlich für unsere Demokratie und vor allem für eine Schwächung des Parlaments. Daher kann ich einem solchen Punkt niemals zustimmen. Ich werde in der anschließenden Abstimmung mit NEIN stimmen. Anlage 3 Liste der Teilnehmer an der Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission CDU/CSU Adam, Ulrich Dr. Ackermann, Else Dr. Altherr, Walter Augustin, Anneliese Augustinowitz, Jürgen Austermann, Dietrich Bargfrede, Heinz-Günther Dr. Bauer, Wolf Baumeister, Brigitte Bayha, Richard Belle, Meinrad Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Bierling, Hans-Dirk Dr. Blank, Joseph-Theodor Blank, Renate Dr. Blens, Heribert Bleser, Peter Böhm (Melsungen), Wilfried Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Dr. Bötsch, Wolfgang Bohl, Friedrich Bohlsen, Wilfried Borchert, Jochen Breuer, Paul Brudlewsky, Monika Brunnhuber, Georg Bühler (Bruchsal), Klaus Büttner (Schönebeck), Hartmut Buwitt, Dankward Carstens (Emstek), Manfred Carstensen (Nordstrand), Peter Harry Clemens, Joachim Dehnel, Wolfgang Deres, Karl Deß, Albert Diemers, Renate Dörflinger, Werner Ehlers, Wolfgang 8580* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 Ehrbar, Udo Eichhorn, Maria Engelmann, Wolfgang Eppelmann, Rainer Eymer, Anke Falk, Ilse Dr. Faltlhauser, Kurt Feilcke, Jochen Dr. Fell, Karl Fischer (Hamburg), Dirk Fischer (Unna), Leni Fockenberg, Winfried Francke (Hamburg), Klaus Frankenhauser, Herbert Dr. Friedrich, Gerhard Fritz, Erich G. Fuchtel, Hans-Joachim Ganz (St. Wendel), Johannes Geiger, Michaela Geis, Norbert Dr. Geißler, Heiner Dr. von Geldern, Wolfgang Gerster (Mainz), Johannes Gibtner, Horst Glos, Michael Dr. Göhner, Reinhard Göttsching, Martin Götz, Peter Dr. Götzer, Wolfgang Gres, Joachim Grotz, Claus-Peter Günther (Duisburg), Horst Frhr. von Hammerstein, Carl-Detlev Harries, Klaus Haschke (Großhennersdorf), Gottfried Haschke (Jena-Ost), Udo Hasselfeldt, Gerda Haungs, Rainer Hauser (Esslingen), Otto Hauser (Rednitzhembach), Hansgeorg Hedrich, Klaus-Jürgen Heise, Manfred Dr. Hellwig, Renate Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Hintze, Peter Hörsken, Heinz-Adolf Hörster, Joachim Dr. Hoffacker, Paul Hollerith, Josef Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hornung, Siegfried Hüppe, Hubert Jäger, Claus Jagoda, Bernhard Dr. Jahn (Münster), Friedrich-Adolf Janovsky, Georg Jeltsch, Karin Dr.-Ing. Jork, Rainer Dr. Jüttner, Egon Junghanns, Ulrich Dr. Kahl, Harald Kalb, Bartholomäus Kampeter, Steffen Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Dr. Kappes, Franz-Hermann Karwatzki, Irmgard Kauder, Volker Kiechle, Ignaz Klein (Bremen), Günter Klein (München), Hans Klinkert, Ulrich Köhler (Hainspitz), Hans-Ulrich Dr. Köhler (Wolfsburg), Volkmar Kolbe, Manfred Kors, Eva-Maria Koschyk, Hartmut Kossendey, Thomas Dr. Krause (Börgerende), Günther Dr. Krause (Bonese), Rudolf Karl Krause (Dessau), Wolfgang Krey, Franz Heinrich Kriedner, Arnulf Dr.-Ing. Krüger, Paul Krziskewitz, Reiner Eberhard Lamers, Karl Lamp, Helmut Johannes Lattmann, Herbert Dr. Laufs, Paul Laumann, Karl Josef Lehne, Klaus-Heiner Dr. Lehr, Ursula Lenzer, Christian Dr. Lieberoth, Immo Limbach, Editha Link (Diepholz), Walter Lintner, Eduard Dr. Lippold (Offenbach), Klaus W. Dr. sc. Lischewski, Manfred Löwisch, Sigrun Lohmann (Lüdenscheid), Wolfgang Lummer, Heinrich Dr. Luther, Michael Maaß (Wilhelmshaven), Erich Männle, Ursula Magin, Theo Marienfeld, Claire Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Martin Meckelburg, Wolfgang Meinl, Rudolf Horst Dr. Merkel, Angela Dr. Meseke, Hedda Michalk, Maria Dr. Mildner, Klaus Gerhard Dr. Möller, Franz Molnar, Thomas Müller (Wesseling), Alfons Nelle, Engelbert Neumann (Bremen), Bernd Nitsch, Johannes Ost, Friedhelm Oswald, Eduard Otto (Erfurt), Norbert Dr. Päselt, Gerhard Dr. Paziorek, Peter Paul Pesch, Hans-Wilhelm Petzold, Ulrich Pfeffermann, Gerhard O. Pfeifer, Anton Pfeiffer, Angelika Dr. Pflüger, Friedbert Dr. Pinger, Winfried Pofalla, Ronald Dr. Pohler, Hermann Priebus, Rosemarie Dr. Probst, Albert Dr. Protzner, Bernd Raidel, Hans Dr. Ramsauer, Peter Rau, Rolf Rauen, Peter Harald Rawe, Wilhelm Reddemann, Gerhard Dr. Reinartz, Berthold Reinhardt, Erika Repnik, Hans-Peter Dr. Rieder, Norbert Riegert, Klaus Ringkamp, Werner Rode (Wietzen), Helmut Rönsch (Wiesbaden), Hannelore Roitzsch (Quickborn), Ingrid Romer, Franz-Xaver Dr. Rose, Klaus Rossmanith, Kurt J. Roth (Gießen), Adolf Rother, Heinz Rühe, Volker Dr. Rüttgers, Jürgen Sauer (Salzgitter), Helmut Scharrenbroich, Heribert Schätzle, Ortrun Dr. Schäuble, Wolfgang Schemken, Heinz Scheu, Gerhard Schmalz, Ulrich Schmidbauer, Bernd Schmidt (Fürth), Christian Dr. Schmidt (Halsbrücke), Joachim Schmidt (Spiesen), Trudi Schmitz (Baesweiler), Hans Peter Dr. Schockenhoff, Andreas Graf von Schönburg- Glauchau, Joachim Dr. Scholz, Rupert Dr. Schreiber, Harald Schulhoff, Wolfgang Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dieter Schulz (Leipzig), Gerhard Schwalbe, Clemens Schwarz, Stefan Dr. Schwörer, Hermann Seehofer, Horst Seesing, Heinrich Seibel, Winfried Seiters, Rudolf Sikora, Jürgen Skowron, Werner H. Dr. Sopart, Hans-Joachim Sothmann, Bärbel Spilker, Karl-Heinz Dr. Sprung, Rudolf Dr. Stercken, Hans Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang Stockhausen, Karl Dr. Stoltenberg, Gerhard Strube, Hans-Gerd Stübgen, Michael Dr. Süssmuth, Rita Susset, Egon Dr. Töpfer, Klaus Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Uldall, Gunnar Verhülsdonk, Roswitha Vogt (Düren), Wolfgang Dr. Voigt (Northeim), Hans-Peter Dr. Waffenschmidt, Horst Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Warrikoff, Alexander Werner (Ulm), Herbert Wetzel, Kersten Wiechatzek, Gabriele Dr. Wieczorek (Auerbach), Bertram Dr. Wilms, Dorothee Wilz, Bernd Wimmer (Neuss), Willy Dr. Wisniewski, Roswitha Wissmann, Matthias Wittmann (Tännesberg), Simon Wülfing, Elke Yzer, Cornelia Zeitlmann, Wolfgang Zierer, Benno Zöller, Wolfgang SPD Andres, Gerd Antretter, Robert Bachmaier, Hermann Barbe, Angelika Bartsch, Holger Becker (Nienberge), Helmuth Becker-Inglau, Ingrid Bernrath, Hans Gottfried Beucher, Friedhelm Julius Bindig, Rudolf Bock, Thea Dr. Böhme (Unna), Ulrich Brandt-Elsweier, Anni Dr. Brecht, Eberhard Dr. von Billow, Andreas Büttner (Ingolstadt), Hans Bulmahn, Edelgard Bury, Hans Martin Caspers-Merk, Marion Catenhusen, Wolf-Michael Dr. Däubler-Gmelin, Herta Dr. Diederich (Berlin), Nils Diller, Karl Dr. Dobberthien, Marliese Dreßler, Rudolf Duve, Freimut Ebert, Eike Dr. Eckardt, Peter Dr. Ehmke (Bonn), Horst Dr. Elmer, Konrad Erler, Gernot Esters, Helmut Ewen, Carl Ferner, Elke Fischer (Gräfenhainichen), Evelin Fuchs (Köln), Anke Fuhrmann, Arne Ganseforth, Monika Gilges, Konrad Gleicke, Iris Großmann, Achim Haack (Extertal), Karl-Hermann Habermann, Frank-Michael Hacker, Hans-Joachim Hämmerle, Gerlinde Hampel, Manfred Eugen Dr. Hartenstein, Liesel Hasenfratz, Klaus Hilsberg, Stephan Dr. Holtz, Uwe Horn, Erwin Jäger, Renate Janz, Ilse Dr. Janzen, Ulrich Jaunich, Horst Jung (Düsseldorf), Volker Jungmann (Wittmoldt), Horst Kastner, Susanne Kastning, Ernst Kirschner, Klaus Klappert, Marianne Klemmer, Siegrun Klose, Hans-Ulrich Dr. sc. Knaape, Hans-Hinrich Kolbe, Regina Kolbow, Walter Koltzsch, Rolf Koschnick, Hans Dr. Kübler, Klaus Kuessner, Hinrich Dr. Küster, Uwe Lambinus, Uwe Lange, Brigitte von Larcher, Detlev Lennartz, Klaus Dr. Lucyga, Christine Maaß (Herne), Dieter Marx, Dorle Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8581 * Mascher, Ulrike Matschie, Christoph Dr. Matterne, Dietmar Matthäus-Maier, Ingrid Meckel, Markus Meißner, Herbert Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Mosdorf, Siegmar Müller (Zittau), Christian Müntefering, Franz Neumann (Bramsche), Volker Dr. Niese, Rolf Odendahl, Doris Oesinghaus, Günter Dr. Otto, Helga Paterna, Peter Dr. Penner, Willfried Peter (Kassel), Horst Purps, Rudolf Reimann, Manfred von Renesse, Margot Rennebach, Renate Reuter, Bernd Scheffler, Siegfried Willy Schily, Otto Schloten, Dieter Schmidt (Aachen), Ursula Schmidt (Salzgitter), Wilhelm Schmidt-Zadel, Regina Dr. Schmude, Jürgen Dr. Schnell, Emil Schreiner, Ottmar Schröter, Gisela Schröter, Karl-Heinz Schulte (Hameln), Brigitte Dr. Schuster, Werner Seidenthal, Bodo Seuster, Lisa Dr. Soell, Hartmut Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Sorge, Wieland Dr. Sperling, Dietrich Steen, Antje-Marie Tappe, Joachim Dr. Thalheim, Gerald Thierse, Wolfgang Titze, Uta Toetemeyer, Hans-Günther Urbaniak, Hans-Eberhard Vergin, Siegfried Verheugen, Günter Voigt (Frankfurt), Karsten D. Wagner, Hans Georg Wallow, Hans Waltemathe, Ernst Wartenberg (Berlin), Gerd Dr. Wegner, Konstanze Weiermann, Wolfgang Weiler, Barbara Weis (Stendal), Reinhard Weißgerber, Gunter Welt, Hans-Joachim Dr. Wernitz, Axel Wester, Hildegard Westrich, Lydia Weyel, Gudrun Dr. Wieczorek, Norbert Wieczorek (Duisburg), Helmut Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wiefelspütz, Dieter Wimmer (Neuötting), Hermann Dr. de With, Hans Wohlleben, Verena Wolf, Hanna Dr. Zöpel, Christoph F.D.P. Albowitz, Ina Dr. Babel, Gisela Baum, Gerhart Rudolf Beckmann, Klaus Bredehorn, Günther Cronenberg (Arnsberg), Dieter-Julius Eimer (Fürth), Norbert Engelhard, Hans A. van Essen, Jörg Dr. Feldmann, Olaf Friedhoff, Paul Friedrich, Horst Funke, Rainer Dr. Funke-Schmitt-Rink, Margret Gallus, Georg Ganschow, Jörg Grünbeck, Josef Grüner, Martin Dr. Guttmacher, Karlheinz Hackel, Heinz-Dieter Hansen, Dirk Heinrich, Ulrich Dr. Hirsch, Burkhard Dr. Hitschler, Walter Homburger, Birgit Dr. Hoth, Sigrid Dr. Hoyer, Werner Irmer, Ulrich Kleinert (Hannover), Detlef Dr. Kolb, Heinrich Leonhard Koppelin, Jürgen Kubicki, Wolfgang Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Dr. Graf Lambsdorff, Otto Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine Lühr, Uwe Dr. Menzel, Bruno Nolting, Günther Friedrich Dr. Ortleb, Rainer Otto (Frankfurt), Hans-Joachim Paintner, Johann Peters, Lisa Richter (Bremerhaven), Manfred Rind, Hermann Dr. Röhl, Klaus Schmalz-Jacobsen, Cornelia Schmidt (Dresden), Arno Dr. Schmieder, Jürgen Dr. Schnittler, Christoph Schüßler, Gerhard Schuster, Hans Dr. Schwaetzer, Irmgard Sehn, Marita Dr. Semper, Sigrid Dr. Sohns, Hermann Otto Dr. Starnick, Jürgen Dr. von Teichman, Cornelia Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen Türk, Jürgen Dr. Weng (Gerlingen), Wolfgang Wolfgramm (Göttingen), Torsten Würfel, Uta Zurheide, Burkhard Zywietz, Werner PDS/Linke Liste Bläss, Petra Dr. Enkelmann, Dagmar Dr. Fischer, Ursula Dr. Fuchs, Ruth Dr. Gysi, Gregor Dr. Heuei Uwe-Jens Dr. Höll, Barbara Dr. Keller, Dietmar Lederer, Andrea Dr. Modrow, Hans Philipp, Ingeborg Dr. Schumann (Kroppenstedt), Fritz Dr. Seifert, Ilja Stachowa, Angela BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Feige, Klaus-Dieter Poppe, Gerd Schenk, Christina Schulz (Berlin), Werner Dr. Ullmann, Wolfgang Weiß (Berlin), Konrad Fraktionslos Dr. Briefs, Ulrich Henn, Bernd Lowack, Ortwin Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 16 (Vermögensrechtsänderung, Wohneigentum in den neuen Bundesländern) Dr. Wolfgang Ullmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aus eigener Mitarbeit im Rechtsausschuß glaube ich ermessen zu können, welches Ausmaß von Arbeit von den Beamten im Justizministerium und von den Berichterstattern und Sachverständigen im Bundesrat investiert werden mußte, damit dieser Gesetzentwurf heute dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden konnte. Aber ist das Ergebnis, das heute vor uns liegt, so ausgereift, daß wir es denen, die danach handeln sollen, mit unserer Zustimmung übergeben können? Wenn Sie auf das ganze Bündel von Änderungsanträgen, das von der SPD eingereicht worden ist, und auch auf das blicken, was ich gleich sagen werde, werden Ihnen genau wie mir Zweifel kommen. Aber ich werde mich wie im Rechtsausschuß der Stimme enthalten, das Gesetz — wie man so sagt — passieren lassen, der Not gehorchend denen, die um ihre Häuser und um ihr Eigentum bangen, den Kommunen und Ländern, die dringend darauf warten, wenigstens ein paar Klärungen und Erleichterungen anzubieten. Wer sich mit den Leuten von der Mahnwache am Bundeskanzleramt unterhalten hat, wird einen Eindruck von den Notständen gewonnen haben. An einigen Stellen nimmt der Gesetzentwurf schon lange geäußerte Forderungen auf. In Art. 1 wird die Stichtagsregelung des Ersten Vermögensgesetzes aufgelockert, indem auch schon die Anbahnung von Käufen vor dem 18. Oktober Berücksichtigung findet, ebenso wie die nach dem Gesetz vom 7. März 1990. Auch vor dem 19. Oktober vorgenommene Investitionen sollen als besitzrelevant anerkannt werden. Gut so. Die Problematik des Stichtages ist damit aber nicht beseitigt. Genauso wie die Kinder von Herrn Geißler fragen, was denn zwischen dem Ende der 12. und dem Beginn der 13. Schwangerschaftswoche eigentlich Einschneidendes passiere, genauso fragen die Leute 8582* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 in der ehemaligen DDR, wieso der Wechsel von Honecker zu Krenz irgendwelche Relevanz für ihre Eigentumsverhältnisse haben könnte. Sie fühlen sich auch von der jetzigen Gesetzeslage durch die prinzipielle Vermutung der Unredlichkeit diskriminiert und ärgern sich zusätzlich darüber, daß von ihnen nach dem 7. März gestellte Kaufanträge von Kommunen in der Hoffnung auf größere künftige Gewinne nicht bearbeitet worden sind. Wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN halten darum nach wie vor die in unserem Gesetzentwurf formulierte Streichung des Stichtages als die einzig mögliche Lösung des Problems. Der Einwand des Justizministeriums, dadurch würden schon angebahnte rechtliche Regelungen wiederum in Frage gestellt, trifft auch auf die im Gesetzentwurf vorgesehene Lösung zu und kann durch Übergangsregelungen entkräftet werden. Art. 6 § 2 des Gesetzentwurfes geht auf eine von vielen Kommunen erhobene Forderung positiv ein, indem auch Baumaßnahmen als Investitionen äquivalent anerkannt und entsprechend vom Gesetz beschützt bzw. privilegiert werden. Das in Art. 8 § 2 a eingeführte Moratorium der Entscheidung über angemeldete Eigentums- bzw. Rückerstattungsansprüche erlaubt eine Atempause. Wie man aus unserem Gesetzentwurf ersehen kann, sind wir der Meinung, sie sei zu kurz. Außerdem tun sich hier Probleme auf, auf die ich sogleich eingehen werde. Mit Nachdruck begrüßen wir, daß im gleichen Art. § 12 Abs. 2 die Interessen des Landesfiskus bezüglich der Ansprüche auf Bodenreformland nunmehr gesetzlich anerkannt sind. Wie schon angedeutet, beginnen m. E. im Bereich des Moratoriums die zahlreichen Probleme, die auch von diesem Zweiten Vermögensgesetz nicht gelöst werden. Ich konnte den Leuten von der Mahnwache keine befriedigende Antwort darauf geben, wie sich das Moratorium zu der in Art. 140 11 a vorgesehenen Aufhebung der staatlichen Verwaltung verhalte. Art. 8 § 2 a kündigt ausdrücklich eine weitere Bereinigung der Rechtsverhältnisse als Gesetzesziel an, erteilt aber gleichzeitig dem Bundesminister für Justiz eine Verordnungsermächtigung zu weiteren Fristverlängerungen des Moratoriums. Was soll nun eigentlich in dieser Zeit geschehen? Wird die staatliche Verwaltung aufgehoben, damit die zumeist westdeutschen Beansprucher von Rückerstattungen gegen die jetzigen Nutzer von Häusern und Grundstükken Zeit zum Prozessieren erhalten? Kann diese Regelung dem Rechtsfrieden dienen? Wir sind der Meinung, daß der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier den weit wirksameren Vorschlag macht, § 11 a des ersten Vermögensgesetzes so zu ändern, daß denjenigen, die auf Grundstücken, welche ihnen auf Grund der Verordnung vom 17. Juli 1992 oder auf andere Weise mit Genehmigung der zuständigen staatlichen Stellen zur Nutzung überlassen wurden, Gebäude neu errichtet, mit erheblichem baulichem Aufwand in Stand gehalten oder in ihrer Nutzungsart oder Zweckbestimmung verändert haben, die Bestellung eines Erbbaurechts gesetzlich ermöglicht wird. Wir sind der Überzeugung, daß dies dem Rechtsfrieden weit dienlicher ist, als die jetzige Philosophie immer neu verlängerter oder veränderter Moratorien. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird im Hinblick darauf, daß im Rechtsausschuß schon einmal interfraktionell diese Möglichkeit erwogen worden ist, baldmöglichst eine Entschließung anregen, die Bundesregierung möge bis zum 31. Oktober 1992 einen entsprechenden Gesetzentwurf über die DDR-Erbbaurechte vorlegen. Wir sind der Meinung, daß wir damit aus der Sackgasse immer neuer Änderungs- und Reparaturgesetze im Bereich der Eigentumsfrage zurücklenken auf die in der gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 formulierten Ziele, im Zuge des deutschen Vereinigungsprozesses gehe es im Bereich der Eigentumsfrage darum, in der ehemaligen DDR, wo dieser Rechtsbereich weithin verunsichert, ja destruiert worden war, zurückzufinden zu Rechtssicherheit, zu Rechtseindeutigkeit und damit zum endgültigen Rechtsfrieden. Natürlich halten auch wir nichts davon, durch eine Totalrevision der von den beiden Staatsverträgen eingeleiteten Gesetzgebung zu Eigentumsfragen neue und zusätzliche Schwierigkeiten heraufzubeschwören. Dennoch sind wir der Meinung, daß diese Gesetzgebung durch ihre einseitige Orientierung an der Vergangenheit und an den Rechten von Alteigentümern nicht nur bestimmte Probleme gar nicht lösen kann, sondern durch den Zwang zu ständigen Novellierungen immer neue Widersprüche und Unklarheiten produziert. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird sich dafür einsetzen, daß nicht nur die Rechte von Alteigentümern sondern auch die den Bewohnern und Bewohnerinnen der ehemaligen DDR zugewachsenen Eigentumsrechte unter den Schutz des Art. 14 des Grundgesetzes gestellt und damit stabilisiert werden. Wir fordern darüber hinaus, daß endlich klarere Lösungen für das Verhältnis der Ansprüche von Gebietskörperschaften gegenüber dem ehemals volkseigenen Vermögen gefunden werden und daß die nicht endenden Streitigkeiten zwischen Treuhandvermögen auf der einen, Landes- und Gebietskörperschaften auf der anderen Seite durch entsprechende gesetzliche Regelungen baldmöglichst beendet werden. Die bestehenden reichen notorisch nicht aus. Wir sind ferner der Überzeugung, daß als eine ganz wichtige Voraussetzung für einen endgültigen Rechtsfrieden eine generelle Grundbuchregelung für den Gesamtbereich der ehemaligen DDR unerläßlich ist. Die durch den Einigungsvertrag ermöglichten zahlreichen Sonderregelungsmöglichkeiten für die Länder in den einzelnen Gesetzesbereichen stehen einer generellen Klärung und Verfestigung im Wege. Abschließend möchte ich noch kurz, aber nachdrücklich auf den völkerrechtlichen Aspekt der Eigentumsfragen hinweisen. Im Zwei-Plus-Vier-Vertrag klafft hier eine bedrohliche Lücke. Die im Deutschlandvertrag von 1952 ausdrücklich offengelassenen Kriegsfolgevermögensfragen harren noch immer der Lösung. Die von der Jewish Claimes Conference im Zusammenhang mit unserem Gesetz- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8583* entwurf erhobenen Forderungen haben unüberhörbar und mit eindringlichem Ernst auf diese Sachlage aufmerksam gemacht. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 16) Dem heute vorliegenden 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz stimme ich deswegen zu, weil es wohl mit Erfolg verschiedene Ungerechtigkeiten, Ungereimtheiten und Hemmnisse zur Beschleunigung der Rückübertragung von Eigentum und Rechten beseitigt und zudem Investitionshemmnisse durch verschiedene Verfahrenseinschränkungen vermindert. Ob die Frage des „redlichen" Erwerbs von Häusern während der DDR-Zeit gerecht gelöst wurde, mag bezweifelt werden, weil manche ehemalige DDR-Größe durch zu Spottpreisen erworbene Gelände und Gebäude unberechtigterweise zum Vermögensmillionär wurde. Leer gehen wieder die aus, die zwischen 1945 und 1949 unrechtmäßig enteignet wurden und denen man trotz veränderter Zustände seit dem Herbst 1990 nach wie vor hartnäckig die Rückgabe ihres Eigentums und nicht nur ihres Bodeneigentums, sondern auch des beweglichen Eigentums, verweigert. Es kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, daß die Enteignung seinerzeit unrechtmäßig war und in den Verträgen zur Wiedervereinigung nur deswegen anerkannt wurde, weil tatsächlich oder angeblich die Siegermacht Sowjetunion darauf bestand. Das Verfassungsgericht hat nur in Abwägung der Höherwertigkeit des Wiedervereinigungsgebotes diesen Passus für rechtswirksam erklärt, gleichzeitig aber die Bundesrepublik Deutschland zu Ausgleichsleistungen verpflichtet. Irrigerweise — und das sind falsche Interpretationen — gehen manche nun davon aus, daß der Ausgleich nur in Geld und nicht in Naturalien bestehen dürfte. Unabhängig davon, daß der Vertragspartner Sowjetunion insgesamt — und praktisch ohne Nachfolgestaat — untergegangen ist, ist die Ausgleichsleistung eine rein innerdeutsche Angelegenheit mit großem Ermessensspielraum des Bundes. In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, daß ich, obwohl ich zufällig wegen Stationierung meines Vaters in Niederwartha/Meissen geboren bin, im Osten keinen Quadratmeter verloren habe, so daß ich hier nicht „pro domo" spreche. Ganz unverständlich ist für die damals Enteigneten, daß der Finanzminister die Rückgabe deutschen Eigentums in der Tschechoslowakei im Sudetenland fordert und gleichzeitig sich weigert, sowjetisches bzw. SED-Unrecht auf deutschem Boden wieder gutzumachen, obwohl dies ohne Eingriff in Rechte anderer Eigentümer oder Besitzer geht. Die Enteigneten fordern lediglich das Land zurück, das heute in Staatshand ist, und haben alle Arten von Eigentums- und Besitzrechten späterer Siedler und Mieter anerkannt. Wenn vom Finanzministerium als Grund für die Nichtrückgabe angeführt wird, man brauche den Erlös der ca. 1 bis 2 Millionen Hektar (10 bis 20 Milliarden DM Verkaufserlös), um mit diesem Geld andere, durch das SED-Regime Geschädigte, zu entschädigen, dann ist das in rechtsstaatliche Gedanken nicht zu fassen. Hier tritt der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland als Hehler für die durch ein Unrechtsregime geraubten Eigentumswerte auf und dies ist unrecht und schlichtweg den Betroffenen nicht vermittelbar. Die Richtlinien und Grundsätze des Vermögensgesetzes einschl. der Änderungen müssen auch auf die 1945 bis 1949 Enteigneten im Wege des Ausgleichs angewendet werden, damit der Rechtsstaat glaubwürdig bleibt, weil er sonst vollendet, was mit der Vertreibung bei Nacht und Nebel in den Jahren nach 1945 begann. Es darf einfach nicht sein, daß die Bundesrepublik Deutschland sich über diese Unrechtsaktion bereichert, um andere Verpflichtungen aus anderen Unrechtshandlungen des gleichen Regimes zu entschädigen. Bei der Rückgabe können nach Größenordnung gestaffelt, wie beim früheren Lastenausgleich, entsprechende Abgaben verlangt werden, auch dies ist von den Betroffenen längst zugestanden. Es wird aber nun eineinhalb Jahre nach der Wiedervereinigung Zeit, daß gehandelt wird und die Alteigentümer ihre Rechte wiedererhalten. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 17 (Nachtragshaushaltsgesetz 1992, Strukturhilfegesetz, Fonds „Deutsche Einheit", Kosten für die Sanierung der durch die ehemalige SDAG Wismut verursachten Umwelt- und Gesundheitsschäden) Dr. Dietmar Keller (PDS/Linke Liste): Die PDS/Linke Liste möchte weder im Zusammenhang mit dem Haushalt des Bundes noch mit allgemeinen Fragen der Haushalts- und Finanzpolitik der Bundesregierung eine abstrakte Verschuldungsdebatte führen, sondern dazu auffordern, im Bundestag endlich über Ziele, Politikschwerpunkte und über deren zeitliche und finanzielle Dimensionen zu diskutieren und zu entscheiden. Trotz der realen ökonomischen, ökologischen und sozialen Probleme, die in der größer gewordenen Bundesrepublik buchstäblich auf der Straße liegen, wird die Diskussion in diesem Hause zu oft auf die Frage nach dem besseren Regierungspersonal reduziert. Die Einzelpläne, Haushaltstitel, Abschnitte und Unterabschnitte des Nachtragshaushalts sind in Zahlen gegossener Ausdruck der Politik der Bundesregierung, und es muß deshalb erlaubt sein, diesen Nachtragshaushalt unter allgemeinpolitischen Gesichtspunkten zu betrachten und zu bewerten. Innenpolitisch tönt das selbstgefällige „Weiter so!" der Regierenden zwar leiser, um außenpolitisch 8584* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 jedoch als „Modell Deutschland" um so lauter zu klingen. Das klingt nicht nur wie eine Kopie des kosmopolitischen SPD-Wahlkampfslogans aus dem Jahre 1976, das ist auch so gemeint. In Tischreden und Regierungserklärungen wird zwar vor dem Rückfall in nationalistisches Denken gewarnt. Die mit Unterstützung durch die SPD gegenüber den mittel- und osteuropäischen Staaten sowie gegenüber der früheren UdSSR betriebene Politik trug allerdings nicht nur zum Zusammenbruch der sozialistischen Länder bei, sondern stärkte, ermutigte und förderte bewußt oder unbewußt, gewollt oder ungewollt den Nationalismus vergangener Zeiten. Aus den Teilen der Sowjetunion und Jugoslawiens sonderten sich neue Staatswesen ab, die, kaum in die Welt gesetzt, sich gegenseitig wegen ihrer staatlichen Grenzen an die Kehle springen. Kombinationen von neuen und alten Kleinstaaten, die die Bundesregierung zum Teil gefördert hat, binden sich durch den gegenseitigen Haß und durch ihre allgemeine Ohnmacht. Die Bundesregierung hat mit Unterstützung von Teilen der SPD in Jugoslawien durch eine Politik der einseitigen Parteinahme die Extremisten unter allen Konfliktparteien ermuntert. Jetzt spielen Vertreter der Koalition, aber auch aus dem grünen Umfeld mit dem Gedanken, eine internationale Militäraktion durchzuführen bzw. — wie aus der CSU zu hören ist — deutsche Soldaten zu entsenden. Dieser Außenpolitik entsprechen im Nachtragshaushalt überplanmäßige Ausgaben für den Auswärtigen Dienst in Höhe von fast 9 Millionen DM und um 130 Millionen DM erhöhte Ansätze für sogenannte Beratungshilfen für mittel- und osteuropäische Staaten und die GUS. Der Zerfall der UdSSR und Jugoslawiens bescherte dem Auswärtigen Amt ein klassisches Beschäftigungsprogramm: die Zahl der planmäßigen Beamten wuchs um 58 und die Zahl der Angestellten und Arbeiter um insgesamt 23 Stellen. Was die Bundesregierung meint, wenn sie — wie jüngst der Bundeskanzler — von „unserer Verantwortung in der Welt" spricht oder wenn von „unserer Interessenlage" die Rede ist oder wenn — wie im Zusammenhang mit dem Vertrag von Maastricht — davon gesprochen wird, daß „unsere Interessen voll berücksichtigt" seien, das wird vor allem deutlich, wenn man sich anschaut, was mit den sogenannten Beratungshilfen für die mittel- und osteuropäischen Staaten und die GUS-Republiken finanziert werden soll. Die Bundesregierung offeriert diese Hilfen, um in diesen Ländern die bruch- und kritiklose Übernahme bundesdeutscher Strukturen zu finanzieren und abzusichern. Obwohl die reiche Bundesrepublik z. B. nicht in der Lage war und ist, den Fehlbestand von gegenwärtig 1,7 Millionen Wohnungen mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu verringern oder gar zu beheben, empfiehlt und finanziert sie den mittel- und osteuropäischen Staaten über den Nachtragshaushalt den Aufbau marktwirtschaftlicher Strukturen in den Bereichen Bau, Wohnungswesen und Städtebau. Über den Markt allein kann bezahlbarer Wohnraum für alle einfach nicht beschafft werden. In Osteuropa wird auf Grund der geringen Durchschnittseinkommen die Wohnungsnot zunehmen und die Obdachlosigkeit zu einem Massenphänomen werden. Während auf der einen Seite über den Nachtragshaushalt der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke in Mittel-, Ost- und Südeuropa finanziert wird, werden in der Bundesrepublik Sicherheitsstandards zurückgenommen. Herr Bundeskanzler, Sie täuschen die Menschen, wenn Sie — wie in der vergangenen Woche — von einem Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit sprechen. Es gibt keine sicheren Atomkraftwerke, wie Tschernobyl und Harrisburg gezeigt haben. Sie finanzieren nicht Sicherheit, sondern tödliche Gefahren. Hinter den Weltoffenheit vortäuschenden rhetorischen Gesten dieser Bundesregierung steckt ganz deutlich der kaum verhüllte Anspruch auf eine politische Führungsrolle in Europa. Der zweite Weltkrieg scheint im nachhinein gewonnen, zumindest aber vergessen. Osteuropa steht der deutschen Wirtschaft zur Auspressung zur Verfügung. Dieser Eindruck wird durch den Nachtragshaushalt bestätigt — Stichworte: Beratungshilfen und Wolgadeutsche. Daran vermögen auch vom Bundeskanzler pflichtschuldigst erwähnte „Untaten des Nazi-Regimes" nichts zu ändern. Spannend ist allerdings die Antwort auf die Frage, wann die Bundesregierung die Deutschen zu ersten Opfern der Nazis erklären wird. Mit dem Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten ist die westliche Welt nicht freundlicher, nicht humaner, ökologischer und sozialer geworden. Seine immanenten Widersprüche werden aufbrechen. Wer sich immer noch am Akkord der Worte „Wirtschaft, Wachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand" berauscht, der nimmt zu einfachen Lösungen Zuflucht. Wer der DDR einen unvorstellbaren Raubbau an der Natur vorwirft, die Augen vor den verheerenden Folgen des westdeutschen Wachstumsfetischismus und des sogenannten Wirtschaftswunders — Waldsterben, tote Flüsse, Gift- und Atommüll, vom Verkehrsinfarkt bedrohte Innenstädte — jedoch verschließt, wer die Marktwirtschaft gar zum verbindlichen Modell erklärt, das mit Demokratie gleichgesetzt und in den Rang allgemeiner Menschenrechte erhoben wird und deshalb universell durchgesetzt werden muß, der organisiert die Zerstörung dieses Planeten. Jenseits aller Verschuldungsszenarien ist dieser Nachtragshaushalt auch Ausdruck antiquierter, europäisch verbrämter nationaler Borniertheit. Die PDS/ Linke Liste lehnt ihn deshalb ab. Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der erbärmliche Zustand der Regierungskoalition wird von Tag zu Tag deutlicher. Selbst der Fraktionsvorsitzende der CDU im sächsischen Landtag konnte nach einem Besuch in Bonn seine Enttäuschung nicht verbergen. Sein Resümee war, daß aus dem Finanzministerium zu den wirtschaftlichen und finanzpolitischen Problemen in den neuen Ländern nichts weiter als Blabla gekommen sei. Der Kern des Problems ist: Der Finanzminister möchte weiterhin einen Teil der Schuldenlast, die aus DDR-Zeiten resultiert, den neuen Ländern anlasten. Die Hälfte der Verschuldung des Kreditabwicklungsfonds, der Treuhandanstalt und die Verschuldung des kommunalen Wohnungssektors sollen die neuen Länder und ihre Gemeinden übernehmen. Nach den jüngsten Schätzungen wären die neuen Länder damit 1996 mit etwa 360 Milliarden DM schon höher ver- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8585* schuldet als die alten Länder, und pro Einwohner entspräche dies einem Verhältnis von 23 000 DM zu 5 000 DM. Wenn die Regelung der Schuldenübernahme nicht grundlegend geändert wird, werden die ostdeutschen Länder und Kommunen in eine extreme Haushaltsnotlage getrieben, die es ihnen kaum noch möglich macht, die finanziellen Verpflichtungen beim Aufbau von Infrastruktur und laufenden Kosten zu erfüllen. Der Bund und auch — dies ist die Aussage des jüngsten Bundesverfassungsgerichtsurteils — die westlichen Bundesländer wären dann aber zu Unterstützungsleistungen gegenüber den östlichen Ländern verpflichtet. Der Bundesfinanzminister verweigert sich aber hartnäckig einer Lösung dieses Problems. Die Finanzlage des Staates ist nicht in der guten Verfassung, die uns der Finanzminister immer suggeriert. Die Experten stellen einhellig fest, daß das Ansteigen der Steuereinnahmen sich nicht in der bisherigen Weise fortsetzen wird. Darüber hinaus zeigen die stark gestiegenen Abgaben und Steuern, daß diese Regierung trotz der rasant ansteigenden Staatsschulden auch den Bürgerinnen und Bürgern immer mehr Lasten abverlangt. Dennoch: Diese Bundesregierung ist auch noch stolz auf die Korrektur der Steuerschätzung, die dem Staat für das laufende Haushaltsjahr Mehreinnahmen in Milliardenhöhe bringen sollen. Vergessen wird dabei aber ein Umstand, der in den 70er Jahren schon einmal größere Bedeutung hatte: Die Mehreinnahmen sind nicht zuletzt eine Folge der steigenden Geldentwertung. Der Grund: Steigende Inflationsraten führen zu überproportional steigenden Steuereinnahmen. Diese Regierung ist nicht nur ein Meister im Schuldenmachen, sie setzt auch zu neuen Höhenflügen bei der Inflation an. Die Geldentwertungsraten sind inzwischen wieder so hoch wie vor 15 Jahren. Die verfehlte Finanzpolitik der Bundesregierung korrespondiert mit der schlimmen ökonomischen und sozialen Lage in den neuen Bundesländern. Dies zeigt nicht zuletzt der Stand der Sanierung der Umweltschäden der ehemaligen SDAG Wismut. Das vollständige Sanierungskonzept wird noch immer vor der Öffentlichkeit und dem Parlament geheimgehalten, gleichzeitig explodieren die Kostenschätzungen. Die Regierung muß endlich die Fakten auf den Tisch legen, und dies muß noch vor den Haushaltsberatungen 1993 geschehen. Wir verlangen nach wie vor einen umfassenden Bericht über das vorgesehene Sanierungskonzept. Darüber hinaus muß die Bundesregierung auch Auskunft geben über die bereits eingeleiteten Sofortmaßnahmen. Zusätzlich muß die Bundesregierung eine seriöse Kostenabschätzung vorlegen. Die Haushaltspolitik der Bundesregierung läßt nicht erkennen, daß die Finanzierung des Aufbaus in den neuen Bundesländern dem Gebot der Gerechtigkeit folgt. Die Bundesregierung hat es bisher versäumt, die Verteilung der Lasten gerecht auf die sozialen Gruppen in der Bundesrepublik zu verteilen. Darauf hat zu Recht der Bundespräsident verwiesen. Ihm kommt nun auch das Verdienst zu, daß über die Verteilung der Einheitskosten endlich eine Debatte in Gang gekommen ist. Ich betone deshalb: Wir brauchen eine Finanzierungskonzeption, bei der die Begüterten und die Gewinner der deutschen Einheit stärker als bisher an den Lasten beteiligt werden. Darüber hinaus müssen die Unterstützungsleistungen für die neuen Bundesländer verbessert werden. Auf keinen Fall dürfen die Maßnahmen eingeschränkt werden. Die Investitionszulage und das Gemeinschaftswerk „Aufschwung Ost" müssen deshalb verlängert werden. Das Problem ist nur, daß die jetzige Bundesregierung offensichtlich nicht in der Lage ist, entsprechende Konzepte zu entwickeln. Der Entwurf zu einem Nachtragshaushalt bestätigt diese Einschätzung. Wir können diesem Entwurf in der vorliegenden Fassung deshalb unsere Zustimmung nicht geben. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 18 (Wohngeldsondergesetz) Dr. Christine Lucyga (SPD): Das heute zur Debatte stehende Wohngeldsondergesetz kommt als ein soziales Geschenk daher, das wir in seinen Eckwerten gut mittragen können, zumal wir einige unserer Vorschläge zur Verbesserung der Wohngeldregelungen für die neuen Länder darin mit berücksichtigt finden. Dieses Wohngeldsondergesetz wird aber gleichzeitig zu einem Danaergeschenk, weil es parallel dazu erneut zu einer erheblichen Mietsteigerung in Ostdeutschland kommen soll. Die Bauministerin spricht von einem unauflösbaren Zusammenhang von Wohngeldsondergesetz und der zweiten Mietenverordnung, und schlimm ist dieser Zusammenhang insofern, als nach allem, was uns über den vorgesehenen zweiten Mietenschritt der Regierung bekannt geworden ist, die Wohnkostenentwicklung in den neuen Ländern den flankierenden Hilfen des Wohngeldsondergesetzes mit Siebenmeilenstiefeln davonlaufen. Unstrittig ist, daß die Mieten in Ostdeutschland immer noch nicht kostendeckend sind und daß eine Mieterhöhung in weiteren Schritten nicht zu umgehen sein wird. Die Bereitschaft dazu ist da, strittig sind die Verfahrensschritte. Und deshalb können wir uns nicht einverstanden erklären mit der überfallartigen Eile, mit der nun in kürzester Zeit eine Mieterhöhung von ganz erheblichem Umfang ohne geordnetes parlamentarisches Verfahren durchgezogen werden soll, nachdem vorher lange um den heißen Brei herumgeredet wurde. Bundestag und Länderparlamente der neuen Länder sind an dieser Entscheidung so gut wie nicht beteiligt worden, und auch über die genaue Beschaffenheit des Mietenschrittes besteht nicht bis ins letzte Klarheit. Unklar sind z. B. die Beschaffenheitszu- 8586* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 schläge oder das angedachte Problem der Wiedervermietungszuschläge, so daß jetzt schon zu befürchten ist, daß es nicht bei den vom BM Bau prognostizierten Größenordnungen bleiben wird, sondern nach Berechnungen des Mieterbundes und sozialdemokratischer Wohnungspolitiker werden bei Ausschöpfung aller Spielräume und Zusammenrechnen aller Zuschläge leicht Mieten von 8 DM/m2 aufwärts bis hinzu 12/13 DM/m2 für gut ausgestattete Wohnungen erreicht. Dies ist bereits Westmietenniveau und zum Teil darüber, aber bei Osteinkommen und größtenteils auch Oststandard. Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt sozialpolitisch nicht vertretbar, auch nicht eine Grundmietenerhöhung um 2 DM/m2. Mieterhöhungen im Osten sollen sich laut Einigungsvertrag schrittweise und unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung vollziehen, und es bleibt zu hinterfragen, ob die Einkommensentwicklungen in den ostdeutschen Ländern, die zur Begründung des Mietenschrittes herangezogen werden, so zutreffen. Die vom BM Bau vorgelegten Fallbeispiele sind hypothetische Beispiele, aber oft sieht es in der Realität ganz anders aus. Die angegebenen Einkommenszuwächse von ca. 20 % sind schon deshalb nicht unbesehen zu übernehmen, weil sie nur für ca. die Hälfte der ostdeutschen Haushalte zutreffen. Circa 300 000 Rentner haben trotz der angeführten 20 Rentenerhöhungen nicht mehr bekommen als vorher und — ein anderes Beispiel — erst unlängst wurde bekannt, daß die Rentner in Mecklenburg-Vorpommern, die bereits zum Jahresanfang ihren Rentenantrag gestellt hatten, bisher noch nicht einen Pfennig Rente gesehen haben, sondern als Bittsteller zum Sozialamt geschickt werden. Und diesen Menschen, die jetzt noch nicht einmal wissen, wieviel sie überhaupt zum Leben haben, droht nun bereits die nächste Mieterhöhung, und zwar in Größenordnungen — und das, obwohl noch keine verläßlichen Angaben über die Auswirkungen der vorigen Mieterhöhung vorliegen, denn im Wohngeld- und Mietenbericht 1991 finden sich für die neuen Länder noch keine konkreten Angaben zum sozialen Spektrum der Mietenentwicklung und Wohngeldzahlungen. Was bei den Mietenplänen und Begründungen dafür zuwenig berücksichtigt wird, ist die große Differenziertheit der Einkommen und auch die weiter zu erwartenden arbeitsmarktpolitischen Einbrüche, die mit Einkommensrückgängen für die Betroffenen verbunden sind. Schon jetzt sind in Ostdeutschland 1,3 Millionen Menschen arbeitslos; unter Einbeziehung von AB-Maßnahmen, Qualifizierung und Vorruhestand sind ca. 3,3 Millionen Ostdeutsche direkt oder indirekt von Arbeitslosigkeit betroffen. Zum Jahresende 1992 werden nach Angaben der THA mindestens weitere 300 000 aus THA-Betrieben dazukommen. Für diese Haushalte haben schon die Mieterhöhungen im Vorjahr nicht selten Belastungen von 30 % und mehr des Einkommens erbracht. Mehr ist für diese Menschen zur Zeit, bei Osteinkommen, nicht verkraftbar. Ich kann im Einigungsvertrag nirgendwo eine Festlegung entdecken, die eine Mietenanhebung unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung nur eines Teiles der Bevölkerung vorsieht, und wenn die Mieten auch nur für ungefähr die Hälfte der Bevölkerung schneller steigen, als das Einkommen wächst, ist dies ein Verstoß gegen den Einigungsvertrag, den die neuen Länder so nicht hinnehmen dürften. Mietenerhöhungen dürfen nicht dazu führen, daß Menschen in soziale Not geraten. Es bedarf in dieser Angelegenheit einer größeren Sensibilität, als sie bisher gezeigt wurde. Die Frage muß doch sein: Macht man einen Mietenschritt oder mehrere? Zu welchem Zeitpunkt kann der Mieter welche Mietbelastung tragen? Welche Lösung ist die sozial gerechte Lösung? An die Bundesregierung und an die Kollegen der Koalitionsfraktionen möchte ich mich noch einmal mit der Aufforderung wenden, die Sorgen und die Nöte derjenigen, die diese Rechnung bezahlen sollen, der Mieter, und die Warnungen ihrer Interessenvertreter nicht abwertend als Panikmache und unsachliche Polemik hinzustellen. Immerhin wird mit der Warnung vor einer beispiellosen Mietenexplosion im Osten auch davor gewarnt, einen weiteren sozialen Sprengsatz zu legen. Sie artikulieren die Ängste von Menschen, die in den letzten zwei Jahren vor allem eine Kontinuität von Enttäuschungen erleben, die zunehmend erleben, wie soziales Mietrecht zum unsozialen Mietrecht wird. Und in dieser Sorge stehen die neuen Länder schon längst nicht mehr allein: Auch im Westen Deutschlands mehren sich die warnenden Stimmen, daß die Wohnungspolitik umorientiert werden muß. In der diesbezüglichen Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes vom 2. Juni wird Klartext gesprochen, wenn abschließend nüchtern festgestellt wird, die Wohnungspolitik habe bisher einseitig darauf gesetzt, daß die Rendite stimme. So aber wird der Teufelskreis von steigenden Mieten und zunehmender Unsicherheit des Wohnens nicht zu durchbrechen sein. Der Forderung des Caritasverbandes nach Umorientierung der Wohnungspolitik — und zwar in ganz Deutschland — kann ich mich in diesem Sinne nur anschließen: Verschieben Sie Ihre Mietenentscheidung, und finden Sie eine sozial verträglichere Lösung. Hans Raidel (CDU/CSU): Mit dem ersten Gesetz zur Änderung des Wohngeldsondergesetzes setzen die Bundesregierung und die sie tragende CDU/CSU-F.D.P.-Koalition konsequent ihren Weg fort, in den neuen Bundesländern die Mieten sozialverträglich zu gestalten, d. h. wirtschaftlich tragbar zu machen. Grundlage dieser Gesetzesänderung ist die zum 1. Januar 1993 geplante zweite Grundmietenanhebung. Jeder von uns weiß, daß nur vernünftige Mieten notwendige Investitionen für Modernisierung und Instandhaltung erlauben. Die Hinterlassenschaft des real existierenden Sozialismus in der ehemaligen DDR ist: verfallender Wohnraum in Millionenhöhe, zerstörte Innenstädte, kein Geld für Modernisierungen, umweltfeindliche Heizungssysteme, Wohnungsnot. Vor diesem Hintergrund ist die Grundmietenanhebung ein notwendiger und konsequenter Schritt. Für das Ringen um den besten Weg habe ich Verständnis, für einen Streit um des Kaisers Bart aber nicht. Wenn ich sehe, wie eng die ausgewogenen Vorschläge der Bundesregierung mit den Vorschlä- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8587* gen der Länder Brandenburg und Berlin korrespondieren, sollte schnellstens eine Einigung herbeigeführt werden. Der Vermittlungsausschuß sollte vor allem den Mietern erspart bleiben. Sie brauchen Sicherheit bei den Terminen. Die Verwaltungen brauchen Zeitvorlauf bei der Bewältigung. Mit dem Wohngeldänderungsgesetz soll gleichzeitig mit dem Wirksamwerden der nächsten Mieterhöhungen im Jahr 1993 für einen sozialen Ausgleich gesorgt werden. Wir stimmen nicht nur der Verlängerung des bestehenden Sonderwohngeldrechts zu, sondern auch Verbesserungen der Wohngeldleistungen. Die Zielsetzung, Haushalten, die die gestiegenen Grundmieten, Bewirtschaftungskosten sowie die Kosten für Heizung und Warmwasser aus eigenen Mitteln nicht bestreiten können, nach vereinfachten Regeln ein im Vergleich zu den alten Bundesländern großzügig bemessenes Wohngeld zu gewähren, wird weiter ausgebaut. Vergleiche unterstreichen dies besonders eindrucksvoll: Die Bruttokaltmiete — Miete einschließlich Betriebskosten — beträgt im Westen durchschnittlich 23 % des Einkommens, im Osten durchschnittlich 16 %, die Warmmiete — Miete, Betriebskosten, Heizung — durchschnittlich 30 % im Westen, durchschnittlich 21 % im Osten. Bei gleichen Einkommensverhältnissen wird im Osten in fast allen Fällen das Doppelte an Wohngeld gezahlt als im Westen. Ich stelle fest, daß diese großzügigen Regelungen von uns ausdrücklich gewollt sind. Wir bekennen uns nachdrücklich dazu, auch wenn im Westen hier und da Vorbehalte angemeldet werden. Der Gleichheitsgrundsatz wird zugegebenermaßen bis an seine Grenzen ausgenutzt. Weitere Steigerungen im Gewährungskatalog halte ich allerdings nicht mehr für durchführbar. Die Bundesregierung und die Koalition, insbesondere die Frau Bauministerin und der Finanzminister, unterstreichen mit der Ausformung dieses Gesetzes nachhaltig die Bereitschaft, in den neuen Bundesländern wirklich sozialverträgliche Verhältnisse herzustellen. Deshalb stelle ich nochmals ausdrücklich fest: Ich habe kein Verständnis dafür, wenn diese Einstellung ständig in Frage gestellt wird und die Mieter andauernd verunsichert werden. Was wir jetzt brauchen, ist Optimismus. Der Aufschwung Ost läuft. Meine Damen und Herren, Kernpunkte des Gesetzes sind: Erstens. Entsprechend dem Gesetzentwurf des Bundesrats wird ein Freibetrag in Höhe von 3 000 DM für Schwerbehinderte eingeplant. Zweitens. Die Geltungsdauer der bis 30. September, 31. Oktober oder 30. November 1992 befristeten Wohngeldbewilligungen wird — ohne Antrag — durch Gesetz bis zum 31. Dezember 1992 verlängert. Drittens. Die Gültigkeit des Wohngeldsondergesetzes wird um ein Jahr bis Ende 1994 verlängert. Viertens. Der nach dem geltenden Recht ab 1. Oktober 1992 einzuleitende stufenweise Abbau des Zuschlages für Heizung und Warmwasser wird um ein Jahr verschoben. Fünftens. Künftig werden von allen Einnahmearten, von denen nicht bereits ein Abzug von 25 v. H. vorzunehmen ist, insbesondere von Renten und von Leistungen für Arbeitslose, Freibeträge in Höhe von 6,5 v. H. abgezogen. Sechstens. Die Wohngeldtabellen werden im erforderlichen Umfang erweitert. Siebtens. In die Einkommensermittlung werden weitere Einnahmearten einbezogen, wie z. B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen, auch Leistungen der Arbeitslosenhilfe. Achtens. Alleinerziehende erhalten künftig unter bestimmten Voraussetzungen für jedes Kind unter zwölf Jahren einen Freibetrag von jährlich 1 200 DM. Neuntens. Schließlich wird künftig gewährleistet, daß Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften gleich welcher Art nicht bessergestellt werden als ein Familienhaushalt entsprechender Größe. Zu den Kosten: Die vorgesehenen Änderungen des Wohngeldsondergesetzes haben 1992 Mehrausgaben von insgesamt 340 Millionen DM zur Folge. Für das Haushaltsjahr 1993 ergeben sich Mehrausgaben von 470 Millionen DM. Die Mehraufwendungen im Haushaltsjahr 1994 werden sich auf 735 Millionen DM belaufen. Meine Damen und Herren, ab dem Jahre 1994 soll das Wohngeldsondergesetz in das allgemeine Wohngeldrecht übergehen. Das ist im Grundsatz begrüßenswert, um in der ganzen Bundesrepublik einheitliche Maßstäbe zu schaffen. Ich will aber den Vorbehalt der Sonderprüfung machen und rege an, rechtzeitig zu prüfen, ob die Verhältnisse dieses Verfahren gestatten. Persönlich bin ich zuversichtlich. Mit diesem Gesetz unterstreichen wir unsere soziale Verantwortung gegenüber unseren Mitbürgern in den neuen Bundesländern. Vernünftige Mieten für notwendige Investitionen bedingen ein Wohngeld, das dort hilft, wo die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Haushalts überfordert wird. Mit diesem Gesetz verschaffen wir dem Grundsatz Geltung: Wohnen muß für jeden Bürger sicher und bezahlbar sein. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Konrad Gilges, Gerd Andres, Hans Büttner (Ingolstadt), Günther Heyenn, Renate Jäger, Regina Kolbe, Ulrike Mascher, Adolf Ostertag, Manfred Reimann, Renate Rennebach, Ottmar Schreiner, Hans Urbaniak, Barbara Weiler und Rudolf Dreßler (alle SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung 8588* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 hat mit Recht in der Anlage I, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III, Nr. 1, Abs. 4, letzter Satz eine Ausschlußfrist für Kündigungen mangels Bedarf in den neuen Ländern festgelegt. Mit dem Gesetzentwurf des Bundesrates, eingebracht vom Lande Sachsen, soll diese Ausschlußfrist aufgehoben werden und auf den 31. Dezember 1993 neu festgelegt werden. Die Abgeordneten stellen dazu folgendes fest: 1. Wir sind grundsätzlich der Meinung, daß der tariflich vereinbarte Kündigungsschutz auch im öffentlichen Dienst nicht zur politischen Disposition des Gesetzgebers gestellt werden darf. Die Möglichkeit, Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst „mangels Bedarf" in den neuen Bundesländern zu kündigen, wurde in den Einigungsvertrag deswegen aufgenommen, weil die öffentliche Verwaltung in der ehemaligen DDR erstens einen überhöhten Personalbestand hatte, aber zweitens, was der entscheidende Grund war, mit politisch belasteten Personen durchsetzt war. Die Abweichung von den allgemeinen gesetzlichen Kündigungsschutzmöglichkeiten sowie von den tarifvertraglich festgelegten Vereinbarungen durch den Einigungsvertrag mußten deswegen zeitlich begrenzt werden. Die Arbeitgeber haben zwei Jahre Zeit gehabt, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um den Erfordernissen für die außerordentlichen Möglichkeiten der Kündigungen Rechnung zu tragen. Die Nichterledigung dieser Aufgabe und die damit verbundene Konsequenz der Kündigung mangels Bedarf kann deswegen nicht zu Lasten einer weiteren Unsicherheit, zu Recht oder zu Unrecht, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbunden werden. Wir haben den Eindruck, daß die öffentlichen Arbeitgeber in den fünf neuen Bundesländern aus dieser außerordentlichen Möglichkeit des Einigungsvertrages eine politisch motivierte Möglichkeit zum Eingriff in die Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst sehen. 2. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz sind wichtige Bestandteile der Arbeitsbeziehungen auch im öffentlichen Dienst. Die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in den fünf neuen Bundesländern mußten davon ausgehen, daß die Ungewißheit über ihre Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst der neuen Länder zum 2. Oktober 1992 beendet ist. Eine Aufhebung dieser Rechtssicherheit durch dieses Gesetz führt dazu, daß die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mißtrauen unter dem Gesichtspunkt, daß ein „einmal gegebenes Wort" vom Arbeitgeber nicht gehalten wird, selbst dann nicht, wenn es gesetzlich abgesichert ist. Auch der Vertrauensschutz wird durch den Arbeitgeber im höchsten Maße verletzt, da sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrer Lebensplanung und der dazugehörigen Beschäftigungsplanung auf den 2. Oktober 1992 eingestellt hatten. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der ehemaligen DDR wurde vor dem Einigungsvertrag öffentlich vermittelt, daß auch in den Arbeitsbeziehungen die Rechtsstaatlichkeit Bestand hat. Durch dieses Gesetz wird diese Vermittlung in einem hohen Maße geschädigt. 3. Auch die öffentlichen Arbeitgeber der fünf neuen Bundesländer müssen sich daran gewöhnen, daß es keine Sonderrechte für sie gibt, sondern daß sie die geltenden Kündigungsschutzbestimmungen der Gesetze und Tarifverträge zu beachten haben. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Heinz-Werner Meyer hat in einem Schreiben vom 23. Juni 1992 an den Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion mitgeteilt, daß von den Gewerkschaften dieses Gesetz in keiner Weise toleriert werden kann, daß sie gegen die Verabschiedung des Gesetzes energisch protestieren. Auch die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr (ÖTV) hat darauf hingewiesen, daß dieses Gesetz eine eklatante Verletzung der geltenden Tarifverträge und der Interessen der im öffentlichen Dienst der neuen Länder beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) protestiert in gleicher Weise und hat zusätzlich angekündigt, daß sie, sollte dieses Gesetz in dritter Lesung verabschiedet werden, das Bundesverfassungsgericht anrufen werde. Wir schließen uns vorbehaltlos den Erklärungen des DGB, der ÖTV und der GEW an. Wir sind der Meinung, daß die geltenden Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes und der Tarifverträge vollkommen ausreichen, um bestehende Probleme, auch nach Aufhebung der Sonderrechte des Einigungsvertrages, in den Beschäftigungsverhältnissen des öffentlichen Dienstes der fünf neuen Länder zu regeln. Was uns mit Bitternis stimmt, ist die Tatsache, daß durch dieses Sonderrecht des Einigungsvertrages die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte und Personalräte außer Kraft gesetzt wurden und durch die Verlängerung weiter außer Kraft gesetzt werden. 4. Deshalb lehnen wir dieses Gesetz in zweiter und dritter Lesung ab und stimmen mit Nein. Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Rolf Schwanitz (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag Die Möglichkeit der sogenannten Bedarfskündigung ist im Einigungsvertrag für 2 Jahre eröffnet worden. Obwohl die ostdeutschen Kommunen mit außergewöhnlichen Verwaltungsaufgaben zurechtkommen müssen — man denke nur an die offenen Vermögensfragen —, ist dieses Instrument nicht ausreichend genug zum Abbau des Personals genutzt worden. Hier liegt ein großes Versagen der verantwortlichen Kommunalpolitiker in Ostdeutschland. Wenn jetzt, so wie vom Bundesrat gewünscht, das Instrument der Bedarfskündigung verlängert werden Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8589* soll, geht dies unzweifelhaft zu Lasten der Betroffenen im öffentlichen Dienst. Es wird ein erwarteter Vertrauensschutz nicht gewährt. Dennoch, meine ich, dürfen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst trotz aller überdimensionaler Belastungen den Blick für die Relationen nicht verlieren. Gewiß, im öffentlichen Dienst des Ostens wird immer noch Gleiches geleistet, ohne daß Gleiches wie im Westen gezahlt wird. Sollte es dennoch nicht möglich sein, auf die westdeutschen Kündigungsregelungen im öffentlichen Dienst, die zweifelsohne eine Vergünstigung darstellen, noch einige Zeit zu verzichten? Was sagen wir dem Arbeiter in dem Treuhandbetrieb, der nach wie vor und auch künftig ohne weiteres auf die Straße gesetzt werden kann? Welches Verständnis wird er für die Privilegien des öffentlichen Dienstes haben? Wenn die Bedarfskündigung ab dem 3. Oktober diesen Jahres entfällt, dann sind Personen mit einer Dienstzeit von 15 Jahren und länger nahezu unkündbar. Dies bei einer Situation, wo in vielen östlichen Kommunen der Anteil der Personalkosten am kommunalen Etat 70 bis 80 Prozent beträgt, ein Abbau von Personal also unausweichlich ist. Die noch bevorstehende Gehaltsangleichung wird diese Zwänge eher noch verschärfen. Deshalb ist trotz der Versäumnisse der verantwortlichen Kommunalpolitiker, trotz der Mißachtung des Vertrauensschutzes die Verlängerung der Bedarfskündigung die einzige Möglichkeit, den Personalbestand in den Kommunen in sozial verträglicher Art und Weise zu reduzieren und dabei gleichzeitig leistungsfähige Personalstrukturen zu bewahren. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 4 b (Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag) Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich möchte zu dem hier erörterten Gesetzesvorhaben zur Änderung des Einigungsvertrages aus der Sicht der Bundesregierung mit wenigen Worten folgendes bemerken: Erstens. Die Bundesregierung hat dem Ziel der personellen Umstrukturierung der öffentlichen Verwaltungen in den neuen Bundesländern stets einen überragenden Stellenwert eingeräumt. Der hiermit verbundene Personalabbau ist zwingend notwendig, um einerseits eine rechtsstaatliche, effiziente Verwaltung aufzubauen und andererseits die Personalkosten in den Haushalten der ostdeutschen Länder und Kommunen deutlich zu verringern. Diese Überlegungen waren für die Bundesregierung maßgeblich, um im Einigungsvertrag für einen befristeten Zeitraum — bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Wirksamwerden des Beitritts — erleichterte Kündigungsmöglichkeiten zu verankern. Zweitens. Abweichend von unseren damaligen Einschätzungen und Erwartungen weisen die Länder und Kommunen des Beitrittsgebietes noch immer einen erheblichen Personalüberhang auf. Er kann in der noch zur Verfügung stehenden Zeit bis zum Auslaufen der Sonderkündigungsregelungen auch nicht annähernd abgebaut werden. Dies gilt in besonderer Weise für die Kommunen, zumal ihnen die sogenannte Warteschleifenregelung nicht zur Verfügung stand. Dabei verkenne ich nicht, daß ein unmittelbarer Vergleich des Personalbestandes der Kommunen der alten Bundesländer mit dem der Kommunen der neuen Bundesländer aus verschiedenen Gründen nicht zulässig ist. Ich verkenne auch nicht, daß gerade die Kommunalverwaltungen in den neuen Ländern in wichtigen Bereichen unterbesetzt sind. Ich nenne beispielhaft nur die offenen Vermögensfragen und die Übertragung kommunalen Vermögens. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß insbesondere bei den Einrichtungen und Betrieben, die auf Grund des Einigungsvertrages und des Kommunalvermögensgesetzes in kommunale Trägerschaft überführt worden sind, vielfach ganz erhebliche Personalüberhänge bestehen. Die Verlängerung der Möglichkeit erleichterter Bedarfskündigungen ist für die neuen Bundesländer eine Existenzfrage. Kommt es zu keiner Verlängerung, werden auf Grund der dann voll greifenden Kündigungsschutzbestimmungen notwendige Entlassungen gravierend erschwert. Der Umstrukturierungsprozeß in den Verwaltungen der neuen Länder und dortigen Kommunen würde einschneidend behindert. Wegen der zusätzlichen Kosten im Personalsektor ergäben sich erhebliche finanzielle Auswirkungen, von denen auch die westlichen Bundesländer betroffen wären. Drittens. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß nicht zuletzt hieran die Dimension der Frage einer Fristverlängerung deutlich wird. Die Bundesregierung erkennt daher den Handlungsbedarf für eine Verlängerung der Frist für die erleichterten Kündigungsmöglichkeiten an. Daneben möchte ich zu den hier geäußerten Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Gesetzesvorhabens bemerken, daß eine von den Bundesministerien des Innern und der Justiz vorgenommene Prüfung ergeben hat, daß gegen die beabsichtigte Fristverlängerung keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen rechtlichen Bedenken bestehen. Viertens. Lassen Sie mich schließlich, was die soziale Komponente des Gesetzesvorhabens betrifft, noch auf folgendes hinweisen: Die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes haben in der vergangenen Woche einen „Tarifvertrag zur sozialen Absicherung" vereinbart, der bei strukturbedingten Kündigungen bzw. aus diesem Grund geschlossenen Auflösungsverträgen die Zahlung einer Abfindung vorsieht. Abhängig von der Beschäftigungsdauer kann die Abfindung bis zu maximal 10 000 DM betragen. Diese Regelung ergänzt die bereits im Einigungsvertrag vorgesehenen Möglichkeiten zur sozialen Absicherung von Personalabbaumaßnahmen. Im Unterschied zum Einigungsvertrag — und das ist wichtig — wird dem betroffenen Arbeitnehmer hier jedoch ein Rechtsanspruch auf Abfindungszahlung eingeräumt. 8590* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 6 (Arbeitsförderungsgesetz) und Tagesordnungspunkt 5 (Sofortmaßnahmen zur Arbeitsmarktpolitik) Dr. Gisela Babel (F.D.P.): In ihrem Übereifer, sich als die treibende Kraft in der Arbeitsmarktpolitik darzustellen, hat die SPD sich nunmehr selbst überholt: So verhandeln wir heute einen Antrag aus dem März 1992; in der letzten Sitzung hatten wir den Antrag „Arbeit statt Arbeitslosigkeit" vom Mai 1992. Der Tenor ist allemal gleich: mehr Geld in alle Kanäle, um der Arbeitsmarktsituation im Osten voran zu helfen. Die SPD verkündet nun, daß es ihrer Initiative zu verdanken ist, daß ein Punkt, die Verlängerung des Altersübergangsgeldes, verwirklicht wird. Ich glaube, daß es aber unsere Kollegen aus den neuen Bundesländern waren. Das Altersübergangsgeld um ein weiteres halbes Jahr zu verlängern heißt, etwa 50 000 älteren Arbeitnehmern ein früheres Ausscheiden aus dem Arbeitsleben zu ermöglichen. Diese Maßnahme ist jetzt gemeinsam von der Koalition beschlossen worden und soll den Arbeitsmarkt entlasten. Damit wird verhindert, daß ältere Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren, ohne schon in Rente gehen zu können. Es wird ein sanfter humaner Übergang geschaffen. Aber so gut das klingt, nicht einmal unter ausschließlich sozial-politischen Gesichtspunkten kann man bei dieser Gelegenheit erleichtert aufatmen: Viele ältere Arbeitnehmer können noch arbeiten, wollen noch arbeiten und geraten ganz gegen ihren Willen in diese Lage. Untersuchungen zeigen, daß insbesondere bei Firmenneugründungen fast ausschließlich jüngere Kräfte eingestellt werden und daß Erfahrung und Zuverlässigkeit kaum Marktwert haben. Ich hoffe sehr, daß dies nur für einen überschaubaren kurzen Zeitraum so ist. Meine Damen und Herren, wir finanzieren diesen Übergang mit etwa 1,2 Milliarden DM, die in 1995 auf den Bundeshaushalt schlagen. Bei knappem Geld fragt man sich, ob die Ausgabe zwingend und sinnvoll ist. Die Gefahr besteht, daß die Transferleistungen in den Osten lediglich dem sozialen Konsum dienen und nicht der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Beschleunigung der Strukturumwandlung. Je mehr Mittel wir verlagern in den Bereich Hilfe — hier also für „Nicht-Arbeiten" —, desto weniger sind vorhanden für Investitionsanreize. Die F.D.P. weist auf diesen Konflikt immer wieder hin. Daher begrüße ich, daß wir — die Koalitionsfraktionen — uns in unserem Entschließungsantrag zur hier besprochenen Verlängerung des Altersübergangsgeldes auch über andere wichtige Bausteine verständigt haben, die zu dem Vorhaben einer neuen sozialen Marktwirtschaft gehören. So wird die Investitionszulage verlängert. Wie sonst lassen sich angesichts der überproportionalen Lohnsteigerungen und immer noch sehr ungünstigen Standortfaktoren die dringend notwendigen Investoren bewegen? Der zweite wichtige Baustein ist die Weiterentwicklung der AB-Maßnahmen. Ich habe schon oft dafür plädiert, daß das Instrument ABM so gehandhabt wird, daß die vom Arbeitsamt finanzierten Stellen mit geringerem Zeitkontingent angeboten werden und daher weniger attraktiv sind im Vergleich zu einem regulären Arbeitsplatz. Die Teilzeit-ABM als Norm muß her; damit reichen die Mittel weiter, und die Anreize bleiben erhalten. Die Verlängerung des Altersübergangsgeldes ist letztmalig. So sieht es der Entschließungsantrag vor. Ich hoffe, daß sich bis zum endgültigen Auslaufen dieser Regelung die Verhältnisse zum Besseren verändert haben. Petra Bläss (PDS/Linke Liste): Zum wiederholten Male und wie immer zu einem Zeitpunkt, wo die große Mehrheit dieses Hauses bereits auf gepackten Koffern sitzt bzw. schon in die Sommerpause entschwunden ist, diskutieren wir über Arbeitsmarktpolitik und dabei mit der Entschließung der SPD zur Verlängerung des Altersübergangsgeldes über längst Überfälliges. Seit Wochen warten Tausende von Betroffenen darauf, daß die Bundesregierung und der Bundestag sich zu dieser Verlängerung bis Ende 1992 erklären. Aber wie schon im Dezember, als es um die erste Verlängerung ging, werden diese Menschen bis zur letzten Minute im Ungewissen gelassen. Ihnen wird jede Chance genommen, über den Tag hinaus zu planen; sie werden gezwungen, über wichtige Lebensabschnitte — und der Ausstieg aus dem Erwerbsleben gehört ja wohl dazu — von heute auf morgen zu entscheiden. Dieses Vorgehen hat natürlich Methode. Bewußt wird den Betroffenen eine Situation zugemutet, wo sie unter einem unerträglichen Entscheidungsdruck nach dem Motto „lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach" die kalkulierbare Variante wählen: Eher unfreiwillig geben sie ihren Arbeitsplatz auf und entscheiden sich für das Altersübergangsgeld, ein zwar niedriges, aber relativ gesichertes Einkommen, dies auch in dem Bewußtsein und aus der Erfahrung heraus, daß alle Prognosen auf absehbare Zeit nur Schlimmeres verheißen. So braucht es auch nicht zu wundern, daß seit Bestehen der Altersübergangsregelung für die neuen Länder — April 91 — knapp eine halbe Million Menschen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben und z. Z. wieder etwa 50 000 Frauen und Männer vor der Entscheidung für diese Alternative stehen. Ist es wirklich eine Alternative oder lediglich eine Wahl zwischen Pest oder Cholera? Denn es wird ja wohl kaum jemand bestreiten, daß die übergroße Mehrheit derjenigen, die sich 55jährig für ein Abschieben auf den Altenteil entscheiden, dies tun aus Angst vor langjähriger Arbeitslosigkeit und dem damit verbundenen Abgleiten in soziale Notlagen durch die Reduzierung von Sozialleistungen, die gerade in den NBL in vielen Fällen das Sozialhilfeniveau nicht oder nur geringfügig übersteigen. Ich unterstütze dennoch den Antrag der SPD, weil ich zur Zeit wenig Chancen sehe, perspektivvollere Vorschläge durchzusetzen. Fatal an dieser kurzfristigen Zustimmung zu einer Verlängerung des Alters- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8591* übergangsgeldes finde ich allerdings, daß sie den Anstrich eines Gnadenaktes erhält und damit die Politik der Demütigung ostdeutscher Menschen durch die Koalition fortgesetzt wird. Neu an der jetzigen Entscheidung der Bundesregierung zum Altersübergangsgeld ist allerdings, daß sie ihre Zustimmung abhängig macht von Einsparungen bei anderen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Es ist nicht schwer, sich auszudenken, wo der Rotstift der Regierung angesetzt wird. Wirtschaftsminister Möllemann läßt ja keine Gelegenheit aus, deutlich zu machen, daß ihm die hohen Ausgaben für AB-Maßnahmen längst ein Dorn im Auge sind. Vorschläge, die bezahlte Arbeit für ABM auf 80 % zu kürzen, können unter diesen Voraussetzungen schnell Realität werden — eine bittere Realität vor allem für die Beschäftigten in den NBL, deren Einkommen ohnehin weit unter Westniveau liegen. Ich kann nur hoffen, daß diesem regierungsamtlichen Junktim hier heute eine deutliche Absage erteilt wird und zumindest ein Fortbestand eingeleiteter arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen garantiert wird. Die PDS/Linke Liste ist allerdings der Auffassung, daß ein Status quo in der Arbeitsmarktpolitik nicht hinreicht, sondern ein Ausbau für die ostdeutschen Lander dringend geboten ist. Und wir halten fest an unserer Position, daß auch die beste zukunftsorientierte Arbeitsmarktpolitik eine Regional- und Struktur der Wirtschaftspolitik nicht ersetzt. Denn immer noch besteht das Hauptproblem einer innovativen Arbeitsmarktpolitik darin, daß es keine Verläßlichkeit in die zukünftige Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur der schon jetzt weitgehend deindustrialisierten Regionen gibt. Schon bei unserer letzten Debatte zur Arbeitsmarktpolitik habe ich mich für die Aufstockung der Mittel statt für Kürzungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik ausgesprochen, weil ich davon überzeugt bin, daß noch über einige Jahre Beschäftigung subventioniert werden muß, um wichtige gesellschaftspolitische Strukturen aufrechterhalten bzw. ausbauen zu können, z. B. im Sozial-, im Wohnungs- und Umweltbereich. Hier gibt es Arbeit genug, und es ist allemal besser, sie zu finanzieren, als noch mehr Menschen in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. Diese Form der gemeinnützigen Arbeit hilft denen, für die der Verlust des Arbeitsplatzes eine soziale und persönliche Katastrophe bedeutet, und jenen, die auf die Organisierung ihres Lebensumfeldes angewiesen sind. Ich will auch hier nicht versäumen, noch einmal darauf hinzuweisen, daß die PDS/Linke Liste eine Reihe konkreter Vorschläge unterbreitet hat, wie Mittel für arbeitspolitische Maßnahmen locker gemacht werden können. Hier nur einige Stichworte: Investitionshilfeabgabe von Industrieunternehmen und Handelsketten statt der von der Bundesregierung propagierten Investitionszulage, ein 10%iger Solidaritätszuschlag für Besserverdienende, eine Arbeitsmarktabgabe für Beamte und nichtversicherungspflichtige Selbständige und die Rücknahme der 1993 wirksam werdenden Senkung der Vermögensteuer. Mit den auf diese Weise frei werdenden Milliarden ließe sich ein umfangreiches arbeitsmarktpolitische Konzept finanzieren und vielen Menschen in Ostdeutschland zumindest für die nächsten zehn Jahre — denn über einen solchen Zeitraum müßten die genannten Umverteilungsmaßnahmen laufen — eine Beschäftigungsperspektive eröffnen. Dr. Ulrich Briefs (fraktionslos): Der Antrag der SPD auf Sofortmaßnahmen zur Arbeitsmarktpolitik ist voll zu unterstützen. Dieser Antrag konzentriert sich zu Recht auf die AB-Maßnahmen. Darin ist heute unzweifelhaft der Schwerpunkt von Notmaßnahmen am Arbeitsmarkt zu sehen: Zu groß ist die perspektivlose Arbeitsmarktmisere im Osten. Zu groß ist aber auch weiterhin die Massenarbeitslosigkeit im Westen. Zu sehr sind aber auch die AB-Maßnahmen im Visier konservativer Einsparungsfanatiker und Ordnungspolitiker. Aber es gibt auch weitere Beschäftigung schaffende und sichernde Maßnahmen. Dazu zählen insbesondere die Alternativprojekte, die sich vor allem in West-Berlin, aber auch an anderen Orten Westdeutschlands, ansatzweise inzwischen auch in OstBerlin und Ostdeutschland herausgebildet haben. Ihr Beschäftigungsvolumen wurde einmal auf bis zu 500 000 Arbeitsplätze im Westen geschätzt. Mit anderen Worten: Die im Westen Mitte der 70er Jahre entstandene Dauermassenarbeitslosigkeit wäre noch erheblich höher, wenn sich nicht zumeist jüngere Arbeitslose zusammengetan hätten und sich ihre eigenen Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen hätten. Sie waren also Existenzgründer ganz eigener Art: Sie nahmen, zumeist ohne öffentliche Unterstützung, ihre eigenen Angelegenheiten in die Hand und gründeten Fahrrad- und Print-Shops, Öko- und Bioläden, Dritte-Welt-Läden, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen, Kunstgalerien, Kneipen und Restaurants, handwerkliche Dienstleistungsbetriebe, Bau-Unternehmen, Verlage und Buchhandlungen, eine Tageszeitung und vieles andere mehr. Ursprünglich gerade auch Kinder der Not, entwikkelten sie eine ganz andere Kultur des Wirtschaftens und des Produzierens, als sie der traditionelle kapitalistische, auf Gedeih und Verderb auf wirtschaftliches Wachstum angewiesene Betrieb entwickelt hat. Selbstbestimmtes, weitgehend hierarchiefreies Arbeiten, Beschränkung des Aktivitäts- und Beschäftigungsniveaus auf nicht wachstumsorientierte Größenordnungen, kollektive Entscheidungen, Vermeiden von Bürokratie und von unnötigen Gemeinkosten, andere, persönliche, kommunikativ beratende, Beziehungen zu Abnehmern, Lieferanten, Wettbewerbern waren Elemente dieser neuen Kultur. Das Ganze stand allerdings unter einem riesigen wirtschaftlichen Druck. Märkte und Aufträge mußten erschlossen werden, unter den Bedingungen kapitalistischer Überakkumulation häufig im Konkurrenzkampf wirtschaftlich sehr viel mächtigeren Wettbewerbern abgetrotzt werden, Bedarfsnischen entdeckt werden. In der Praxis lief es in vielen Fällen auf Selbstausbeutung hinaus. Geringe Löhne, lange Arbeitszeiten, wenig Sozialleistungen waren der Preis für diese alternative Selbständigkeit. 8592* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 Mit diesen Ausführungen möchte ich anregen, daß wir die Einrichtung von lokalen und regionalen Fonds aus Bundesmitteln und aus der Arbeitsmarktpolitik fördern mit dem Ziel, genau diese Projekte zusätzlich zu fördern. Viele dieser Projekte werden übrigens inzwischen auch im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bereits gefördert. Ich möchte als Grundsatz vorschlagen, diesen Alternativprojekten, gebunden an bestimmte Bedingungen formaler Art — es darf kein Hineinreden in die Zwecke, Ziele und die Gestaltung des Innenlebens und der Außenbeziehungen der Projekte geben —, in dem ihnen gebührenden Ausmaß öffentliche Förderung zukommen zu lassen. Sie verdienen es insbesondere deshalb, weil sie mit einer anderen Art des Wirtschaftens und Produzierens experimentieren, einer Art, die insbesondere ökologische und soziale Probleme zu lösen vermag. Insofern ist es in gesellschaftlichem und öffentlichem Interesse, derartige Fonds für die Förderung alternativer Projekte aufzulegen. Wir werden zu gegebener Zeit dazu konkretere Vorschläge vorlegen. Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Zukunftsorientierte Arbeitsmarktpolitik ist ein Thema, das uns alle angeht. Niemand darf sich ausklinken. Unterstellungen, der eine habe zuwenig getan, der andere habe die besseren Ideen, helfen niemandem, dadurch werden keine Arbeitsplätze geschaffen. Gute Ideen greife ich gerne auf. Aber der Antrag der SPD tut so, als ob Arbeitsmarktpolitik erst erfunden werden müsse. Nehmen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis, daß diese Bundesregierung seit 1982 für eine solide, zukunftsweisende Arbeitsmarktpolitik steht. Die Erfolge unserer Arbeitsmarktpolitik sind für jeden, der guten Willens ist, greifbar. Unsere Arbeitsmarktpolitik haben wir mit der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes auf ganz Deutschland übertragen und auf ein bisher nicht vorstellbares Maß ausgebaut. Bereits im Vorstadium der Vereinigung der beiden Teile Deutschlands war die Arbeitsmarktpolitik an vorderster Stelle dabei. Sie hat den Menschen in den neuen Bundesländern von Anfang an kontinuierlich materiellen und sozialen Rückhalt verschafft. Im letzten Jahr haben wir mit 30 Milliarden DM die aktive Arbeitsmarktpolitik unterstützt. In diesem Jahr haben wir sogar noch 6 Milliarden DM dazugelegt. 36 Milliarden DM stehen 1992 bereit. Und ich möchte ausdrücklich betonen: Diese Beträge werden zusätzlich aufgebracht. Sie gehen nicht zu Lasten der aktiven Arbeitsmarktpolitik in den alten Ländern. Auch in den alten Ländern haben wir nicht zurückgeschraubt, sondern in diesem Jahr auf 18 Milliarden DM aufgestockt. Wer in dieser Situation eine Erhöhung des Anteils der Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik fordert, der muß sich fragen lassen, ob er sich der aktuell erreichten Relation überhaupt bewußt ist. In Maßnahmen der beruflichen Bildung sind 1991 890 000 Menschen eingetreten. Zum Vergleich: Im Westen waren es 590 000. Hierfür haben wir 5,2 Milliarden DM ausgegeben. Für das Jahr 1992 stehen 11,2 Milliarden DM zur Verfügung. Das heißt, wir haben die Mittel verdoppelt. Ende 1991 waren 390 000 ABM-Plätze finanziert; im Westen 83 000. Das war ein Finanzvolumen von 5,6 Milliarden DM. 1992 stehen für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 10,3 Milliarden zur Verfügung. Auch das heißt Verdoppelung der Mittel. Kurzarbeitergeld erhielten im Jahresdurchschnitt 1991 1,6 Millionen Personen. Dafür haben wir 10 Milliarden DM aufgewandt. Wir haben Milliardenbeträge für die Arbeitsmarktpolitik ausgegeben. Durch unsere Arbeitsmarktpolitik sind fast 2 Millionen Menschen in den neuen Bundesländern vor Arbeitslosigkeit verschont geblieben. Das sind Fakten, meine Damen und Herren von der SPD, vor denen auch Sie die Augen nicht verschließen können. Ich habe nie die Arbeitsmarktsituation in Ostdeutschland beschönigt. Doch die Arbeitsmarktpolitik kann nicht alles. Sie hat ihren Beitrag zum Aufschwung Ost geleistet. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Jetzt ist vor allem die Stunde der Wirtschaftspolitik. Die Wirtschaftspolitik ist jetzt gefragt, damit die von der aktiven Arbeitsmarktpolitik geschlagene Beschäftigungsbrücke nicht ins Leere läuft. Jetzt aber konkret zum SPD-Antrag. Die Logik der SPD ist interessant, aber für mich beim besten Willen nicht nachvollziehbar. Auf der einen Seite mahnt die SPD die Bundesregierung immer wieder, sie müsse sparen, sparen, sparen. Heute liegt uns aber wieder ein Antrag von der SPD auf dem Tisch, wo von Sparen weit und breit keine Rede ist. Der finanzielle Aufwand der Forderung geht ins Maßlose. Der Antrag der SPD bietet nichts Neues. Die SPD will die finanziellen Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Westen erhöhen. Vor der angespannten Finanzsituation des Bundes und der Bundesanstalt für Arbeit ist das utopisch, zumal im Westen die Beschäftigung weiterhin steigt und für Gruppen, deren Reintegration am Arbeitsmarkt schwierig ist, bereits besondere Programme der Bundesregierung existieren, z. B. für Langzeitarbeitslose. Die SPD fordert, das ABM-Niveau im Osten zu erhöhen. Tatsache ist: Gegenüber 1991 wurde die Zahl der ABM-Beschäftigten im Jahre 1992 um 40 % gesteigert. Das ABM-Niveau ist damit in Ost-Deutschland an der obersten Grenze angelangt. Beschäftigung in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen darf nicht zum Dauerzustand werden. ABM ist ein Zwischenprogramm hin zu wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen. Wir wollen in den neuen Bundesländern die sozialistische Planwirtschaft nicht durch eine totale ABM-Gesellschaft ersetzen. Die SPD fordert, die generelle Laufzeit aller ABM auf mindestens ein Jahr zu erhöhen. Diese Forderung geht an der Realität des Arbeitsmarktes vorbei. Von Fall zu Fall muß entschieden werden, welche Laufzeit erforderlich ist. Nur so können wir den höchsten arbeitsmarktpolitischen Effekt erzielen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8593* Die SPD fordert, die Ausgestaltung des Finanzvolumens bei den ABM zu erweitern. Bei der Ausgestaltung des Finanzvolumens haben wir das Optimum ermöglicht. Eine Steigerung ergibt keinen Sinn, denn Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sollen den Wiedereintritt in den ungeförderten Arbeitsmarkt ermöglichen und ihn nicht verhindern. Die SPD fordert die Verzahnung von beruflicher Bildung und Kurzarbeit. Meine Damen und Herren, Sie scheinen nicht auf dem aktuellsten Stand zu sein. Denn was Sie fordern, wird vom Arbeitsförderungsgesetz bereits geregelt. Die SPD fordert, das Altersübergangsgeld zu verlängern. Das Instrument des Altersübergangsgeldes beruht auf dem Einigungsvertrag. Es wurde von der Bundesregierung in der Vergangenheit der Situation angepaßt und bereits mehrfach verfeinert. Ursprünglich war es allein für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den neuen Bundesländern bestimmt, die nach Vollendung des 57. Lebensjahres wegen Arbeitslosigkeit ihren Arbeitsplatz verloren haben. Damit sollte diesen Arbeitnehmern der vorzeitige Übergang in den Ruhestand ermöglicht und der Arbeitsmarkt entlastet werden. Der Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern hat sich jedoch anders entwickelt, als bei Abschluß des Einigungsvertrages angenommen worden ist. Deshalb ist der Zugang zum Altersübergangsgeld auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geöffnet worden, die ihr Arbeitsverhältnis bereits nach Vollendung des 55. Lebensjahres verloren haben. Außerdem ist die im Einigungsvertrag vorgesehene Befristung bis zum 31. Dezember 1991 bis zum 30. Juni 1992 verlängert worden. Insgesamt wird der Bund unter Berücksichtigung der Einsparungen bei der Arbeitslosenhilfe während der Laufzeit der jetzt geltenden Regelung durch Ausgaben von voraussichtlich 6 bis 7 Milliarden DM belastet. Allein die Verlängerung der Frist bis zum 30. Juni 1992 belastet den Bund mit 1,1 Milliarden DM. Eine weitere Verlängerung ist mit einer erneuten zusätzlichen Belastung des Bundes in Höhe von rd. 1,2 Milliarden DM verbunden. Aber wir sind niemand, der die Augen vor der Realität schließt. Nur stochern wir nicht wie die SPD nervös im Nebel herum. Wir ersetzen auch nicht — wie die Opposition — Politik durch Hektik. Ich versuche, konkrete Hilfen für die Menschen in Ostdeutschland zu finden. Die Lösungen müssen finanzierbar sein und keine Phantasieprodukte. Meine Devise lautet: Zum passenden Zeitpunkt die richtige Entscheidung. Und diese lautet: Das Altersübergangsgeld wird bis zum 31. Dezember 1992 verlängert. Die Politik der Bundesregierung läßt niemand ins Bergfreie fallen. Ich begrüße deshalb, das der A+S-Ausschuß einen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. angenommen hat. Soweit darin die ABM-Entgeltregelung angesprochen ist, ist das wie folgt zu interpretieren: Die Fortgeltung der Sonderregelung für die neuen Länder wird insoweit begrenzt, als 90%ige bzw. 100%ige Zuschüsse nur noch dann möglich sind, wenn die Arbeitszeit auf 80 % der normalen Arbeitszeit reduziert wird. Wer wie die Bundesregierung mit vollem Risiko und vollem Engagement in den neuen Bundesländern die Arbeitsmarktpolitik angepackt hat, muß darauf achten, daß das Ganze finanzierbar bleibt. Eine weitere Ausweitung der Arbeitsmarktpolitik ist finanziell zur Zeit nicht realisierbar. Die Finanzspielräume sind eng. Wir müssen unbedingt zur Normalität zurückkehren; auch dann, wenn die Normalität unter dem Maß liegt, an das man sich landauf, landab zu gewöhnen beginnt. Das, was wir 1991 geleistet haben und was auch noch ins Jahr 1992 hinein reicht, war etwas Außergewöhnliches. Es war einmalig. Dieses Einmalige war von vorneherein bis 1992 begrenzt. Das gilt insbesondere für die Sonderaufwendungen des Gemeinschaftswerks bei ABM mit einem Volumen von 3 Milliarden DM im Jahre 1992. Die Arbeitsmarktpolitik hatte eine notwendige Brückenfunktion zu erfüllen. Jetzt kommt es darauf an, den Aufbau neuer und marktgerechter Arbeitsplätze voranzutreiben. Dies kann nicht durch die ständige Ausdehnung arbeitsmarktpolitischer Instrumente geschehen. Regina Kolbe (SPD): Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bewältigung der deutschen Einheit hängt maßgeblich von der Wirtschaftspolitik und auch von der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ab. Das Licht im Tunnel sehe ich noch nicht. Und der Kanzler wird sich immer wieder fragen lassen müssen, wie — und vor allem wann — wir im Osten mit den versprochenen blühenden Industrielandschaften rechnen können. Die deutsche Einheit ist von einer derart großen Dimension; keiner konnte die Lasten im Vorfeld abschätzen. Mit der Bezahlung aus der Portokasse war und ist wohl nichts. Nach allem, was wir heute aber über die Konstruktion der deutschen Einheit wissen, hat sich die alte und neue Bundesregierung verschätzt. Gegenwärtig wird immer noch über den Bau des Jäger 90 diskutiert. Wird er nicht gebaut, gehen ein paar Arbeitsplätze verloren. — Ich sage das bewußt: es sind nur ein paar Arbeitsplätze. — Und Herr Waigel kämpft um diese Beschäftigungsmöglichkeiten in seiner heimischen Rüstungsindustrie. Im Osten sind dagegen zwischenzeitlich mehrere Millionen Arbeitsplätze verlorengegangen. Die Treuhandanstalt hat für dieses Jahr weitere 300 000 Entlassungen angekündigt. Wo bleibt da Ihr Aufschrei und Ihr Kampf für den Osten, Herr Waigel? Denn eines wollen wir hierbei festhalten: Der Wegfall einiger tausend Arbeitsplätze in der Bonner Region durch den Hauptstadtbeschluß hat die Ministerialbürokratie ganz schön auf Trab gebracht; die Beschäftigungskatastrophe im Osten jedoch ist inzwischen gesamtdeutscher Normalfall geworden. Jeder verlorene Arbeitsplatz ist einer zuviel. Aber Geld für den Jäger 90 ausgeben zu wollen, der sinnlos ist, und gleichzeitig die Mittel für ABM zu kürzen ist mir 8594* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 angesichts der Unterschiede in Ost und West in hohem Maße unverständlich. Ich klage ja auch die Intensität an, mit der man sich des Verlustes von Arbeitsplätzen im Osten annimmt. Der Eindruck verstärkt sich, daß viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause die Arbeitslosigkeit für zwar schlimm, aber nicht veränderbar halten und deshalb nur noch zur Kenntnis nehmen. Echte Bemühungen, die auf eine Veränderung der Lage abzielen, erkennt im Osten derzeit keiner. Und es gibt noch mehr Ungereimtheiten: Wir verhandeln hier heute über einen Antrag meiner Fraktion, der bereits vom 11. März dieses Jahres datiert. Daß wir wiederum bis zur letzten Minute gewartet haben, hat die Ängste der Betroffenen mehr als über das Maß des Erträglichen strapaziert. Die vielen Gespräche und Anfragen in meinem Wahlkreis haben mir deutlich die Ängste vor Augen geführt. Wie unerträglich die gegenwärtige Situation empfunden wird, kann ich Ihnen mit Worten nicht beschreiben. Was mich persönlich am meisten betroffen macht, .ist die Tatsache, daß die Bundesregierung offensichtlich die Zustimmung der ostdeutschen CDU- und F.D.P.-Abgeordneten zum Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz in der letzten Woche mit der möglichen Verlängerung des Altersübergangsgelds heute erkauft hat. Diese Regierung hat die Opfer des SED-Regimes damit gegen die arbeitsmarktpolitischen Opfer der deutschen Einheit ausgespielt. Übergangsgeld beziehen jetzt etwa 470 000 Personen. Weitere 50 000 Arbeitnehmer des Jahrgangs 1937 können diese Regelung mit der Verlängerung bis zum Jahresende in Anspruch nehmen. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung läge die Arbeitslosigkeit der 55jährigen um fast 800 000 Personen höher, wenn es das Altersübergangs- und das Vorruhestandsgeld nicht gäbe. Daß wir hier über die Verlängerung des Altersübergangsgelds diskutieren, entspricht übrigens nicht unmittelbar meinen Intentionen. Letztlich halte ich die Ausgrenzung älterer Arbeitnehmer vom Arbeitsmarkt für unmenschlich — vor allen Dingen, weil ich weiß, mit welchen Hoffnungen und Wünschen die Menschen in die Deutsche Einheit gegangen sind. Sie wollten arbeiten und den Osten Deutschlands mit aufbauen helfen. Jetzt sind sie faktisch von jedem Recht auf Arbeit ausgegrenzt worden. Trotzdem: Altersübergangsgeld ist aus individueller wie auch gesellschaftlicher Sicht allemal dem Status eines registrierten Arbeitslosen vorzuziehen. Daß die Bundesregierung diese Regelung zum letzten Mal verlängern will, halte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt für voreilig. Denn im letzten Jahr haben wir vor derselben Situation gestanden: Verlängerung des Übergangsgeldes. Auf eine schriftliche Anfrage erhielt ich damals die Antwort: Die Bundesregierung geht im übrigen davon aus, daß bei der Verbesserung der Beschäftigungslage in den neuen Ländern auch ältere Arbeitnehmer eine Chance der Wiedereingliederung haben. Diese Antwort empfand ich schon damals als zynisch. Der Zweckoptimismus, der sich dahinter verbirgt, erinnert mich in erschreckender Weise an die Propaganda in der ehemaligen DDR: Auch dort wurde alles schöngefärbt und -geredet. Mit dem rosaroten Blick durch die Arbeitsmarkt-Brille ging und geht man auch heute an den Realitäten vorbei. Und doch wollen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, die Verlängerung mit Einsparungen an anderer Stelle konterkarieren. Ich meine die Ankündigung, bei den ABM sparen zu wollen. Jetzt, bei unverändert hoher Arbeitslosigkeit — mit einem weiteren Anstieg ist zu rechnen —, beginnt man damit, diese Maßnahmen zurückzufahren, obwohl sie sich bewährt haben. In der Wirtschafts-, der Struktur- und der TreuhandPolitik bewegen Sie sich in Richtung auf politisch gelenkten Einsatz der Marktkräfte zu. Das ist auch richtig, ja zwingend notwendig. Wir brauchen die Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt. Die Bundesregierung ist hier gefordert. Auf einen Nenner gebracht: Während Sie sich in der Wirtschaftspolitik peu à peu bewegen, markieren Sie in der Arbeitsmarktpolitik den starken Mann, der sich durch nichts beirren läßt— außer durch ein politisches Bauernopfer zuungunsten anderer —, siehe Erstes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz! Das wird sich auch wieder beim Kurzarbeitgergeld zeigen: Unser Antrag sieht eine entsprechende Anhebung vor, wenn zugleich eine FuU-Maßnahme durchgeführt wird. Die Einkommen im Osten sind bei ständig steigenden Preisen immer noch zu niedrig, und es ist ein Problem, wenn die notwendige Fortbildung aus finanziellen Erwägungen nicht angenommen werden kann. Ich denke da an eine Frau, die mich in einer meiner Sprechstunden gefragt hat, ob ich noch andere Geldquellen außer der ihr vom Arbeitsamt genannten kennen würde. Sie sagte: „Bei 538 DM Arbeitslosenunterstützung, ich habe ein Kind und bin alleinstehend, muß ich mit jedem Pfennig rechnen. Wenn ich nicht alle Unkosten voll erstattet bekomme, kann ich mir die Qualifizierung nicht leisten." Aus diesem Grunde werden Sie verstehen, wie notwendig es ist, daß Sie unseren Antrag auf Anhebung des Kurzarbeitergeldes bei FuU-Maßnahmen zustimmen. Die Arbeitsmarktpolitik kann in dieser Übergangsphase nur dann ihre Brückenfunktion wahrnehmen, wenn sich die Politik zu außergewöhnlichen Maßnahmen bereitfindet. Zu diesen Anstrengungen müssen wir uns alle bereitfinden. Die Verlängerung des Übergangsgeldes allein reicht dazu jedoch nicht aus; deswegen appelliere ich noch einmal an Sie, sich auch in der Kurzarbeitergeld-Frage zu bewegen — und lassen Sie Ihre wirtschaftsliberalen Pfoten von den ABM! Vielen Dank. Adolf Ostertag (SPD): Was diese Regierung und die sie tragenden Parteien in den letzten Tagen in Sachen Arbeitsmarktpolitik aufgeführt haben, war eine miserable Zirkusnummer. Die Hauptdarsteller waren Gaukler und Trickkünstler. Das Hin- und Hertaktieren bis buchstäblich in die letzten Minuten belegt Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8595* erneut, daß Sie nicht in der Lage sind, den Problemen am Arbeitsmarkt zu begegnen, geschweige denn, sie zu lösen. Unser Antrag wurde am 11. März eingebracht. Wir wollten ihn zügig behandeln. Aber Sie von der Koalition haben am 19. März eine parlamentarische Debatte verhindert und auf Verschleppung gesetzt. Am 7. Mai fand die 1. Lesung statt. Erst jetzt, wo alle Fristen bis zuletzt ausgeschöpft wurden, steht die abschließende Beratung an. Die Verschleppungstaktik bei diesem Antrag ist ein Skandal. 50 000 Menschen in den östlichen Bundesländern warten auf Entscheidung für ihren Vorruhestand, und diese Regierungskoalition findet monatelang keine Zeit zur Behandlung unseres Antrags. Das zeigt, wie Sie mit den Problemen am Arbeitsmarkt umgehen. Ihre Politik ist nicht geeignet, Zuversicht und Vertrauen bei den Arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen zu fördern. Aber immerhin hat unser massiver Druck dazu geführt, daß das Altersübergangsgeld bis zum 31. Dezember 1992 verlängert wird. Die Regierungskoalition hat sich sozusagen in letzter Minute an unseren Antrag angekündigt. Allerdings können wir nicht verstehen, daß die Bundesregierung in ihrem Antrag von einer „letztmaligen Verlängerung" spricht. Diese Regierung hat sich in all ihren Voraussagen zur Entwicklung der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes und der Transferkosten für die östlichen Bundesländer so katastrophal verschätzt, daß sie sich diese Möglichkeit zur Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit künftig nicht generell verbauen sollte. Wir Sozialdemokraten wollen im Gegensatz dazu weiterhin die Arbeitsmarktentwicklung sorgfältig beobachten und notfalls dieses Instrument zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit weiterhin einbeziehen. Absolut unverständlich ist, daß die Bundesregierung die Verlängerung des Altersübergangsgeldes koppelt an eine sogenannte Fortentwicklung der ABM-Entgeltregelung. Im Klartext heißt das doch nur: weitere Kürzungen bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Diese Entscheidung ist besonders katastrophal für die östlichen Bundesländer; denn dort sind Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nie so sehr personenbezogen wie im Westen, sondern stärker projektorientiert. Sie zielen vorrangig auf eine Verbesserung der Angebotsbedingungen der Wirtschaft durch Infrastrukturverbesserung und Umweltsanierung. Da diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit Investivcharakter längerfristig angelegt sind und auch höhere Sachkosten notwendig sind, betrugen auch die Sachkostenzuschüsse 30 %. Sie wurden schon einmal gekürzt und sollen weiterhin gekürzt werden. Nach einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit — IAB — ist es im beachtlichen Umfang gelungen, ABM auf Defizitfelder im Infrastrukturbereich einzusetzen. Aber die Fortsetzung dieser Maßnahmen hängt davon ab, ob es weiterhin gelingt, die Finanzierung der Sachkosten sicherzustellen. An diesem Beispiel wird deutlich, daß nicht nur die Anzahl der AB-Maßnahmen, sondern auch ihre Ausstattung von entscheidender Bedeutung ist für eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Und genau an dieser Stelle will die Bundesregierung sparen. Vor Monaten ist der Bundesarbeitsminister schon einmal in die Knie gegangen, als der Bundeswirtschaftsminister für sein unsinniges Subventionsopfer 560 Millionen DM aus ABM-Mitteln zugesprochen bekam. Die damalige Kürzung wird in den westlichen Bundesländern dazu führen, daß 1992 maximal 40 000 Arbeitslose in ABM eintreten können. Das ist übrigens die niedrigste Zahl seit 1982. Damit vergrößert die Bundesregierung indirekt die Arbeitslosigkeit. Und der gewünschte Spareffekt wird nicht eintreten; denn Einsparungen bei den Mitteln für ABM stehen Mehrausgaben für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gegenüber. Darüber hinaus brechen bewährte Trägerstrukturen zusammen. So schreibt zum Beispiel die Altonaer Jugendarbeit e. V.: „Die Abdrosselung dieses Programms wird in relativ kurzer Zeit zur totalen Ausdünnung von Anleitungspersonal bei allen Beschäftigungsträgern führen und mithin zu dem Ergebnis, daß diese ihre Arbeit an Langzeitbeschäftigungslosen einstellen können. Ein Kollaps des gesamten Beschäftigungsprogramms wäre die Folge. Zu Recht demonstrieren die Kirchen, Sozialverbände und Arbeitsloseninitiativen gegen diese Kürzungsmaßnahmen. Besonders bedrückend ist die immer größer werdende Zahl von Langzeitarbeitslosen. Langzeitarbeitslosigkeit ist das zentrale arbeitsmarktpolitische Problem in Westdeutschland; es gewinnt aber auch in Ostdeutschland an Gewicht. Langzeitarbeitslosigkeit trifft besonders Familien mit mehreren Kindern. Dort ist der Abstieg in die Verarmung oft unausweichlich. Langzeitarbeitslosigkeit bewirkt soziale, seelische und gesundheitliche Belastungen. Spannungen in der Familie führen zu Scheidungen. Ausschreitungen, Alkoholmißbrauch, kriminelle Handlungen, Depressionen und Selbstmordversuche sind weitere Folgen. Alle seriösen und vom regierungsamtlichen Zweckoptimismus befreiten Prognosen sagen: Auf dem Arbeitsmarkt in Ost und West wird es nicht besser, sondern schlimmer. Daher muß einer aktiven und zukunftsweisenden Arbeitsmarktpolitik eine entscheidende Bedeutung zukommen. Arbeitsmarktpolitik hat zunächst einmal eine Feuerwehrfunktion. Das Löschen des Flächenbrandes insbesondere auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt wurde in Angriff genommen, darf aber noch nicht beendet werden. Regionen mit 50 und 60 % Arbeitslosigkeit, anstehende Massenentlassungen bei Treuhandbetrieben sind leider keine Einzelfälle. Es geht darum, materielle Not der Erwerbstätigen, die arbeitslos werden, zu vermeiden. Vorrangiges gesellschaftliches und politisches Ziel ist es, einer Verunsicherung in der Bevölkerung sowie der zu befürchtenden Massenabwanderung vorzubeugen. Arbeitsmarktpolitik hat aber ebenso eine Entlastungsfunktion: Sie ist kurzfristig auf konjunkturelle 8596* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 Situationen des Arbeitskräfteüberangebots ausgerichtet. Hier nutzt die Bundesanstalt für Arbeit entlastende Instrumente wie z. B. Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, vorgezogener Ruhestand und das Kurzarbeitergeld. Was macht aber diese Bundesregierung? Ausgerechnet diese aktiven Instrumente werden vernachlässigt. Selbst der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit äußert sein Unverständnis: Es handle sich bei den beruflichen Fortbildungskursen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen keinesfalls darum, Erwerbslose nur zu verstecken. Man dürfe nicht den „investiven" Charakter solcher Maßnahmen verkennen. So Heinrich Franke in der „Frankfurter Rundschau" vom 5. Juni 1992. Mittel- und längerfristig ist die Brückenfunktion der Arbeitsmarktpolitik von ausschlaggebender Bedeutung. Es geht darum, den Arbeitslosen und den von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen auf dem Weg zu einem neuen, dauerhaften Arbeitsplatz zu helfen. Es geht darum den Strukturwandel zu unterstützen und das Entstehen dauerhafter Arbeitsplätze vorzubereiten. Was macht die Bundesregierung? Fehlanzeige. Anstatt diese Brücken zu verstärken, bereitet diese Bundesregierung ihre Sprengung vor. Wir Sozialdemokraten wollen diese Brücken mit unserem Antrag „Sofortmaßnahmen zur Arbeitsmarktpolitik" stärken und bitten Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, mit uns Verstärkungspfeiler einzubauen, damit sie wenigstens für eine gewisse Zeit des Übergangs halten. Die wichtigen Eckpunkte unseres Antrags sind bekannt: Rücknahme der Kürzungen bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Westen; verbesserte Konditionen bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Osten; Verlängerung für das Altersübergangsgeld im Osten bis vorerst Ende dieses Jahres und Aufstockung für das Kurzarbeitergeld, wenn gleichzeitig eine Maßnahme zur beruflichen Fortbildung und Umschulung durchgeführt wird. Wir haben zur Verwirklichung dieser Initiative seriöse Deckungsvorschläge vorgelegt. Neben Arbeitern und Angestellten müssen auch die Selbständigen, Freiberufler und Beamten mit einem Arbeitsmarktbeitrag einen Teil der solidarischen Arbeitsmarktlasten für Ostdeutschland übernehmen. Die Sofortmaßnahmen halten wir angesichts der aktuellen arbeitsmarktpolitischen Situation für unabdingbar. Sie reichen allerdings nicht aus, um langfristig Vollbeschäftigung zu erreichen, und dienen wohl mehr als ein Reparaturinstrument für die verfehlte Politik dieser Bundesregierung. Deshalb ist unser Antrag „Sofortmaßnahmen" nur ein erster Schritt einer beschäftigungspolitischen Offensive der SPD-Bundestagsfraktion. Dazu gehören unsere Vorschläge zu einem Programm „Zukunftsorientierte Arbeitsmarktpolitik: Arbeit statt Arbeitslosigkeit" und der Antrag „Gemeinschaftsinitiative Neue Lander" . Schließlich wollen wir ein reformiertes Arbeitsförderungsgesetz, das den arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der Zukunft entsprechen soll. Dabei werden wir an bewährten Grundprinzipien festhalten: an der solidarischen Beitragsfinanzierung — ausgeweitet auf alle Erwerbstätigen und mit Bundesbeteiligung — ebenso wie am individuellen Rechtsanspruch auf Arbeitsförderung oder dem Ausgleich regionaler Arbeitsmarktchancen. Weiterentwickeln wollen wir das Instrumentarium des AFG in Richtung Stärkung der aktiven Maßnahmen gegenüber den passiven Ausgaben. In den 80er Jahren wurden nur noch ca. ein Drittel der Gesamtausgaben für aktive Maßnahmen wie Arbeitsbeschaffung, Qualifizierung und Eingliederungshilfen verwendet. Außerdem betont das Arbeitsförderungsgesetz zu sehr individuelle Überbrückungshilfen auf Kosten einer kollektiven Förderung. Wir wollen eine verstärkte und längerfristige Zielgruppenarbeit und eine intensive Projektförderung. Schließlich wollen wir auch die Kompetenzen innerhalb der Bundesanstalt für Arbeit stärker dezentralisieren, damit betrieblich und örtlich effektiver aktive Arbeitsmarktpolitik betrieben werden kann. Wir sollten nach 23 Jahren Erfahrung eine gründliche Reform des Arbeitsförderungsgesetzes vornehmen. Ich hoffe, daß alle verantwortlichen Kräfte im Interesse der Menschen unseres Landes daran mitarbeiten. Heinz Rother (CDU/CSU): Den von der SPD-Bundestagsfraktion eingebrachten Antrag zu „Sofortmaßnahmen zur Arbeitsmarktpolitik" lehnen wir ab. Dies folgt zum einen daraus, daß er verschiedene Forderungen enthält, die von der Bundesregierung bereits verwirklicht wurden, und zum anderen daraus, daß im Falle seiner Verwirklichung der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit und des Bundes weiter verstärkt belastet würden. Dieser Antrag stellt zwar eine Fülle von finanziellen Forderungen auf, aber er beantwortet nicht die Frage, wie dies alles finanziert werden soll. Im einzelnen ist zu dem Antrag folgendes zu sagen: Vor dem Hintergrund der angespannten Finanzsituation des Bundes und der Bundesanstalt für Arbeit sowie dem Anstieg der Beschäftigung im westlichen Bundesgebiet muß die Kürzung des Mittelansatzes für ABM in den alten Bundesländern gesehen werden. In einer derartigen Situation bedarf es der Prioritätensetzung, zumal für besondere Gruppen des Arbeitsmarktes spezielle Programme zur Verfügung stehen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang z. B. an das Sonderprogramm der Bundesregierung für Langzeitarbeitslose. Vielmehr sollte versucht werden, die ABM effizienter zu gestalten. Eine Möglichkeit, die zur Zeit diskutiert wird, besteht darin, einen Arbeitszeitabschlag von 20 % einzuführen, d. h. daß nur noch 80 % Arbeitszeit einer ABM gefördert werden sollen. Dies würde zu einer Streckung der Mittel führen, und so könnten mehr Personen an solchen Maßnahmen teil- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8597* nehmen. Wir müssen auch dem Mißbrauch von ABM entgegenwirken. Einen weiteren, meines Erachtens sehr guten Vorschlag, der meine volle Unterstützung findet, hat in diesem Zusammenhang Bundesarbeitsminister Norbert Blüm gemacht. Nach diesem Vorschlag soll die Bundesanstalt für Arbeit die Möglichkeit erhalten, die Beschäftigung von sonst Arbeitslosen in Projekten der Umweltsanierung durch einen pauschalierten Zuschuß zu den Lohnkosten in Höhe des ersparten Arbeitslosengeldes bzw. der ersparten Arbeitslosenhilfe zu fördern. Sanierungsunternehmen müßten die im übrigen erforderlichen Mittel für Lohn- und Sachkosten durch Eigenbeträge oder Leistungen anderer beteiligter Stellen (Unternehmen, Kommunen, Länder, Treuhand) sicherstellen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, an diesen Beispielen können Sie erkennen, daß mit phantasievoller Optimierung mehr zu erreichen ist als mit immer neuen Ausgabenprogrammen, die nicht finanzierbar sind. Zu Ihrer Forderung nach einer Laufzeit von mindestens einem Jahr für Neueintritte in AMB möchte ich bemerken, daß es in dieser Hinsicht für ABM keine absolute Regel gibt. Vielmehr ist im Einzelfall zu entscheiden, welche Laufzeit erforderlich ist, um den höchsten arbeitsmarktpolitischen Effekt zu erzielen. Eine Sachkostenförderung bei ABM ist im Rahmen des Haushaltsansatzes der Bundesanstalt für Arbeit weiterhin möglich. Ihrer Forderung, nach der die Regelentgelte für ABM wieder auf 90 % erhöht werden sollten, ist entgegenzuhalten, daß starre Entgelthöhen arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv sind. Der Zuschuß zum Arbeitsentgelt sollte entsprechend dem Eigeninteresse und der Eigenleistungsfähigkeit des Trägers flexibel gehandhabt werden. Ein bis zu 100 % reichender Zuschuß darf nur dann gewährt werden — und dies allein macht arbeitsmarktpolitischen Sinn —, wenn in der Maßnahme überwiegend Schwerbehinderte, ältere Arbeitslose, Frauen usw. beschäftigt werden. Weiterhin möchte ich feststellen, daß das Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost hinsichtlich der ABM von vornherein auf eine Laufzeit bis Ende 1992 ausgelegt war. Darüber hinaus hat der Bund neben der Finanzierung verschiedener Sonderprogramme der Bundesanstalt für Arbeit für das letzte und das laufende Jahr insgesamt rund 6 Milliarden DM überwiesen. Der Punkt 3 Ihres Antrages hat sich erledigt, da die Bundesregierung beschlossen hat, das Altersübergangsgeld für die neuen Bundesländer bis zum 31. Dezember 1992 zu verlängern. In unserem Entschließungsantrag begrüßen wir dies ausdrücklich. — Darüber sind viele Bürger in den jungen Ländern sehr froh, und ich möchte der Bundesregierung für ihre Entscheidung herzlich danken. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es tut mir besonders um die Menschen leid, die so plötzlich und unerwartet ihr Berufsleben beenden müssen und feststellen, daß die neue Wirtschaftsordnung sie sozusagen nicht mehr braucht. Viele von ihnen haben gerade in diese neue Wirtschaftsordnung große Hoffnungen gesetzt und werden nun enttäuscht. Aber gerade deshalb sind wir verpflichtet, die Betroffenen nicht ihrem Arbeitslosenschicksal zu überlassen, sondern ihnen einen geordneten Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen, sofern sie dies wünschen. Die beschlossene Verlängerung des Altersübergangsgeldes um ein halbes Jahr wird den Arbeitsmarkt um immerhin etwa 50 000 Arbeitssuchende entlasten. Allerdings belastet die mit der Verlängerung verbundene Leistungsgewährung die Bundesanstalt für Arbeit sowie den Bund mit erheblichen Mehrkosten. Und hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich wieder an das anknüpfen, was ich in diesem Hause in der letzten Woche in der Debatte über eine zukunftsorientierte Arbeitsmarktpolitik gesagt habe: Trotz der augenblicklichen Notwendigkeit können solche staatlichen Arbeitsmarktmaßnahmen wirklich nur das letzte Mittel, also die Ultima ratio, sein, um die schlimmsten sozialen Folgen zu mildern. Wir müssen vielmehr versuchen, mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten die Investitionstätigkeit in den neuen Ländern anzukurbeln, um auf diese Weise dauerhafte und konkurrenzfähige Arbeitsplätze zu schaffen. Dies wiederum erreichen wir nur, indem wir die Standortfaktoren entscheidend verbessern. Es sollte uns zu denken geben, daß westdeutsche Unternehmen 1992 in Ostdeutschland nur 33 Milliarden DM — so eine Umfrage des Ifo-Instituts — investieren; und das, obgleich von jeder investierten Mark 40 Pfennig — also 40 % — als staatliche Förderung an den Investor zurückfließen; so das von den Arbeitgebern getragene Institut der Deutschen Wirtschaft. Dagegen wird in Westdeutschland 1992 etwa im Umfang von 614 Milliarden DM investiert. Dies liegt mit Sicherheit nicht nur an den ungeklärten Eigentumsverhältnissen in den neuen Ländern. Deshalb wird es die wichtigste Aufgabe sein, hier neue Rahmendaten zu setzen. Solange dies aber noch nicht so ist, wie wir uns das alle wünschen, müssen noch von der Bundesregierung aus die erforderlichen Unterstützungsmaßnahmen ergriffen werden. Deshalb wird in einem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P., den der Ausschuß für Arbeit und Soziales diese Woche gegen die Stimmen der SPD verabschiedet hat, auch ausdrücklich die Bereitschaft der Bundesregierung begrüßt, die Investitionszulage zu verlängern. Es wird also von der Bundesregierung auf diesem Felde alles nur denkbar Mögliche und Vertretbare getan. Deshalb glaube ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß der Antrag der Opposition nichts wirklich Neues bringt, was nicht von der Bundesregierung bereits verwirklicht wurde. Der Rest sind Ausgabenprogramme, die nichts bringen und vor allem nicht finanzierbar sind. Damm ist dieser Antrag abzulehnen. Heinz Schemken (CDU/CSU): Die SPD-Fraktion läßt keinen Tag aus, um einen Aktivismus in Sachen Arbeitsmarkt vorzugeben, der wie immer von alten Strickmustern ausgeht, unter dem Motto: möglichst 8598* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 viel Staat, und die Sache ist geregelt. Die Fakten und die Lage in den neuen Bundesländern machen allerdings andere Maßnahmen dringend erforderlich. Wenn wir feststellen, daß die privaten Investitionen in den jungen Bundesländern gemessen an der Zahl der Erwerbstätigen bei nur 62 % des westdeutschen Niveaus liegen, so ist hier die Wirtschaft gefordert. Anders ist es bei den öffentlichen Investitionen: Hier werden mit 154 % weit mehr als im westdeutschen Teil erreicht. Wir brauchen dringend investive Ansätze und müssen darauf den Schwerpunkt und die Finanzmittel lenken. Konsumtive Ausgaben können deshalb nur da weiter geleistet werden, wo es wirklich keinen anderen Weg für die Betroffenen der Hinterlassenschaft der SED-Wirtschaft gibt. Nun haben wir schon mehr als einen zweiten Arbeitsmarkt errichtet, und es wird höchste Zeit, den Menschen über den Weg des ersten Arbeitsmarktes Perspektiven aufzuzeigen. Hier begrüßen wir die Maßnahmen der Bundesregierung, die diesem Ansatz gerecht werden. Einige Beispiele: erstens die Verlängerung der Investitionspauschale, zweitens die Investitionen im Verkehrsbereich — 14 Milliarden DM in 1992 —, drittens das Eigenkapitalhilfeprogramm von 4,5 Milliarden DM, viertens 143 000 ERP-Kredite von insgesamt 17 Milliarden DM, fünftens das Kommunalkreditprogramm mit 13,2 Milliarden DM. Jahreszeitlich bedingt hat sich die Zahl der Arbeitslosen auf 1,19 Millionen verringert. Seit 1990 sind rund 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern geschaffen worden. Auch dies sind Fakten, die in diese Diskussion gehören; denn wenn wir nur wie die SPD die angespannte Arbeitsmarktlage krisenhaft zuspitzen, tun wir erst einmal niemandem einen guten Dienst. Die SPD entwickelt im übrigen keinerlei Finanzierungsmodelle zu ihren arbeitsmarktpolitischen Forderungen. Wir würden den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit und des Bundes unverantwortlich überfordern. Wir werden uns deshalb auch auf andere Wege einstellen müssen. Die Gestaltung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen müssen auf ihre Effizienz überprüft werden. Eine phantasievolle Optimierung der ABM auch durch Beteiligung der Länder sollte erreicht werden. Da es für die Laufzeit der ABM-Maßnahmen keine absolute Regelung gibt, müßte es möglich sein, berufliche Qualifizierung und ABM zu kombinieren. Die Brückenfunktion von ABM hat sich bewährt, aber es sollte auch wirklich eine Brückenfunktion zum eigentlichen Arbeitsmarkt sein. Die Sorge um die Arbeitslosen in der schweren Zeit der Umstellung von der Plan- und Kommandowirtschaft der SED auf die soziale Marktwirtschaft teilen wir sicher mit allen hier im Hause. Wir begrüßen deshalb die Entscheidung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung unter Zustimmung des Finanzministers, das Instrument des Altersübergangsgeldes weiter bis zum 31. Dezember 1992 einzusetzen. Mehr als einer halben Million älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist damit die Möglichkeit eröffnet worden, sozial verträglich in den Ruhestand zu wechseln, sicher eine Entlastung auch für die angespannte Arbeitsmarktlage. Abschließend möchte ich noch einmal auf die Notwendigkeit der dringend erforderlichen Investitionen im wirtschaftlichen Bereich verweisen. Dazu brauchen wir Vertrauen und keine Krisenstimmungsmache. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 19 (Gerätesicherheitsgesetz) Dr. Gisela Babel (F.D.P.): Einen wichtigen Bereich des Arbeits- und zugleich des Verbraucherschutzes regelt das Gerätesicherheitsgesetz. Mit der vorliegenden Novelle, die wir heute verabschieden, werden die einschlägigen EG-Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt, was Änderungen der bisherigen Konzeption erforderlich macht. Diese Umsetzung muß nicht nur aus EG-rechtlichen Gründen, sondern gerade auch im Interesse der deutschen Wirtschaft jetzt schnell geschehen, damit auch die Länder das Erforderliche rasch veranlassen können. In meiner Fraktion ist die Befürchtung geäußert worden, hierdurch werde die Wirtschaft über Gebühr belastet, es werde eine Prüfungsbürokratie aufgebaut, und letztlich werde dem Europagedanken geschadet. Ich nehme diese Bedenken sehr ernst. Wenn die F.D.P. diesem Gesetz dennoch zustimmt, so deshalb, weil der deutsche Gesetzgeber verpflichtet ist, diese Richtlinien vollständig und ohne Abweichungen umzusetzen, denn nur so ist sichergestellt, daß deutsche Produkte ungehindert in den EG-Mitgliedstaaten vertrieben werden können und daß der Binnenmarkt Realität wird. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, daß die grundlegende „Maschinen-Richtlinie" gegen den Widerstand der Bundesrepublik mit Mehrheit beschlossen wurde. Es muß auch daran erinnert werden, daß zu Beginn des Gesetzesvorhabens Befürchtungen laut wurden, daß diese Regelungen zu einer permanenten Kontrolle des Einzelhandels führen könnte, daß also Überlegungen Wiederauferstehung feiern könnten, die wir 1979 gemeinsam „versenkt" hatten. Zu Recht hatte damals der Kollege Pohlmann (CDU) darauf hingewiesen, daß bei einer generellen Einbeziehung des Handels „diese Betriebe i. d. R. nicht in der Lage sind, die sicherheitstechnische Beschaffenheit aller technischen Arbeitsmittel ihres Vertriebsprogramms zu überprüfen". Es ist sehr erfreulich, daß die Bundesregierung in Abstimmung mit Industrie und Handel jetzt einen gangbaren Weg gefunden hat. So ist klargestellt, daß eigene Maßnahmen der Verantwortlichen Vorrang vor behördlichen Aktivitäten haben. Dies bedeutet, daß Verfügungen gegen einen Händler, der von Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8599* einem ihm eingeräumten Rückgaberecht Gebrauch gemacht hat, nicht zu treffen sind. Damit werden die tragenden Grundsätze der bewährten „gemeinsamen Erklärung der Spitzenverbände von Industrie und Handel vom 9. 7. 1979" nicht in Frage gestellt. Wir haben damals und heute — gemeinsam — die besondere Bedeutung des „GS"-Zeichens für die Betriebe, Arbeitnehmer und Verbraucher hervorgehoben. Wir wissen, daß das Zeichen „Geprüfte Sicherheit" entgegen manchen Erwartungen in der Wirtschaft zu einem Qualitätsmerkmal geworden ist, an dem sich viele orientieren. Gerade weil dies so ist, und weil dies möglichst auch so bleiben sollte, ist es verständlich, daß die EG mit ihrem „CE"-Zeichen den gleichen Weg beschritten hat. Deshalb gilt es aber auch, die Bedeutung des „GS"-Zeichens in möglichst breitem Umfang aufrechtzuerhalten. Die dem Gesetzentwurf zugrunde liegende EG- Maschinen-Richtlinie sieht auch Mindestvoraussetzungen vor, die — untechnisch formuliert — die Prüfstellen erfüllen müssen. So weit, so gut. Kritisiert wird von der Wirtschaft das Akkreditierungsverfahren und das Fehlen eines Rechtsanspruches auf Zulassung. Wir gehen davon aus, daß das Akkreditierungsverfahren möglichst unbürokratisch gehandhabt wird und daß dann, wenn die fachlichen und sachlichen Voraussetzungen vorliegen, die Länder den Anträgen auf Akkreditierung nachkommen werden. Lassen Sie mich auch eine andere Problematik ansprechen, die mir besonders am Herzen liegt. Da in diesem Bereich die EG-Richtlinien eine Totalharmonisierung vorsehen, wird in diesen Fragen am Bundestag mehr oder weniger vorbei entschieden. Deshalb ist vor Entscheidungen im Rat eine Konsultation des Bundestages bzw. des zuständigen Ausschusses oder der zuständigen Ausschüsse unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Sozialpartner geboten. Dies setzt allerdings voraus, daß wir auch bereit sind, uns rechtzeitig damit zu beschäftigen. Meiner Ansicht nach wäre es sinnvoll, wenn die Bundesregierung nur mit Zustimmung des Parlaments bzw. des entsprechenden Ausschusses handeln dürfte. Es kann doch nicht angehen, daß die Kompetenzen des Bundesrates im Hinblick auf Europa ausgeweitet werden, die Rechte des Deutschen Bundestages aber völlig beiseite geschoben werden. Insofern begrüße ich nachdrücklich die in diese Richtung zielende Initiative des Kollegen Kleinert in der Verfassungskommission und hoffe auf Unterstützung all derjenigen, die es mit der Kontrollfunktion des Parlaments ernst nehmen. Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU): Das heute zu beratende Gerätesicherheitsgesetz ist für die betriebliche Praxis von erheblicher Bedeutung. Deswegen ist es wichtig, im Blick auf den gemeinsamen europäischen Binnenmarkt auch auf diesem Gebiet rechtzeitig die Weichen zu stellen. Dies wird durch dieses zweite Gesetz zur Änderung des Gerätesicherheitsgesetzes getan. Rein gesetzestechnisch wird der Anwendungsbereich des Gesetzes und die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen so erweitert, daß damit alle technischen Geräte, die in den Verkehr gebracht werden sollen, zum Schutz der Arbeitnehmer und Verbraucher, in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht erforderlichen Maßnahmen, geregelt werden können. Dabei werden die Vorschriften der Gewerbeordnung über überwachungsbedürftige Anlagen zur besseren Überschaubarkeit vollständig in das Gerätesicherheitsgesetz übernommen. Diesem Entwurf wird die Durchführung des Gerätesicherheitsgesetzes EG-konform ausgestaltet. Über den Inhalt dieses Gesetzes besteht im großen und ganzen Einvernehmen. Gefragt wird jedoch, ob es nicht an der Zeit ist, die bisherigen Regelungen durch ein umfassendes Arbeitsschutzgesetzbuch zu lösen. Diese Forderung hört sich natürlich sehr gut an, wenngleich es mit der Forderung nach neuen Gesetzesbüchern so ist, wie wenn man entscheidungsbedürftige Fragen zunächst einmal wieder in eine Kommission zurückverweist. Wenn man ein umfassendes Arbeitsschutzgesetzbuch schaffen möchte, so ist es nicht damit getan, die jetzt vorhandenen Gesetze einfach zusammenzuschreiben. Dann können wir es nämlich genauso belassen. Es bedarf einer sehr gründlichen und ausführlichen Diskussion nicht nur hier im Parlament, sondern unter Einbeziehung aller beteiligten Kräfte; denn schließlich geht es hier in entscheidenem Maße um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und auf der anderen Seite um die Arbeitssicherheit für die Arbeitnehmer. Wie ist aber der aktuelle Zeithorizont? Rechtzeitig zum Beginn des gemeinsamen Binnenmarktes liegen eine Reihe von Rahmenrichtlinien der EG für den Bereich des Arbeitsschutzes vor. Dies hat gerade der Deutsche Bundestag mit Nachdruck gefordert. Ich erinnere daran, daß es der deutsche Bundeskanzler war, der auf die Realisierung der sozialen Dimension immer wieder gedrängt hat. Nunmehr ist das deutsche Recht damit in Übereinstimmung gebracht worden. So wie Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, heute fordern, daß wir ein umfassendes Arbeitsschutzgesetzbuch benötigen, so kritisieren Sie morgen, daß die Umsetzung der EG-Rahmenrichtlinien nicht rechtzeitig gelungen sei, dies bis Ende des Jahres nicht erledigt ist. Aus diesem Grund gibt es zum jetzigen Vorgehen überhaupt keine Alternative. Es mag sein, daß das Arbeitsschutzrecht nicht gerade einen Preis für Übersichtlichkeit gewinnen kann; es ist aber inhaltlich überall mit als vorbildlich anerkannt. Nicht zuletzt deswegen werden von vielen Staaten Anfragen an uns gerichtet, um dieses „Know-how" zu übernehmen. Aus diesem Grund erscheint es der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für richtig, jetzt pragmatisch vorzugehen und eine Lösung der anstehenden Fragen zur rechten Zeit vorzunehmen. Dies heißt natürlich nicht, daß damit alle weiteren Überlegungen für alle Ewigkeit erledigt sind. Nur sollten wir nun etwas abwarten, bis sich das ganze in der Praxis bewährt, um dann zu klären, was im Sinne einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft, die 8600* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 auch ganz bewußt Wert auf die Arbeitssicherheit legt, an weiterer Gesetzgebung notwendig ist. Hieraus aber eine Forderung von augenblicklich größter Dringlichkeit zu machen wäre weit überzogen und nur der politischen Polemik zuzurechnen. Dazu ist der Arbeitsschutz sicher nicht geeignet. Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung: Der europäische Integrationsprozeß ist nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein sozialer Prozeß. Ein wesentliches Element dieser sozialen Dimension liegt im Bereich des Arbeitsschutzes. Die EG-Richtlinien liegen auf dem Tisch. Sie müssen jetzt in nationales Recht umgesetzt werden. Das erste Vorhaben dazu ist die Novellierung des Gerätesicherheitsgesetzes. Ziel ist einerseits der freie Warenverkehr, aber auch die Verhinderung der Vermarktung unsicherer technischer Erzeugnisse. Wir verbessern damit die gesetzlichen Grundlagen zur Umsetzung wichtiger Binnenmarktrichtlinien wie z. B. über Anforderungen an Maschinen und persönliche Schutzausrüstungen. In ganz Europa Gerätesicherheit auf hohem Niveau. — An die Stelle unserer nationalen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften treten nun die grundlegenden Sicherheitsanforderungen der EG-Richtlinien und die zu ihrer Konkretisierung notwendigen europäischen Normen. Daran wirken wir mit und bringen das bei uns erreichte hohe Sicherheitsniveau ein. Wir wollen Gerätesicherheit auf hohem Niveau, und zwar in ganz Europa. Ein Schritt nach dem anderen — zur Zeit noch kein Arbeitsschutzgesetzbuch. — Der Einigungsvertrag gibt uns auf, das Arbeitsschutz im geeinten Deutschland neu zu ordnen. Wir müssen dies in Übereinstimmung mit dem EG-Recht tun. D. h. wir sind auch an die zeitlichen Vorgaben gebunden, und diese zwingen uns zu einem schrittweisen Vorgehen. Die jetzt machbaren Schritte dürfen deshalb nicht zurückgestellt werden, bis wir uns über ein „Arbeitsschutzgesetzbuch" geeinigt haben. Die bisherige Diskussion hat gezeigt, daß dazu auch bei den Ländern noch unterschiedliche Vorstellungen bestehen, insbesondere hinsichtlich des Umfangs und des Anwendungsbereiches. Es stellt sich z. B. die Grundsatzfrage, wie weit der im Gerätesicherheitsgesetz verankerte Verbraucherschutz dann wieder ausgeklammert, eingeschränkt oder umfassend einbezogen werden muß. Bis wir das ausdiskutiert haben, sind die Umsetzungsfristen aus den EG-Richtlinien längst überschritten. Der zweite Schritt: Gesetz über Sicherheit und Gesundheitsschutz. — Für eine zügige Umsetzung dieser Richtlinien — der sogenannten Arbeitsschutzrahmenrichtlinie der EG und der dazugehörigen Einzelrichtlinien — soll deshalb als zweiter Schritt ein neues Gesetz über „Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit" folgen. So können schnell konkrete Fortschritte für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Arbeitsschutzrecht erzielt werden. Dies muß unser vorrangiges Ziel sein. Wir wollen ein Europa, in dem den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ihre Gesundheit am Arbeitsplatz erhalten bleibt. Lassen Sie uns dieses Ziel gemeinsam verwirklichen! Renate Rennebach (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Gerätesicherheitsgesetzes wird endlich eine bereits seit langem dringend notwendige gesetzliche Regelung geschaffen, um die im deutschen Recht bislang geltenden Unzulänglichkeiten und Unübersichtlichkeiten gemäß den bestehenden EG-Richtlinien abzubauen. Insofern begrüßen wir Sozialdemokraten diesen Entwurf, denn wir halten eine Angleichung und Harmonisierung von Rechtsvorschriften über Anforderungen an technische Geräte für zwingend erforderlich, insbesondere im Hinblick auf die Beseitigung technischer Hemmnisse beim Warenverkehr innerhalb der EG-Mitgliedsstaaten. Gleichwohl bzw. gerade deshalb kann ich der Bundesregierung die kritische Anfrage nicht ersparen, warum ein solch komplexes und dichtes technisches Regelwerk in so kurzer Zeit beraten werden mußte, und zwar auch noch vor dem Hintergrund, daß das Arbeitsministerium diese Novellierung so lange verschleppt hat. Was das Gerätesicherheitsgesetz selbst betrifft, so berührt es vor allem zwei Bereiche, den Arbeitsschutz und den Verbraucherschutz. In beiden Bereichen sehen wir jedoch noch erheblichen zukünftigen Handlungsbedarf. Der Grund, warum wir diesem Gesetzentwurf trotzdem zustimmen, liegt einzig darin, daß wir einen endlich in Gang gekommenen Prozeß nicht aufhalten wollen; an dessen Fortführung und Verbesserung muß in Zukunft noch kräftig gearbeitet werden. Diese anstehenden Aufgaben und Erfordernisse will ich im folgenden kurz umreißen: Hinsichtlich des Verbraucherschutzes haben die Verbraucherverbände kritisiert, daß die vorliegende Novelle des Gerätesicherheitsgesetzes keine qualitativen Verbesserungen des Verbraucherschutzes beinhalte. Wir Sozialdemokraten stimmen dem voll zu und sehen folglich ebenso die Notwendigkeit, daß grundsätzlich die Orientierung am „Stand der Technik" erfolgen sollte und nicht nur an den „ allgemein anerkannten Regeln der Technik", worauf das Gerätesicherheitsgesetz abstellt. Dies ist ein erheblicher qualitativer Unterschied, den es in Zukunft zu überbrücken gilt. Gleiches gilt auch für die „bestimmungsmäßige Verwendung" von Geräten, auf die das Gerätesicherheitsgesetz abstellt. Erforderlich wäre hierbei jedoch das Primat des „vorhersehbaren Gebrauchs" von Geräten. Auch in dieser Hinsicht besteht also weiterer Handlungsbedarf im Sinne eines wirklichen und wirksamen Verbraucherschutzes. Wir werden auf dessen gesetzliche Umsetzung drängen und hinarbeiten. In ganz besonderem Maße bleibt jedoch der Bereich des Arbeitsschutzes zu verbessern. Wir Sozialdemokraten haben — eben weil uns der Arbeitsschutz so am Herzen liegt — erneut die Schaffung eines umfassenden Arbeitsschutzgesetzbuches gefordert. Leider ist unser entsprechender Entschließungsantrag am Widerstand der Koalitionsfraktionen gescheitert. Dies wird jedoch weder etwas an dessen Notwendigkeit Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8601* noch an unserem steten Eifer ändern, auf dieses Arbeitsschutzgesetzbuch weiterhin zu drängen. Ich weise in diesem Zusammenhang erneut auf die Verpflichtung aus dem Einigungsvertrag hin, wo in Artikel 30 eindeutig der Auftrag erteilt wird, „das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht einschließlich der Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit und den besonderen Frauenarbeitsschutz möglichst bald einheitlich neu zu kodifizieren". Insofern würde ich es außerordentlich begrüßen, wenn sich die Koalitionsfraktionen noch einmal — und vielleicht diesmal etwas intensiver — mit dem Inhalt unseres Entschließungsantrages beschäftigen würden. Sie würden dann nämlich feststellen, daß ein umfassendes Arbeitsschutzgesetzbuch die einzige sinnvolle Maßnahme ist, um alle Bereiche des technischen und sozialen Arbeitsschutzes und damit auch den Bereich der Geräte- und Anlagensicherheit wirksam einzubeziehen. Wenn den Damen und Herren der Koalition ein solcher umfangreicher Schutz tatsächlich auch wichtig sein sollte, dann bin ich frohen Mutes, daß sie sich unserer Forderung nicht mehr lange verschließen werden. Ich betone deshalb noch einmal ausdrücklich: Unsere Zustimmung zur Novellierung des Gerätesicherheitsgesetzes erfolgt nur deshalb, weil wir dieses Gesetz für einen ersten Schritt in die richtige Richtung halten und weil wir gleichzeitig die Hoffnung haben, daß die weiteren Schritte mit Hilfe der Koalitionsfraktionen bald erfolgen können. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 20 (Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bulgarien über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa) Gernot Erler (SPD): Heute ratifiziert der Deutsche Bundestag den Freundschaftsvertrag mit Bulgarien, der am 9. Oktober 1991 zwischen den damaligen Außenministern Genscher und Walkow unterzeichnet und am 3. Juni 1992 im Auswärtigen Ausschuß einstimmig gebilligt wurde. Es wird dies der letzte Tagesordnungspunkt und Beschluß des Bundestages vor seiner Sommerpause sein: Eine schöne Symbolik, wenn man sie auf den Vertrag überträgt mit dem Wunsch, daß er die Türen zwischen beiden Partnern noch weiter für Zusammenarbeit, Verständnis und Freundschaft öffnen möge! Der Freundschaftsvertrag mit Bulgarien belegt in einer Reihe von fünf Abkommen zeitlich den zweiten Platz: Mit Polen war die Bundesrepublik im Juni 1991 über einen Text einig geworden, dann folgte im Oktober Bulgarien; Ungarn und die CSFR folgten im Februar 1992 und im April Rumänien. Das öffentliche Bewußtsein im Westen betrachtet aber immer noch als Europa-Partner nur die drei Länder der sogenannten Trigonale, also Polen, CSFR und Ungarn als erstrangig. Erst im Abstand folgen Bulgarien, Rumänien und Albanien. Diese Rangfolge mit konkreten Folgen für die Kooperation stellt einen Anachronismus dar. Bulgarien hat in aller Stille aufgeholt. Wie alle seine Nachbarn leidet das Land zwar unter ökonomischen Brüchen der Übergangsperiode: Die Inflationsrate liegt in der ersten Hälfte 1992 bei 20 %, die Zahl der Arbeitslosen hat die halbe Million (15 %) überschritten und auch Bulgarien wird in diesem Jahre seine Auslandsschulden von 11 Milliarden Dollar nicht vermindern können. Trotzdem überwiegt zu Recht der Optimismus. Denn inzwischen hat das Land in korrekten Wahlen mit Schelju Scheljew einen international geachteten Demokraten gewählt, der sich von den nationalistischen Tönen seines Gegenkandidaten nicht anstekken ließ. Eine allen demokratischen Anforderungen genügende Verfassung wurde geschaffen. Die Parlamentsarbeit prägt ein stabiles Drei-Parteien-System, wobei die ehemaligen Kommunisten die Oppositionsrolle wahrnehmen müssen. Die Reformgesetzgebung in Richtung marktwirtschaftlicher Verhältnisse geht schrittweise vorwärts, wobei die Bedingungen für ausländische Investitionen bereits jetzt erheblich verbessert sind. Bei der derzeitigen politischen Mehrheit hat der Ausgleich mit der türkischen Minderheit einen hohen Rang — nachdem unter dem kommunistischen Präsidenten Schiwkow die Unterdrückung der türkischsprachigen Bevölkerung zwischen 1985 und 1989 zu einem gravierenden internationalen Ansehensverlust geführt hatte. Es gibt auch Sorgen, bei denen zu helfen der Freundschaftsvertrag motivieren sollte. Bulgariens Wirtschaft wird — ähnlich wie die Ungarns — durch die UN-Sanktionen gegen Serbien hart getroffen: Ein Ausgleich dafür wäre nichts weiter als fair. Der Vertrag betont das gemeinsame Interesse an Rüstungsexportkontrolle — aus Not liberalisiert und verstärkt Sofia derzeit seine Waffenexporte, was unsere Unterstützung nicht finden kann und auch keine dauerhafte Stabilisierung der bulgarischen Volkswirtschaft bringen wird. Wenn der jugoslawische Krieg weiter nach Süden wuchert, drohen von der Mazedonienfrage Unsicherheiten. In der Bilanz beeindruckt der bulgarische Reformprozeß. Bei manch anderem Land in Osteuropa gibt es derzeit schlimme Rückschläge. Noch sehen wir keinen Ausweg aus Regierungsschwäche und Parteienzersplitterung in Polen. Niemand kann sagen, wie auch das Auseinandergehen von Tschechen und Slowaken dort die notwendigen Transformationsprozesse verlangsamen wird. In Ungarn, ohne Zweifel dem Land mit den besten Reformerfolgen bis heute, blickt man voller Sorgen auf die Geschehnisse in Bratislava und in der Vojvodina. Nein, Bulgarien hat es nicht verdient, nur mit dem Stichwort Kosloduj in Verbindung gebracht zu werden! Das Land, dessen Erfolge „Europas bestgehütetes Geheimnis" sind (Lawrence Eagleburger), verdient mehr Beachtung und Unterstützung als ein Stabilitätsanker im wogenden politischen Umfeld einer sich ausbreitenden Balkan-Krise. Der Freundschaftsvertrag kann dazu bei- 8602* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 tragen, wenn er mit Leben gefüllt wird. Bulgarien gehört in die erste Reihe! Klaus Francke (Hamburg) (CDU/CSU): Eine gerechte und dauerhafte europäische Friedensordnung ist die wichtigste Grundlage für ein friedliches Zusammenleben der Staaten und Völker in Europa — in einem vereinten und freien Europa, in dem Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geachtet werden, und in einem Europa, in dem der Friede durch ein umfassendes Netzwerk der vertraglichen Sicherheitspartnerschaft gewährleistet wird. Der einzig mögliche Weg dorthin ist die Einbindung der ehemaligen Ostblockstaaten in das europäische Einigungswerk. Durch ihre historisch gewachsene Verantwortung, ihre geographische Lage und ihr ökonomisches Gewicht fällt der Bundesrepublik Deutschland hier eine besondere Rolle zu: Deutschland steht in der Verantwortung, mit allen reformfreudigen osteuropäischen Staaten die gleichen Freundshcafts- und Kooperationsbeziehungen aufzunehmen und zu pflegen, wie es dies bereits durch die Nachbarschaftsverträge mit Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn erfolgreich getan hat. Aus dem einstigen kommunistischen Machtbereich sind bisher Polen, die CSFR und Ungarn in den Europarat aufgenommen worden, Bulgarien ist seit dem 7. Mai dieses Jahres das 27. Mitglied des Europarates. Das verpflichtende Bekenntnis zu Rechtsstaat und Demokratie, das bei der Aufnahme in den Europarat zu leisten ist, macht den großen Wandel Bulgariens seit den Wahlen vom Juni 1990 deutlich. Angesichts der fundamentalen Veränderungen in Europa stellt der deutsch-bulgarische Freundschaftsvertrag die Verbindungen zwischen der Republik Bulgarien und der Bundesrepublik Deutschland auf eine neue, zukunftsorientierte Grundlage. Seine Ziele sieht er in der Zusammenarbeit und dem Austausch zwischen den beiden Ländern auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Kultur, der Wissenschaft sowie der Technologie, und nicht zuletzt in der Bekämpfung von Umweltschäden. Der Partnerschaftsvertrag nimmt die Tradition der guten bilateralen Beziehungen wieder auf und leistet mit seinen vielfältigen Verpflichtungen zu gegenseitiger Annäherung und Kooperation einen entscheidenden Beitrag zur Überwindung der Teilung Europas und zur Gewinnung politischer Stabilität auf dem Kontinent. Es ist dringend erforderlich, gute Voraussetzungen zu schaffen für die volle Eingliederung Bulgariens in die Europäische Gemeinschaft. Schon in seiner Überschrift verknüpft der Vertrag die bilateralen Beziehungen mit der europäischen Perspektive. Er ist darauf ausgerichtet, die weitere politische und wirtschaftliche Heranführung Bulgariens an Europa zu fördern, um alsbald ein Assoziierungsabkommen mit den Europäischen Gemeinschaften möglich zu machen. Die Grenzen in Europa werden ihren trennenden Charakter in dem Maße verlieren, in dem wirtschaftliche und soziale Unterschiede abgebaut werden. Die Überwindung des Entwicklungsgefälles als eines höchst sensiblen Gradmessers für das Zusammenwachsen der europäischen Völker ist von größter Notwendigkeit. Es gilt, die unnatürliche Trennung zwischen dem westlichen und dem östlichen Teil Europas baldmöglichst zu überwinden. In diesem Sinne verdeutlicht sich im deutsch-bulgarischen Freundschaftsvertrag der beiderseitige Wille zum Aufbau kooperativer Strukturen in Europa auf der Grundlage der KSZE-Dokumente. Bulgarien und die anderen Staaten des früheren Ostblocks wissen besser als so mancher im Westen, was es heißt, ohne Freiheit und ohne Demokratie pluralistischen Zuschnitts leben zu müssen. In den Ländern, die jahrzehntelang unter dem Joch der kommunistischen Diktatur zu leiden hatten, ist der Prozeß der Umgestaltung nur unter großen Mühen und Schwierigkeiten zu bewältigen. Sie stehen vor der Herausforderung, sich in freiheitlich-demokratisch verfaßte Staatswesen umzuwandeln, in denen wirtschaftlicher und sozialer Wohlstand entwickelt werden kann, in denen die Menschenrechte geachtet werden, in denen geistige und kulturelle Vielfalt gedeihen. Der Weg, den Bulgarien eingeschlagen hat, ist richtig, und es ist bereits ein ganzes Stück vorangekommen. Von den vorgenommenen Reformschritten sind als wichtigste die Ratifizierung eines demokratischen Verfassungsgesetzes und die damit verbundene Schaffung eines unabhängigen Verfassungsgerichtes zu nennen. Die neue Verfassung schützt erstmals wichtige Individualgrundrechte wie den Grundsatz der Menschenwürde oder die Gleichheit vor dem Gesetz. Bemerkenswert sind des weiteren die Währungsreform sowie die folgenden Gesetze: das Privatisierungsgesetz, das Handelsgesetz, das Investitionsgesetz zum Schutz ausländischer Wirtschaftstätigkeit, das Restitutionsgesetz für städtisches und landwirtschaftliches Eigentum, das Banken- und Kreditwesengesetz sowie das Gesetz zum Schutz des Wettbewerbs. Nach der Überwindung des Schiwkoff-Regimes bewährt sich nun die erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg demokratisch legitimierte Regierung. Nicht zuletzt ihr gutes Verhältnis zur türkischen Minderheit, von der sie im Parlament unterstützt wird, ihre verantwortungsbewußte Rolle in der Mazedonienfrage und ihre mit Augenmaß gestaltete Außenpolitik bringen ihr Anerkennung. Bulgarien ist zu einem Stabilitätsfaktor in der Balkan-Region herangewachsen. Durch die Ratifizierung des deutsch-bulgarischen Freundschaftsvertrages und indem wir ihn dann in die Tat umsetzen, helfen wir diesem Land, auf seinem Weg nach Europa einen weiteren Schritt nach vorne zu tun. Ich empfehle dem Hohen Hause die Ratifizierung des Vertrages. Ulrich Irmer (F.D.P.): Heute besiegeln wir den Vertrag mit einem Land, mit dem es keine Probleme der gemeinsamen Vergangenheit gibt, ja das Deutschland in besonderer Weise verbunden ist. Wenn die Kontakte zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Bulgarien über Jahrzehnte hinweg eher sporadisch waren, so lag dies ausschließlich an Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8603* dem ideologischen Graben und dem repressiven Schiwkow-System. Nunmehr sind wir gefordert, diesem Land auf seinem Weg in eine bessere, in eine europäische Zukunft zu helfen. Nach Überwindung des Kommunismus und nach Etablierung eines demokratischen Systems ist Hauptziel die Hinwendung zum Westen. Diese wird durch bilaterale Verträge nach dem Muster des heute vorliegenden Vertrages sowie durch Eingliederung in multilaterale Organisationen angestrebt. Der Beitritt zum Europarat im letzten Monat sowie die vorgesehene Assoziierung an die Europäische Gemeinschaft sind hierbei erste, dringend notwendige Schritte. Das gleiche gilt für die bereits erfolgte Aufnahme in den NATO-Kooperationsrat sowie in das WEU-Konsultativforum. Hierdurch bemüht sich Sofia, die durch die Auflösung des Warschauer Paktes entstandene Sicherheitslücke politisch zu schließen. Daß die deutschbulgarischen Beziehungen frei von Problemen sind, ist nicht nur eine Frage der geographischen Entfernung beider Lander. Seit Erlangung der bulgarischen Unabhängigkeit vor mehr als hundert Jahren ist der kulturelle Austausch in günstigen Zeiten beispielhaft gewesen, in politischen Problemzeiten nie ganz erloschen. Hierfür spricht u. a. die große Zahl der Bulgaren, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg ihre Ausbildung in Deutschland, darunter auch der früheren DDR, erhielten. Nachdem die dem Kulturaustausch hinderlichen politischen Schwierigkeiten entfallen sind, entwickelt sich die Zusammenarbeit in beispielhafter und vielversprechender Weise. Inzwischen ist eine Reihe deutsch-bulgarischer Freundschaftsvereine entstanden. Der Aufbau der Hochschulzusammenarbeit und des deutschen Stipendienangebotes dokumentieren die Intensivierung der beiderseitigen Beziehungen. Die Nachfrage nach deutschen Stipendien für alle Altersgruppen und Fachgebiete ist geradezu überwältigend. Das Regierungsabkommen über kulturelle Zusammenarbeit, das bereits aus dem Jahre 1975 stammt, ist in den letzten beiden Jahren mit besonderem Leben erfüllt worden. Das wiedervereinigte Deutschland hat sich zur Aufgabe gemacht, in der Frage der kulturellen Präsenz die frühere Position der DDR zu übernehmen und auszubauen. Dies gilt für die Anzahl der Deutsch-Lektoren und -Lehrer im Lande ebenso wie für die Fakultät für deutsche Ingenieur- und Betriebswirtschaftsausbildung an der Technischen Universität Sofia. Neben den in Deutschland weitergebildeten bulgarischen Dozenten unterrichten dort auch von deutschen Partnerhochschulen entsandte Lehrkräfte. Das GoetheInstitut, das jetzt eine attraktive Unterbringung im Zentrum Sofias in Aussicht hat, vermag nur mühsam der großen bulgarischen Nachfrage nach Sprachkursen, Seminaren und Bücherausleihe nachzukommen. Der heute vorliegende Vertrag knüpft an frühere Beziehungen an und gibt ihnen eine neue, der Gegenwart gemäße Gestalt. Als Felder werden abgesteckt: Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie, kultureller Austausch, menschliche Begegnungen und nicht zuletzt die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Umweltschäden. Neben regelmäßigen Treffen der Außenminister befürwortet der Vertrag Konsultationen auf allen Ebenen. Um den Menschen zugute zu kommen, fördert er direkte Kontakte gesellschaftlicher Gruppen, z. B. der politischen Parteien, der Gewerkschaften, der Stiftungen und der Sportorganisationen. Einen ganz besonderen Stellenwert genießen Treffen zwischen deutschen und bulgarischen Jugendlichen. Sie sollen unmittelbar erfahren, wie Europa zusammenwächst, damit die Zukunft unseres Kontinents durch seine Menschen Bestand hat. Angesichts scheinbar näherliegender Probleme geraten wir in Gefahr zu vergessen, daß Bulgarien ein integraler Teil unseres Kontinents und unseres Kulturkreises ist. Mit seinem mutigen und friedlich vollzogenen Schritt in Richtung Demokratie hat es den Weg zu uns zurück eingeschlagen, einen Weg, auf dem wir es nach Kräften unterstützen müssen. Die Assoziierung an die Europäische Gemeinschaft wird dazu beitragen, die schwierige Aufgabe des Reformprozesses abzusichern, der Wirtschaft und Gesellschaft eine Perspektive und insbesondere den Menschen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu geben. Ein mutiges und kohärentes Reformprogramm wird Opfer verlangen. Möge unsere Mithilfe dazu beitragen, daß dieses Werk gelingt. Auch dieser Vertrag gibt uns Anlaß, daran zu erinnern, daß die Völker und Staaten über einst trennende ideologische und gesellschaftliche Grenzen hinweg auf allen Ebenen wieder zueinanderfinden. Reichen wir unseren alten Freunden in Bulgarien die Hand. Sie warten auf mehr als nur eine Geste der Freundschaft und Zusammenarbeit. Dr. Hans Modrow (PDS/Linke Liste): Der heute zur Ratifizierung vorgelegte deutsch-bulgarische Partnerschaftsvertrag wurde am 9. Oktober des vergangenen Jahres in Sofia unterzeichnet. Von vielen wurde dieser Schritt begrüßt, sahen und sehen sie doch auch in diesem Vertrag einen weiteren wichtigen Baustein jenes neuen Vertragswerkes, das die Beziehungen des vereinten Deutschland mit den ost- und südosteuropäischen Staaten auf eine neue Grundlage stellt und damit zu Stabilität in Europa beitragen soll. Aber gerade deshalb haben wir nicht das geringste Verständnis dafür, daß die Bundesregierung die Ratifizierung dieses ordnungsgemäß ausgehandelten und unterzeichneten Vertrages so lange hinausgezögert hat. Es ist dies nicht der erste Fall. In der heutigen äußerst zugespitzten Situation auf dem Balkan bringt Zeitverlust auch politischen Verlust. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn erneut historische Ressentiments die Runde machen. Die Verzögerung ist um so bedauerlicher, als die Erarbeitung dieses Vertrages von günstigen Umständen begleitet wurde: Zwischen beiden Staaten gibt es keine traumatisch belastende Vergangenheit, die bilateralen Beziehungen werden auch nicht durch andere Probleme getrübt. 8604* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 Für die sorgfältige Pflege und Entwicklung der Beziehungen zu diesem Balkanland sprechen eine Reihe von Faktoren. Wie kaum ein anderes Land in dieser Region liegt es am Kreuzungspunkt der Verbindungen zwischen Europa und Nahost, ist es Schnittpunkt verschiedener Kulturkreise. In dieser Region treffen, wie die Geschichte mehrfach in verhängnisvoller Weise bewiesen hat, die verschiedensten Interessen von Nationen und Staaten scharf aufeinander. Es liegt deshalb auch in unserem Interesse, zu einer prosperierenden Entwicklung, zur Lösung der großen ökonomischen und sozialen Probleme beizutragen. Niemand kann ein Interesse daran haben, wenn sie sich in Bürgerkrieg oder anderen Konflikten mit großen Gefahren für das übrige Europa entladen. Bei der Verwirklichung dieses Vertrages sollte nicht außer acht gelassen werden, daß Bulgarien aus gemeinsamer Geschichte erwachsene enge Beziehungen zu Rußland unterhält und nach wie vor weitgehend intakte Zugänge zu den Ostmärkten, speziell zu den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, hat. Es hat ein gut ausgebildetes Facharbeiterpotential und eine qualifizierte technischnaturwissenschaftliche Intelligenz. Hinzu kommt eine fast sprichwörtliche Aufgeschlossenheit gegenüber seinem Umfeld wie auch Europa insgesamt. Alles Gründe, um diesen umfassenden Kooperationsvertrag mit seinen perspektivischen Aussagen zu allen wesentlichen Bereichen der bilateral en Zusammenarbeit zielstrebig zu verwirklichen. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um diesen Vertrag durch konkrete Schritte der Zusammenarbeit umzusetzen und das Verhältnis zu diesem Balkanstaat stabil und für beide Seiten nützlich auszubauen. Gerd Poppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundestagsgruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmt dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bulgarien zu, wie sie dies auch bei den Verträgen mit Polen, der CSFR und Ungarn getan hat. Im Unterschied zu den lebhaften und ausführlichen Debatten im Bundestag anläßlich der Verabschiedung dieser Verträge wird der Vertrag mit Bulgarien nicht zu einer Debatte genutzt. Wir bedauern dies ausdrücklich. Die Zustimmung zu einem Vertrag verkommt so zur rein formalen Legitimation staatlichen Handelns. Dies erweckt den Eindruck parlamentarischen Desinteresses an den Beziehungen zu einem europäischen Nachbarland, das sich auf dem Weg zu Demokratie und Marktwirtschaft befindet und dabei auch unserer, der deutschen, Hilfe bedarf. Es scheint, als lohnte es im Bundestag nicht, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit einem Land zu führen, in dem es weder eine deutsche Minderheit noch eine Diskussion über die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland gibt. Alle diese Verträge mit den mittel- und osteuropäischen Nachbarn können aber nur die Umrisse für eine Zukunft freundschaftlicher Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa zeichnen. Dies tut auch dieser Vertrag. Wirklichkeit können sie aber nur in dem Maße werden, wie die Gesellschaften beider Länder an diesem Prozeß teilnehmen. Wir als Mitglieder des Parlaments haben gerade auch die Aufgabe, die Probleme und Schwierigkeiten der jeweiligen Länder zur Kenntnis zu nehmen und die Öffentlichkeit — nicht zuletzt mittels einer Debatte im Bundestag —damit vertraut zu machen. Wie die genannten und bereits ratifizierten Verträge mit den anderen östlichen Nachbarstaaten enthält auch dei Vertrag mit Bulgarien eine Fülle von Vereinbarungen zur Zusammenarbeit und zur Entwicklung enger Beziehungen. Es wäre nützlich, in diesem Zusammenhang z. B. über die besonderen Probleme Bulgariens bei der Entwicklung eines pluralistischen Parteiensystems und eines demokratischen Rechtswesens zu diskutieren. Wir verfolgen mit Interesse und Sorge das Zunehmen nationalistischer Töne in Bulgarien, die unzureichende Berücksichtigung von Minderheitenrechten — vor allem der Türken, Pomacken und Gagausen — in der neuen Verfassung, ebenso auch das Weiterbestehen der früheren Geheimpolizei unter anderem Namen, die Debatte um die Wiedereinführung der Monarchie und die ersten mühsamen Schritte zur Wirtschaftsreform. Wenn es uns, angefangen im Bundestag, nicht gelingt, die konkreten Probleme der Reform bewußt wahrzunehmen und über sie zu diskutieren, wird sich eine gefährliche Schere zwischen staatlichen Versprechen und gesellschaftlichem Desinteresse auftun. Eine ausführliche Debatte anläßlich der Ratifizierung des Vertrages mit Bulgarien wäre eines der Mittel gewesen, einer solchen Tendenz entgegenzuwirken. Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: In der heutigen abschließenden Sitzung im Deutschen Bundestag steht die parlamentarische Entscheidung über den deutsch-bulgarischen Partnerschaftsvertrag an. In den Beratungen dieses Vertrages im Bundesrat und in den Ausschüssen des Bundestages ist einhellige Zustimmung zum Ausdruck gekommen. Dieser Vertrag baut auf bilateralen Beziehungen auf, die frei von Problemen sind. Traditionell stehen die Bulgaren Deutschland mit großer Sympathie gegenüber. Schon lange beschränkten sich die Beziehungen nicht nur auf die Regierungsebene, sondern werden durch zahlreiche Kontakte der Bundesländer ergänzt. Wir begrüßen, daß auch seitens der neuen Bundesländer versucht wird, aktiv die Beziehungen zu Bulgarien mitzugestalten. Die Wirtschaftsbeziehungen entwickeln sich trotz der Anpassungsprobleme lebhaft. Bulgarien konnte seine Ausfuhr nach Deutschland erheblich steigern und hat inzwischen einen Ausfuhrüberschuß zu seinen Gunsten erwirtschaftet. Am 8. Mai 1992 wurde ein deutsch-bulgarisches Umschuldungsabkommen über ein Volumen von rund 135 Millionen DM unterzeichnet. Mit ihm wird ein wichtiger Beitrag zur Bewältigung des deutschbulgarischen Zahlungsbilanzproblems geleistet. Der Unterstützung des wirtschaftlichen und sozialen Umgestaltungsprozesses Bulgariens gilt unser besonderes Augenmerk. Sie erfolgt sowohl multilate- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 100. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. Juni 1992 8605 * ral als auch bilateral. Der wirtschaftspolitischen und finanzpolitischen Beratung messen wir dabei große Bedeutung bei. Die kulturelle Zusammenarbeit mit Bulgarien entwickelt sich rege. Hier macht sich das große Interesse an Deutschland und der deutschen Sprache bemerkbar. Dies spüren besonders das Goethe-Institut, aber auch die politischen Stiftungen. Sie leisten wichtige Bildungsmaßnahmen für den politischen und wirtschaftlichen Reformprozeß. Das große Interesse Bulgariens an Deutschland und der deutschen Sprache war der Motor für die Einrichtung je eines deutschsprachigen Lehrganges für Maschinenbau und Betriebswirtschaft an der TH Sofia im Oktober 1991. Der Lehrplan lehnt sich an deutsche Lehrpläne an. Diese vielfältige Zusammenarbeit bietet eine gute Chance für die weitere Entwicklung des bilateralen Verhältnisses. Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Bulgarien haben sich stetig entwikkelt. Der deutsch-bulgarische Vertrag wird ihnen einen zusätzlichen Impuls verschaffen. Wir können bereits feststellen, daß seit Abschluß des Vertrages zahlreiche neue Maßnahmen der Zusammenarbeit in Angriff genommen worden sind. Sie zielen besonders auf die Förderung des Reformprozesses. Wir wollen Bulgarien in seinen Bemühungen, Demokratie und soziale Marktwirtschaft weiter zu festigen, aktiv unterstützen. Nicht überall ist bekannt, daß der politische Reformprozeß in Bulgarien seit 1989 beachtliche Fortschritte gemacht hat. Er ist in vielerlei Hinsicht mit dem Stand des Reformprozesses in den mitteleuropäischen Staaten vergleichbar. In dem durch die Jugoslawien-Krise heftig geschüttelten Südosteuropa stellt Bulgarien einen Faktor der Stabilität dar. Insofern hat der Ihnen jetzt zur Zustimmung vorliegende Vertrag eine wichtige Funktion in der umfassenden europäischen Friedensarchitektur, die wir gemeinsam mit unseren Partner und Freunden in EG und NATO schaffen wollen. Nach der einhelligen Zustimmung in den Ausschüssen bin ich zuversichtlich, daß auch dieses Haus ein klares, positives Votum zu dem Vertrag abgibt. Um dieses Votum möchte ich Sie jetzt bitten. Anlage 14 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 22. Juni 1992 den Antrag der Fraktion der SPD Regierungserklärung zur Lage der Nation — Drucksache 12/2793 — zurückgezogen. Die Gruppe der PDS/Linke Liste hat mit Schreiben vom 15. Juni 1992 den Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS/Linke Liste Aufenthaltsbefugnis, Abschiebestopp und Aufhebung der Visumspflicht für Bürgerkriegsflüchtlinge aus BosnienHerzegowina — Drucksache 12/2630 — sowie den Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Grüppe der PDS/Linke Liste Aufenthaltsbefugnis, Abschiebestopp und Aufhebung der Visumspflicht und anderer die Einreise erschwerende Maßnahmen für Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien — Drucksache 12/2702 — zurückgezogen. Die Gruppe der PDS/Linke Liste hat mit Schreiben vom 19. Juni 1992 den Antrag der Abgeordneten Bernd Henn, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste Allgemeine Vorruhestandsregelung ab dem 55. Lebensjahr — Drucksache 12/1214 — zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 12/1518 Nr. 3 Haushaltsausschuß Drucksache 12/2257 Nr. 3.5 Drucksache 12/2867 Nr. 2.3 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 12/210 Nrn. 117, 122, 123 Drucksache 12/269 Nr. 2.27 Drucksache 12/1174 Nr. 2.5 Drucksache 12/1449 Nrn. 2.5, 2.6 Drucksache 12/2003 Nrn. 2.2, 2.3, 2.4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/1838 Nr. 3.15 Drucksache 12/2257 Nr. 3.66 Drucksache 12/2582 Nr. 2.30 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 12/ 2315 Nrn. 2.15, 2.16
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Uwe-Jens Heuer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stellen mit Genugtuung fest, daß der heute vorliegende Gesetzentwurf zum Vermögensgesetz eine Reihe nicht unbedeutender Verbesserungen gegenüber der Vorlage erfahren hat. Die Anhörung hat gewisse Wirkung gezeigt.
    Unser spezieller Dank gilt gerade auch der Landesregierung von Brandenburg in ihrem Engagement für die Beseitigung bzw. Abschwächung einiger ursprünglicher Festlegungen. Die Stichtagsregelung wurde abgemildert; bis Ende des Jahres soll über die Zukunft der Ferienheime entschieden werden — das hängt allerdings von Entschließungen ab, über die heute noch abzustimmen ist; die Zugriffsrechte der Kommunen auf das von der Treuhandanstalt verwaltete Land werden erheblich gestärkt und anderes.
    Dennoch sehen wir uns nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, weil die Verbesserung noch längst nicht konsequent genug erfolgt ist. Die Situation Ostdeutschlands wurde ganz deutlich in der Anhörung des Rechtsausschusses in Potsdam am 21. Mai 1992. Der Mieterbund des Landes Brandenburg charakterisierte die Situation mit den Worten:
    Den Verfassern des Entwurfs muß völlige Unkenntnis der Verwaltungspraxis in der DDR entgegengehalten werden.
    Wie ein roter Faden zog sich die Ablehnung der Stichtagsregelung durch die Anhörungsprotokolle. Ich zitiere noch einmal den brandenburgischen Mieterbund:
    Die Prüfung der Redlichkeit des Erwerbs nach dem 18. Oktober 1989 nach dem Einzelfall ist der einzig gangbare Weg.
    Es kann ganz einfach nicht sein, daß das Datum des Rücktritts Erich Honeckers dafür herhalten muß. Das ist offenbar kein historisch begründetes Argument für diesen Stichtag. Es habe sich nicht bestätigt, wurde dort von Professor Dr. Richard Schröder gesagt, daß sich nach dem 18. Oktober vor allem die alten Garde bedient habe,
    Das Gesetz vom 7. März 1990, beschlossen von der Volkskammer zur Zeit der Modrow-Regierung, wurde am 17. Juli 1990 von der de Maizière-Regierung bestätigt. Das heißt, es war einheitliche Auffassung beider Regierungen, auch der de Maizière-Regierung, daß diese Regelung zweckmäßig und sinnvoll sei. Es ging darum, daß Nutzer, die jahrelang Häuser sanierten oder modernisierten, auf Boden, der ihnen nicht gehörte, bauten, ihre Ansprüche sichern können, daß die Aufwendung von Arbeitskraft und das Anlegen eines Spargroschens nicht eines Tages umsonst waren.
    Ich muß gestehen, Herr Geis,

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Ich bin hier!)

    daß es mich etwas amüsiert, Sie in der Verkleidung des Revolutionärs zu erleben.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das steht mir doch gut!)

    Sie haben hier davon gesprochen, daß Sie das Eigentum der breiten Volksschichten schützen wollen.

    (Zuruf von der SPD: Herr Geis ist ein Konterrevolutionär!)

    — Er muß sich selber einschätzen.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie haben doch die Revolution gemacht, oder nicht?)

    — Ich nicht. — Sie haben vom Eigentum breiter Volksschichten gesprochen. Ich meine, das Eigentum, dessen Besitzer jetzt enteignet werden, ist Eigentum breiter Volksschichten.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Wenn Sie keine Revolution gemacht hätten, würden Sie ja nicht hier stehen!)

    Herr Geis, Ihre Bemerkung, daß es um Neueigentum gehe, ist interessant. Sie akzeptieren im Grunde, daß der Nutzer in dieser DDR faktisch weitgehend Eigentümer war.

    (Zuruf des Abg. Norbert Geis [CDU/CSU])

    — Nein, er war es. — Ihn gilt es jetzt neu zu schützen.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Norbert Geis [CDU/CSU]: Dann kennen Sie das Eigentumsrecht der Bundesrepublik Deutschland nicht! Das ist etwas anderes als Mieten!)

    Es ist meiner Ansicht nach offensichtlich — das führte auch der Landrat Hartmut Pelz aus Potsdam aus —, daß die gesetzliche Aufhebung der staatlichen Verwaltung sozialen Sprengstoff liefert. Die tatsächliche Folgerung wäre, daß sich Nutzer und Alteigentümer vor den ordentlichen Gerichten streiten müßten.



    Dr. Uwe-Jens Heuer
    Es fände eine Verlagerung des Verwaltungsaufwands statt.

    (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS/Linke Liste]: Ein Skandal!)

    Wir sind gegen eine solche Entscheidung.
    Warum ist zwischen Alteigentümern und Nutzern meist kein Konsens möglich? Das liegt meines Erachtens daran, daß der erste in seinem Häuschen nur wohnen will, während der zweite dieses Grundstück überwiegend — ich glaube nicht, daß Sie das bestreiten können — als Kapitalanlage ansieht, daß er selber meist nicht im entferntesten daran denkt, es nach erfolgter Rückgabe zu bewohnen, daß er nur auf den Verkaufserlös spekuliert und nicht versteht, daß er den Nutzer damit seiner Existenz beraubt. Das ist das eigentliche Kernproblem für uns.
    Was mich in der gesamten Debatte über das Vermögensgesetz so eigenartig berührt hat, waren das Maß an Unverständnis hinsichtlich des gesellschaftlichen Lebens in der DDR und auch die Überheblichkeit, mit der einige aus den Westländern stammende Politiker argumentieren.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste — Norbert Geis [CDU/CSU]: Das gesellschaftliche Leben der DDR wollten die Leute doch damals gar nicht!)

    Sie meinen zum einen, in den DDR-Bürgern eigentlich verkappte Bundesbürger ausmachen zu können, die nach der bundesdeutschen Prämisse „Das wichtigste Buch ist das Grundbuch" dachten und vom 18. Oktober an so plötzlich massenhaft spekulieren wollten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ich bin froh, daß ich im Grundbuch stehe!)

    Offensichtlich ist es kein böser Wille; die Westpolitiker vermögen eben oft nicht zu begreifen, daß die Erwerber von Land in der Endphase der DDR einfach das von ihnen seit langem ohne Probleme genutzte Land auch künftig behalten wollen, und zwar unter den Bedingungen einer sich abzeichnenden neuen Eigentums- und Rechtsordnung, die ansonsten ihre Besitzerrechte bedrohte.
    Bei der überwältigenden Masse war das Motiv nicht Spekulation, sondern die nackte Existenzangst bzw. die nun endlich gegegebene Chance zum Eigentumserwerb.
    Die Menschen im Osten kämpfen darum, wohnen zu können. Sie wollen ihre Datschen behalten; sie wollen das Recht auf Wohnen gegen Kapitalspekulationen schützen.
    Nun kam in den Diskussionen immer wieder das Argument, der Erwerb von Grund und Boden sei nicht zu marktüblichen Konditionen erfolgt; der Erwerb von Boden in der DDR sei deshalb generell etwas Anomales gewesen. Sie können einfach nicht begreifen, daß es in dem fremden Land DDR 40 Jahre lang ein anderes Gesellschaftssystem mit einem anderen, in den Augen vieler durchaus bürgerfreundlichen Bodenrecht gab.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Ein tyrannistisches Gesellschaftssystem, ein menschenunwürdiges Gesellschaftssystem!)

    Schließlich verfahren einige nach der Methode „Man schlägt den Sack und meint den Esel". Da wird immer wieder der ominöse Stasi-General bemüht, der Land erworben habe. Weil dies aber auf jeden Fall ausgeschlossen werden müsse, könne es nach dem 18. Oktober überhaupt keinen redlichen Erwerb gegeben haben.
    Bei mir regt sich der Verdacht, daß hier mehr oder weniger bewußt Feindbilder aufgebaut werden, einfach um die Landnahme der Alteigentümer aus Westdeutschland im Osten ideologisch zu flankieren. Ostspekulanten sind demnach allesamt zutiefst unmoralisch oder zumindest verdächtig, unmoralisch zu sein. Zur Spekulation legitimiert sind allein die Westdeutschen.
    Unsere Vorschläge laufen auf die Umkehr des Grundsatzes „Rückgabe vor Entschädigung", auf die dauerhafte Sicherung der Nutzungsrechte, auf die Streichung der Stichtagsregelung hinaus und wenden sich gegen die Aufhebung der staatlichen Verwaltung. Wir schlagen die Begründung eines Erbbaurechts vor, wobei wir auch für andere Lösungen z. B. volles Eigentum oder lebenslanges Wohnrecht, offen sind.
    Für mich ist eine zentrale Frage: Welchen Rang hat in dieser Bundesrepublik Deutschland das Recht auf Wohnraum? Wie wird die Relation des Rechts auf Wohnen zur Allmacht des Privateigentums sein? Das ist eine Frage, die wir auch in der Verfassungskommission hart und kontrovers diskutiert haben. Es gibt nach meiner Ansicht in Ostdeutschland und in Westdeutschland einen wirklichen Konflikt zwischen der sozialstaatlichen Verpflichtung von Staat und Gesellschaft, für die Verwirklichung des Rechts auf eine angemessene Wohnung zu sorgen, und der Allmacht eines nicht gebändigten Privateigentümers. Ich meine, daß das eine der zentralen Fragen für uns sein wird.
    Als ich heute früh hierher ging, traf ich vor dem Bundeskanzleramt Vertreter des Mieterbundes. Eine der Vertreterinnen sagte zu mir: Wir wollen ruhig arm sein; wir wollen nur unsere Häuser, unsere Datschen behalten. Die Jagd nach Reichtum, sagte sie, sei eine Dämonisierung und treibe die Menschheit in das Elend.
    Ich meine, wir sollten auch diese Vorstellung berücksichtigen. Nach meiner Ansicht haben Ost- und Westdeutschland gemeinsam die Frage des Rechts auf Wohnen gleichberechtigt mit der Rolle des Privateigentums zu sehen. Das Privateigentum insofern sozial zu bändigen ist nach meiner Ansicht ein Gebot der Sozialstaatlichkeit.
    Ich danke für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nun hat der Abgeordnete Joachim Gres das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Joachim Gres


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Schlußberatung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes verabschieden wir ein umfangreiches, höchst kompliziertes Gesetzespaket, das erst in den konzentrierten



    Joachim Gres
    Beratungen der letzten Wochen und Tage seine endgültige Form gefunden hat.
    Ich möchte an dieser Stelle einen herzlichen Dank an die Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums richten, die in wirklich aufopferungsvoller Art und Weise rund um die Uhr in den letzten Tagen ganz vorzügliche Arbeit geleistet haben. Ich glaube, ohne diese Arbeit wäre es uns nicht gelungen, dieses Gesetz heute vor der Sommerpause zu verabschieden. Ich danke ihnen dafür, glaube ich, im Namen des gesamten Hauses.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die grundsätzliche Schwierigkeit bei der Erarbeitung dieses Gesetzes lag darin, daß einerseits Lebenssachverhalte, die unter zwei unterschiedlichen Rechtssystemen entstanden sind, einer einheitlichen Regelung zugeführt werden mußten, die in rechtsstaatlicher und fairer Art und Weise die unterschiedlichsten Interessen ausgleicht und Investitionen in den neuen Bundesländern da noch weiter erleichtert, wo dies durch gesetzliche Regelungen überhaupt möglich ist, und daß andererseits die Rechte der ehemals aus ihrem Eigentum vertriebenen Personen und Gruppen zu schützen waren, bei aller Anerkennung der Notwendigkeit der Förderung von Investitionen.
    Herr Hacker, Sie haben vorhin bei diesem Gesetzgebungsvorhaben von einem „Sprint" gesprochen. Das ist wohl richtig. Nur, auch im Sport gelten Regeln. Man kann nicht mitten im Sprint die Aschenbahn plötzlich um 50 m verkürzen. Dann ist das Ergebnis für die Beteiligten nicht sehr fair.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das ist wahr!)

    Eine zusätzliche Komplizierung hat sich besonders daraus ergeben, daß in der ehemaligen DDR das formale Recht oft nur eine leere Hülse war und faktisch ohne Rücksicht auf diese formale Rechtsordnung der DDR gehandelt wurde, so daß rein rechtstatsächlich zunächst bestimmte teilweise chaotische Verhältnisse systematisiert werden mußten, um sie dann auf dieser Basis einer endgültigen abstrakten Regelung in Gesetzesform überhaupt zuführen zu können. Das waren die Schwierigkeiten, vor denen wir standen.
    Ich erinnere daran, daß wir vor eineinviertel Jahren, als wir das Hemmnisbeseitigungsgesetz hier verabschiedeten, deswegen schon genau wußten, daß dieses Hemmnisbeseitigungsgesetz nur der erste Schritt auf dem Weg zur Erleichterung der Investitionen sein werde.
    Ich will zum zweiten eingangs grundsätzlich sagen, daß das Paket der gesetzlichen Maßnahmen im Rahmen des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes das Maximum dessen darstellt, was im Rahmen unserer Verfassung und des Einigungsvertrages erreichbar und zulässig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz trägt an vielen Stellen die unübersehbaren Merkmale eines Kompromisses, die auch auf Grund der Vorfeldgespräche mit den Vertretern der neuen Bundesländer und auch mit der Opposition im Rechtsausschuß und den anderen mitberatenden Ausschüssen erörtert wurden.
    Ziel war es, das Gesetz mit seinen zahlreichen sehr hilfreichen Änderungen der jetzigen Rechtslage rasch, und zwar noch vor der Sommerpause, zu verabschieden, weil in der Situation der neuen Bundesländer erst recht der alte Grundsatz gilt, daß der doppelt hilft, der rasch hilft. Das ist uns, glaube ich, in der konzentrierten Beratung, in den letzten Tagen, für die ich allen danke, gelungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Uwe Küster [SPD]: Wer langsam hilft, zahlt doppelt!)

    Aus der Vielzahl positiver Neuregelungen, die das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz bringt, kann ich hier aus Zeitgründen nur einige Beispiele nennen:
    Ich begrüße zunächst vor allem die Einführung eines einheitlichen Investitionsvorranggesetzes, das alle bisherigen und neuen Vorfahrtsregelungen bei Immobilien- und Unternehmensinvestitionen in einer schlanken und leicht verständlichen Form zusammenfaßt und bündelt.
    Ich merke allerdings in diesem Zusammenhang kritisch an, daß die jetzt vorgesehene Möglichkeit der Vorhaben- und Erschließungsplanung der Gemeinde mittels einer ungenehmigten Satzung und unter Verdrängung der Restitutionsansprüche der betroffenen Alteigentümer erhebliche Ansprüche an die Verantwortung der Kommunalparlamente und der Stadtverwaltungen stellen wird. Es darf auf keinen Fall sein, daß im Rahmen von maßgeschneiderten Investorenplanungen mittels derartiger städtischer Satzungen wichtige und tragende städtebauliche Grundsätze außer Kraft gesetzt werden oder daß gar die Entscheidung über Restitutionsansprüche von Alteigentümern von den Ämtern bewußt auf die lange Bank geschoben wird, um möglichst lange einen Schwebezustand beizubehalten, der den Erlaß einer derartigen Vorhabenssatzung ermöglicht. Wir werden sehen, wie die Städte und Gemeinden in den neuen Bundesländern mit diesem Instrumentarium zurechtkommen und umgehen.
    In diesem Zusammenhang kündige ich an, daß wir die SPD-Änderungsanträge auf den Drucksachen 12/2952, 12/2953 und 12/2950 ablehnen werden, weil wir die von der SPD geforderten Möglichkeiten der Kommunen, durch solche Vorhabensatzungen auch durch Städtebausanierungsmaßnahmen den Alteigentümer zu verdrängen, nicht für richtig halten. Die Gründe dafür haben wir in der Fachberatung dargestellt.
    Ich begrüße neben vielen anderem, etwa der Aufhebung der staatlichen Verwaltung, auch — ich glaube, das sollte man hier auch noch einmal sagen — die Sicherung der Restitutionsansprüche der jüdischen ehemals Verfolgten und ihrer Rechtsnachfolger. Das ist mir persönlich, der ich aus Frankfurt komme, ein Anliegen. Daß uns das gelungen ist, finde ich außerordentlich anerkennenswert. Es war der Sache angemessen.



    Joachim Gres
    Ich begrüße, daß wir eine Moratoriumsregelung gefunden haben, die bis zu dem abschließenden Sachenrechtsbereinigungsgesetz den Bürgern, die z. B. auf fremdem Grund und Boden Bauten errichtet haben, Sicherheit gibt. Wir glauben nicht, daß es Sinn hat, im Sinn des SPD-Änderungsantrages für dieses Moratorium keine Frist vorzusehen. Zum einen setzt uns die Frist, die wir uns selber setzen, unter Handlungszwang. Zum anderen arbeiten wir mittlerweile schon intensiv an dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz und es ist sichergestellt, daß bis zum Ablauf dieser Frist die endgültige Sachenrechtsbereinigung geschafft und vom gesamten Hause verabschiedet sein wird, so daß es des Änderungsantrages der SPD nicht bedarf.
    Kritisch ist aus meiner Sicht aber die jetzt vorgesehene Regelung der Stichtagsproblematik zu bewerten. Die völlige Aufhebung der Stichtagsregelung, wie es die SPD fordert, kam und kommt für uns aus den bekannten Gründen nicht in Betracht. Sie alle kennen unsere Gründe. Es bestehen hierbei erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Es sind auch erhebliche Gerechtigkeitsbedenken zu berücksichtigen, weil am Ende natürlich, ohne das die SPD es will, eine Reihe von SED-nahen Erwerbern von Liegenschaften, die sie in der Umbruchzeit zu unverhältnismäßig günstigen Preisen gekauft haben, von der Aufhebung des Stichtags erheblich profitieren würde.
    Es gilt um so mehr, daß wir diese Stichtagsregelung nicht vollständig aufheben können, weil sie in der Praxis ohnehin nur auf einen begrenzten Kreis von Erwerbsvorgängen Anwendung finden wird.

    (Abg. Norbert Otto [Erfurt) [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Lassen Sie mich erst diesen Gedanken zu Ende führen.