Plenarprotokoll 12/86
Deutscher Bundestag
Stenographischer Bericht
86. Sitzung
Bonn, Freitag, den 20. März 1992
Inhalt:
Vor Eintritt in die Tagesordnung:
Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Dr. Jürgen Warnke 7121 A
Wahl der Mitglieder des Beirats beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik . . 7121 A
Tagesordnungspunkt 11:
a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (Drucksachen 12/988, 12/2288)
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (4. BBankGÄndG) (Drucksachen 12/1869, 12/2288)
Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup CDU/CSU 7121D Dr. Norbert Wieczorek SPD . . 7122C, 7128 C
Edgar Meister, Staatsminister des Landes Rheinland-Pfalz 7123 D
Hermann Rind F.D.P 7125 C
Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 7126 C
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär
BMF 7128 A
Detlev von Larcher SPD 7129B
Eike Ebert SPD 7130 C
Hermann Rind F.D.P 7132 A
Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/
CSU 7132 C
Christine Lieberknecht, Ministerin des Landes Thüringen 7133 D
Udo Haschke (Jena) CDU/CSU (Erklärung
nach § 31 GO) 7135B
Tagesordnungspunkt 12:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Aufnahme von Krediten durch die Treuhandanstalt (Treuhandkreditaufnahmegesetz — THA KredG) (Drucksache 12/2217)
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksachen 12/433, 12/1203)
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Entschuldung der Treuhandunternehmen (Drucksachen 12/615, 12/1204)
d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Fach- und Rechtsaufsicht über die Treuhandanstalt (Drucksachen 12/618, 12/1205)
e) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/ Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reorganisation und Verwertung des ehemaligen volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) (Drucksachen 12/552, 12/2139)
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär
BMF 7136 A
II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. März 1992
Helmut Esters SPD 7138A
Arnulf Kriedner CDU/CSU 7140 C
Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 7142A
Werner Zywietz F.D.P. 7143 D
Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 7145 C
Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste 7146B
Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 7147B
Arnulf Kriedner CDU/CSU 7148A
Hinrich Kuessner SPD 7149A
Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 7150 C
Dietrich Austermann CDU/CSU 7151 C
Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 7153 A
Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär
BMWi 7154 A
Zusatztagesordnungspunkt 8:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 53 zu Petitionen (Drucksache 12/2294) 7155C
Zusatztagesordnungspunkt 9:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 54 zu Petitionen (Drucksache 12/2295) 7155 C
Tagesordnungspunkt 13:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Christian Lenzer, Dirk Fischer (Hamburg), Erich Maaß (Wilhelmshaven), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann, Jürgen Timm, Manfred Richter (Bremerhaven), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Elektrofahrzeuge (Drucksachen 12/1361, 12/2247)
Bärbel Sothmann CDU/CSU 7155D
Siegmar Mosdorf SPD 7157 B
Jürgen Timm F D P 7159B
Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/
Linke Liste 7160D
Bernd Neumann, Parl. Staatssekretär
BMFT 7161D
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/
CSU 7164B
Siegmar Mosdorf SPD 7164 C
Bodo Seidenthal SPD 7165 C
Zusatztagesordnungspunkt 10:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Norbert Geis, Erwin Marschewski, Horst Eylmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Detlef Kleinert (Hannover), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jörg van Essen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verkürzung der Juristenausbildung (Drucksache 12/2280)
Eckhart Pick SPD 7167 C
Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. 7168D
Nächste Sitzung 7170 C
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 7171* A Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 10 (Gesetz zur Verkürzung der Juristenausbildung)
Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU 7172* A
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär BMJ . 7173* A
Anlage 3
Amtliche Mitteilungen 7173* D
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. März 1992 7121
86. Sitzung
Bonn, den 20. März 1992
Beginn: 9.00 Uhr
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich
Berger, Johann Anton SPD 20.03.92
Bleser, Peter CDU/CSU 20.03.92
Böhm (Melsungen), CDU/CSU 20.03.92*
Wilfried
Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 20.03.92*
Dr. von Billow, Andreas SPD 20.03.92
Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 20.03.92
Clemens, Joachim CDU/CSU 20.03.92
Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 20.03.92
Duve, Freimut SPD 20.03.92
Dr. Eckhardt, Peter SPD 20.03.92
Dr. Ehmke (Bonn), Horst SPD 20.03.92
Ehrbar, Udo CDU/CSU 20.03.92
Dr. Faltlhauser, Kurt CDU/CSU 20.03.92
Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 20.03.92
Francke (Hamburg), CDU/CSU 20.03.92
Klaus
Fuchs (Köln), Anke SPD 20.03.92
Gallus, Georg F.D.P. 20.03.92
Gattermann, Hans H. F.D.P. 20.03.92
Gerster (Mainz), CDU/CSU 20.03.92
Johannes
Gries, Ekkehard F.D.P. 20.03.92
Hasenfratz, Klaus SPD 20.03.92
Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 20.03.92
Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 20.03.92
Heyenn, Günther SPD 20.03.92
Dr. Hoth, Sigrid F.D.P. 20.03.92
Jelpke, Ulla PDS/LL 20.03.92
Jeltsch, Karin CDU/CSU 20.03.92
Kohn, Roland F.D.P. 20.03.92
Kolbe, Manfred CDU/CSU 20.03.92
Koschnick, Hans SPD 20.03.92
Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 20.03.92
Günther
Dr. Krause (Bonese), CDU/CSU 20.03.92
Rudolf Karl
Kubicki, Wolfgang F.D.P. 20.03.92
Kuhlwein, Eckart SPD 20.03.92
Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 20.03.92
Karl-Hans
Lamp, Helmut Johannes CDU/CSU 20.03.92
Lange, Brigitte SPD 20.03.92
Lattmann, Herbert CDU/CSU 20.03.92
Lehne, Klaus-Heiner CDU/CSU 20.03.92
Lenzer, Christian CDU/CSU 20.03.92
Meckel, Markus SPD 20.03.92
Dr. Müller, Günther CDU/CSU 20.03.92*
Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 20.03.92
Neumann (Bramsche), SPD 20.03.92
Volker
Ostertag, Adolf SPD 20.03.92
Paterna, Peter SPD 20.03.92
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich
Dr. Pfaff, Martin SPD 20.03.92
Pfuhl, Albert SPD 20.03.92*
Dr. Pohler, Hermann CDU/CSU 20.03.92
Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 20.03.92
Susanne
Rempe, Walter SPD 20.03.92
Reschke, Otto SPD 20.03.92
Reuschenbach, Peter W. SPD 20.03.92
Dr. Rieder, Norbert CDU/CSU 20.03.92
Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 20.03.92
Ingrid
Roth, Wolfgang SPD 20.03.92
Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 20.03.92
Rühe, Volker CDU/CSU 20.03.92
Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 20.03.92 **
Helmut
Schaich-Walch, Gudrun SPD 20.03.92
Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 20.03.92
Dr. Scheer, Hermann SPD 20.03.92 *
Schmidbauer (Nürnberg), SPD 20.03.92
Horst
Schmidt (Dresden), Arno F.D.P. 20.03.92
Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 20.03.92
Andreas
Schmidt (Nürnberg), SPD 20.03.92
Renate
Schmidt (Spiesen), Trudi CDU/CSU 20.03.92
Dr. Schmude, Jürgen SPD 20.03.92
Schuster, Hans Paul F.D.P. 20.03.92
Hermann
Seiters, Rudolf CDU/CSU 20.03.92
Sielaff, Horst SPD 20.03.92
Spilker, Karl-Heinz CDU/CSU 20.03.92
Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 20.03.92
Stiegler, Ludwig SPD 20.03.92
Titze, Uta SPD 20.03.92
Dr. Vogel, Hans-Jochen SPD 20.03.92
Dr. Voigt (Northeim), CDU/CSU 20.03.92
Hans-Peter
Vosen, Josef SPD 20.03.92
Dr. Waffenschmidt, Horst CDU/CSU 20.03.92
Walz, Ingrid F.D.P. 20.03.92
Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 20.03.92
Weisskirchen (Wiesloch), SPD 20.03.92
Gert
Welt, Jochen SPD 20.03.92
Dr. Weng (Gerlingen), F.D.P. 20.03.92
Wolfgang
Wettig-Danielmeier, Inge SPD 20.03.92
Dr. Wieczorek CDU/CSU 20.03.92
(Auerbach), Bertram
Wimmer (Neuötting), SPD 20.03.92
Hermann
Wohlleben, Verena SPD 20.03.92
Ingeburg
Zierer, Benno CDU/CSU 20.03.92 *
* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
7172* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. März 1992
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zu Zusatztagesordnungspunkt 10
(Gesetz zur Verkürzung der Juristenausbildung)
Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Die deutschen
Juristen treten häufig später in das Berufsleben ein als die Juristen aus anderen EG-Mitgliedstaaten. Dies können wir uns sowohl wegen des Aufbaus einer funktionsfähigen Rechtspflege in den neuen Ländern als auch im Hinblick auf die Konkurrenzfähigkeit in der europäischen Gemeinschaft nicht länger leisten. Die Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. haben deshalb einen Gesetzentwurf zur Verkürzung der Juristenausbildung eingebracht, der eine spürbare Reduzierung der Ausbildungsdauer bringt. Zwar ist die immer stärkere Ausdehnung der Studien- bzw. Ausbildungszeit nicht etwa speziell ein Problem bei den Juristen, sondern vielmehr eine in allen Studienbereichen festzustellende Entwicklung: Die Kultusministerkonferenz hat erst kürzlich bekanntgegeben, daß die durchschnittliche Verweildauer an unseren Universitäten mittlerweile 14,7 Semester beträgt; und zweifelsohne gibt es auch für diese lange Verweildauer vielfältige Ursachen. Gleichwohl sind wir der Auffassung, daß jedenfalls die gesetzgeberischen Vorgaben für die Ausbildung der Juristen in Deutschland den aktuellen Erfordernissen angepaßt werden sollen. Eines sei dabei freilich auch klargestellt: An der bewährten und auch vom Ausland hoch anerkannten Ausbildung zum Einheitsjuristen wird sich selbstverständlich nichts ändern. Zum Inhalt des Gesetzentwurfes:
Erstens. Der Referendardienst wird wieder von 21/2 auf 2 Jahre verkürzt, wie dies schon von 1970 bis 1982 der Fall war. Die Verlängerung auf 21/2 Jahre hat keine merkliche Verbesserung der Ausbildung gebracht, wie heute übereinstimmend festgestellt wird. Ein Qualitätsverlust kann durch eine Straffung des Vorbereitungsdienstes und der Vermeidung von unnötigem Leerlauf vermieden werden.
Eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes wird außerdem die durch die hohe Zahl der Rechtsreferendare überlastete Ausbildungspraxis entlasten. Dies wird auch der Qualität der Ausbildung zugute kommen. Sie wird es in den Ländern, in denen Wartezeiten für die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst bestehen, ermöglichen, diese abzubauen.
Zweitens. Die nachhängende schriftliche Prüfungsleistung im Wahlfach am Ende der Referendarausbildung wird abgeschafft. Dies wurde übrigens auch von der 62. Konferenz der Justizminister und -senatoren im Juni 1991 einstimmig empfohlen. Damit wird wertvolle Korrekturzeit eingespart und den Referendaren ein früherer Berufseintritt ermöglicht, und zwar um etwa 3 Monate. Die schriftliche Prüfung bezieht sich somit nunmehr ausschließlich auf die Ausbildung in den Pflichtstationen. Damit wird der Bedeutung der gemeinsamen Ausbildung aller Juristen in den Kernbereichen des Rechts und der Rechtspraxis Rechnung getragen.
Drittens. Die Verpflichtung, während des Studiums studienbegleitende Leistungskontrollen unter Prüfungsbedingungen vorzusehen, entfällt künftig. Diese 1984 in das Deutsche Richtergesetz eingeführten starr vorgeschriebenen Prüfungen in einem sehr frühen Studienabschnitt sollten feststellen, ob der Student für die weitere Ausbildung fachlich geeignet ist. Die studienbegleitenden Leistungskontrollen haben ihren Zweck jedoch nicht erfüllt. Die Mißerfolgsquote bei den Leistungskontrollen liegt unter 3 % und macht sie damit zu einem untauglichen Instrument. Mit ihrer Einführung ist weder die Durchfallquote in der ersten Staatsprüfung noch die durchschnittliche Studiendauer gesunken oder die Anzahl der Studenten, die frühzeitig aus dem Jura-Studium ausgeschieden sind, gestiegen. Insgesamt behindern die Leistungskontrollen nach den Erkenntnissen der Universitäten ein gleichmäßiges Fortschreiten im Studium und wirken nicht studienverkürzend, sondern studienverlängernd.
Viertens. Außer den gerade erwähnten Maßnahmen soll auch ein Anreiz zur früheren Ablegung der Ersten juristischen Staatsprüfung gegeben werden, dessen Grundlage die freiwillige Entscheidung des Studenten ist. Wir wissen, daß die nur einmalige Wiederholungsmöglichkeit der Ersten juristischen Staatsprüfung in vielen Fällen bei potentiellen Examenskandidaten zu einer Verstärkung der Prüfungsangst führt mit der Folge, daß die Meldung zum ersten Prüfungsversuch immer weiter hinausgezögert wird. Deshalb soll nunmehr der erstmals in Bayern durch Verordnung vom 1. Juni 1990 eingeführte sogenannte Freischuß bundesweit möglich gemacht werden. Was bedeutet dies? Jura-Studenten, die die Erste juristische Staatsprüfung bereits nach ununterbrochenem Studium von lediglich 8 Fachsemestern ablegen, können die Prüfung im Falle des Mißerfolges nicht nur einmal, sondern ein zweites Mal wiederholen; der sogenannte Freischuß wird in diesem Fall also nicht angerechnet. „Schnelle Studenten" können sich also der Ersten juristischen Staatsprüfung ohne das belastende Bewußtsein unterziehen, im Falle eines Fehlschlages die Wiederholungsprüfung als letzte Chance unbedingt bestehen zu müssen. Diese Regelung hat einen durchschlagenden Erfolg in Bayern erzielt: Die durchschnittliche Studiendauer sank schon ein Jahr nach Einführung dieser Regelung von 10,57 auf 9,49 Semester. Im ersten Termin haben sich 29 % der Kandidaten, die erstmals in die Prüfung gingen, nach nur 8 Semestern der Ersten juristischen Staatsprüfung gestellt. Im Termin 1991/II sind es bereits über 51 %. Die Schnelligkeit des Prüfungsabschlusses ist auch nicht etwa auf Kosten der Qualität der Ausbildung gegangen: Die 1 236 „Freischützen" in den drei Prüfungsterminen, die bisher stattgefunden haben, haben noch besser getroffen als ihre Kollegen: Es sind weniger durchgefallen und mehr Prädikatsexamina geschrieben worden als bei den länger Studierenden. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine persönliche Anmerkung: Nicht nur alle Untersuchungen über das Verhältnis von Studiendauer zu Examensnote belegen es statistisch, sondern ich kann dies auch aus eigener Erfahrung nur bestätigen: Der Zeitpunkt nach dem 8. Semester ist der richtige für die Ablegung der Ersten juristischen Staatsprüfung. Wer länger wartet, hat zwar einen Erkenntniszuwachs, aber in der Regel nur, was die Begrenztheit seines
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. März 1992 7173*
Wissens angeht. Man kann den gegenwärtigen Studienstoff durchaus in 8 Semestern bewältigen, wenn man nur einigermaßen zielstrebig studiert und den Mut aufbringt, sich der Prüfung zu stellen. Bei Kombinierung aller Verkürzungsmaßnahmen, insbesondere der Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf 2 Jahre sowie Ablegung des Ersten juristischen Staatsexamens nach 8 Semestern, können damit Studenten künftig in weniger als 7 Jahren einen juristischen Beruf aufnehmen, also um 2 bis 3 Jahre früher als im Durchschnitt bisher. Damit sind alle Maßnahmen in dem vorliegenden Gesetzentwurf enthalten, die jetzt erforderlich sind, um die Juristenausbildung einerseits zu verkürzen, aber andererseits ihre Qualität zu erhalten, die der Schlüsselfunktion des Rechts und damit der Juristen für den Staat und für die Gesellschaft in einer freiheitlichen Ordnung gerecht wird.
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz: Das Anliegen des Gesetzentwurfes der CDU/CSU und der F.D.P. ist die Verkürzung der Dauer der Juristenausbildung. Es verdient Zustimmung.
Die bundesrechtlichen Vorschriften über die Juristenausbildung, erst 1984 durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes neu gestaltet, entsprechen nicht mehr den Anforderungen einer sich rasch wandelnden Zeit. Das gilt vor allem und ganz unbestritten im Hinblick auf die tatsächliche Dauer der Gesamtausbildung, die heute im Durchschnitt etwas zehn Jahre ausmacht. Die Regelungen des vorliegenden Gesetzentwurfes sind geeignet, die Ausbildung zu verkürzen. Der Entwurf übernimmt vor allem einige Vorschläge des Bundesratsentwurfs zum gleichen Thema, soweit sie Vorbereitungsdienst und zweite Prüfung betreffen.
Im Vordergrund steht die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes um ein halbes Jahr, die auf Grund der Übergangsregelung sehr rasch eingeführt werden soll. In einem nur zweijährigen Vorbereitungsdienst sind in mehr als einem Jahrzehnt bis Ende 1983 schon einmal Juristen ausgebildet worden. Der Zeitraum ist für den Ausbildungszweck ausreichend. Die Verlängerung auf zweieinhalb Jahre, wie seither vorgesehen, hat die Ausbildung nicht nachweisbar verbessert.
Die Vorschrift, daß alle schriftlichen Arbeiten am Ende der Ausbildung bei der letzten Pflichtstation zu erbringen sind, wird die Prüfungszeit der zweiten Prüfung verkürzen. Das gleiche gilt für die Beschränkung der schriftlichen Prüfung auf den Bereich der Pflichtstationen.
Eine interessante Diskussion erhoffe ich mir zu dem Vorschlag, die erstmals 1990 in Bayern eingeführte und von mehreren Ländern bereits übernommene „Freischuß"-Regelung jetzt auch im Bundesrecht zu verankern, wenn auch — was notwendig ist — mit weitgehenden Gestaltungsmöglichkeiten für die Länder.
Der vorliegende Gesetzentwurf übernimmt nicht die im Bundesratsentwurf enthaltenen Vorschläge,
mit denen durch Begrenzung des Ausbildungsinhalts und die Gestaltung der ersten Prüfung die Studiendauer — durchschnittlich annähernd sechs Jahre — verkürzt werden soll. Der Entwurf enthält sich auch der Stimme zur besseren Berücksichtigung der Belange der europäischen Integration und zur besseren Berufsvorbereitung. Diese Themen wird man, wenn schon die Juristenausbildung im Deutschen Bundestag wieder zur Diskussion steht, nicht übergehen können. Nicht umsonst wird dies von fast allen Ländern verlangt, wie der Bundesratsentwurf zeigt.
Während wir auf der Ebene des Bundes unser Teil tun, werden die Länder sicherlich weiter daran arbeiten, in ihrem Bereich alle Schritte zu unternehmen, die noch zur Verkürzung der Ausbildung beitragen können. Die lange, zur Zeit im Durchschnitt etwa einjährige Prüfungszeit — in Europa ein einmaliger Fall — ist nicht nur durch das gegenwärtige Bundesrecht veranlaßt. Auch die mancherorts, besonders in den Universitätsstädten, über ein Jahr hinausgehenden Wartezeiten für die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst sind schwer erträglich. Soweit die Ausbildungskapazitäten etwa in den Stadtstaaten eine raschere Einstellung von Referendaren nicht ermöglichen, könnte man z. B. daran denken, daß mit dem Mittel der Kooperation zwischen den Ländern — kooperativer Bundesstaat! — einzelne Stationen in einem anderen Land absolviert werden.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn insbesondere die Vorschläge, die auf eine Verkürzung des Studiums, des Vorbereitungsdienstes und der Prüfungszeiten abzielen, nicht zuletzt im Interesse der Neuländer zügig beraten und verabschiedet würden.
Anlage 3
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 640. Sitzung am 13. März 1992 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
Sechstes Gesetz zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen
Die Gruppe der PDS/Linke Liste hat mit Schreiben vom 13. März 1992 die Entschließungsanträge 12/151, 12/155 sowie die Anträge 12/392, 12/555 zurückgezogen.
Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht:
Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Drucksache 12/704
Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/8537 Drucksache 12/1245
Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/895
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Drucksache 11/7527
Drucksache 11/5182
7174* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. März 1992
Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
Drucksache 11/7990
Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat:
Ausschuß für Wirtschaft
Drucksache 12/1914 Nrn. 3-6, 8-15
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 12/157 Nr. 1.12
Drucksache 12/1003 Nr. 21
Drucksache 12/1174 Nrn. 2.20, 2.21, 2.23 Drucksache 12/1339 Nr. 2.14
Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Drucksache 12/1072 Nr. 27