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ID1206800200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 13: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in Maastricht Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 5797 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 5803 B Stefan Schwarz CDU/CSU 5804 B Dr. Otto Graf Lambsdorff FDP 5804 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 5806D Dr. Otto Graf Lambsdorff FDP 5810 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste 5813 A Gerd Poppe Bündnis 90/GRÜNE 5815 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 5817 B Dr. Norbert Wieczorek SPD 5819 D Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister AA 5822 C Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD 5826 A Peter Kittelmann CDU/CSU 5827 B Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 5828 D Wolfgang Clement, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 5830 C Dr. Cornelie von Teichman FDP 5832 B Zusatztagesordnungspunkt 14: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Überwachung und Kontrolle der Großkredite von Kreditinstituten (Drucksachen 12/849 Nr. 2.1, 12/1809) 5833 C Nächste Sitzung 5833 D Berichtigung 5833 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 5835* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 und Zusatztagesordnungspunkt 12 (Antrag betr. Sofortige Auflösung des „Koordinierungsausschusses Wehrmaterial fremder Staaten" des Bundesnachrichtendienstes und der Bundeswehr und Antrag betr. Parlamentarische Kontrolle der Auflösung der NVA) Thomas Kossendey CDU/CSU 5836* A Gernot Erler SPD 5836* C Jürgen Koppelin FDP 5837* C Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 5838* B Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär BMVg 5838* D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 5839* D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991 5797 68. Sitzung Bonn, den 13. Dezember 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 64. Sitzung: Auf Seite 5503 B ist ab der dritten Zeile zu lesen: ten hat. Er hat gesagt, — — (Zuruf von der CDU/CSU) — Ich glaube, die ganze Nation hatte Achtung vor der Entschlossenheit und Besonnenheit, mit der die Bergleute von Sophia-Jacoba hier demonstriert haben. Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991 5835' Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ackermann, Else CDU/CSU 13. 12. 91 Andres, Gerd SPD 13. 12. 91 Antretter, Robert SPD 13. 12. 91 * Baum, Gerhart Rudolf FDP 13. 12. 91 Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 13. 12. 91 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 13. 12. 91 * Wilfried Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 13. 12. 91 * Dr, von Bülow, Andreas SPD 13. 12. 91 Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 13. 12. 91 Clemens, Joachim CDU/CSU 13. 12. 91 Dehnel, Wolfgang CDU/CSU 13. 12. 91 Doppmeier, Hubert CDU/CSU 13. 12. 91 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 13. 12. 91 Ehrbar, Udo CDU/CSU 13. 12. 91 Eymer, Anke CDU/CSU 13. 12. 91 Dr. Feige, Klaus-Dieter Bündnis 90/ 13. 12. 91 GRÜNE Dr. Feldmann, Olaf FDP 13. 12. 91 * Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 13. 12. 91 Gattermann, Hans H. FDP 13. 12. 91 Glos, Michael CDU/CSU 13. 12. 91 Dr. Glotz, Peter SPD 13. 12. 91 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 13. 12. 91 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 13. 12. 91 Großmann, Achim SPD 13. 12. 91 Grünbeck, Josef FDP 13. 12. 91 Dr. Haussmann, Helmut FDP 13. 12. 91 Dr. Hellwig, Renate CDU/CSU 13. 12. 91 Helmrich, Herbert CDU/CSU 13. 12. 91 Heyenn, Günther SPD 13. 12. 91 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 13. 12. 91 Homburger, Birgit FDP 13. 12. 91 Hüppe, Hubert CDU/CSU 13. 12. 91 Ibrügger, Lothar SPD 13. 12. 91 ** Jaunich, Horst SPD 13. 12. 91 Dr. Jork, Rainer CDU/CSU 13. 12. 91 Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 13. 12. 91 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 13. 12. 91 Kolbe, Manfred CDU/CSU 13. 12. 91 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 13. 12. 91 Kretkowski, Volkmar SPD 13. 12. 91 Kubicki, Wolfgang FDP 13. 12. 91 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Leidinger, Robert SPD 13. 12. 91 Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 13. 12. 91 Lowack, Ortwin fraktionslos 13. 12. 91 Dr. Mertens (Bottrop), SPD 13. 12. 91 Franz-Josef Dr. Meseke, Hedda CDU/CSU 13. 12. 91 Michels, Meinolf CDU/CSU 13. 12. 91 Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 13. 12. 91 Neumann (Bramsche), SPD Volker Niggemeier, Horst SPD 13. 12. 91 Ostertag, Adolf SPD 13. 12. 91 Paintner, Johann FDP 13. 12. 91 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 13. 12. 91 Pfuhl, Albert SPD 13. 12. 91 * Priebus, Rosemarie CDU/CSU 13. 12. 91 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 13. 12. 91 Susanne Raidel, Hans CDU/CSU 13. 12. 91 Rappe (Hildesheim), SPD 13. 12. 91 Hermann Regenspurger, Otto CDU/CSU 13. 12. 91 Rempe, Walter SPD 13. 12. 91 Reschke, Otto SPD 13. 12. 91 Rixe, Günter SPD 13. 12. 91 Schäfer (Offenburg), SPD 13. 12. 91 Harald B. Schmidt-Zadel, Regina SPD 13. 12. 91 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 13. 12. 91 Hans-Peter Schröter, Karl-Heinz SPD 13. 12. 91 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 13. 12. 91 Schuster, Hans Paul FDP 13. 12. 91 Hermann Dr. Stoltenberg, Gerhard CDU/CSU 13. 12. 91 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 13. 12. 91 Türk, Jürgen FDP 13. 12. 91 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 13. 12. 91 Vosen, Josef SPD 13. 12. 91 Weis (Stendal), Reinhard SPD 13. 12. 91 Welt, Jochen SPD 13. 12. 91 Wiechatzek, Gabriele CDU/CSU 13. 12. 91 Dr. Wieczorek CDU/CSU 13. 12. 91 (Auerbach), Bertram Wissmann, Matthias CDU/CSU 13. 12. 91 Wollenberger, Vera Bündnis 90/ 13. 12. 91 GRÜNE Zapf, Uta SPD 13. 12. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung 5836* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 12 und Zusatztagesordnungspunkt 12 (Antrag betr. Sofortige Auflösung des „Koordinierungsausschusses Wehrmaterial fremder Staaten" des Bundesnachrichtendienstes und der Bundeswehr und Antrag betr. Parlamentarische Kontrolle der Auflösung der NVA) *) Thomas Kossendey (CDU/CSU): Am gleichen Tag, als die Mitglieder der Gruppe PDS/Linke Liste ihren Antrag, über den wir heute sprechen, eingereicht haben, stand in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Artikel über die in Hamburg bekanntgewordene Lieferung von Wehrmaterial nach Israel. Dieser Artikel begann mit dem Satz: „Eine Bonner Affäre ist meistens die voreilige Reaktion auf einen unbekannten Sachverhalt. " Viel besser kann man Ihren Antrag und das, was damit verfolgt werden soll, wohl kaum charakterisieren! Mittlerweile hat sich nämlich vieles von dem, was Sie an Aufklärung fordern, durch die Berichte erledigt, die der Verteidigungsminister dem Verteidigungsausschuß vorgelegt hat; manches wird noch in der Januar-Sitzung des Verteidigungsausschusses weiter zu klären sein. Insbesondere was die Entstehung des Koordinierungsausschusses und was die Aktivitäten dieses Ausschusses angeht, sind wir im Verteidigungsausschuß ziemlich umfassend informiert worden. Allerdings — das muß man der guten Ehrlichkeit halber hinzufügen — haben Sie es durch Nichtteilnahme an diesen Sitzungen geschickt verstanden, dem Risiko auszuweichen, durch bessere Informationen von Ihren Vorurteilen abgebracht zu werden! Das kann man alleine schon daran erkennen, daß Sie in Ihrer Begründung für den Antrag einiges an Sachverhalten schildern, die gänzlich an der Realität vorbeigehen. Lassen Sie mich nur den Fall aufgreifen, der aus meiner Sicht — auch was die Öffentlichkeitswirksamkeit angeht — die schlimmsten Auswirkungen haben kann: Sie sprechen in Ihrer Begründung ständig von „Waffenhandel" und erwecken den Eindruck, als hätte hier ein illegaler Waffenhandel z. B. zwischen Deutschland und Israel stattgefunden. Es ist nun in der Tat in den Beratungen des Verteidigungsausschusses deutlich geworden, daß es sich bei der seit 20 Jahren praktizierten wehrtechnischen Zusammenarbeit mit Israel eben nicht um Waffenhandel handelt. Es ging lediglich darum, den Israelis eine verbesserte Chance der Selbstverteidigung in einem feindlich gesonnenen Umfeld zu gewährleisten! Diese Verbesserung der Situation Israels wollten wir nicht etwa durch Waffenlieferungen erreichen, sondern dadurch, daß wir ihnen die Möglichkeit gaben, die auf sie gerichteten Waffen an Einzelstücken besser zu analysieren, um ihre Verteidigungsvorbereitungen zu treffen. Ich wiederhole es noch einmal deutlich: Diese wehrtechnische Zusammenarbeit mit Israel hat bei uns einen hohen Stellenwert. Sie ist für uns eine moralische Verpflichtung, sie ist politisch sinnvoll, und sie ') Siehe 67. Sitzung, Seite 5792 D ist auch rechtlich zulässig. Dem sehr sensiblen Verhältnis zu Israel sind Schüsse aus der Hüfte weiß Gott nicht sachdienlich! Aber natürlich müssen wir uns auch darum kümmern, daß diese Art der wehrtechnischen Zusammenarbeit — auch der Bereich der Überlassung von Wehrmaterial aus Beständen der ehemaligen NVA an andere Staaten — parlamentarisch besser begleitet wird. Dafür ist aber gerade die Koordinierungsgruppe zwischen den verschiedenen Diensten und Ministerien notwendig. Nur wenn die Koordination zwischen den Ministerien und zwischen den Diensten gewährleistet ist, werden wir als Parlamentarier in der Lage sein, aufgrund der Berichte, die uns von dort geliefert werden, Einblick zu nehmen, Fragen zu stellen und gegebenenfalls Einfluß auf die politische Leitung der entsprechenden Häuser auszuüben, um die Dinge zu verhindern, die wir politisch eben nicht wollen. Für unsere Fraktion will ich gerne erklären, daß wir Überlegungen, die in diese Richtung zielen, aufgeschlossen gegenüberstehen. Da Ihr Antrag aber in eine falsche Richtung zielt, werden wir ihn heute ablehnen müssen. Gernot Erler (SPD): Datiert vom 3. Oktober 1991 hat das Referat für Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr eine hübsche kleine Broschüre herausgegeben mit dem Titel „Ein Jahr deutsche Einheit. Eine Leistungsbilanz der Bundeswehr" , geheftet in hoffnungsfrohes Blau, in der man unter der Überschrift „Wohin mit dem Material?" folgende Passage lesen kann: „Die NVA war eine hochgerüstete Armee. So waren 15 000 Waffensysteme, darunter 2 300 Kampfpanzer, 7 800 gepanzerte Fahrzeuge, 2 500 Artilleriegeschütze, 400 Kampfflugzeuge, 70 Schiffe/Boote und 50 Kampfhubschrauber, 100 000 Radfahrzeuge aller Art, 1 200 000 Handwaffen mit dem dazugehörigen Peripheriegerät und 300 000 Tonnen Munition zu übernehmen." Im weiteren findet man keine einzige Angabe mehr darüber, wohin denn nun die Bundesregierung diese Waffen und diese Ausrüstung verbracht hat. Was die Bundesregierung in ihrer Öffentlichkeitsarbeit vom Oktober verschwiegen hat, darauf sind Öffentlichkeit und Parlament inzwischen per Zufall gestoßen: Einmal durch Fragen, die ich am 10. Oktober an dieser Stelle gestellt habe und auf die ich zunächst nur höchst unvollständige Antworten erhielt. Dann aber auch durch die Beschlagnahmung des für Israel bestimmten Wehrmaterials am 26. Oktober und die nachfolgenden Recherchen und Anhörungen im Verteidigungsausschuß. Bisheriges Ergebnis: Derzeit wird eine große, moderne Armee auf deutschem Boden verscherbelt, verteilt, verschenkt oder vernichtet, und das alles ohne irgendeine öffentliche oder parlamentarische Kontrolle und auch ohne, daß die Bundesregierung selbst eine verläßliche Übersicht über diesen Prozeß hat. Vielmehr verläuft dieser in Form eines administrativen Willkürakts auf mittlerer Beamtenebene. Das öffentliche Interesse hat sich bisher sehr stark auf die BND-Lieferung an Israel konzentriert, weil bei ihr wahrscheinlich gegen geltendes Gesetz verstoßen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991 5837* wurde. Wir sollten dem falschen Eindruck entgegentreten, daß dieser Vorgang zur Zeit deshalb so gründlich parlamentarisch untersucht wird, weil Israel der Empfänger ist. In Wirklichkeit verdient dieser Fall deswegen unser Interesse, weil sich inzwischen dahinter ein sehr breiter Prozeß mit vielen Handelnden auftut, der sich vollständig im vorparlamentarischen Raum abspielt. Kernpunkt ist, daß die Verteilung der umfangreichen NVA-Hinterlassenschaft an mindestens 70 Interessenten schon begonnen hat. Und einige der inzwischen bekannt werdenden „Einzelheiten" lassen einem tatsächlich die Haare zu Berge stehen. So legte uns Minister Stoltenberg am 10. Dezember einen vorläufigen Bericht über die bisherige Vergabe des NVA-Materials vor, aus dem hervorgeht, daß allein an die Türkei Lieferungen verbindlich zugesagt oder erfolgt sind, mit der man eine ganze Bürgerkriegsarmee ausrüsten könnte. In den Listen tauchen unter anderem Panzerfäuste und Kalaschnikows in sechsstelliger Größenordnung, mehrere Tausend Maschinengewehre und Munition in der unvorstellbaren Stückzahl von mehr als 400 Millionen Stück auf. Diese „Materialhilfe" (das ist das Stichwort, unter dem das läuft) ist unterwegs, ohne daß sich das Parlament oder irgendeiner seiner Ausschüsse bisher damit befaßt hat. Welcher politische Schaden der Bundesrepublik hier droht, kann man daran absehen, daß es bereits Klagen von Vertretern Armeniens gibt, im armenischaserbeidschanischen Konflikt seien auf aserbeidschanischer Seite NVA-Waffen aus bundesrepublikanischen Beständen aufgetaucht. In diesem ganzen Komplex sind noch sehr viele Fragen offen, auf die die Bundesregierung uns noch wird antworten müssen. Ich habe den Eindruck, daß ein tiefes Unbehagen über diese ganzen Vorgänge in allen Bundestagsfraktionen wächst. Auf der Basis dieses Unbehagens und echter politischer Sorgen haben wir Sozialdemokraten den vorliegenden Antrag „Parlamentarische Kontrolle der Auflösung der NVA" in den Bundestag eingebracht. Er fordert, daß die jetzt für Mitte Januar in Aussicht gestellte Antwort auf unsere Kleine Anfrage zur Verwendung und Weitergabe des NVA-Erbes unverzüglich auf die Tagesordnung der zuständigen Ausschüsse gesetzt wird, daß ferner künftig alle weiteren Maßnahmen bei der Auflösung dieser Armee der Beratung und Beschlußfassung im Verteidigungsausschuß, im Auswärtigen Ausschuß und im Haushaltsausschuß unterliegen und daß die Bundesregierung am Ende jedes Quartals dem Deutschen Bundestag unverzüglich einen detaillierten Bericht über den Fortgang der Auflösung und die Verwendung der NVA-Hinterlassenschaft vorzulegen hat. Wir hoffen darauf, daß wir uns mit allen anderen Fraktionen über die Kernpunkte dieses Antrages verständigen können. Es ist schlimm, daß diese Vorgänge einen Teil der deutschen Vereinigung ein knappes Jahr nach ihrem Vollzug ins Gerede bringen. Wir müssen das Vertrauen wiederherstellen. Das geht nur durch die Einrichtung einer strikten parlamentarischen Kontrolle bei allen Vorgängen, die die Auflösung der Armee der ehemaligen DDR betreffen. Jürgen Koppelin (FDP): Mit dem Antrag der PDS/ Linke Liste wird gefordert, den Koordinierungsausschuß „Wehrmaterial fremder Staaten" umgehend aufzulösen und dem Deutschen Bundestag verschiedene Berichte vorzulegen. Die Berichte liegen vor. Wenn die PDS an der Ausschußarbeit teilnehmen würde, wäre das auch der PDS bekannt. Mitglieder der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP haben zusätzlich auf Grund der Vorgänge um Waffenlieferungen nach Israel über 200 Fragen gestellt, die sehr ausführlich beantwortet worden sind. Daß sich aus der Beantwortung der gestellten Fragen natürlich erneut verschiedene Fragen ergeben, liegt wohl in der Natur der Sache, und wir sind dabei — und haben das gestern in der Sitzung des Verteidigungsausschusses getan — die Beantwortung zu bewerten. Jede Fraktion mag die Beantwortung unterschiedlich bewerten, aber eines bleibt festzuhalten: Die Bundesregierung ist keiner Beantwortung einer Frage ausgewichen. Die FDP hat kein Verständnis für die Forderung der SPD, daß der Deutsche Bundestag die Art und Weise, in der die Bundesregierung Fragen von Abgeordneten beantwortet hat, mißbilligen soll. Und ich erlaube mir auch darauf hinzuweisen, daß Sie sich in Ihrem Antrag ja selbst widersprechen, wenn Sie unter Punkt 2 einmal kritisieren, daß Sie auf Antworten längere Zeit haben warten müssen, und auf der anderen Seite gleichzeitig im selben Absatz die Bundesregierung auffordern, größere Sorgfalt bei der Beantwortung von mündlichen und schriftlichen Fragen von Abgeordneten walten zu lassen. Die PDS fordert in ihrem Antrag, den Koordinierungsausschuß „Wehrmaterial fremder Staaten" umgehend aufzulösen. Wir meinen: Selbstverständlich muß es eine Koordinierungsstelle geben, die darüber berät, was mit diesem Material, das ein erhebliches Vermögen darstellt, geschehen soll, Material, das wir in unvorstellbaren Mengen übernommen haben. Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir den Hinweis, daß der Staat DDR und die SED, deren Nachfolgeorganisation die PDS ist, das Volk um einen großen Teil der Früchte seiner Arbeit gebracht haben, weil dieser Staat und diese Partei den Lohn der arbeitenden Menschen in Waffenlager gesteckt haben, nicht nur bei der Nationalen Volksarmee, sondern auch bei den Betriebskampfgruppen und beim Staatssicherheitsdienst. Dafür trägt auch die PDS Mitverantwortung. Die Auflösung des Koordinierungsausschusses „Wehrmaterial fremder Staaten" wird nur dazu führen, daß Wünsche auf Überlassung von Material der NVA bei verschiedenen Stellen geäußert werden und damit eine Kontrolle immer schwieriger wird. Nicht die Auflösung des Koordinierungsausschusses ist daher das Gebot der Stunde, sondern die Frage, wie wir diese Arbeit kontrollieren. Daher werden wir die Forderung der PDS nach Auflösung des Koordinierungsausschusss ablehnen. Bei dieser Gelegenheit: Für die FDP kann ich sagen, daß wir die Entscheidung des Bundeskabinetts vom 31. Oktober begrüßen, in der Grundsätze für die künf- 5838* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991 tige Zusammenarbeit mit Israel auf dem Gebiet der Wehrtechnik festgelegt worden sind. Ich möchte zwei Anmerkungen machen. Erstens. Wir werden uns darüber unterhalten müssen, wieweit es wirklich Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes ist, den Transport und die Lieferung von Wehrmaterial durchzuführen. Zweitens. Wir werden uns als Parlament zukünftig stärker darum kümmern müssen, in welcher Form und Weise die VEBEG ihre Aufgaben wahrnimmt. Was ich meine, lassen Sie mich an einem Zitat aus dem Bericht vom 2. Dezember verdeutlichen. Dort heißt es: Die VEBEG hat keine Kontrolle darüber, was mit dem von ihr ordnungsgemäß veräußerten und gegebenenfalls nach der Veräußerung weiterverkauften Material geschieht. Ich wiederhole daher noch einmal unsere Forderung: Die FDP hält eine verstärkte Kontrolle der VEBEG für dringend erforderlich, und wir erwarten umgehend, wie bereits mehrfach im Ausschuß gefordert, einen sehr umfassenden Bericht über die Arbeit der VEBEG. Die SPD fordert mit ihrem Antrag, daß der Gesamtprozeß der Auflösung der ehemaligen NVA und der Verwendung und Weitergabe von Waffen, Geräten, Ausrüstung, Munition ab sofort einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle unterzogen wird. Auch die FDP will die parlamentarische Kontrolle der Auflösung der NVA. Wir haben es daher begrüßt, daß der Verteidigungsausschuß am 20. März 1991 eine Arbeitsgruppe „Streitkräftefragen in den neuen Bundesländern" eingesetzt hat; im Aufgabenkatalog heißt es u. a.: Entlastung der Truppenteile von Waffensystemen, Munition und Ausrüstung der ehemaligen NVA, Maßnahmen zur weiteren Verwendung, Lagerung oder Vernichtung von Bewaffnung und Ausrüstung. Wir haben hier durchaus die Möglichkeit der parlamentarischen Kontrolle der Auflösung der NVA. Nach den jüngsten Erfahrungen mag das nicht ausreichend sein, und so werden wir uns im Verteidigungsausschuß darüber unterhalten müssen, wie die zukünftige parlamentarische Kontrolle über die Verwertung des Materials der NVA geschehen soll. Einer Überweisung des Antrages der SPD stimmen wir zu. Den Antrag der PDS lehnen wir ab. Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Über Jahre hinweg hat der „Koordinierungsausschuß Wehrmaterial fremder Staaten" des BND und der Bundeswehr an allen parlamentarischen Gremien vorbei einen florierenden Waffenhandel betrieben. Daß die PKK nicht von der Einrichtung dieser geheimen Institution unterrichtet war, zeigt, mit welchem Verständnis die Regierungen der Bundesrepublik mit der parlamentarischen Kontrolle umgehen. Wenn wir heute hören müssen, daß offenbar alle Waffenhändler, die kriminellen, die halbkriminellen und die staatlichen, die Waffenhändler von demokratisch verfaßten Ländern und von Diktaturen, sofort nach dem Anschluß der DDR bei den entsprechenden Stellen auf der Matte standen, um Waffen aus den NVA-Beständen zu erwerben, dann sagt dies schon fast alles über das Milieu aus, in dem dieser krakenhafte geheimdienstliche Koordinierungsausschuß sein Unwesen treibt. Aus über 70 Ländern sollen treffsicher Kaufangebote für Waffenlieferungen aus NVA-Beständen an die dafür zuständigen Stellen weitergereicht worden sein. Die Dunkelziffer soll sogar noch höher liegen. Durch die jahrzehntelange Tätigkeit, sowohl zu sozial-liberalen Zeiten als auch zu Zeiten der jetzigen Regierung, muß der Koordinierungsausschuß zu einer berühmt-berüchtigten Adresse geworden sein. Geheimdienstlich abgesichert, wurden hier die entsprechenden Gesetze und Vorschriften für den Rüstungsexport in großem Stil außer Kraft gesetzt. Aus den kümmerlichen Fakten, die in der Presse standen, und aus den kümmerlichen und zum Teil falschen Auskünften der Bundesregierung kann man eigentlich nur zwei Schlußfolgerungen ziehen: 1. Der Koordinierungsausschuß Wehrmaterial fremder Staaten muß sofort aufgelöst werden. 2. Die Bundesregierung muß dem Bundestag und damit der Öffentlichkeit umfassend und lückenlos Auskunft über die gesamte Tätigkeit dieser Wehrmachts-Koko erteilen. Bisher hat die Bundesregierung alles Erdenkliche unternommen, um das wahre Ausmaß zu verschleiern. Es ist dann nur konsequent, wenn die Bundesregierung offenbar bewußt Abgeordnete bei der Beantwortung von Kleinen Anfragen anflunkert. Aber was soll man von Menschen, die Waffen als „landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge " deklarieren, auch anderes erwarten? Dabei ist es schon interessant, die sich hier entwikkelnde Posse zu verfolgen. Die Presse deckte auf, daß T-72-Panzer aus dem Irak an die Bundeswehr geliefert worden sein sollen, daß allein in der Zeit vom 16. April 1986 bis zum 9. Mai 1986 vier Unterstützungsleistungen von der Wehrmachts-Koko durchgeführt worden sein sollen, u. a. an die Türkei und Pakistan. Die SPD fordert eine umfassende Aufklärung der Auslieferung von Beständen aus der NVA. Die Bundesregierung macht dies auch, aber nur in bezug auf Israel. Ein Untersuchungsausschuß soll lieber im Rahmen des Verteidigungsausschusses arbeiten, damit er etwas aus der Öffentlichkeit genommen werden kann. All dies soll dazu dienen, das Ausmaß zu verschleiern. Wir wollen natürlich wissen, wer hier ab wann in welche Länder welche Waffen verschoben hat, und die Verantwortlichen müssen dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die Gruppe der PDS/Linke Liste fordert in einem Antrag zur Auflösung des „Koordinierungsausschusses Wehrmaterial fremder Staaten" , zu Entstehung und Aktivitäten dieses Gremiums einen vollständigen Bericht vorzulegen. Meine Damen und Herren der PDS, es wäre Ihnen ein leichtes gewesen, diese Informationen zu erhalten, wenn Sie bei der Behandlung dieses Themas nicht so häufig durch Abwesenheit in den Sitzungen des Verteidigungsausschusses geglänzt hätten. Dort ist in den ver- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991 5839* gangenen Wochen umfassend und in aller Ausführlichkeit mündlich und schriftlich zu diesem Thema vorgetragen worden. Dabei ist auch kein Zweifel daran aufgekommen, daß die Zusammenarbeit mit anderen Ländern zur technischen Auswertung fremden Wehrmaterials in keiner Weise einem „Waffenhandel" entspricht, wie in Ihrem Antrag unterstellt wird. Eine solche Diffamierung weise ich zurück. Die Bundesrepublik Deutschland arbeitet seit vielen Jahren mit verbündeten und befreundeten Staaten auf dem Gebiet der technischen Auswertung fremden Wehrmaterials zusammen. Diese Zusammenarbeit ist politisch gewollt, sie liegt in unserem besonderen sicherheits- und verteidigungspolitischen Interesse. Aus dieser Zusammenarbeit haben wir in der Vergangenheit — oftmals einseitig zu unserem Nutzen — großen Gewinn gezogen. Die Kenntnis fremden Wehrmaterials ist für die Bundeswehr von hoher Bedeutung. Sie gibt uns wertvolle Hinweise auf notwendige Folgerungen für die eigenen Planungen und die Entwicklung von eigenem Wehrmaterial. Erkenntnisse über die technischen und taktischen Leistungsparameter fremden Wehrmaterials ermöglichen uns nicht zuletzt, wirksame Gegenmaßnahmen für die eigene Truppen entwickeln und damit Vorsorge für den Schutz unserer Soldaten treffen zu können. Zur Organisation und Abstimmung von Maßnahmen der technischen Auswertung fremden Wehrmaterials besteht im Bundesministerium der Verteidigung seit 1988 der Koordinierungsausschuß „Wehrmaterial fremder Staaten". In diesem Ausschuß sind die für diesen Bereich zuständigen Fachreferate des Hauses sowie der Bundesnachrichtendienst vertreten. Aufgabe des Ausschusses ist es, auf der Grundlage des Bedarfs der Streitkräfte und ihrer speziellen Interessenlage den notwendigen Erkenntnisbedarf abzustimmen und die hierzu notwendigen Anforderungen und Maßnahmen zu koordinieren. Im Zusammenhang mit der Beschlagnahme von Wehrmaterial der ehemaligen NVA zur technischen Auswertung in Israel durch die Staatsanwaltschaft Hamburg Ende Oktober sind eine Reihe kritischer Fragen nach Umfang, Verfahren und Notwendigkeit dieser Zusammenarbeit mit anderen Staaten gestellt worden. Die zuständigen Ausschüsse des Parlaments haben sich in den vergangenen vier Wochen intensiv mit diesem Thema befaßt. Die Bundesregierung hat am 2. Dezember hierzu einen umfassenden Bericht vorgelegt. In diesem Bericht hat die Bundesregierung auch Aufgaben und Rolle des Koordinierungsausschusses dargestellt. Sie hat im Bericht wie in der parlamentarischen Diskussion hierzu deutlich gemacht, daß zu den in Rede stehenden Vorgängen eine politische Grundsatzentscheidung hätte eingeholt werden müssen. Da dies unterblieben ist, wurden Fehler in der Durchführung gemacht. Die Bundesregierung hat unmittelbar nach der Beschlagnahme in Hamburg die notwendigen Konsequenzen gezogen. Alle Einzelheiten hierzu wurden ausführlich im Verteidigungsausschuß erläutert. Der Antrag der PDS/Linke Liste ist somit gegenstandslos geworden. Aus den bis jetzt erkannten Fehlern und ersten Erfahrungen aus den eingehenden Untersuchungen sind zunächst Folgerungen gezogen worden, wie sie der Bericht darstellt. Über weitere Konsequenzen wird nach Abschluß der parlamentarischen Beratungen zu diesem Thema zu entscheiden sein. Die Fraktion der SPD hat einen Antrag zur parlamentarischen Kontrolle der Abgabe von Material der ehemaligen NVA gestellt, dessen Sinn ich so recht nicht zu begreifen vermag. Die materielle Hinterlassenschaft der ehemaligen NVA ist mit dem 3. Oktober 1991 in die Zuständigkeit und Verantwortung des Bundesministers der Verteidigung übergegangen. Sie ist seitdem Bundeswehrmaterial und unterliegt damit der ständigen parlamentarischen Kontrolle der Bundeswehr insgesamt durch den Verteidigungsausschuß. Soweit im Rahmen der aktuellen Diskussion nach der Abgabe von Wehrmaterial der ehemaligen NVA an andere Staaten im Rahmen wehrtechnischer Zusammenarbeit oder humanitärer Hilfeleistung gefragt worden ist, ist hierzu durch das Bundesministerium der Verteidigung in der Sitzung des Verteidigungsaussschusses am 11. Dezember 1991 vorgetragen worden. In Verbindung mit der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion der SPD „Verwendung und Weitergabe von Waffen, Geräten, Ausrüstungen, Munition und anderen militärischen Gegenständen der ehemaligen NVA" vom 26. November 1991 wird der Bundesminister der Verteidigung im Januar 1992 weitergehend berichten. Die Bundesregierung wird die bewährte Zusammenarbeit in der technischen Auswertung fremden Wehrmaterials mit verbündeten und befreundeten Staaten im Sinne deutscher Sicherheitsinteressen auch künftig fortsetzen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/6894 Drucksache 11/7168 EG-Ausschuß Drucksache 11/8265 Drucksache 11/8491 Drucksache 12/75 Drucksache 12/550 Drucksache 12/598 Drucksache 12/947 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen, bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Haushaltsausschuß Drucksache 12/1174 Nr. 2.1 Drucksache 12/1072 Nr. 2 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/1229 Nrn. 3.1-3.7 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/764 Nr. 2.10
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    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember hat sich der Europäische Rat in Maastricht nach über 30stündigen Beratungen auf den Vertrag über die Politische Union sowie über die Wirtschafts- und Währungsunion geeinigt. Dieses Vertragswerk, das Anfang Februar 1992 unterzeichnet wird, bedeutet eine grundlegende Weichenstellung für die Zukunft Europas:
    Erstens: Der Weg zur Europäischen Union ist unumkehrbar. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft sind jetzt für die Zukunft in einer Weise miteinander verbunden, die ein Ausbrechen oder einen Rückfall in früheres nationalstaatliches Denken mit all seinen schlimmen Konsequenzen unmöglich macht.
    Wir haben damit ein Kernziel deutscher Europapolitik in die Tat umgesetzt. Maastricht ist der Beweis dafür, daß das vereinte Deutschland seine Verantwortung in und für Europa aktiv wahrnimmt und zu dem steht, was wir immer gesagt haben, nämlich daß die deutsche Einheit und die europäische Einigung zwei Seiten ein und derselben Medaille sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zweitens: Wir haben ein tragfähiges Ergebnis in beiden Konferenzen erreicht, das unsere wesentlichen Interessen wahrt und zugleich die Gemeinschaft einen entscheidenden Schritt voranbringt.
    Meine Damen und Herren, dieses Ergebnis ist uns nicht in den Schoß gefallen. Wir haben ein Jahr intensiver und schwieriger Verhandlungen hinter uns, in denen alle Seiten bewiesen haben, daß sie bereit sind, gemeinsam den Weg zu einem vereinten Europa zu gehen und dabei auch die notwendigen Kompromisse zu schließen.
    Ich nehme gerne die Gelegenheit wahr, all denen zu danken, die in den letzten zwölf Monaten an diesem Vertragswerk mit besonderem Engagement mitgearbeitet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Ich nenne aus dem Kreis der Bundesregierung ganz besonders den Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und den Finanzminister Theo Waigel.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich nenne ganz besonders — und das tue ich sehr gerne, weil ja über öffentliche Verwaltungen häufig mit einem beachtlichen Maß an Unkenntnis gesprochen wird — die verantwortlichen Beamten, die hier weit über das Maß des Üblichen hinaus eine hervorragende Arbeit geleistet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir haben ein Gesamtergebnis erreicht, das vielen innerhalb und außerhalb Europas vor einem Jahr noch völlig unrealistisch, ja utopisch erschienen wäre. Heute kann man feststellen, daß Maastricht in der historischen Perspektive wohl das bedeutendste Gipfeltreffen der EG seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge war.
    Drittens: Daß es uns gelungen ist, der europäischen Einigung neuen Auftrieb zu geben, ist in besonderem Maße dem engen Schulterschluß mit Frankreich zu verdanken. Die deutsch-französische Partnerschaft und Freundschaft war, ist und bleibt entscheidend für Europa. Vor allem mit Frankreich sind wir uns in der Vision eines Europa einig, das nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch zusammenwächst.
    Viertens: Die Europäische Gemeinschaft ist jetzt für die schwierigen Herausforderungen der Zukunft bes-
    5798 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991
    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    ser gerüstet. Der Durchbruch in Maastricht hat nicht nur für das Zusammenwachsen der Gemeinschaft große Bedeutung, sondern ist auch ein deutliches Signal an unsere europäischen Nachbarn, ja, an unsere Partner in der Welt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit dem Ergebnis von Maastricht ist der Weg zur Vollendung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion klar vorgezeichnet und unwiderruflich festgelegt. Diese Irreversibilität ist in einer gesonderten Protokollerklärung von allen Mitgliedstaaten noch einmal ausdrücklich unterstrichen worden.
    Gelungen, meine Damen und Herren, ist es vor allem, den Vorrang der Geldwertstabilität so eindeutig festzuschreiben, daß dies — das sage ich auch im Hinblick auf die öffentliche Diskussion in unserem Land — den Vergleich mit dem deutschen Bundesbankgesetz nicht zu scheuen braucht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mehr noch: Wichtige Einzelheiten sind in diesem Vertrag klarer und eindeutiger geregelt, als es im Bundesbankgesetz der Fall ist.
    Wir konnten also diesem Vertrag zustimmen, weil er in vollem Umfang den deutschen Erfahrungen entspricht, die wir mit der D-Mark und der Gewährleistung ihrer Stabilität in den letzten 40 Jahren gemacht haben.
    Manche von denen, die in diesem Zusammenhang öffentlich polemisieren, müssen sich fragen lassen, wem eine solche Kampagne nützt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Der Auflage!)

    Denn heute können wir festhalten: Der nach langen und intensiven Verhandlungen vereinbarte Vertrag über die Wirtschafts- und Währungsunion trägt den deutschen Forderungen in allen entscheidenden Punkten Rechnung.
    Unsere bewährte Stabilitätspolitik ist zum Leitmotiv für die zukünftige europäische Währungsordnung geworden. Zu diesem Erfolg — auch das will ich hier dankbar erwähnen — hat die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank in diesen Verhandlungen entscheidend beigetragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FPD sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Als zentrale Vorbedingung für die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion verlangt der Vertrag die nachprüfbare wirtschaftliche Konvergenz der Mitgliedstaaten.
    Anders ausgedrückt: Die wirtschaftlichen Daten der Kandidaten für die Währungsunion müssen ganz bestimmten Qualitätsanforderungen genügen, bevor eine Teilnahme an der Währungsunion möglich ist.
    Diese Kriterien für die Qualifikation zur Währungsunion lauten: strikte Preisstabilität, unbedingte Haushaltsdisziplin, Konvergenz der langfristigen Zinssätze, stabile Position im Europäischen Währungssystem in den letzten zwei Jahren vor Eintritt in die Währungsunion.
    Diese Auflagen und Vorgaben sind in dem Vertrag bzw. in den Protokollen zum Vertrag so eindeutig festgeschrieben, wie wir es im Hinblick auf die Stabilität der D-Mark bei uns selbst für erforderlich und notwendig halten.
    Als Beispiel nenne ich die unbedingte Haushaltsdisziplin, d. h. die Unterbindung übermäßiger Haushaltsdefizite. Hierzu wird u. a. festgelegt, daß die jährliche öffentliche Neuverschuldung nicht mehr als 3 % des Bruttosozialprodukts betragen darf.
    Auch im Blick auf die Erfahrungen in der Bundesrepublik Deutschland kann diese Festlegung als angemessen angesehen werden, denn im Gefolge der außergewöhnlichen Belastungen der Wiedervereinigung müssen auch wir uns anstrengen, meine Damen und Herren, um diese Voraussetzung zu erfüllen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD — Zuruf von der SPD: Wohl wahr!)

    — Ich habe bei diesem Satz auf Ihre Zustimmung gehofft; ich habe sie auch erhalten.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Wir haben Sie nicht enttäuscht!)

    — Auf diesem Gebiet enttäuschen Sie mich nie, liebe Kolleginnen und Kollegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Hinzu kommt — das ist ein bisher einmaliger Vorgang — , daß sich souveräne Staaten im Rahmen internationaler Verträge zu einer dauerhaften Begrenzung ihrer öffentlichen Verschuldung verpflichten und darüber hinaus bereit sind, bei Verletzung der Haushaltsdisziplin abgestufte Sanktionen zu akzeptieren. Damit sind völkerrechtlich bindende Regelungen vereinbart, mit denen verhindert werden kann, daß die auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik durch eine falsche nationale Haushaltspolitik unterlaufen werden kann.
    Was den Fahrplan zur Wirtschafts- und Währungsunion betrifft, so besteht Einvernehmen darüber, daß die sogenannte zweite Stufe, d. h. der Vorbereitungsabschnitt zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion, am 1. Januar 1994 beginnt.
    Ziel dieser sogenannten zweiten Stufe ist zum einen, daß sich möglichst viele Mitgliedstaaten durch wirtschafts- und finanzpolitische Anstrengungen für die Endstufe der Währungsunion qualifizieren, und zum anderen, daß die notwendigen Vorbereitungsarbeiten für die Errichtung der Europäischen Zentralbank geleistet werden.
    Besonders wichtig war für uns, für Deutschland, daß in dieser zweiten Stufe keine geldpolitische Grauzone entsteht. Dies bedeutet: Die geldpolitische Souveränität bleibt in vollem Umfang und ausschließlich bei der Deutschen Bundesbank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Übergang zur dritten Stufe und damit die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion erfolgt nach Maßgabe der Konvergenzkriterien. Bis spätestens Ende 1996 entscheiden die Staats- und Regierungschefs, ob eine Mehrheit der Mitgliedstaaten die
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    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    notwendigen Voraussetzungen erfüllt, was dann auch die Festlegung eines entsprechenden Termins ermöglicht. Gelingt dieser erste Anlauf noch nicht, beginnt die Endstufe in jedem Falle am 1. Januar 1999. Eine Mindestzahl von Teilnehmerländern ist dann nicht mehr notwendig.
    Meine Damen und Herren, entscheidender Maßstab in diesem Verfahren ist und bleibt, daß die genannten qualitativen Vorbedingungen für die Währungsunion von allen Teilnehmern voll gewährleistet sein müssen.
    Für die künftige Europäische Zentralbank haben wir nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank ein Statut verabschiedet, das sie auf den Vorrang der Preisstabilität verpflichtet und zugleich ihre volle Unabhängigkeit sichert.
    Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, die noch nicht an der dritten Stufe teilnehmen können, haben selbstverständlich keinen Einfluß auf die geldpolitischen Entscheidungen der Europäischen Zentralbank.
    Wichtig ist ferner, daß die in anderen europäischen Ländern zum großen Teil noch von der Regierung abhängigen Zentralbanken — und ich möchte Sie darauf hinweisen, was dies bedeutet — spätestens mit der Errichtung der Europäischen Zentralbank unabhängig werden. Das ist ein gewaltiger Einschnitt in nationales Denken und Handeln in einer großen Zahl europäischer Länder.
    Der Sitz der Europäischen Zentralbank konnte in Maastricht noch nicht festgelegt werden, da diese Frage von anderen Mitgliedstaaten mit der nach dem Sitz anderer EG-Organe und EG-Institutionen verknüpft wird.
    Sie alle kennen die Diskussion um den Sitz des Europäischen Parlaments und anderer Institutionen. Ich bin jedoch sicher, daß der jetzt verabschiedete Zeitplan den notwendigen Druck ausüben wird, um auch in den anderen Fragen der Sitzentscheidungen — bis hin zur Frage des endgültigen Sitzes des Europäischen Parlaments, die eine Schlüsselfrage darstellt — voranzukommen.
    Ich habe unmißverständlich unseren Anspruch auf den Sitz der Europäischen Zentralbank deutlich gemacht und will das hier von dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, insgesamt werden mit dem Vertrag über die Wirtschafts- und Währungsunion zentrale Grundbedingungen, die seit über vierzig Jahren bei uns in Deutschland für ein hohes Maß an Geldwertstabilität und wirtschaftlichem Erfolg gesorgt haben, auf die Europäische Gemeinschaft übertragen.
    Dies kann in seiner Bedeutung für unser Land, für Deutschland, nicht überschätzt werden; denn wir leben mehr als alle anderen in der Gemeinschaft vom Handel mit unseren Partnern. Jede dritte Mark wird gegenwärtig im Export erwirtschaftet, und 60 % davon gehen in unsere europäischen Nachbarländer. Stabile Verhältnisse in den anderen europäischen Ländern, d. h. stabiles Geld und solide Staatsfinanzen, entscheiden also mit darüber, ob Wachstum und Beschäftigung in der Zukunft bei uns gesichert werden können. Der Export von Geldwertstabilität nach Europa ist ein entscheidender Schritt, um auch bei uns Arbeit und Beschäftigung auf Dauer zu sichern sowie Einkommen und soziale Sicherheit auf lange Sicht zu stärken. Der Weg zur europäischen Stabilitätsgemeinschaft ist damit ein entscheidender Eckstein für die Europäische Union.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Auch mit dem Vertragsteil über die Politische Union wird in klarer Weise der Weg zur Vollendung der Europäischen Union vorgezeichnet und unumkehrbar gemacht.
    Ich hätte mir gewünscht, daß wir noch deutlichere Fortschritte erreicht und noch mehr Bereiche schon zum jetzigen Zeitpunkt in Gemeinschaftskompetenz überführt hätten. Wir hatten jedoch eine Güterabwägung zu treffen. Es war notwendig und entsprach unserer Überzeugung, in Maastricht zum Ziel zu kommen. Dies erforderte Kompromisse von allen Seiten.
    Wenn man den Teil zur Politischen Union kritisch betrachtet, so ist der Wunsch, noch mehr zu erreichen, verständlich. Er wird auch von mir geteilt. Ich möchte aber all denen, die sich kritisch äußern, für einen Augenblick zu bedenken geben, wie sich auf Grund der Beschlüsse von Maastricht Europa in diesem Jahrzehnt entwickeln wird. Wir werden auf alle Fälle entweder 1997 oder 1999 die Währungsunion erreichen. Wir werden in einem Jahr den großen europäischen Markt vollendet haben, einen Markt für rund 380 Millionen Menschen. Es wird ein Raum ohne Binnengrenzen für Menschen und Waren sein.
    Wenn man diese säkulare Veränderung unseres Kontinents bedenkt, dann weiß man, daß durch die Tatsachen hier Entwicklungen geschaffen werden, die, obwohl manche das heute noch nicht glauben, irreversibel sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Vieles von dem, was in Amtsstuben in ganz Europa — ich schließe dabei Deutschland nicht aus — heute noch gedacht wird — ich denke an die Widerstände und Überlegungen, daß etwas, was noch nie dagewesen war, deswegen auch nicht kommen könne —, wird durch die Entwicklung hinweggefegt werden. Es ist ein dynamischer Prozeß eingeleitet worden, den wir in dieser Form in der modernen Geschichte noch nie hatten.
    Wir Deutschen konnten im 19. Jahrhundert Erfahrungen damit sammeln. Ich will in diesem Zusammenhang Friedrich List erwähnen. Er hatte im vergangenen Jahrhundert eine Vision von dem, was der Wegfall von Grenzkontrollen und Zöllen für die politische Einigung Deutschlands bedeuten würde.
    Wir haben in Maastricht auf einer Reihe von Feldern Neuland betreten. Ich nenne hier die Innen- und Justizpolitik. Andere Bereiche — wie die Außen- und Sicherheitspolitik — müssen in den kommenden Jahren erst Schritt für Schritt in die Tat umgesetzt werden.
    5800 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991
    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Für mich ist klar, daß die Politische Union in allen Bereichen rasch an Substanz gewinnen wird und daß in einigen Jahren viel mehr als heute im Gemeinschaftsrahmen stehen wird. Nicht nur die im Vertrag enthaltenen klaren zeitlichen Vorgaben und Überprüfungsklauseln, sondern vor allem der dynamische Prozeß der politischen Einigung Europas wird den Druck verstärken und das Ganze in die richtige Richtung voranbringen.
    Ich wiederhole: Dieses Europa wird 1997 bzw. 1999 eine gemeinsame Währung haben. Man muß sich überlegen, was das heißt: eine gemeinsame Währung von Kopenhagen bis Madrid, von Den Haag bis Rom.
    Meine Damen und Herren, im Bereich der Innen- und Justizpolitik haben wir als ersten Schritt eine wesentliche Vertiefung der bisher rein zwischenstaatlichen Zusammenarbeit vereinbart. Ich habe diesem Ergebnis in der Erwartung zugestimmt, daß wir nur so rasch zu praktischen Fortschritten kommen können. Entscheidend war dabei, daß wir hierbei Zeitvorgaben und eine Bestimmung durchgesetzt haben, die die Möglichkeit eröffnet, diese Politiken zu vergemeinschaften.
    Dieser Weg erlaubt uns — das ist für uns in Deutschland wichtig — , insbesondere in der Asylpolitik, aber auch in der Zuwanderungspolitik auf der Grundlage des von den Innenministern verabschiedeten Arbeitsprogramms umgehend konkrete Schritte einzuleiten und dann vor Ende 1994 zur Prüfung der vollen Harmonisierung zu kommen.
    Wir haben uns darauf geeinigt, bis Ende 1993 eine europäische Polizeistelle — Europol — für den Kampf gegen den internationalen Drogenhandel und das organisierte Verbrechen zu schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, auch in diesem Fall ist mir klar, daß dies natürlich nur ein erster Schritt ist. Aber wer weiß, welche Schwierigkeiten schon dieser erste Schritt bedeutet hat, was für einen Prozeß des Umdenkens, übrigens auch im föderalen Gemeinwesen Deutschland, er bedeutet, der hat eine Vorstellung davon, daß hier Entscheidendes getan wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Für uns war es besonders wichtig, ein klar formuliertes und gerichtsfestes Subsidiaritätsprinzip durchzusetzen, und zwar in dem Sinne, daß nur solche Fragen in Brüssel, d. h. in der Gemeinschaft, behandelt werden, die von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend geregelt werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkung besser auf Gemeinschaftsebene geregelt werden. Mit der Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im Vertrag stellen wir sicher, daß sich die Gemeinschaft auf ein föderal aufgebautes Europa hin entwickelt, auch wenn dieser Begriff im Vertrag nur umschrieben wird. Sie kennen dieses Problem: Unsere britischen Partner und Freunde verstehen unter Föderalismus genau das Gegenteil dessen, was die übrigen darunter verstehen; deshalb mußte dieser Kompromiß geschlossen werden.
    Wir haben uns ferner auf einen Regionalausschuß mit beratender Funktion verständigt und damit auch unseren Bundesländern eine direkte Beteiligung an der Willensbildung der Gemeinschaft eröffnet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Auch das ist für eine Reihe der Partnerländer wirklich völliges Neuland, und ich bin ganz sicher, daß sich aus dieser Institution sehr viel Positives für die Zukunft entwickeln kann. Gerade wir Deutschen können hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.
    Die Bundesregierung hat wesentliche Ziele der Bundesländer in diesem Vertragswerk durchsetzen können. Ich muß auch hier betonen, was ich in anderem Zusammenhang eben sagte: Ich hätte vor einem Jahr nicht geglaubt, daß dies so möglich sein würde. Ein so engagierter Europäer wie Jacques Delors, der Präsident der EG-Kommission, der dem deutschen Föderalismus nicht nur viel Sympathie entgegenbringt, sondern der uns in diesen Tagen auch wirklich besonders geholfen hat, hatte noch im Februar 1991 in München einen Regionalausschuß zwar als wünschenswert, aber als im Rahmen der Regierungskonferenz mit Sicherheit nicht erreichbar bezeichnet.
    Ich will mich auch bei den Bundesländern für die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken. Daß die Meßlatte dabei oft besonders hoch gelegt wurde, gehört zur Politik in einem föderalen Staat. Aber ich denke, wir können mit dem gemeinsam Erreichten zufrieden sein. Wir wollen vor allem auch bei der praktischen Ausgestaltung möglichst eng zusammenarbeiten. Die Bundesregierung hat den festen politischen Willen, im Rahmen des Ratifikationsverfahrens zu einer vernünftigen und angemessenen Fortschreibung der Beteiligung der Bundesländer in Fragen der Europäischen Gemeinschaft beizutragen.
    Meine Damen und Herren, den Weg zu den Beschlüssen zur Außen- und Sicherheitspolitik haben — das ist allgemein anerkannt — maßgeblich die Initiativen von Präsident Mitterrand und mir vom 6. Dezember 1990 und vom 14. Oktober 1991 eröffnet. Wir haben uns auf die Herausbildung einer eigenständigen europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität verpflichtet. Wir bauen die Westeuropäische Union als integralen Bestandteil der Europäischen Union aus und stärken damit zugleich ihre Rolle als Brücke zwischen der Atlantischen Allianz und der Europäischen Union. In die Schlußakte des Vertrages wird eine Erklärung der neun WEU-Staaten aufgenommen, die die Vorschläge zur Weiterentwicklung der WEU auf der Grundlage der deutsch-französischen Initiative in allen wesentlichen Teilen übernimmt.
    Ein politisches Kernstück ist die vorgesehene engere Abstimmung der WEU-Staaten innerhalb der Allianz. Dies wird dazu führen, daß Europa auch in der Allianz sichtbarer als bisher mit einer Stimme spricht.
    Im übrigen werden wir allen Mitgliedstaaten der EG den Beitritt zur WEU eröffnen. Das ist die Logik unseres Ansatzes. Für die europäischen NATO-Partner, die nicht der EG angehören, werden wir ebenfalls
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    bis Ende nächsten Jahres einen besonderen Status schaffen.
    Beides — der neue Vertragsartikel über die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die WEU-Erklärungen — geben der Politischen Union eine neue, in die Zukunft weisende Dimension. Jetzt wird es entscheidend darauf ankommen, die in der Erklärung der WEU-Staaten enthaltenen Maßnahmen zum Ausbau der WEU und ihres Verhältnisses zur Europäischen Union und zur Allianz schrittweise in die Tat umzusetzen. Hier stehen wir als derzeitige WEU-Präsidentschaft in einer besonderen Verantwortung. Wir werden von unseren europäischen Partnern daran gemessen werden, wie wir gerade diesen Ansatz mit Leben erfüllen.
    Auch in der Außenpolitik haben wir eine neue Qualität erreicht. Mit dem Einstieg in Mehrheitsentscheidungen und den neuen Strukturelementen, insbesondere den gemeinsamen Aktionen, gehen wir einen wesentlichen Schritt über die bisherige Europäische Politische Zusammenarbeit hinaus. Wir können damit schrittweise eine gemeinsame Außenpolitik entwikkeln, die diesen Namen auch verdient.
    Auch hier will ich hinzufügen: Wir waren bereit, noch weiter zu gehen. Dies war in der gegenwärtigen Situation noch nicht möglich. Aber die Entwicklung geht eindeutig in die von uns im Hohen Haus, wie ich glaube, gemeinsam gewünschte Richtung.
    Die Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments war immer ein gemeinsames Anliegen des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung. Wir haben dabei Fortschritte erreicht, aber nicht alles, was wir wollten. Denn die Widerstände gegen die Ausweitung der Rechte des Europäischen Parlaments sind unverändert beträchtlich. Man muß hier ehrlich bekennen: Es sind eben nicht nur die Regierungen, sondern in einem beachtlichen Maße auch die jeweiligen nationalen Parlamente, die zumindest im Augenblick, nicht bereit sind, weitere Schritte zuzulassen. Da wir hier in Deutschland aber gemeinsam eine Meinung vertreten, hoffe ich, daß wir im Rahmen der Gespräche zwischen den nationalen Parlamenten vielleicht einen stärkeren und auch pädagogischen Beitrag leisten können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bürger Europas werden jedenfalls bei der nächsten Wahl im Juni 1994 ein Parlament wählen, das weitaus mehr Entscheidungs- und Kontrollrechte haben wird als bisher. Ich nenne als Beispiele: Das Europäische Parlament wird künftig die neue Kommission bestätigen. Die Wahlperioden von Parlament und Kommission werden angeglichen; das ist keineswegs nur eine technische Frage, sondern eine Frage von großer politischer Bedeutung. Das Parlament wird über ein Untersuchungsrecht und über ein Petitionsrecht verfügen. Damit werden die Kontrollrechte auch gegenüber der Kommission wirksamer wahrgenommen werden können als bisher. Schließlich haben wir den Einstieg in eine echte Miteinscheidung des Parlaments im Rahmen der gemeinschaftlichen Gesetzgebung, und zwar für wichtige Bereiche wie den Binnenmarkt, den Verbraucherschutz, die Umwelt und die Transeuropäischen Netze, durchgesetzt. Wenn man sich dieses Verfahren einmal genau anschaut, wird deutlich, daß dieses neue Recht für das Parlament mehr als ein bloßes Veto-Recht ist.
    Von ganz besonderem Interesse war für uns die Frage der Zahl der deuschen Mandate im Europäischen Parlament. Sie wissen, daß sich das Europäische Parlament vor einigen Wochen in einer Entschließung unser Anliegen zu eigen gemacht hat, im Zusammenhang mit der deutschen Einheit die Zahl der Mandate um 18 zu erhöhen. Ich will auch hier gerne die Gelegenheit noch einmal wahrnehmen, allen Kollegen aus Deutschland aus allen Fraktionen, die bei diesem Beschluß besonders hilfreich waren, zu danken.
    Die Berechtigung dieses deutschen Wunsches, der vom Europäischen Parlament bestätigt wurde, wurde auch in Maastricht von niemandem bestritten. Aber, meine Damen und Herren, im Verlauf dieser Debatte ist natürlich von einer ganzen Reihe unserer Partner deutlich gemacht worden, daß es aus den Gründerjahren der Gemeinschaft, den 50er Jahren, klare Absprachen gibt, wonach die Gewichtung der großen Mitgliedstaaten in den Institutionen — das gilt auch für das Europäische Parlament — in etwa gleich groß sein müßte.
    Ich kann nur sagen: Dies ist die Absprache von damals. Ich stehe hier in der Kontinuität aller Bundesregierungen. Es ist ganz eindeutig: Es ist nicht nur ein Land, wie gelegentlich kolportiert wurde, das diese Position einnimmt. Wir haben ungeachtet dieser Lage auf unserem Wunsch nach Erhöhung bestanden und das auch entsprechend zu Protokoll gegeben.

    (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Das heißt, die 18 Abgeordneten sind weg!)

    — Sie sind natürlich nicht weg. Davon kann doch gar keine Rede sein.

    (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Sicher!)

    — Nein, sie sind nicht weg. Das wird auch nicht anders, wenn Sie es hier erklären. Vielleicht hören Sie aber erst einmal die Passage meiner Rede an, Dann können wir darüber reden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Zusammenhang damit ist eine andere Frage diskutiert worden, nämlich wie sich die Zahl der Parlamentssitze im Europäischen Parlament auf Grund weiterer Beitritte zur EG entwickeln wird. Das ist eine absolut berechtigte Frage. Das ist übrigens eine Frage, die auch in nationalen Parlamenten im Blick auf die Zahl der Parlamentssitze dort gelegentlich gestellt wird.

    (Heiterkeit — Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Das heißt, daß die 18 weg sind!)

    — Jetzt hören Sie doch erst einmal zu, gnädige Frau! Es hat doch keinen Sinn, daß Sie erst sprechen und dann anhören, was ich zu sagen habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie müssen doch aus Ihrer früheren Tätigkeit wissen, daß da ein Problem besteht. Es geht um die Handlungsfähigkeit des Europäischen Parlaments.
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    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Tatsache ist: Wenn man die bisherige Praxis fortschreibt, dann würde sich die Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments inklusive der 18 durch die Beitritte bald auf über 700 Mitglieder erhöhen.
    Im Rahmen dieser Diskussion in Maastricht ist auch die Frage an mich und andere, die für die Verstärkung des Parlaments eintreten, gerichtet worden, ob eine weitere Erhöhung der Mandatszahl nicht die Kraft des Parlaments schwächen könnte. Auch das ist eine Lebenserfahrung.

    (Ulrich Irmer [FDP]: Wir sind auch über 600!)

    — Sie können hier, Herr Kollege, für den Bundestag Ihre Anträge stellen; aber ich spreche jetzt vom Europäischen Parlament.
    Ich finde, es ist klug — so ist es jetzt in Maastricht beschlossen worden — , daß in den nächsten Monaten bis Ende des Jahres 1992 Gespräche zwischen den Regierungen, den nationalen Parlamenten, dem Europäischen Parlament und natürlich auch der Kommission geführt werden, um diese Frage abschließend zu klären. Diese Diskussion wird sich auch mit der Frage befassen, ob wir uns etwa darauf verständigen könnten, für das Europäische Parlament eine bestimmte Höchstzahl festzulegen. Dies hätte natürlich Auswirkungen auf die Anzahl der Abgeordneten der einzelnen Mitgliedstaaten.
    Es ist fest vereinbart, daß bis zum EG-Gipfel in England — das ist im Dezember 1992 — diese Frage entschieden wird. Dann haben wir immerhin fast noch eineinhalb Jahre für die Vorbereitung der Europawahl und die notwendigen nationalen Gesetzgebungen.
    Ich möchte hier ausdrücklich für die Bundesregierung dem Hohen Haus und den Fraktionen das Angebot machen, daß wir über diese Frage miteinander sprechen. Unser Ziel ist es, den deutschen Anteil zu halten. Wir müssen aber auch erreichen, daß das Europäische Parlament in einer vernünftigen Dimension arbeitsfähig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es gab auch Diskussionsbeiträge, die etwa von der Überlegung ausgingen, daß, wenn Deutschland 18 Mandate mehr hat, die bisherige Zahl für die einzelnen Länder proportional erhöht wird. Dann wären wir bald bei einem Europäischen Parlament mit weit über 800 Abgeordneten. Dies kann ja nicht unser Ziel für ein funktionsfähiges Europäisches Parlament sein.
    Im übrigen ist in diese Diskussion die Frage mit eingeflossen, wie viele Kommissare die einzelnen Länder in der Kommission zu stellen haben. Auch bei diesem Thema ist natürlich die Frage der Erweiterung mit einzubeziehen.
    Aber bei diesen Fragen ist im Kreise der Staats- und Regierungschefs der Wille deutlich geworden — das ist mir wichtig — , zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen und das Europäische Parlament in diese Entscheidung selbstverständlich mit einzubinden. Ich will hier das Angebot wiederholen, daß wir in Deutschland, Parlament und Regierung, möglichst zu einer gemeinsamen Haltung kommen.
    Meine Damen und Herren, ein ganz entscheidendes Thema unserer Beratungen in Maastricht war die Sozialpolitik. Es war im Vorfeld dieser Tagung bereits klar, daß es wenig Chancen zu einer Einigung mit Großbritannien in dieser Frage gab.
    Wir haben dann nach einer langwierigen Debatte angesichts der britischen Haltung auf Vorschlag von Präsident Mitterrand, von Jacques Delors und von mir die Entscheidung getroffen, daß im Vertrag selber von den Zwölf das jetzt mögliche, nämlich der Stand der Einheitlichen Europäischen Akte festgeschrieben wird.
    Die elf Mitgliedstaaten ohne Großbritannien haben es für absolut notwendig erachtet, über diese Bestimmungen hinauszugehen. Wir haben auf der Grundlage des erheblich weitergehenden niederländischen Entwurfs vom 4. Dezember einen gesonderten Vertrag in Form eines Protokolls abgeschlossen, der Teil des Vertragswerkes ist und der im übrigen auch ratifiziert werden muß.
    In einem weiteren Protokoll, dem auch Großbritannien zugestimmt hat, haben wir vereinbart, daß die Elf dabei entsprechend den bestehenden Gemeinschaftsverfahren vorgehen werden. Die elf Länder bekunden damit ihren Willen, den Weg, den die Ende 1989 von den gleichen elf Ländern in Straßburg verabschiedete EG-Sozialcharta vorgezeichnet hat, bald vollständig in die Tat umzusetzen.
    Wir standen vor der Entscheidung, ob wir das gesamte Vertragswerk an dieser Frage scheitern lassen — ich habe dies verneint — oder ob wir den eben beschriebenen Weg wählen. Es war für mich und auch für die anderen Partner völlig ausgeschlossen, daß wir in Maastricht auseinandergehen, ohne eine entscheidende Weiterentwicklung der sozialen Dimension vorzunehmen. Für mich und für uns — ich denke, das ist unsere gemeinsame Meinung — ist die Entwicklung der Europäischen Union ohne gleichzeitige Entwicklung ihrer sozialen Dimension nicht denkbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE)

    Die weit überwiegende Mehrheit der Bürger Europas sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Diese Wirklichkeit unserer Gesellschaft muß sich natürlich in der Gemeinschaft widerspiegeln. Die Gemeinschaft kann nur dann wirklich zusammenwachsen, wenn wir bereit sind, die Gewerkschaften, die Unternehmerverbände, aber auch die Vertreter anderer sozialer Gruppen in die Gestaltung dieser gemeinsamen Politik einzubeziehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Im übrigen bin ich ganz sicher, daß es spätestens zu dem Zeitpunkt des Beginns der Wirtschafts- und Währungsunion — ob das nun 1997 oder 1999 sein wird — auch in dieser Frage nicht elf, sondern zwölf Teilnehmer geben wird. Derlei Entwicklungen hat es auch in der Vergangenheit gegeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, das Ergebnis der beiden Regierungskonferenzen über die Politische Union so-
    Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991 5803
    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    wie über die Wirtschafts- und Währungsunion gibt der Gemeinschaft die Chance, mit neuer Kraft die im Inneren anstehenden Aufgaben anzupacken. Dies gilt für die anstehende Reform der Agrarpolitik — ich denke in diesem Zusammenhang auch an die Notwendigkeit des Abschlusses der GATT-Verhandlungen — wie auch für die 1992 fällige Überprüfung der Finanzausstattung der Strukturfonds.
    Aber — das ist besonders wichtig — der Maastrichter Gipfel ist auch ein Signal über die Grenzen der Gemeinschaft hinaus. Er wird zu Recht von unseren Partnern — ob in den USA, in Japan oder in der Dritten Welt — als großer Erfolg bewertet. Er ist insbesondere für unsere unmittelbaren Nachbarn in Mittel-, Ost- und Südosteuropa, die sich in einer der schwierigsten Stunden ihrer Geschichte befinden, eine große Ermutigung. Ihre Hoffnung richtet sich heute mehr denn je auf die Europäische Gemeinschaft.
    Maastricht ist auch eine klare Botschaft an diejenigen europäischen Länder, die jetzt der EG beitreten wollen. Wir waren uns in Maastricht darin einig, daß die Beitrittsverhandlungen mit Österreich und Schweden — und, eventuell auch mit Finnland — Anfang 1993 aufgenommen und zügig abgeschlossen werden sollen.
    Meine Damen und Herren, wir Europäer und gerade auch wir Deutsche haben heute, gegen Ende dieses Jahrunderts, Grund zur Zuversicht. Uns ist zwar von Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes" bis zu den Kulturpessimisten unserer Tage immer wieder eingeredet worden, Europa sei am Ende. In Wahrheit — dies haben wir jetzt einmal mehr unter Beweis gestellt — ist die Kraft Europas ungebrochen — eine Kraft, die wir nach den bitteren Erfahrungen dieses Jahrhunderts vor allem in den Dienst von Frieden und Freiheit in der Welt stellen wollen.
    Es waren großartige Männer und Frauen, die im Parlamentarischen Rat aus der Erfahrung unserer jüngsten Geschichte die Präambel des Grundgesetzes von 1949 formuliert haben. Darin wird unserem Volk aufgetragen, „seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen". Nachdem wir die Einheit unseres Vaterlandes erreicht haben, wollen wir jetzt auch diesen, den europäischen Auftrag unserer Verfassung, erfüllen. Dazu lade ich Sie ein.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es spricht jetzt die Abgeordnete Ingrid Matthäus-Maier.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor wenigen Tagen konnten wir in den Zeitungen folgende kurze Notiz lesen:
    Heute vor 75 Jahren wurde die Weltkriegsschlacht am nordfranzösischen Fluß Somme abgebrochen. Seit dem 24. Juni hatten dort mehr als 1 Million Soldaten ihr Leben verloren, mehr als 614 000 auf seiten der Briten und Franzosen, mehr als 420 000 Deutsche.
    Daß eine solche Katastrophe zwischen Briten, Franzosen und Deutschen heute unvorstellbar ist, ist das wichtigste Ergebnis der europäischen Einigung. Wir alle sind dankbar dafür, daß diese Gräben der Vergangenheit zwischen unseren Völkern zugeschüttet sind.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Welchen Weg wir gemeinsam in Europa zurückgelegt haben, zeigt, daß wir jetzt in Maastricht eine gemeinsame europäische Währung vereinbart haben. Eine solche Währungsunion haben wir Sozialdemokraten seit Jahren gefordert. Wir begrüßen daher dieses Ergebnis von Maastricht.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Aber ihr habt nicht geklatscht!)

    Es war auch richtig, Herr Bundeskanzler, daß Sie vor dem Gipfel die Währungsunion und die Politische Union eng miteinander verknüpft haben. Sie haben die Meßlatte erfreulich hoch gelegt. Leider sind Sie dann aber in Maastricht nicht drübergesprungen, sondern drunter durchgekrochen, denn die Ergebnisse zur Politischen Union sind ausgesprochen kläglich, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Das ist anatomisch unmöglich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Vereinbarungen zur Währungsunion gehen im Grundsatz in die richtige Richtung. Festgelegt wurde erstens der Vorrang der Geldwertstabilität, zweitens die Unabhängigkeit der europäischen Zentralbank, drittens das strikte Verbot, Haushaltsdefizite der einzelnen Länder oder der Union durch die Notenbank zu finanzieren, und viertens das Erfordernis einer soliden Finanzpolitik.
    Indem die europäischen Partner diese Kernelemente einer erfolgreichen deutschen Stabilitätspolitik übernommen haben, sind die formalen Voraussetzungen für eine gemeinsame europäische Währung geschaffen, die ebenso stabil sein muß wie die D-Mark. Daß dies vereinbart wurde, meine Damen und Herren, verdanken wir ganz wesentlich der Deutschen Bundesbank die sich mit ihren Präsidenten Pöhl und Schlesinger dafür beharrlich eingesetzt hat.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Und der Bundesregierung! — Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Und Waigel!)

    Trotzdem haben viele Menschen Angst um unsere Währung. Diese Angst muß ernst genommen werden. Man kann diese Angst nur überwinden, wenn die Menschen verstehen, daß eine gemeinsame Währung in Europa unser aller Wohlstand sichert und mehrt und uns allen Vorteile bringt, gerade auch uns Deutschen.
    Wer z. B. in Amerika reist oder Handel treibt, kann das in 50 Staaten mit derselben Währung. Das ist gut für die Wirtschaft und gut für die Verbraucher. Wer dagegen mit 1 000 DM in der Brieftasche nacheinander durch alle Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft reist, hat bei seiner Rückkehr, selbst wenn er nirgendwo einen Pfennig ausgibt, sondern nur sein Geld in die elf verschiedenen Landeswährungen umtauscht, nur noch fast genau 500 DM in der Tasche.
    5804 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1991
    Ingrid Matthäus-Maier
    Den Rest haben die umtauschenden Banken für sich behalten.
    Das zeigt, wie wichtig für die Bürger eine gemeinsame Europawährung ist. Aber auch die Wirtschaft hat ein hohes Interesse an einer stabilen einheitlichen europäischen Währung. Milliarden werden gespart, Handel und Wandel werden erleichtert. Der zunehmende Wettbewerb kommt dem Verbraucher zugute und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft auf den Weltmärkten. Eine starke Gemeinschaftswährung wird Europa auch das ihm zustehende Eigengewicht gegenüber dem Yen einerseits und dem immer wieder enorm schwankenden amerikanischen Dollar andererseits verschaffen. Auf diese Weise werden übrigens auch die USA zu einer solideren Haushaltspolitik gezwungen.
    Wer an dieser Stelle skeptisch ist, den darf ich an die Erfahrungen mit dem Europäischen Währungssystem erinnern, das Helmut Schmidt und Giscard d'Estaing vor 13 Jahren begründet haben. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir damals im Bundestag das Europäische Währungssystem gegen viele Vorbehalte, Bedenken und Ängste durchgesetzt haben. Und was für ein Erfolg war das Europäische Währungssystem! Es hat uns allen mehr Wohlstand gebracht. Wer damals abseits stand — wie die Engländer unter der Regierung Thatcher — , mußte das durch ein Zurückbleiben seiner Wirtschaft teuer bezahlen. Wenn die Briten heute z. B. von den Italienern beim Bruttosozialprodukt pro Kopf deutlich überholt worden sind, zeigt das, welche Nachteile die konservative Lady in Großbritannien ihren Landsleuten durch eine europafeindliche Politik zugemutet hat.
    Herr Bundeskanzler, dieses hat für uns den kleinen Trost, daß es eine neue Gemeinsamkeit zwischen uns gibt: Da bekannterweise die Labour Party in Großbritannien sowohl für die Sozialunion als auch für die Währungsunion ist, gehe ich davon aus, daß nicht nur wir Sozialdemokraten in Deutschland, sondern — jedenfalls heimlich — auch der deutsche Bundeskanzler auf den Wahlerfolg der Labour Party bei den nächsten Wahlen hoffen.

    (Beifall bei der SPD — Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nicht alle Weihnachtswünsche gehen in Erfüllung!)