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    Plenarprotokoll 12/60 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 60. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 4973 A Tagesordnungspunkt II: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksachen 12/1000, 12/1329) Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen 12/1404, 12/1600) Hans-Ulrich Klose SPD 4973 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 4983 B Dr. Hermann Otto Solms FDP 4991D Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 4998 B Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste 5002 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 5007B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 5007 C Wolfgang Thierse SPD 5017 C Dr. Otto Graf Lambsdorff FDP 5021 A Ernst Waltemathe SPD 5021 B Michael Glos CDU/CSU 5021 D Gerlinde Hämmerle SPD 5026 B Dietrich Austermann CDU/CSU 5028 B Harald B. Schäfer (Offenburg) SPD . . 5031A Ortwin Lowack fraktionslos . . . 5033D, 5034 B Wolfgang Kubicki FDP 5034 B Namentliche Abstimmung 5035 D Ergebnis 5043 D Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes (Drucksachen 12/1405, 12/1600) Ernst Waltemathe SPD 5036 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 5038 A Dr. Sigrid Hoth FDP 5039 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . . 5041D Gerd Poppe Bündnis 90/GRÜNE 5045 D Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 5048 D Dr. Eberhard Brecht SPD 5050 A Dr. Volkmar Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 5051 D Norbert Gansel SPD 5053 A Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister AA 5056 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (Drucksachen 12/1414, 12/1600) in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksachen 12/1428, 12/1600) Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD 5059A, 5069 D Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD . . . . 5061 C Hans-Gerd Strube CDU/CSU 5062 C Andrea Lederer PDS/Linke Liste 5064 C II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . 5066B, 5072D Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD 5066D, 5076D Erwin Horn SPD 5067 B Walter Kolbow SPD 5069 D Günther Friedrich Nolting FDP . . . 5070 C Dr. Fritz Wittmann CDU/CSU 5071 D Stefan Schwarz CDU/CSU 5072 A Hans-Werner Müller (Wadern) CDU/CSU 5073A Dr. Gerhard Stoltenberg, Bundesminister BMVg 5075 D Carl-Ludwig Thiele FDP 5078 A Erwin Horn SPD 5080 A Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Drucksache 12/1649 5102A Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Drucksache 12/1650 5108A Abstimmung über Einzelplan 14 5108A Tagesordnungspunkt IV: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 15 zu Petitionen (Wehrforschung — Jäger 90 —) (Drucksache 12/451) Siegrun Klemmer SPD 5080 C Walter Kolbow SPD 5082 C Georg Janovsky CDU/CSU 5083 B Günther Friedrich Nolting FDP 5084 A Katrin Fuchs (Verl) SPD 5084 B Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 5085 C Zusatztagesordnungspunkt: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 12/1154, 12/1363, 12/1387, 12/1392, 12/1526, 12/1660) Wolfgang Vogt (Düren) CDU/CSU . . . . 5086 B Dr. Peter Struck SPD 5087 A Dr. Bruno Menzel FDP 5087 D Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 5088 B Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Drucksachen 12/1421, 12/1600) Helmut Esters SPD 5088 D Dr. Peter Struck SPD 5090 C Dr. Christian Neuling CDU/CSU 5091 B Werner Zywietz FDP 5094 A Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 5095 C Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 5096 C Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 5097D Dr. Ingomar Hauchler SPD 5098 C Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Drucksache 12/1647 5100A Abstimmung über Einzelplan 23 5110B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft (Drucksa chen 12/1425, 12/1600) 5104 B Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie (Drucksachen 12/1424, 12/1600) Dr. Emil Schnell SPD 5104 B Dietrich Austermann CDU/CSU 5110 C Dr. Gerhard Riege PDS/Linke Liste . . 5113D Werner Zywietz FDP 5115C Dr. Emil Schnell SPD 5117C, 5121A Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT 5118A Josef Vosen SPD 5119B, C Nächste Sitzung 5122 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5123* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frau Dr. Gisela Babel, Gerhart Rudolf Baum, Dr. Burkhard Hirsch, Wolfgang Lüder (alle FDP) zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Einzelplan 14 — Drucksache 12/1649 — 5123* C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Einzelplan 31 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 5123* D Hinrich Kuessner SPD 5125* B Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink FDP . . 5127* C Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 5128* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 4973 60. Sitzung Bonn, den 27. November 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 27. 11. 91 Blunck, Lieselott SPD 27. 11. 91 * * Böhm (Melsungen), CDU/CSU 27. 11. 91 * * Wilfried Catenhusen, SPD 27. 11.91 Wolf-Michael Clemens, Joachim CDU/CSU 27. 11. 91 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 27. 11. 91 Herta Doppmeier, Hubert CDU/CSU 27. 11. 91 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 27. 11. 91 Dr. Funke-Schmitt-Rink, FDP 27. 11. 91 Margret Huonker, Gunter SPD 27. 11. 91 Koschnick, Hans SPD 27. 11. 91 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 27. 11. 91 Günther Lenzer, Christian CDU/CSU 27. 11. 91 * * Lüder, Wolfgang FDP 27. 11. 91 Marten, Günter CDU/CSU 27. 11. 91 * * Meißner, Herbert SPD 27. 11. 91 Mischnick, Wolfgang FDP 27. 11. 91 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 27. 11. 91 * * Nolte, Claudia CDU/CSU 27. 11. 91 Dr. Paziorek, Peter Paul CDU/CSU 27. 11. 91 Dr. Pfaff, Martin SPD 27. 11. 91 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 27. 11. 91 * Rempe, Walter SPD 27. 11. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 27. 11. 91 Schulte (Hameln), SPD 27. 11. 91 Brigitte Schuster, Hans Paul FDP 27. 11. 91 Hermann Seidenthal, Bodo SPD 27. 11. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 27. 11. 91 * * Steiner, Heinz-Alfred SPD 27. 11. 91 * * Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 27. 11. 91 Voigt (Frankfurt), SPD 27. 11. 91 Karsten D. Wollenberger, Vera Bündnis 27. 11. 91 90/GRÜNE Zierer, Benno CDU/CSU 27. 11. 91 * * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frau Dr. Gisela Babel, Gerhart Rudolf Baum, Dr. Burkhard Hirsch, Wolfgang Lüder (alle FDP) zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Einzelplan 14 - Drucksache 12/1649 Wir können unsere Zustimmung dazu nicht geben, die Entwicklung des Jägers 90 fortzusetzen. Wir halten es nicht für vertretbar, den Jäger 90 weiter zu entwickeln, da er nicht in Produktion gehen darf. Der Jäger 90 ist kostspielig, aber nicht kostbar. Er ist nicht notwendig, wie jedermann aus der internationalen Lage erkennen kann. Insbesondere ist die ehemalige Bedrohung durch die ehemalige Sowjetunion weggefallen. Der bloße Hinweis auf bestehende Verträge über die Entwicklung des Jägers 90 ist solange ohne Bedeutung, wie nicht einmal versucht wird, über ihre Aufhebung oder Änderung zu verhandeln. Wir haben kein Zutrauen in die reale Entscheidungsfreiheit des Deutschen Bundestages, wenn die Entwicklung einmal abgeschlossen sein wird. Wir befürchten, daß der sogenannte Sachzwang, der Druck aus den verschiedensten Interessen heraus, so groß sein wird, daß mit der Produktion begonnen werden wird. Die selbstbewußten Äußerungen der Industrie, wonach der Entwicklung quasi selbstverständlich die Produktion folgen müsse, weil anderes nicht vernünftig sei, bestätigen diese unsere Einschätzung. Wir halten es für erforderlich, daß mit dem Haushalt 1992 ein Zeichen gesetzt wird, daß der Deutsche Bundestag sowohl Konsequenzen aus der militärischen Entspannung in der Welt als auch aus den Bedürfnissen der Armut in Osteuropa und in der Dritten Welt zieht. Armutsbekämpfung muß Vorrang vor Militäroptionen haben. Wir stimmen deswegen dem SPD-Antrag auf Drucksache 12/1649 zu. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Einzelplan 31 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft Dr. Klaus-Dieter Uelhoff (CDU/CSU): Der Etat des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft beläuft sich im Haushaltsjahr 1992 auf fast 6,5 Milliarden DM. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einer Steigerung von 4,5 %. Eine wesentliche Ursache für diese Steigerung ist die Aufstockung der Mittel für die berufliche Bildung und Berufsbildungsförderung. Hier wurde der Ansatz um 43 % erhöht. Der Bereich Hochschule und Wissenschaft weist zwar einen wesentlich geringeren Anstieg auf, aber der Vergleich der absoluten Zahlen der beiden genannten Kapitel (berufli- 5124* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 che Bildung ca. 455 Millionen, Hochschule und Wissenschaft fast 3 Milliarden) zeigt die Dominanz dieses Sektors. In beiden Bereichen sind große Herausforderungen zu bewältigen, um unseren wichtigsten Trumpf in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, die hervorragende Ausbildung unserer Jugend, auch in Zukunft gewährleisten zu können. Im Bereich der beruflichen Bildung ist die Lage zur Zeit gespalten: Im westlichen Teil Deutschlands bleiben im lauf enden Ausbildungsjahr 130 000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Ein gefährliches Signal für das breite und sichere Fundament unserer Wirtschaft: Hier wird der praktisch und technisch qualifizierte Facharbeiter, der gut ausgebildete und selbständig zupackende Handwerker gebraucht. Deshalb müssen sich die für die Schulausbildung im wesentlichen zuständigen Bundesländer nachdrücklich fragen lassen, ob die Haupt- und Realschulen schwerpunktmäßig auf diese praktische Ausbildung ausgerichtet sind. Mit Recht wird immer mehr beklagt, daß die Schulen auf ein schlimmes Mittelmaß gebracht werden: für die Hochbegabten werden sie langweiliger; immer schwerer und unerträglicher für jene, die eine Abneigung gegen alles Theoretische haben. Der geplante Wegfall der Schulnoten in den Grundschulen Hessens und die bereits verfügte Abschaffung der Schulempfehlung für die weiterführenden Schulen in Rheinland-Pfalz erzeugen einen einseitigen Druck auf das Gymnasium, der seinem Ziel, der Hochschulreife, ebensosehr schadet, wiewenig er einer gediegenen Vorbereitung für die berufliche Bildung nützt. Daß jeder zehnte junge Mensch ohne Berufsabschluß bleibt und damit von Arbeitslosigkeit besonders bedroht ist, ist eine Frage, auf die vor allem die Schulpolitiker der Länder eine Antwort geben müssen, aber eben auch ein Problem, das uns alle angeht. Im Osten herrscht allen Unkenrufen zum Trotz keine dramatische Lehrstellensituation. Dennoch gibt es hier strukturelle Defizite. Zwar findet jeder Ausbildungswillige eine Lehrstelle, aber immer noch bilden zuwenig Betriebe aus. So sind die überbetrieblichen Ausbildungsstätten ausgelastet, während in den Betrieben zuwenig junge Menschen eine Möglichkeit finden, das Gelernte hinterher auch in anderen Unternehmen anzuwenden. Zur Förderung der betrieblichen Ausbildung in den fünf neuen Bundesländern sind 1992 175 Millionen DM vorgesehen; das entspricht einer Steigerung von 133 % . Die Ankündigung dieses 5000-Mark-Programms der Bundesregierung in diesem Jahr hatte Signalwirkung für den Lehrstellenmarkt Ost. Mit der Aufstockung verstärken wir dieses Signal und bieten zugleich mehr kleinen und mittelständigen Unternehmen die Möglichkeit, Ausbildungsplätze zu schaffen. Zu begrüßen ist aber auch die gestiegene Verantwortung vor allem im Handwerk für den eigenen Berufsnachwuchs, denn wer zu spät ausbildet, den bestraft der Markt! Der nachhaltigen Strukturverbesserung in den beigetretenen Ländern dienen auch die Förderungsmaßnahmen zur Qualifizierung von Personal der beruflichen Bildung. Da die Ausbilder bisher überwiegend in Form eines Staatsmonopols ausgebildet wurden, müssen diese Multiplikatoren, denen die jungen Auszubildenden anvertraut sind, an marktwirtschaftliche Prinzipien herangeführt werden. Mit einer Steigerung von 5 Millionen DM unterstreichen wir noch einmal die Bedeutung dieser Projekte und bieten zugleich die Möglichkeit, die Weiterbildung der Ausbilder zu intensivieren, so daß das Fundament für eine dauerhafte Veränderung verbreitert wird. Von besonderer Bedeutung scheint mir auch die Motivation zur Weiterbildung in den Betrieben zu sein. Hier tut dringend ein Bewußtseinswandel der Beschäftigten not, wenn die Leiterin des Arbeitsamtes Sondershausen, wie am 9. September 1991 in der FAZ zu lesen war, „das Interesse an der Weiterbildung ,erschütternd gering' (nennt, und) vor allem in den Großbetrieben (...) viele Leute ,erst einen Topf richtig ausschöpfen' (wollten), also bis zum Jahresende die Kurzarbeiterregelung genießen, dann ,eine Abfindung kassieren' und sich erst danach qualifizieren". An dieser Stelle drängt sich der Schluß auf, daß man mit Geld zwar einiges, aber eben doch nicht alles, z. B. keinen raschen Bewußtseinswandel, bewegen kann. Oder sollte es beim Kurzarbeitergeld lieber etwas weniger, dafür bei der Weiterbildung etwas mehr sein? Ich meine schon! Aus diesem Grund begrüße ich die Einrichtung eines neuen Titels zur Entwicklung von regionalen beruflichen Weiterbildungshilfen mit 5,5 Millionen DM. Mit Hilfe dieses Ansatzes soll der aktuelle regionale Weiterbildungsbedarf in Unternehmen ermittelt werden. Aus diesen Informationen können dann Empfehlungen für die Unternehmen, besonders aber für die betroffenen Arbeitnehmer abgeleitet werden. Auf diese Weise lassen sich komparative regionale Vorteile herauskristallisieren und die vielgestellten Fragen: In welcher Richtung soll ich mich denn weiterbilden? Wo liegen meine größten Chancen? besser beantworten. Am 1. Oktober 1991 nahmen 21 junge Facharbeiter, davon 13 Frauen am Einführungsseminar der Begabtenförderung berufliche Bildung in Schwerin teil, die ersten von 3 200 in diesem Jahr. Gefördert werden können anspruchsvolle berufsspezifische fachliche Qualifikationen, aber auch soziale Fähigkeiten, die sowohl den Bedürfnissen der jungen Berufstätigen als auch den Erwartungen der späteren Arbeitgeber gerecht werden. Für dieses Programm sind im Haushalt 1992 18 Millionen DM vorgesehen, das entspricht einer Steigerungsrate von 80 % . Mittelfristiges Ziel wird es sein, dieses Programm finanziell ähnlich auszustatten wie die Begabtenförderung an den Hochschulen. Insgesamt müssen wir die strukturellen Ungleichgewichte zwischen beruflicher Bildung einerseits und der akademischen Laufbahn andererseits beseitigen, um die Attraktivität des in der Welt vielbewunderten Systems der dualen Ausbildung auch für die Zukunft zu sichern. Das Kapitel Hochschule und Wissenschaft enthält die beiden Hochschulsonderprogramme I und II, die wie mit den Ländern vereinbart weitergeführt werden, um die Situation an unseren Hochschulen weiter zu verbessern. Nicht mehr im Einzelplan 31 veranschlagt sind die 1,32 Milliarden DM, die der Bund 1992 im Rahmen des Erneuerungsprogramms für Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 5125* Hochschule und Forschung in den neuen Bundesländern bereitstellt. Sie werden jetzt im Einzelplan 60 etatisiert. Herausgreifen möchte ich die Studentenwohnraumförderung. Hier hat der Bund im Westen wie im Osten eine große Verantwortung, die weit über den Bildungsetat hinausreicht. Für ca. 1,6 Millionen Studenten stehen in den alten Bundesländern nur 140 000 mit öffentlichen Mitteln geförderte und vergleichsweise preiswerte Wohnungen zur Verfügung. Studenten werden vorübergehend in Turnhallen, Containern, ja sogar in Bauwagen untergebracht. Angesichts dieser Zustände halte ich es für dringend geboten, sowohl das Deutsche Studentenwerk als auch private Investoren verstärkt für den Bau von Studentenwohnungen in frei werdenden Kasernengebäuden zu gewinnen. Der Bund ist hier besonders in der Verantwortung, die kritische Situation zu entschärfen, und sollte sich nicht nur am besten Angebot für die Immobilien orientieren, sondern die optimale Lösung im Interesse unserer Studenten und damit letztendlich auch im wohlverstandenen Interesse unserer Volkswirtschaft suchen. Zum Schluß möchte ich es nicht versäumen, ein Problem besonderer Güte im Hochschulbereich anzusprechen. Warum leisten wir uns in unserer Hauptstadt Berlin mehrere Universitäten, von denen die eine, die Humboldt-Universität, mehr mit internen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, als sich auf ihre originären Aufgaben zu konzentrieren? Ja, die Zustände dort gipfeln darin, daß für die Verbesserung der Ausbildung dringend benötigte Gastdozenten davor zurückschrecken, sich hier zu engagieren. Zerschlagen wir den gordischen Knoten der alten Seilschaften und bilden aus der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität eine Freie Humboldt-Universität Berlin! Forschung und Lehre rückten wieder in den Vordergrund, der Verwaltungsapparat könnte verkleinert und die frei werdenden Mittel für Investitionen in die Zukunft aufgewandt werden. Hinrich Kuessner (SPD): Die Zeit nach Abschluß der deutschen Einheit rast dahin — so empfindet man es, wenn man in den neuen Ländern für politische Entscheidungen mitverantwortlich ist. Die Menschen erwarten schnelle und wirksame Entscheidungen für die Umgestaltung der Gesellschaft, Entscheidungen, die sie positiv spüren und die für das Neue stehen. In dieser Woche verabschieden wir den zweiten gesamtdeutschen Haushalt. Bei der Verwirklichung der Einheit spielen Bildung und Wissenschaft eine zentrale Rolle. Das gilt gleichermaßen für den Osten wie für den Westen Deutschlands. Investitionen in diesem Bereich sind Investitionen in unsere Zukunft. Denn eine gute Ausbildung ist das beste Fundament für eine erfolgreiche Berufstätigkeit und damit für die Entwicklung unserer Wirtschaft. Die Erhöhung des Haushaltsvolumens für den Bereich Bildung und Wissenschaft auf rund 6,5 Milliarden DM im Jahr 1992 — und wenn man die im Einzelplan 60 „versteckten" Bildungsausgaben im Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost sowie für das Hochschulerneuerungsprogramm hinzurechnet, werden es sogar rund 7 Milliarden DM — geht in die richtige Richtung. Die Frage ist: Reagiert die Politik im Bereich Bildung und Wissenschaft damit in ausreichender und geeigneter Weise auf die Herausforderungen des Einigungsprozesses? Stolz verkünden Regierung und Koalition: Die Zahl der offenen Ausbildungsplätze betrug in den neuen Ländern am 30. September 1991 6 608 und in den alten sogar 128 534. Im Osten waren zu diesem Zeitpunkt nur noch ca. 2 000 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Dabei wurde aber übersehen, daß über den Verbleib von rund 45 000 Bewerberinnen und Bewerbern aus den neuen Ländern noch nichts bekannt ist. Sind sie doch in größerer Zahl als vermutet in die alten Länder abgewandert? Haben sie resigniert und auf eine Ausbildung verzichtet, oder haben sie weiterführende allgemeinbildende Angebote wahrgenommen? Dies sind unbeantwortete Fragen. Zweifel sind auch noch auszuräumen, was die Qualität der Ausbildung angeht, womit jedoch der Dank an alle, die sich für die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen in den neuen Ländern eingesetzt haben, nicht geschmälert werden soll. Die weitere Entwicklung von Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen im nächsten Jahr wird nicht nur von uns kritisch beobachtet. Die Kollegin von der FDP Frau Funke-Schmitt-Rink sagte am 14. November hier im Bundestag: Womöglich kommt es 1992 im Osten zu einer Berufsbildungskatastrophe und einer Welle von Ausbildungsflüchtlingen in den Westen. Leider muß die Warnung der Kollegin ernst genommen werden. In Gesprächen mit jungen Leuten in meinem Wahlkreis in Vorpommern wird mir immer wieder vorgehalten: Wo ist der Arbeitsplatz, für den wir ausgebildet werden? In der Region fehlen sichtbare Zeichen für das Entstehen von neuen Arbeitsplätzen. Man hört vor allem von Entlassungen und Ersatzmaßnahmen wie ABM und Kurzarbeit Null. Es fehlt eine gezielte Strukturpolitik, wie man sie z. B. bei der Stahlkrise im Westen praktiziert hat. Auf die tiefgreifenden strukturellen Veränderungen im Ruhrgebiet und im Saarland antwortete man zu Recht mit einem Sonderprogramm für diese Montanregionen. Ich will nicht leugnen, daß man Zeichen des Neubeginns auch in Vorpommern sieht. Besonders gilt dies für die Baubranche. Aber bisher bringt alles nicht viele Arbeitsplätze. Der Bürger sieht noch nicht, wohin die Fahrt geht, und kann sich darum nicht darauf einstellen. Die hohe Zahl der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze — ca. 38 000 = 35 % aller Lehrlinge im Osten — ist ein Zeichen dafür, daß es noch nicht in die richtige Richtung geht. Noch können die Handwerksbetriebe in den neuen Ländern ihre Ausbildungsfunktion nicht wahrnehmen. Dies ist kein Vorwurf, sondern eine Aufforderung, gemeinsam darüber nachzudenken, was in der Übergangssituation getan werden kann, um das Recht auf eine qualifizierte Ausbildung für alle Jugendlichen zu verwirklichen. Anträge der SPD lagen mehrfach auf dem Tisch, um das Programm der 5126* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 Förderung der betrieblichen Ausbildung im Osten auszuweiten und effizient zu gestalten. Die Koalition hat sie niedergestimmt, und sie unterstützt damit eine falsche Entwicklung. Es muß alles getan werden, daß wir schnell von der außerbetrieblichen Ausbildung vor allem in Helferberufen wegkommen. Es besteht sonst die Gefahr, daß in die Arbeitslosigkeit hinein ausgebildet wird. Von der außerbetrieblichen Ausbildung sind in einem hohen Maße Mädchen betroffen. Dies ist ein gravierendes Problem und kann nicht verharmlost werden. Nicht selten beklagen sich Frauen und Mädchen in den neuen Ländern über spürbare Benachteiligungen, Gleichheit vor dem Gesetz reicht nicht aus. Benötigt wird eine gezielte Förderung in der Beruf sausbildung, auch in sogenannten Männerberufen. Diese Förderung muß beim Übergang in den Beruf fortgesetzt werden. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein gesamtdeutsches Thema, das noch nicht abgehakt werden kann. Dies ist auch nicht nur ein Frauenthema. Im Osten muß die Qualität der beruflichen Ausbildung insgesamt schneller angehoben werden. Auch wenn die SPD viel weitergehende Vorschläge gemacht hat, ist zu begrüßen, daß im Haushalt '92 der Ansatz für die Qualifizierung von Personal der beruflichen Bildung um 5 Millionen DM angehoben wurde und ein Titel für die Entwicklung von regionalen beruflichen Weiterbildungshilfen mit einem Ansatz von 5,5 Millionen DM geschaffen wurde. Das Umsetzen all dieser Mittel muß schnell und gezielt erfolgen. Auf diesem Gebiet geht mir vieles zu langsam. Wer sich dafür lobt, daß er die Einheit schnell vollzogen hat, darf nun nicht ins Schneckentempo verfallen. Gerade die jungen Menschen müssen jetzt eine solide Ausbildung erhalten. Nur so kann die Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland noch in diesem Jahrhundert erreicht werden. Gerade die Jugend brauchen wir dazu. Das Einsetzen der Milliarden im Osten hat nur Sinn, wenn dadurch Aktivitäten ausgelöst werden. Bei der beruflichen Bildung wird das noch nicht genügend sichtbar. In den Berufsschulen ist dringender Handlungsbedarf, auch von seiten des Bundes über das Programm Aufschwung Ost hinaus. Personell und sächlich muß die Ausstattung verbessert werden. Das Geldausgeben auf diesem Gebiet geht mir zu langsam, und ich bezweifle, daß das Geld immer zukunftsträchtig genug eingesetzt wird. Immer wieder werde ich auf Unzulänglichkeiten in der Lehrmittelausstattung angesprochen. Dem Greifswalder Seminar des Landesinstitutes für Schule und Ausbildung stehen für den Aufbau einer Bibliothek kaum Mittel zur Verfügung. Die Qualität der Referendarausbildung ist somit gefährdet. Sicher das ist zuallererst Ländersache. Auch für die Beschaffung der Schulbücher ist der Bund nicht zutändig. Eine Bonner Lehrerin sammelt für Greifswalder Schulen Schulbücher. Und das wird immer noch gerne angenommen. Es zeigt nur, daß auf dem Sektor der Bildung noch viel Sand im Getriebe steckt. In Mecklenburg-Vorpommern kann es natürlich auch daran liegen, daß dieser Bereich nicht gerade von kompetenten Leuten vertreten wird. Die negativen Entwicklungen im Rechtsextremismus zeigen, daß wir hier keine Zeit haben. Soziale Probleme verstärken Spannungen und erzeugen Gewalt. Bildung ist eine wichtige Waffe dagegen. Trotz der vielen offenen Ausbildungsplätze im Westen gibt es auch dort ungelöste Ausbildungsprobleme. Eine EMNID-Umfrage hat ergeben, daß 14 % der jungen Menschen eines Jahrgangs keinen Ausbildungsabschluß haben. Die Zahl der jugendlichen Langzeitarbeitslosen ist beträchtlich. Die etwa 1,7 Millionen Jugendliche, die seit 1970 ohne eine qualifizierte Ausbildung geblieben sind, sind hier besonders gefährdet. Auch hier zeigt sich, daß in den alten Bundesländern mehr Anstrengungen unternommen werden müssen, damit die Zahl der Jugendlichen ohne Qualifizierung geringer wird. Arbeitgeber und Berufsschulen sind aufgerufen, die Anstrengungen zu verstärken, damit die Abbrecherquote gesenkt und sozialpädagogische Förderung Lernschwacher intensiviert wird. Kein richtiger Weg ist nach Meinung der SPD die Verkürzung der Berufsausbildung für sogenannte praktisch Begabte. Der Bund hat eine besondere Verantwortung für diese benachteiligten Gruppen. Staatliche Bildungspolitik muß allen gleiche Bildungschancen eröffnen. Ich erkenne im Haushalt '92 nicht die Programme, die auf die Lernbedürfnisse aller Jugendlichen genügend reagieren. Den Jugendlichen in Deutschland wird bescheinigt, daß die Bereitschaft zum Lernen bei vielen vorhanden ist, ja, sie war noch nie so groß wie heute. Darum muß unser Bildungssystem jetzt ausgebaut und umgebaut werden, um den Anforderungen der Jugendlichen, aber auch der Erwachsenen sowie den Anforderungen von Gesellschaft und Wirtschaft gewachsen zu sein. Die Wiedereinführung von Zulassungsbeschränkungen an den Hochschulen ist nach Meinung der SPD ein falscher Weg. Daß viele junge Menschen gute Ausbildungen an Hochschulen anstreben, sollten wir nicht verhindern. Um den Einsatz öffentlicher Mittel an den Hochschulen wirkungsvoller zu machen, sind andere Überlegungen notwendig. Arbeitsmarktforscher sagen auch einen höheren Bedarf für die nächste Zukunft voraus. Die Programme im Haushalt '92 sind dafür nicht ausreichend. Neben der Reform der inneren Struktur der Hochschulen müssen die Sonderprogramme neu überdacht werden. Dazu ist der Nachholbedarf der Universitäten in den neuen Ländern zu berücksichtigen. Gemeinsam setzen sich alle Fraktionen im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft für eine Anhebung der Mittel für den Hochschulbau ein. In den Bund-Länder-Gremien müssen die Überlegungen zu einem Hochschulentwicklungsplan — als Teil eines neuen Bildungsplanes — rasch beginnen. Ich will nur auf einen Punkt hinweisen: Für die Studentenwohnraumförderung wurde der Ansatz '92 um 50 Millionen DM auf 200 Millionen DM erhöht. Dieses Geld steht nur den Hochschulen im Westen zur Verfügung. Die Hochschulen in den neuen Ländern kön- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 5127* nen theoretisch der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern beitreten. Aber es fehlen die finanziellen Voraussetzungen, da die Länder 30 und die Träger 40 % der Kosten zu tragen haben. Dies läßt sich nicht realisieren. Für 1991/92 sind darum Mittel im Programm Aufschwung Ost vorgesehen. Dieses Programm muß in den neuen Ländern aber weitergehen. Die Wohnheimplätze in den neuen Ländern sind oft in einem unzumutbaren Zustand. Auch das führt zu Abwanderungen. Hier muß schnell über weitergehende Maßnahmen nachgedacht werden. Der Versorgungsgrad mit Wohnheimplätzen der Studenten in den neuen Ländern liegt mit 75 % weit über dem der alten Länder. Dort betrug er 1990 9,3 %. Aber man darf nicht übersehen, daß die Wohnraumsituation in den neuen Ländern insgesamt mit riesigen Problemen behaftet ist. Außerdem wird die Studentenzahl an den Hochschulen in den neuen Ländern steigen. Die Universität Greifswald hat z. B. nicht einmal 3 900 Studenten. Der Bedarf an Studienplätzen für Studenten aus den neuen Ländern wird in den nächsten Jahren erheblich zunehmen. In der DDR war die Möglichkeit zum Studium nur wenigen gegeben. Eine Reduzierung von Studentenwohnheimplätzen ist keine Lösung. Auch darf das Programm der Studentenwohnraumförderung im Osten nicht zu Lasten des Programms im Westen gefahren werden. Es ist dort ebenso notwendig. Uns allen in diesem Haus ist sicher bewußt, daß eine friedliche und demokratische Entwicklung im geeinten Deutschland nur zusammen mit unseren Nachbarn in Ost und West und Nord und Süd möglich ist. Für die Förderung der Zusammenarbeit mit anderen Staaten und mit internationalen Organisationen auf dem Gebiet von Bildung und Wissenschaft sind im Haushalt bescheidene Mittel eingesetzt. Die Zuschüsse für Investitionen in Mittel- und Osteuropa sind von 3 Millionen DM 1991 auf 4 Millionen DM 1992 erhöht worden. Das ist bei der Größe der Aufgabe ein kleiner Betrag. Noch bedenklicher ist, daß der Betrag 1991 wohl nicht ausgeschöpft wird. Sicher gibt es große Schwierigkeiten, wenn man in Mittel- und Osteuropa etwas machen will. Das kann doch aber nur bedeuten, daß Einsatzbereitschaft und Einfallsreichtum verstärkt werden. Auf neue Herausforderungen muß man mit neuen Ideen antworten. Oder sollen hier schöne politische Titel geschrieben werden, mit denen man sich in der Öffentlichkeit schmückt, aber die in Wirklichkeit nicht realisiert werden sollen? Meine Skepsis ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Schon im Haushalt '91 stand eine globale Minderausgabe von 50 Millionen DM; 1992 beträgt sie 42,5 Millionen DM. Was politische Prosa ist und was Wirklichkeit werden soll, kann also nicht erkannt werden. Die globale Minderausgabe ist ein untaugliches haushaltspolitisches Mittel. Beim ersten gesamtdeutschen Bundeshaushalt hatte ich dafür noch gewisses Verständnis. Es gibt bisher keine Erklärung seitens der Bundesregierung, daß auf dieses Mittel künftig verzichtet wird. Theoretisch ist es z. B. möglich, daß die Ansätze für Qualifizierung von Personal der beruflichen Bildung, für Entwicklung von regionalen beruflichen Weiterbildungshilfen und für Modernisierung und Ausstattung beruflicher Bildungsstätten in den neuen Ländern der globalen Minderausgabe zum Opfer fallen. Wer die globale Minderausgabe zu einem festen Haushaltstitel macht, ist — um es vorsichtig zu formulieren — an der aktiven Haushaltspolitik des Parlamentes nicht interessiert. Das kann und darf nicht unser Interesse sein. Der Einzelhaushalt für Bildung und Wissenschaft wird den Anforderungen und Herausforderungen unserer Zeit nicht gerecht. Die SPD lehnt ihn darum ab. Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink (FDP): Der Etat des Bundesbildungsministers weist in diesem Jahr wieder eine überdurchschnittliche Steigerung aus. Es ist ein Anstieg um 4,5 % auf rund 6,5 Milliarden DM. Die Regierung hat also erhebliche finanzielle Anstrengungen unternommen, auch wenn nicht alle gewünschten Maßnahmen abgedeckt werden können. Wichtige wegweisende Schlüsselentscheidungen sind jedoch in dem Haushaltsplan enthalten. 1. Der Aus- und Neubau von Hochschulen wird um 300 Millionen auf 1,6 Milliarden DM aufgestockt. 2. Für das Ausbildungsplatzförderungsprogramm in den neuen Ländern sind 1992 175 Millionen DM eingestellt. 3. Mit der Verdoppelung der Mittel auf 20 Millionen DM soll die in diesem Jahr begonnene Begabtenförderung in der beruflichen Bildung 1992 ausgebaut werden. Damit ist für den Bereich der beruflichen Bildung eine Ausgabensteigerung um mehr als 43 % vorgesehen. 4. Rund 250 Millionen DM sind für das Erneuerungsprogramm für Hochschule und Forschung in den neuen Bundesländern vorgesehen. Der Bundesbildungsminister hat zu Recht die Erhöhung der BAföG-Leistung um 6 % gefordert. Es geht um die Anpassung der BAföG-Grundbeträge an die kräftig gestiegenen Lebenshaltungskosten im Osten. Ein Hinauszögern der Gleichstellung der ostdeutschen Studenten würde den Abwanderungstrend Richtung West dramatisch verstärken. Doch über berstende Hörsäle können die Hochschulen in Westdeutschland schon zur Genüge klagen. Die Aufbauprobleme im Osten dürfen uns nicht den Blick auf die offenkundigen Probleme im Westen versperren. Deswegen möchte ich an dieser Stelle auf zwei Bereiche dieses Haushalts eingehen, die noch mehr als bisher Schwerpunkte der zukünftigen Bildungspolitik sein müssen. Das ist zum einen die Weiterbildung des dualen Systems in Richtung auf die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung und zum zweiten die Hochschulausbildung. Die Bildungsreform der 70er Jahre hatte vor allem das Postulat der Chancengleichheit und die soziale Öffnung des Bildungswesens zum Ziel. Die Bildungspolitik der 90er Jahre muß die soziale Integration der Jugendlichen über eine bildungsadäquate Beschäftigung im Beruf gewährleisten. Und deshalb begrüßen wir Liberale ausdrücklich die Zielsetzung der Regierung, die berufliche Bildung als gleichwertigen Teil des Bildungswesens auszubauen. Ein Schritt in diese Richtung ist das Programm der beruflichen Begabten- 5128* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 förderung. Diese muß in den nächsten Jahren auf eine Größenordnung wie im Hochschulbereich kommen. Die Öffnung der Hochschulen für qualifizierte Berufstätige ohne Abitur ist vor allem dann zu erwägen, wenn man das Ziel nicht aus dem Auge verliert, Berufsausbildung attraktiver zu machen. Denn über eines sind wir uns alle klar: Die Wachstumsbremse unserer Volkswirtschaft in den nächsten Jahren wird der Facharbeitermangel sein, und die Bildungspolitik der 90er Jahre muß diesen Mangel beheben, indem sie der beruflichen Bildung den Makel der Minderwertigkeit nimmt. Im vereinten Deutschland haben wir 1991 mehr Studierende als Lehrlinge (1,7 Millionen zu 1,5 Millionen). Jugendliche zwischen 18 und 21 Jahren haben zu 31 To inzwischen die Hochschulreife, und die meisten möchten auch studieren. Aber was heißt das heute? Überlange Studienzeiten, Zunahme von unzumutbaren Lehr- und Lernsituationen, Fachwechsel, Studienabbrüche und ungewisse Zukunftsaussichten. Ein Numerus clausus in zahlreichen weiteren Fächern, wie ihn die Hochschulrektorenkonferenz verlangt, ist zu verstehen, aber von Bildungspolitikern/ innen nicht zu vertreten. Die erhebliche Steigerung der Hochschulförderungsmittel im Haushalt 1991 und die konsequente Weiterführung des Ansatzes in 1992 sind zukunftsweisend. Aber die FDP wird auch in Zukunft gemeinsam mit dem Bundesbildungsminister dafür kämpfen, weitere Erhöhungen der Mittel zur Modernisierung und den Ausbau der Hochschulen einsetzen zu können. Trotz der auf 1,6 Milliarden DM erhöhten Bundesmittel für den Hochschulneubau und der zur Lösung der anstehenden Probleme in den Hochschulsonderprogrammen zur Verfügung stehenden Beträge werden wir es nicht zulassen, daß die Länder in ihrem Verantwortungsbereich — und das heißt personelle und materielle Ausstattung der Universitäten und Fachhochschulen — untätig die Hände verschränken und die gestiegenen Studentenzahlen hilflos ignorieren. Wir müssen ohne ideologische Scheuklappen über neue Wege nachdenken. Einige Stichworte: — fachspezifische Hochschuleingangsprüfungen, — rigorose Prüfungen nach der ersten Studienetappe, — Kurzstudiengänge mit attraktiven Abschlüssen. Wir müssen da allerdings auch die Wirtschaft und die Studierenden davon überzeugen, daß diese Abschlüsse etwas wert sind. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Fachhochschulen mit ihrem kürzeren Studium auszubauen. Die Fachhochschulen attraktiver zu gestalten ist aber auch verbunden mit einigen Fragen, die in nächster Zeit zu klären sind und sicherlich Proteste provozieren werden. Ich meine die beamtenrechtliche Laufbahn. Muß es auf ewig festgezimmert sein, daß Fachhochschulabsolventen im öffentlichen Dienst mit A 9/ A 10 anfangen, während Absolventen der Hochschulen bei A 13 einsteigen? Ein zweiter Punkt: Professoren für die Fachhochschulen zu gewinnen ist schwierig. Sie müssen nämlich im Wettbewerb mit der Wirtschaft gewonnen werden. Zwischen Wirtschaft und Fachhochschule ergeben sich mittlerweile derart hohe Einkommensunterschiede, daß es immer schwieriger sein wird, die Professuren mit qualifizierten Persönlichkeiten zu besetzen. Leider konnten der Haushaltsausschuß und das Hohe Haus nicht der Empfehlung des Wissenschaftsrates für eine deutliche Erhöhung der C-3-Stellen folgen. Immerhin war die Verbesserung des Schlüssels auf 60 (C 3) zu 40 (C 2) ein Schritt in die richtige Richtung. Fazit: Wir müssen mehrere Instrumente zur gleichen Zeit anwenden. Bund und Länder müssen zusammen tragfähige Konzepte erarbeiten, und zwar unter dem Leitsatz, daß die Investitionen in Bildung und Wissenschaft die wichtigsten Investitionen in die Zukunft unserer Gesellschaft sind. Und vielleicht muß der Bund mehr Kompetenzen bekommen, wenn die Länder versagen. Dr. Rainer Ortleb Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf für den Haushalt 1992 des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft sieht Ausgaben in Höhe von insgesamt 6,451 Milliarden DM vor. Gegenüber dem diesjährigen Haushalt bedeutet dies einen überdurchschnittlichen Anstieg um 4,5 % . Die Bundesregierung dokumentiert damit den hohen Stellenwert, den sie Bildung und Wissenschaft beimißt. Der Entwurf des Einzelplans 31 bietet eine solide finanzielle Basis zur Lösung der im Jahre 1992 zu bewältigenden Aufgaben. Im Mittelpunkt der Anstrengungen stehen auch im kommenden Jahr der weitere Ausbau sowie inhaltliche und strukturelle Verbesserungen von Bildung und Wissenschaft in den neuen Ländern. Daneben gilt es, die notwendigen Reformen in den alten Bundesländern fortzuführen. Die Ansätze des Haushaltsentwurfs tragen dieser Aufgabe und damit einer weiteren erfolgreichen Entwicklung von Bildung und Wissenschaft im geeinten Deutschland Rechnung. Folgende Punkte des Haushaltsentwurfs 1992 möchte ich besonders herausstellen: Erstens. Der beruflichen Bildung gelten besondere Anstrengungen. Die hierfür vorgesehenen Ausgaben sollen um mehr als 40 % steigen. Hauptaufgabe wird erneut sein, allen Jugendlichen in den neuen Ländern einen Ausbildungsplatz anzubieten. Die nahezu ausgeglichene Lehrstellenbilanz dieses Herbstes ist eine hervorragende Ausgangsposition. Allerdings muß im nächsten Jahr der Anteil der betrieblichen Ausbildungsplätze noch erheblich gesteigert werden. Für das Ausbildungsförderungsprogramm stehen — nach 75 Millionen DM im laufenden Jahr — im Jahre 1992 weitere 175 Millionen DM zur Verfügung. Daraus können für Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten Zuschüsse in Höhe von 5 000 DM pro eingestelltem Auszubildenden finanziert werden. Die Bundesregierung sieht in dieser Maßnahme gleichzeitig einen wirksamen Beitrag zum Auf- und Ausbau einer gesunden mittelständischen Wirtschaftsstruktur und damit des dualen Systems, in dem gerade kleinere Betriebe eine wichtige Rolle spielen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 5129* Für die Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten sind die Mittel um 17 Millionen DM auf insgesamt 130 Millionen DM aufgestockt worden. Die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten sind zu einem unverzichtbaren Strukturelement der dualen Berufsausbildung geworden. Sie tragen wesentlich zur Verbesserung der Qualität der beruflichen Ausbildung bei. Das Netz der überbetrieblichen Berufsbildungsstätten wird nunmehr auch auf die neuen Länder ausgedehnt. Die Planung sieht dort die Errichtung von 7 000 Werkstattplätzen vor. Zur Verbesserung der Qualität der beruflichen Bildung in den neuen Ländern gehört auch die Qualifizierung des Personals. Gegenüber dem laufenden Jahr werden die Mittel um ein Viertel auf 25 Millionen DM erhöht. Daneben sind für die Modernisierung der Ausstattung beruflicher Ausbildungsstätten in den neuen Ländern nach 8 Millionen DM in diesem Jahr weitere 8 Millionen DM im Jahre 1992 veranschlagt. Erstmals sind 5,5 Millionen DM zur Entwicklung regionaler beruflicher Weiterbildungshilfen in den neuen Ländern vorgesehen. Hinweisen möchte ich auf die schwierige Situation an den Berufsschulen in den neuen Ländern. Hier besteht dringender Handlungsbedarf der dafür zuständigen Länder und Kommunen, denn eine leistungsfähige Berufsschule ist notwendig für eine hohe Qualität des dualen Systems der Berufsausbildung. In diesem Jahr ist die vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft ins Leben gerufene Begabtenförderung in der beruflichen Bildung angelaufen. Wie dringlich es war, diese Lücke zu schließen, zeigt die große Zahl vorliegender Anträge. Ich darf an dieser Stelle noch einmal betonen, daß es hierbei um die Förderung der berufsbegleitenden Weiterbildung begabter junger Berufstätiger geht, die im Beruf bleiben wollen. Der Haushaltsentwurf für 1992 sieht fast eine Verdoppelung der Mittel gegenüber 1991 auf 18 Millionen DM vor. Mittelfristiges Ziel ist es, für diese Förderung eine ähnliche Größenordnung wie bei der Begabtenförderung im Hochschulbereich zu erreichen. Zweitens. Die Sicherung und Stärkung der Leistungsfähigkeit von Lehre und Forschung an den Hochschulen in den alten und den neuen Ländern hat angesichts weiter steigender Studentenzahlen für die Bundesregierung höchste Priorität. Die Ausgaben für den Aus- und Neubau von Hochschulen im vorliegenden Haushaltsentwurf liegen mit 1,6 Milliarden DM auf dem hohen Niveau des Jahres 1991. Die Bundesregierung schafft damit bei anhaltend hoher Nachfrage nach Studienplätzen und den dringend notwendigen Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen in den neuen Ländern die finanzielle Grundlage für die erforderlichen Baumaßnahmen und die zunehmend wichtiger werdende Ausstattung mit modernen Großgeräten für Forschung und Lehre. Zusammen mit dem von den Ländern aufzubringenden Anteil stehen damit 3,2 Milliarden DM für den Hochschulbau zur Verfügung. Circa 600 Millionen DM entfallen davon auf die neuen Länder. Der Bedarf dieser Länder wird in den nächsten Jahren deutlich steigen, wenn die Planung der dringenden Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen weiter fortgeschritten ist. Der Wissenschaftsrat schätzt ab 1993 den Finanzbedarf für die alten und neuen Länder auf insgesamt 2 Milliarden DM jährlich an Bundesmitteln. Ich kann die hinter dieser Aussage stehende Sicht der Entwicklungstendenzen des Bedarfs und der Ausbaunotwendigkeiten durchaus nachvollziehen. Konkret werden wir darüber beim Haushalt 1993 sprechen müssen. Eines aber halte ich heute schon in aller Deutlichkeit fest: Eine Politik flächendeckender Zugangsbeschränkungen werde ich nicht akzeptieren. Wichtiges Element der Offenhaltungspolitik und der Steigerung der Leistungsfähigkeit von Forschung und Lehre bleiben die laufenden Hochschulsonderprogramme. Sie werden gemeinsam mit den Ländern weitergeführt. Für das Hochschulsonderprogramm I stehen 1992 150 Millionen DM zur Verfügung. Für das in diesem Jahr angelaufene Hochschulsonderprogramm II, das insbesondere der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der Förderung von Frauen in der Wissenschaft, der Stärkung der Fachhochschulen und der Intensivierung der europäischen Zusammenarbeit im Hochschulwesen dient, sind im Etatentwurf 165,9 Millionen DM veranschlagt. Ich bin erfreut darüber, daß es gelungen ist, in diesem Programm deutliche Schwerpunkte bei der Frauenförderung, z. B. durch die Einführung neuer Wiedereinstiegsstipendien und von Kinderbetreuungszuschlägen zu Stipendien, zu setzen. Als Beitrag des Bundes für die Förderung der Forschung soll die Deutsche Forschungsgemeinschaft insgesamt rund 860 Millionen DM an Bundesmitteln erhalten. Dabei werden die für die Allgemeine Forschungsförderung und die Sonderforschungsbereiche vorgesehenen Mittel der DFG für die alten Länder um die vom Bundeskanzler und den Regierungschefs der Länder vorgesehene Rate von 5 % steigen. Für die neuen Länder ist im Hinblick auf den Nachholbedarf ein höherer Aufwuchs gegenüber dem Vorjahr vorgesehen, so daß die DFG-Mittel für die Allgemeine Forschungsförderung und die Sonderforschungsbereiche um insgesamt rund 7 % steigen werden. Erstmals sieht der Entwurf des Einzelplans 31 einen Ansatz zur Förderung von angewandter Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen vor. Dadurch soll die Basis für ein stärkeres Engagement der Fachhochschulen in Vorhaben der angewandten Forschung und Entwicklung, die für die Qualität und den Praxisbezug der Lehre von erheblicher Bedeutung sind, in allen dort vertretenen Fachbereichen geschaffen werden. Die Förderung soll im Rahmen eines gemeinsamen Bund-Länder-Programms auf der Grundlage einer Vereinbarung nach Art. 91 b des Grundgesetzes erfolgen. Ich gehe davon aus, daß die Länder die Möglichkeit ergreifen werden, sich an diesem Programm zu beteiligen. Für das „Erneuerungsprogramm für Hochschule und Forschung in den neuen Ländern", das Bund und Länder im Juli dieses Jahres unterzeichnet haben, sind für 1992 rund eine halbe Milliarde DM vorgesehen (nur für 1992 im Einzelplan 60). Mit diesem Programm, an dessen Umsetzung die Verwaltungen der neuen Länder mit Nachdruck arbeiten, wird die Grundlage für den Neuaufbau von Hochschule und Wissenschaft in den neuen Ländern und Berlin mit dem Ziel der Verbesserung von Qualität in Forschung 5130* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 und Lehre geschaffen. Dabei geht es neben verschiedenen Maßnahmen zur personellen Erneuerung und zur Verbesserung der Ausstattung der Hochschulen und ihrer Infrastruktur auch um die Eingliederung von Forschern und Forschergruppen der Akademien der ehemaligen DDR in die Hochschulen und um die Förderung neuer Einrichtungen des außeruniversitären Forschungsbereichs. Für Maßnahmen beim Studentenwohnraumbau im Rahmen des Förderungsprogramms von 1990 bis 1994 sind nach 150 Millionen DM für 1991 im Jahre 1992 200 Millionen DM vorgesehen. In dem genannten Zeitraum werden unter Berücksichtigung auch der von den Ländern und Trägern von Maßnahmen aufzubringenden Mittel Investitionen in Höhe von mehr als 2 Milliarden DM mobilisiert, um der Wohnungsnot der Studenten zu begegnen. Drittens. Die veranschlagten Mittel für Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz liegen mit 2,7 Milliarden DM knapp über dem Ansatz von 1991. Sie werden ausreichen, um alle Berechtigten zu fördern. Dabei ist berücksichtigt, daß durch ein 15. BAföG-Änderungsgesetz u. a. Bedarfssätze und Freibeträge zum Herbst 1992 angepaßt werden sollen. Viertens. Die Mittel für Maßnahmen auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung und für Zuschüsse an Weiterbildungseinrichtungen sollen von 48,6 Millionen DM im laufenden Jahr auf knapp 61 Millionen DM steigen. Dieser Mittelansatz trägt dazu bei, die Weiterbildung zu einem gleichwertigen Teil des Bildungswesens weiter auszubauen und in den neuen Ländern eine plurale, bedarfsgerechte Weiterbildungsstruktur zu schaffen. Fünftens. Die Bundesregierung beabsichtigt, auch im Jahre 1992 die Förderung von Auslandsaufenthalten deutscher Hochschulabsolventen und Studenten sowie des Austausches von Wissenschaftlern mit dem Ausland — auch im Hinblick auf die Entwicklung in den mittel- und osteuropäischen Staaten — weiter auszubauen. Dafür sollen 60 Millionen DM zur Verfügung stehen. Sechstens. Die Zuschüsse an die Begabtenförderungswerke, die Stipendien an Studenten und junge Nachwuchswissenschaftler vergeben, werden auf insgesamt 113,6 Millionen DM, einschließlich 27 Millionen DM für die Promotionsförderung, aufgestockt. Dazu kommen weitere 16,3 Millionen DM für die Förderung von Postdoktoranden, die von der DFG als Stipendien vergeben werden. Der Entwurf des Einzelplans 31 des Bundeshaushalts für 1992 bietet insgesamt eine solide finanzielle Grundlage, die vor uns liegenden Aufgaben in Bildung und Wissenschaft im vereinten Deutschland zu bewältigen. Ich danke den Berichterstattern und dem Haushaltsausschuß für ihre Unterstützung und bitte um Ihre Zustimmung zum Etatentwurf.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dietrich Austermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann all die verstehen, die soeben den Saal verlassen haben, nachdem sie die Rede von Herrn Schnell gehört haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD)

    Denn es ist der Eindruck entstanden, daß Forschung etwas mit Trauer, mit beklagenswerten Zuständen und mit persönlichem depressivem Gefühl zu tun hat.

    (Zuruf von der SPD: Sie haben Herrn Schnell nicht zugehört! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Ich möchte einmal uns allen die Frage stellen, wie der Kollege Schnell, wenn er demnächst in einer der drei neuen Großforschungseinrichtungen in den neuen Bundesländern erscheint oder in einem der 24 neuen „Blaue Liste "-Institute oder in dem neuen Umweltforschungsinstitut in Halle

    (Zuruf von der CDU/CSU: Der weiß gar nicht, wo das ist!)

    oder anderswo auftritt, wohl aufgenommen wird, wenn er den beklagenswerten Sachverhalt vermitteln muß, daß wir in den nächsten fünf Jahren „bloß" 6 Milliarden DM für die Forschung in den neuen Bundesländern bereitstellen. Dann brechen alle in Tränen aus und sagen: So kann es nicht weitergehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn man der Situation ernsthaft gerecht werden will, muß man die Fakten vernünftig darstellen und sagen, wo die Probleme in der Forschung liegen; die will ich überhaupt nicht verniedlichen. Man muß den Bürgern auch sagen, was tatsächlich geleistet wird. Und das ist in der Tat beträchtlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD)

    Ich will das an nur wenigen Zahlen kurz deutlich machen: Die Steigerung des Forschungsetats gegenüber dem Jahr 1991 beträgt 9,7 %. Dabei sind die 300 Millionen DM aus dem Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost und die 180 Millionen DM, die wir zusätzlich für industrielle Forschung ausgeben, nicht mitgerechnet. Eine beachtliche Leistung! Insgesamt umfaßt dieser Einzelplan 9,7 Milliarden DM, während sich der für dieses Jahr auf 8,4 Milliarden DM belief. Wenn das keine bedeutsame Steigerung ist,

    (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Eben!)




    Dietrich Austermann
    weiß ich nicht, ob die SPD-Kollegen überhaupt noch rechnen können.

    (Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: Das haben die noch nie gekonnt!)

    Nörgeln, maulen, miesmachen, lieber Kollege Schnell, ist einfach zuwenig, wenn man sich dem Thema sachgerecht nähern will.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich möchte mich deshalb kurz den Themen widmen, um die es tatsächlich geht.

    (Zuruf von der SPD: Ausgerechnet Sie!)

    Das wichtigste Thema ist sicher die Frage: Wie können wir die Forschungspolitik in den neuen Bundesländern unter Nutzung der dort vorhandenen Besonderheiten und Qualitäten in die Forschungslandschaft der alten Bundesländer einbetten? Wie können wir
    — zweitens — die technologischen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik insgesamt verbessern? Wie können wir — drittens — Schlüsseltechnologien in der Aufholjagd, die wir mit Amerikanern und Japanern austragen, einen entschiedeneren Impuls geben?

    (Josef Vosen [SPD]: Fragen Sie uns! Wir wissen das!)

    — Ich werde die Frage gleich beantworten, Herr Vosen, damit Sie etwas mit nach Kalkar nehmen können
    — zur eigenen Weiterbildung und zur Information Ihrer Genossen dort. — Wir werden schließlich — viertens — die Frage beantworten müssen, wie wir die Raumfahrt weiter betreiben und wie es — fünftens — mit der Zukunft der Großforschungseinrichtungen aussehen soll.
    Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten hängt von der Beherrschung bestimmter kritischer Technologien ab.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Donnerwetter!)

    — Ich habe den Eindruck, daß sich viele von Ihnen mit diesen neuen Technologien nur ungern befassen; deshalb muß das hier deutlich gesagt werden.
    Das amerikanische Wirtschaftsministerium hat in umfangreichen Untersuchungen neu auftretende Technologien identifiziert, die im Jahr 2000 hohe Beiträge zum Markt leisten können. Etwa die Hälfte des Umsatzes der Zukunft werden neue Materialien, fortgeschrittene Halbleiter, Höchstleistungsrechner, computerintegrierte Fertigung ausmachen.
    Eine wesentliche Rolle dürften die Energieforschung, vor allem für erneuerbare Energien und rationelle Energieverwendung, sowie Biotechnologie und nachwachsende Rohstoffe spielen.
    Es muß eine Aufgabe der künftigen Forschungspolitik sein, immer wieder neue Themen aufzuspüren und im Wettbewerb mit Japan und den USA mitzuhalten.
    Bezüglich der Mikroelektronik läuft Europa Gefahr zurückzubleiben; gleiches gilt für Hochleistungsmetalle und für die Umwelttechnologie im weitesten Sinne.
    Internationale Bestandsaufnahmen machen deutlich — dies kann man aus dem Etat des Forschungsministeriums ersehen — , daß Forschungsanstrengungen, vor allen Dingen für anwendungsbezogene Forschung, verstärkt werden müssen, um die Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu steigern. Dies hilft selbstverständlich gerade auch den Unternehmen in den neuen Bundesländern, die vor allem auf Innovationen setzen und alte Produktionsverfahren nicht fortsetzen können.
    Zur Lage der Mikroelektronik in Deutschland ist folgendes zu sagen: Wir wissen, daß sie nicht nur für die Bereiche Datenverarbeitung, Informations- und Kommunikationstechnik eine Schlüsseltechnologie darstellt, sondern auch für wichtige Wirtschaftszweige, wie Maschinen- und Apparatebau sowie Fahrzeugbau.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sagen Sie einmal etwas zu Schleswig-Holstein, Herr Austermann!)

    — Ich komme dazu.
    Das Zukunftskonzept der Informationstechnik der Bundesrepublik aus dem Jahr 1989 muß dringend fortgeschrieben werden; dazu zwingt nicht zuletzt die Wiedervereinigung. Trotz der erheblichen Förderung in den letzten Jahren, die auch die Wissenschaft in diesem Feld ausgebaut hat, müssen wir mehr tun; und wir tun dies.
    Jetzt komme ich zu Ihrem Stichwort, Herr Kollege Struck: Wir tun dies, indem wir eine Fülle von Einrichtungen schaffen, die im Verbund gemeinsam die Mikroelektronik voranbringen sollen. Dazu gehört selbstverständlich das neue Institut ISIT in Itzehoe, aber auch SIGAN in Hannover, MATZ in Hamburg und viele andere mehr. Der Verbund der FraunhoferGesellschaft gehört dazu, ebenso das Zentralinstitut für Mikroelektronik in Dresden. Ich glaube, daß der Haushalt des Forschungsministers in diesem Bereich für 1992 deutliche Impulse setzt.
    Jeder dritte Arbeitsplatz in den alten Bundesländern hängt vom Export ab und damit von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb sind Innovationen unbedingt erforderlich.
    Was haben wir in diesem Jahr tatsächlich getan?

    (Detlev von Larcher [SPD]: Nichts!)

    — Dies kann nur derjenige behaupten, der die Fakten nicht kennt oder der sie nicht sehen will, lieber Kollege.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    600 Millionen DM sind für Projekte in den neuen Bundesländern bereitgestellt worden. Es ist erfreulich, daß sie auch umgesetzt wurden. Eine Überbrükkungsfinanzierung konnte für Projekte industrieller Forschungseinrichtungen in den neuen Bundesländern über die Treuhandanstalt, das Forschungsministerium und das Wirtschaftsministerium erreicht werden.
    Im Nachtragshaushalt, der in dieser Woche beschlossen wird, werden weitere 50 Millionen DM noch für dieses Jahr für Forschungs-GmbHs bewilligt.



    Dietrich Austermann
    Ich glaube, daß es falsch ist, wenn der Kollege Späth aus anderer Perspektive und anderer Interessenlage von einer „verlängerten Werkbank" redet. Wenn man sich tatsächlich mit den Fakten befaßt — ich sage es noch einmal — , stellt man fest: 3 Forschungseinrichtungen, 24 Blaue-Liste-Institute, viele Einrichtungen, die früher bei der AdW waren und jetzt bei den Hochschulen der Länder sind, viele andere private Institute und die Forschungseinrichtungen, die weiter unterstützt werden — 180 Millionen im kommenden Jahr — , sind programmiert. Technologieorientierte Unternehmensgründungen werden gefördert. Technologie- und Gründerzentren werden mit 40 Millionen DM unterstützt. Dies ist eine gewaltige Leistung, die sich sehen lassen kann, und die man den Landsleuten in den neuen Bundesländern als Zeichen der Hoffnung vermitteln sollte,

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    aber nicht mit einem Ton, der den Eindruck erweckt, es wäre soeben ein naher Verwandter gestorben, wie man gerade zur Kenntnis habe nehmen müssen.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Ungeheuerlich!)

    Darüber hinaus muß man feststellen, was unsere Forschungsgesellschaften tun und getan haben. Herausragend ist die Anstrengung der Fraunhofer-Gesellschaft zu nennen, weniger herausragend die der Max-Planck-Gesellschaft.
    Immerhin steigen die Mittelzuweisungen an die Fraunhofer-Gesellschaft auf Grund der Investitionen in den neuen Bundesländern im kommenden Jahr um 82 % , bei der Max-Planck-Gesellschaft um lediglich 8,9 %

    (Detlev von Larcher [SPD]: Das hat Ihnen der Herr Riesenhuber aufgeschrieben!)

    Ein weiterer Punkt, den man in diesem Zusammenhang erwähnen muß, betrifft das, was im neuen Jahr neu in Angriff zu nehmen ist. Das ist ein Thema, das weniger mit den neuen Bundesländern als vielmehr mit den alten zusammenhängt. Das ist die Situation der Großforschungseinrichtungen. Wenn wir die Forschung in den neuen Bundesländern generell auf den Prüfstand stellen und dort eine Bewertung durch den Wissenschaftsrat durchführen lassen, muß dies selbstverständlich auch für die Großforschungseinrichtungen in den alten Bundesländern gelten. Das kann aber eben nicht mit der Rasenmähermethode geschehen.

    (Josef Vosen [SPD]: Genau!)

    Man kann nicht sagen: Wir müssen generell sparen. Die Kollegen der Koalition haben im Forschungsausschuß deutlich gemacht — —

    (Josef Vosen [SPD]: Sagen Sie das Herrn Riesenhuber!)

    — Herr Vosen, ich weiß nicht, ob Sie sich dem angeschlossen hab en — : Di e Großforschungseinrichtungen brauchen mehr Flexibilität und das Handwerkszeug, um den neuen Anforderungen besser gerecht zu werden.
    Lassen Sie mich wenige Sätze zum Bereich der Umweltforschung sagen, der einen Schwerpunkt in den neuen Bundesländern bildet. Ich habe bereits das neu zu schaffende Umweltforschungszentrum als Großforschungseinrichtung in Halle/Leipzig mit 400 Mitarbeitern angesprochen. Dies ist ja auch nicht nichts, sondern dies ist ein erster wesentlicher Schritt, um die Versäumnisse der sozialistischen Kommandowirtschaft, d. h. die Sünden im Bereich des Umweltschutzes, auszugleichen.
    Auf dem Gebiet der Biotechnologie werden in Jena wesentliche Forschungskapazitäten am IMB und am HKI geschaffen. Ein anderer Schwerpunkt wird in Berlin-Buch mit einer weiteren Großforschungseinrichtung entstehen.
    Ich glaube, daß gute Chancen bestehen. Wir müssen sie nur richtig nutzen. Wir dürfen nur nicht denen, die daran beteiligt sind, die davon profitieren sollen und die die geistigen Werte schaffen, die danach in die Wirtschaft fließen, von vorneherein den Mut nehmen.
    Lassen Sie mich als letztes Thema die Weltraumforschung ansprechen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr richtig! — Zurufe von der SPD: Aha!)

    Die Weltraumforschung hat uns bis in die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses beschäftigt. Die Finanzierung der drei Großprojekte — Ariane 5, Hermes und Columbus — war fraglich geworden, nachdem sich das Projekt Hermes um 40 % teurer darstellte, als dies ursprünglich angenommen wurde. Es schien auch nicht mehr den technologischen Nutzen zu bringen, der ursprünglich in dem ehemals kohärent gedachten Weltraumprogramm vorgesehen war.

    (Josef Vosen [SPD]: Ziemlich spät erkannt!)

    — Der Unterschied zwischen uns beiden ist der, daß wir nach wie vor die Auffassung vertreten, daß diese drei Großprojekte unterstützungswürdig sind,

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Auch wenn sie nicht sinnvoll sind! Das ist interessant!)

    während Sie von vorneherein, außer bei der kommunalen Neuordnung und beim Schulwesen, alles, was groß ist, ablehnen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Dies geschieht bei Ihnen wahrscheinlich deshalb, weil dies alles eine Größe überschreitet, die zu begreifen Sie nicht mehr in der Lage sind.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Na! Jetzt werden Sie aber wirklich polemisch!)

    Wir sind zu der Meinung gelangt, daß diese drei Projekte in einem vernünftigen Zeitraum und im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Mittel realisiert werden sollen. Aber die bemannte Raumfahrt darf nicht dazu führen, daß die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft leidet und die Forschungsanstrengungen in anderen Bereichen erdrückt werden. Deshalb wird die bemannte Raumfahrt zeitlich gestreckt. Aber immerhin, über 1,5 Milliarden DM sprechen dafür, daß wir uns aus dem internationalen Bereich und aus der europäischen Zusammenarbeit nicht verabschieden wollen.
    Ich denke, daß die Zeit der Überlegung bis Ende nächsten Jahres genutzt werden kann, um vernünf-



    Dietrich Austermann
    tige Entwicklungen voranzubringen und zu klaren Entscheidungen zu kommen. Wir stehen zur Weiterentwicklung der Ariane 5. Wir stehen zum Raumfahrtprojekt Columbus. Wir sind der Meinung, daß das Projekt Hermes technologisch weiter erforscht werden soll.
    Die Verbindung von Luft- und Raumfahrt und Umweltschutz drängt sich nach den Erfahrungen der technologischen Möglichkeiten auf. Wir haben deshalb über den Entwurf der Regierung hinaus im Bereich des Umweltschutzes die Entwicklung eines Höhenflugzeugs Strato 2C für den Einsatz in extremen Flughöhen finanziell vorgesehen. Dabei werden neue Wege beschritten, die der Atmosphärenforschung, der Kommunikation, der Erdbeobachtung, dem Katastrophenschutz und dem Krisenmanagement sowie vielen anderen Dingen mehr dienen. Ich glaube, daß sich inzwischen herumgesprochen hat, daß dieses Projekt sinnvoll ist und andere ersetzen soll, die statt dessen vorgesehen waren und die national in dieser Größenordnung nicht zu bewältigen sind, wie z. B. das Projekt Atmos.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich wenige Sätze zur Energiepolitik sagen. Ein Kollege von der SPD hat heute vormittag in der Debatte zum Kanzleretat das Thema Energiepolitik angesprochen. Hans-Ulrich Klose glaubte auch, beklagen zu müssen, wie gewaltig sich die Last durch CO2, vor allem für den südlichen Teil der Erde, darstellt. Eigentlich hätte man annehmen können, daß Herr Klose, nachdem er 1981 als Bürgermeister in Hamburg wegen seiner Position im Bereich der Kernenergie zurücktreten mußte, heute sagt: Deshalb bin ich, Hans-Ulrich Klose — wie wir — , für die konsequente Anwendung der umweltfreundlichen, der sparsamen, der wirtschaftlichen und sicheren Kernenergie.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Nun reicht es aber! Erzählen Sie doch keinen Quatsch! Jetzt geht es aber wirklich zu weit!)

    Das gleiche hätte ich von Herrn Scheer erwartet, der nach Herrn Klose gesprochen hat.
    Wir haben die Mittel für Kernenergie nicht deshalb zurückgeführt, weil wir gegen Kernenergie sind, sondern weil wir die Auffassung vertreten, daß dies jetzt eine Aufgabe der Energieversorgungsunternehmen ist.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Er kann es nicht lassen, dieser Austermann! — Josef Vosen [SPD]: Abwegig!)

    Die Mittel, die wir dafür bereitstellen, dienen in erster Linie den Forschungsprojekten und der Beseitigung von Altlasten; ein Beitrag, den die Bundesregierung aus den Forschungsprojekten übernommen hat.
    Die letzten Anmerkungen sollen der erneuerbaren Energiequellen und den rationellen Energieverwendung dienen. Das, was dort in den letzten Jahren geleistet worden ist, kann sich sehen lassen: Wind, Wasserkraft, Geothermie und vor allem Sonnenenergie können in Breitentests erforscht werden. Windkraftwerke schießen an der Küste wie Pilze aus dem Boden.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Alles gegen euren Widerstand durchgesetzt! — Peter Harry Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Und bei Vosen in der Gemeinde nicht eine Anlage!)

    — Obwohl er sich alle Mühe gibt, Wind zu machen.
    Sonnenkraft wird in einem 1 000-Dächer-Programm erprobt, Geothermie erhält vor allen Dingen in Mecklenburg-Vorpommern eine Chance.
    Ergänzend dazu wollen wir die Chancen der nachwachsenden Rohstoffe nutzen. 50 Millionen DM werden dafür im kommenden Jahr bereitgestellt — nicht nur deswegen, weil wir die gewaltigen Sorgen und Probleme unserer Landwirtschaft sehen. Ich wünsche mir, daß es gelingt, im kommenden Jahr eine Management-Zentrale oder vielleicht eine Stiftung der Energieversorgungsunternehmen zu schaffen, die sich darum kümmert, wie wir nachwachsende Rohstoffe noch stärker umsetzen, wie wir die Vermarktung von der Landwirtschaft in die Industrie besser ausnutzen und organisieren können.

    (Dr. Nils Diederich [Berlin] [SPD]: Stichwort Rapsöl!)

    Zum Schluß bleibt anzumerken, daß anders als früher bei den Abstimmungen über einzelne Titel und Kapitel, Herr Kollege Diederich, weitgehende Übereinstimmung in den Beratungen im Haushaltsausschuß auch mit der Opposition erreicht werden konnte. Es bleibt zu hoffen, daß sich die SPD von ihrer technologiefeindlichen Grundsatzkritik an bestimmten Großprojekten

    (Widerspruch bei der SPD)

    und an wichtigen Forschungsgebieten der Zukunft abwendet. Der Forschungshaushalt gibt eine Chance — nicht nur für die neuen Bundesländer.
    Ich bedanke mich für das Zuhören.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Nils Diederich [Berlin] [SPD]: PlatitüdenAustermann!)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt dem Herrn Abgeordneten Dr. Gerhard Riege das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Riege


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Voranschlag für den Forschungshaushalt enthält ganz gewiß bestimmte höhere Ansätze im Vergleich zu 1991. Aber ich meine, daß die Proportionalität angesichts des Zuwachses durch die fünf neuen Bundesländer nicht gegeben ist und daß in dieser Zeit bevorstehende Personalkosten es uns auch schwermachen werden, mit dem zu haushalten, was an Zuwachs nominell da ist. Meines Erachtens gibt es eine faktische Begrenzung.
    Für die institutionelle Förderung in den neuen Bundesländern sind insgesamt 585 Millionen DM ausgewiesen. Ich sehe auch da eine deutliche Dispropor-



    Dr. Gerhard Riege
    tion, weil im gesamten Bundesgebiet dafür ein mehr als sechsmal höherer Betrag ausgewiesen ist.

    (Dr. Nils Diederich [Berlin] [SPD]: So ist das!)

    Bezogen auf die Großforschungseinrichtungen, die für die neuen Bundesländer vorgesehen sind, ist die Disproportion noch größer.
    In diesem Zusammenhang erlaube ich mir auf folgendes hinzuweisen: drei Großforschungseinrichtungen in den neuen Bundesländern bei einem 90%igen Förderungsanteil durch den Bund. 24 BlaueListe-Institute sind bei einer Beteiligung von Bund und Ländern von jeweils 50 : 50 vorgesehen. Das heißt, die ohnehin mit finanziellen Schwierigkeiten stark belasteten Länder im Osten haben einen ungünstigeren Finanzierungsschlüssel.

    (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Wieso das denn?)

    Insofern kommt eine stärkere Belastung hinzu.
    Ich verkenne dabei nicht, daß in diesen Entwicklungen — das gilt ebenfalls für die Blaue-Liste-Institute — natürlich auch neue inhaltliche Möglichkeiten für die Entwicklung der Forschung bestehen, für ein höheres Maß an Modernität und an Effektivität.
    Wir haben unter den 24 Blaue-Liste-Instituten nicht eine, die gesellschaftswissenschaftlichen Charakter trägt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aus gutem Grund!)

    Ich finde, daß die Entwicklungen, die in diesem Haushalt zu vollziehen sind, auch zu negativen Konsequenzen in den alten Bundesländern führen. Teilung ist hier erforderlich. Sie wird auch in einem bestimmten Maße praktiziert. Ich verstehe, daß es bei den Institutionen in den alten Bundesländern, die sich im Rahmen des begrenzten Haushalts bewegen müssen, auch Unmut gibt. Die hauptsächlichen Reserven würde ich — wie auch mein Vorredner — im Bereich der Militärforschung sehen, die zu reduzieren wäre.
    Ich möchte auf folgendes aufmerksam machen. In der Anhörung unseres Ausschusses wurde von verschiedenen Seiten unbestritten festgestellt, daß die Industrieforschung im Bereich der neuen Bundesländer bereits zu 80 % nicht mehr existiert. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Ein Hauptgrund ist die Privatisierungspolitik der Treuhand. Das hat für die Industrie natürlich Wirkung in die Zukunft hinein, und es hat darüber hinaus auch Wirkung für die Gesellschaft. Ich denke, es sind langfristig negative Wirkungen.
    Hier ist das Wort von der verlängerten Werkbank oder von den verlängerten Werkbänken gefallen.

    (Josef Vosen [SPD]: Da ist was dran!)

    — Da ist etwas dran. — Ich möchte es modifizieren, nämlich insofern, als mit dem, was an neuen Potentialen in der Industrie aufgebaut wird, auch moderne Produktion verbunden ist. Mir scheint vor allem, daß die eigentliche Innovationskraft, sozusagen das, was die Originalität der wissenschaftlich-technischen Entwicklung ausmacht, in den alten Bundesländern angesiedelt ist und in den neuen Bundesländern nicht in entsprechendem Maße gefördert wird.

    (Dr. Dietrich Mahlo [CDU/CSU]: Warum?)

    Ich sehe auf Grund dieser Situation auch eine negative Auswirkung auf die Hochschulen. Eine Rückwirkung auf die Lehre ist nicht auszuschließen. Ich habe bei verschiedenen Industriepartnern im Bereich von Wissenschaft und Technik nachgefragt. Sie erklären, daß, soweit Potentiale erhalten sind, in beträchtlichem Maße eine Orientierung hin zu Industriepartnern der alten Bundesländer erfolgt. Das wird auch von der Universität her so gesehen. In den alten Bundesländern werden die Partner gesucht, und zwar vor allen Dingen deshalb, weil die entsprechende Partnerschaft auf dem Gebiet der neuen Bundesländer nicht möglich ist.
    Das heißt, daß die noch vorhandenen Ostpotentiale die westlichen Gebiete in einem bestimmten Maße auch stärken und deren Wirtschaft insoweit günstig beeinflussen. Wenn Sie sich im Bereich dessen umschauen, was der Industrieforschung und der Hochschulforschung zuzuordnen war und ist, so müssen wir, soweit ich das habe ermitteln können, feststellen, daß junge, kreative Wissenschaftler angesichts der Bedingungen, die wir gegenwärtig vorfinden, weggegangen sind und daß sie ihren Platz in der Wissenschaft, in der Forschung, in der Technik der alten Bundesländer oder im Ausland gefunden haben.

    (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Wie gerne wären die in den letzten 20 Jahren weggegangen!)

    — Wir haben gegenwärtig einen größeren Weggang als jemals zuvor in der Entwicklung der DDR auf diesem Gebiet.

    (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Diese Bemerkung ist ja wohl unerhört! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Diese Bemerkung ist belegbar.

    (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Das ist ja fies, was Sie da sagen!)

    Wenn Sie sich in den Wissenschaftszentren, die zur Debatte stehen, umschauen, dann werden Sie feststellen, um wie viele hochqualifizierte Fachkräfte es sich handelt.

    (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Sie wollen uns doch nicht erzählen, daß es ihnen vorher besser ging und daß sie sich wohler gefühlt haben!)

    — Das ist nicht die Frage. Es geht um die Frage, wo die Potentiale vorhanden sind, wo sie bleiben, wie sie sich bewegen und was der Grund dafür ist.

    (Dr. Nils Diederich [Berlin] [SPD]: Wenn sie früher weg gekonnt hätten, wären sie auch schon früher weggegangen!)

    Das heißt: Wenn uns so hochqualifizierte Leute verlassen, dann hat das nicht nur in einem quantitativen Maße, sondern auch in einem höheren — qualitiativen — Maße Rückstände in bezug auf das Niveau der Forschung zur Folge. Wir befinden uns in einer Situation, in der das intellektuelle Potential in den Wissen-



    Dr. Gerhard Riege
    schaftszentren auf dem Gebiet der neuen Bundesländer in Frage steht und in der wir uns überlegen müssen, welche Möglichkeiten es gibt, um das zu ändern. Es gibt sicher verschiedene Möglichkeiten, dieses Potential so zu erhalten, daß es unter den Bedingungen, unter denen auch die Industrie wieder mehr Auftraggeber sein kann, wieder vernünftig zum Einsatz gebracht werden kann.

    (Dr. Dietrich Mahlo [CDU/CSU]: Was schlagen Sie denn vor?)

    — Eine Möglichkeit würde, so scheint mir, darin bestehen, die ABM-Stellen — heute ist das Wort von der „Hängematte" verwandt worden — vielleicht gezielter einzusetzen. Ich sehe in der ABM keine für Wissenschafts- und Technikkader besonders günstige Lösung, aber eine Chance.
    Wenn man davon ausgeht, daß es im Gebiet der neuen Bundesländer eigentlich vier große Zentren von Wissenschaft und Technik gibt, die historisch gewachsen sind — Berlin, Raum Dresden, Raum Jena und vielleicht Raum Halle/Leipzig — , so könnte ich mir vorstellen, daß es sinnvoll wäre, in diesen Bereichen Konzentrationen vorzunehmen, um entsprechende Potentiale zu erhalten, bis die entsprechenden Möglichkeiten der Industrie, sie zu stimulieren und ihre Leistung aufzunehmen, wieder gegeben ist. Wir sind — so würde ich es sehen — in der Zwangslage, uns um das Erhalten dieses kreativen Potentials zu bemühen.

    (Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

    Bitte stellen Sie sich folgende Situation vor. Wir haben in Jena im Moment etwa 20 000 Arbeitslose. Es gibt die offizielle Aussage des Amtes für Arbeit, daß zum 1. Januar 1992 aus dem Bereich von Zeiss, von Akademieeinrichtungen und anderen wissenschaftsintensiven Einrichtungen weitere 20 000 hinzukommen. Das werden bei einer Stadt in einer Größenordnung von rund 100 000 Einwohnern 40 000 Leute sein. Das ist nicht nur ein individuelles Problem, daß ist ein kommunales, ein soziales, ein gesellschaftliches Problem. Dabei handelt es sich um hochqualifizierte Facharbeiter, um Wissenschaftler und Techniker. Hier wird doch die Dimension des Problems deutlich.
    Wenn es im Einigungsvertrag heißt, daß es uns um eine ausgewogene Forschungslandschaft gehen sollte, dann muß man diese Fragen sehen und versuchen, Lösungen zu finden, die dieses Potential so erhalten, damit eine Ungleichgewichtigkeit, die jetzt vorhanden ist, nicht weiter erhalten bleibt und sogar noch ausgedehnt wird. Vielleicht — ich bitte das zu bedenken — könnte es möglich sein, solche ABM-Stellen gezielt, sozusagen zweckgebunden für diese Zentren und Regionen einzusetzen.
    Dazu würde es natürlich auch einer neuen Sichtweise bedürfen. Wir haben in Diskussionen mit den Vertretern der Ämter für Arbeit, die gut organisiert und auskunftsträchtig sind, z. B. das Argument gehört: Wir können auf diesem Wege nur etwas unterstützen, was arbeitsmarktwirksam ist; wenn das nicht der Fall ist — da kann der wissenschaftliche Gehalt noch so groß sein —, fördern wir nicht. Das ist natürlich ein Effektivitätsmoment, dem ich nicht beipflichten kann. Ich kann es verstehen, aber ich kann es nicht unterstützen.
    Dieser Zusammenhang von Entindustrialisierung im Osten und Wissenschaftsentwicklung, Technikentwicklung muß nach meinem Erachten gesehen werden. Er ist anders, als ihn der Ministerpräsident von Thüringen gestern darstellte.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Rede war aber nicht schlecht!)

    — Ich habe nicht die Aufgabe, die Rede des Ministerpräsidenten im einzelnen zu beurteilen. Aber die Wirklichkeit in seinem Raum Thüringen, über die er zu sprechen in der Lage gewesen wäre, ist eine andere als die, die gestern in diesem großen Saal, dargestellt worden ist.
    Es wäre Zeit und Anlaß, über andere Aspekte des Forschungsplanes zu sprechen. Meine Zeit ist abgelaufen.
    Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste, der SPD und beim Bündnis 90/GRÜNE)