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    Plenarprotokoll 12/60 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 60. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 4973 A Tagesordnungspunkt II: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksachen 12/1000, 12/1329) Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen 12/1404, 12/1600) Hans-Ulrich Klose SPD 4973 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 4983 B Dr. Hermann Otto Solms FDP 4991D Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 4998 B Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste 5002 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 5007B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 5007 C Wolfgang Thierse SPD 5017 C Dr. Otto Graf Lambsdorff FDP 5021 A Ernst Waltemathe SPD 5021 B Michael Glos CDU/CSU 5021 D Gerlinde Hämmerle SPD 5026 B Dietrich Austermann CDU/CSU 5028 B Harald B. Schäfer (Offenburg) SPD . . 5031A Ortwin Lowack fraktionslos . . . 5033D, 5034 B Wolfgang Kubicki FDP 5034 B Namentliche Abstimmung 5035 D Ergebnis 5043 D Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes (Drucksachen 12/1405, 12/1600) Ernst Waltemathe SPD 5036 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 5038 A Dr. Sigrid Hoth FDP 5039 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . . 5041D Gerd Poppe Bündnis 90/GRÜNE 5045 D Friedrich Vogel (Ennepetal) CDU/CSU . 5048 D Dr. Eberhard Brecht SPD 5050 A Dr. Volkmar Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 5051 D Norbert Gansel SPD 5053 A Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister AA 5056 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (Drucksachen 12/1414, 12/1600) in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksachen 12/1428, 12/1600) Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD 5059A, 5069 D Dr. Nils Diederich (Berlin) SPD . . . . 5061 C Hans-Gerd Strube CDU/CSU 5062 C Andrea Lederer PDS/Linke Liste 5064 C II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . 5066B, 5072D Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD 5066D, 5076D Erwin Horn SPD 5067 B Walter Kolbow SPD 5069 D Günther Friedrich Nolting FDP . . . 5070 C Dr. Fritz Wittmann CDU/CSU 5071 D Stefan Schwarz CDU/CSU 5072 A Hans-Werner Müller (Wadern) CDU/CSU 5073A Dr. Gerhard Stoltenberg, Bundesminister BMVg 5075 D Carl-Ludwig Thiele FDP 5078 A Erwin Horn SPD 5080 A Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Drucksache 12/1649 5102A Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Drucksache 12/1650 5108A Abstimmung über Einzelplan 14 5108A Tagesordnungspunkt IV: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 15 zu Petitionen (Wehrforschung — Jäger 90 —) (Drucksache 12/451) Siegrun Klemmer SPD 5080 C Walter Kolbow SPD 5082 C Georg Janovsky CDU/CSU 5083 B Günther Friedrich Nolting FDP 5084 A Katrin Fuchs (Verl) SPD 5084 B Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 5085 C Zusatztagesordnungspunkt: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 12/1154, 12/1363, 12/1387, 12/1392, 12/1526, 12/1660) Wolfgang Vogt (Düren) CDU/CSU . . . . 5086 B Dr. Peter Struck SPD 5087 A Dr. Bruno Menzel FDP 5087 D Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 5088 B Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Drucksachen 12/1421, 12/1600) Helmut Esters SPD 5088 D Dr. Peter Struck SPD 5090 C Dr. Christian Neuling CDU/CSU 5091 B Werner Zywietz FDP 5094 A Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 5095 C Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 5096 C Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 5097D Dr. Ingomar Hauchler SPD 5098 C Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Drucksache 12/1647 5100A Abstimmung über Einzelplan 23 5110B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft (Drucksa chen 12/1425, 12/1600) 5104 B Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie (Drucksachen 12/1424, 12/1600) Dr. Emil Schnell SPD 5104 B Dietrich Austermann CDU/CSU 5110 C Dr. Gerhard Riege PDS/Linke Liste . . 5113D Werner Zywietz FDP 5115C Dr. Emil Schnell SPD 5117C, 5121A Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT 5118A Josef Vosen SPD 5119B, C Nächste Sitzung 5122 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 5123* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frau Dr. Gisela Babel, Gerhart Rudolf Baum, Dr. Burkhard Hirsch, Wolfgang Lüder (alle FDP) zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Einzelplan 14 — Drucksache 12/1649 — 5123* C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Einzelplan 31 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 5123* D Hinrich Kuessner SPD 5125* B Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink FDP . . 5127* C Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 5128* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 4973 60. Sitzung Bonn, den 27. November 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 27. 11. 91 Blunck, Lieselott SPD 27. 11. 91 * * Böhm (Melsungen), CDU/CSU 27. 11. 91 * * Wilfried Catenhusen, SPD 27. 11.91 Wolf-Michael Clemens, Joachim CDU/CSU 27. 11. 91 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 27. 11. 91 Herta Doppmeier, Hubert CDU/CSU 27. 11. 91 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 27. 11. 91 Dr. Funke-Schmitt-Rink, FDP 27. 11. 91 Margret Huonker, Gunter SPD 27. 11. 91 Koschnick, Hans SPD 27. 11. 91 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 27. 11. 91 Günther Lenzer, Christian CDU/CSU 27. 11. 91 * * Lüder, Wolfgang FDP 27. 11. 91 Marten, Günter CDU/CSU 27. 11. 91 * * Meißner, Herbert SPD 27. 11. 91 Mischnick, Wolfgang FDP 27. 11. 91 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 27. 11. 91 * * Nolte, Claudia CDU/CSU 27. 11. 91 Dr. Paziorek, Peter Paul CDU/CSU 27. 11. 91 Dr. Pfaff, Martin SPD 27. 11. 91 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 27. 11. 91 * Rempe, Walter SPD 27. 11. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 27. 11. 91 Schulte (Hameln), SPD 27. 11. 91 Brigitte Schuster, Hans Paul FDP 27. 11. 91 Hermann Seidenthal, Bodo SPD 27. 11. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 27. 11. 91 * * Steiner, Heinz-Alfred SPD 27. 11. 91 * * Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 27. 11. 91 Voigt (Frankfurt), SPD 27. 11. 91 Karsten D. Wollenberger, Vera Bündnis 27. 11. 91 90/GRÜNE Zierer, Benno CDU/CSU 27. 11. 91 * * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frau Dr. Gisela Babel, Gerhart Rudolf Baum, Dr. Burkhard Hirsch, Wolfgang Lüder (alle FDP) zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Einzelplan 14 - Drucksache 12/1649 Wir können unsere Zustimmung dazu nicht geben, die Entwicklung des Jägers 90 fortzusetzen. Wir halten es nicht für vertretbar, den Jäger 90 weiter zu entwickeln, da er nicht in Produktion gehen darf. Der Jäger 90 ist kostspielig, aber nicht kostbar. Er ist nicht notwendig, wie jedermann aus der internationalen Lage erkennen kann. Insbesondere ist die ehemalige Bedrohung durch die ehemalige Sowjetunion weggefallen. Der bloße Hinweis auf bestehende Verträge über die Entwicklung des Jägers 90 ist solange ohne Bedeutung, wie nicht einmal versucht wird, über ihre Aufhebung oder Änderung zu verhandeln. Wir haben kein Zutrauen in die reale Entscheidungsfreiheit des Deutschen Bundestages, wenn die Entwicklung einmal abgeschlossen sein wird. Wir befürchten, daß der sogenannte Sachzwang, der Druck aus den verschiedensten Interessen heraus, so groß sein wird, daß mit der Produktion begonnen werden wird. Die selbstbewußten Äußerungen der Industrie, wonach der Entwicklung quasi selbstverständlich die Produktion folgen müsse, weil anderes nicht vernünftig sei, bestätigen diese unsere Einschätzung. Wir halten es für erforderlich, daß mit dem Haushalt 1992 ein Zeichen gesetzt wird, daß der Deutsche Bundestag sowohl Konsequenzen aus der militärischen Entspannung in der Welt als auch aus den Bedürfnissen der Armut in Osteuropa und in der Dritten Welt zieht. Armutsbekämpfung muß Vorrang vor Militäroptionen haben. Wir stimmen deswegen dem SPD-Antrag auf Drucksache 12/1649 zu. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zu Einzelplan 31 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft Dr. Klaus-Dieter Uelhoff (CDU/CSU): Der Etat des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft beläuft sich im Haushaltsjahr 1992 auf fast 6,5 Milliarden DM. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einer Steigerung von 4,5 %. Eine wesentliche Ursache für diese Steigerung ist die Aufstockung der Mittel für die berufliche Bildung und Berufsbildungsförderung. Hier wurde der Ansatz um 43 % erhöht. Der Bereich Hochschule und Wissenschaft weist zwar einen wesentlich geringeren Anstieg auf, aber der Vergleich der absoluten Zahlen der beiden genannten Kapitel (berufli- 5124* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 che Bildung ca. 455 Millionen, Hochschule und Wissenschaft fast 3 Milliarden) zeigt die Dominanz dieses Sektors. In beiden Bereichen sind große Herausforderungen zu bewältigen, um unseren wichtigsten Trumpf in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, die hervorragende Ausbildung unserer Jugend, auch in Zukunft gewährleisten zu können. Im Bereich der beruflichen Bildung ist die Lage zur Zeit gespalten: Im westlichen Teil Deutschlands bleiben im lauf enden Ausbildungsjahr 130 000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Ein gefährliches Signal für das breite und sichere Fundament unserer Wirtschaft: Hier wird der praktisch und technisch qualifizierte Facharbeiter, der gut ausgebildete und selbständig zupackende Handwerker gebraucht. Deshalb müssen sich die für die Schulausbildung im wesentlichen zuständigen Bundesländer nachdrücklich fragen lassen, ob die Haupt- und Realschulen schwerpunktmäßig auf diese praktische Ausbildung ausgerichtet sind. Mit Recht wird immer mehr beklagt, daß die Schulen auf ein schlimmes Mittelmaß gebracht werden: für die Hochbegabten werden sie langweiliger; immer schwerer und unerträglicher für jene, die eine Abneigung gegen alles Theoretische haben. Der geplante Wegfall der Schulnoten in den Grundschulen Hessens und die bereits verfügte Abschaffung der Schulempfehlung für die weiterführenden Schulen in Rheinland-Pfalz erzeugen einen einseitigen Druck auf das Gymnasium, der seinem Ziel, der Hochschulreife, ebensosehr schadet, wiewenig er einer gediegenen Vorbereitung für die berufliche Bildung nützt. Daß jeder zehnte junge Mensch ohne Berufsabschluß bleibt und damit von Arbeitslosigkeit besonders bedroht ist, ist eine Frage, auf die vor allem die Schulpolitiker der Länder eine Antwort geben müssen, aber eben auch ein Problem, das uns alle angeht. Im Osten herrscht allen Unkenrufen zum Trotz keine dramatische Lehrstellensituation. Dennoch gibt es hier strukturelle Defizite. Zwar findet jeder Ausbildungswillige eine Lehrstelle, aber immer noch bilden zuwenig Betriebe aus. So sind die überbetrieblichen Ausbildungsstätten ausgelastet, während in den Betrieben zuwenig junge Menschen eine Möglichkeit finden, das Gelernte hinterher auch in anderen Unternehmen anzuwenden. Zur Förderung der betrieblichen Ausbildung in den fünf neuen Bundesländern sind 1992 175 Millionen DM vorgesehen; das entspricht einer Steigerung von 133 % . Die Ankündigung dieses 5000-Mark-Programms der Bundesregierung in diesem Jahr hatte Signalwirkung für den Lehrstellenmarkt Ost. Mit der Aufstockung verstärken wir dieses Signal und bieten zugleich mehr kleinen und mittelständigen Unternehmen die Möglichkeit, Ausbildungsplätze zu schaffen. Zu begrüßen ist aber auch die gestiegene Verantwortung vor allem im Handwerk für den eigenen Berufsnachwuchs, denn wer zu spät ausbildet, den bestraft der Markt! Der nachhaltigen Strukturverbesserung in den beigetretenen Ländern dienen auch die Förderungsmaßnahmen zur Qualifizierung von Personal der beruflichen Bildung. Da die Ausbilder bisher überwiegend in Form eines Staatsmonopols ausgebildet wurden, müssen diese Multiplikatoren, denen die jungen Auszubildenden anvertraut sind, an marktwirtschaftliche Prinzipien herangeführt werden. Mit einer Steigerung von 5 Millionen DM unterstreichen wir noch einmal die Bedeutung dieser Projekte und bieten zugleich die Möglichkeit, die Weiterbildung der Ausbilder zu intensivieren, so daß das Fundament für eine dauerhafte Veränderung verbreitert wird. Von besonderer Bedeutung scheint mir auch die Motivation zur Weiterbildung in den Betrieben zu sein. Hier tut dringend ein Bewußtseinswandel der Beschäftigten not, wenn die Leiterin des Arbeitsamtes Sondershausen, wie am 9. September 1991 in der FAZ zu lesen war, „das Interesse an der Weiterbildung ,erschütternd gering' (nennt, und) vor allem in den Großbetrieben (...) viele Leute ,erst einen Topf richtig ausschöpfen' (wollten), also bis zum Jahresende die Kurzarbeiterregelung genießen, dann ,eine Abfindung kassieren' und sich erst danach qualifizieren". An dieser Stelle drängt sich der Schluß auf, daß man mit Geld zwar einiges, aber eben doch nicht alles, z. B. keinen raschen Bewußtseinswandel, bewegen kann. Oder sollte es beim Kurzarbeitergeld lieber etwas weniger, dafür bei der Weiterbildung etwas mehr sein? Ich meine schon! Aus diesem Grund begrüße ich die Einrichtung eines neuen Titels zur Entwicklung von regionalen beruflichen Weiterbildungshilfen mit 5,5 Millionen DM. Mit Hilfe dieses Ansatzes soll der aktuelle regionale Weiterbildungsbedarf in Unternehmen ermittelt werden. Aus diesen Informationen können dann Empfehlungen für die Unternehmen, besonders aber für die betroffenen Arbeitnehmer abgeleitet werden. Auf diese Weise lassen sich komparative regionale Vorteile herauskristallisieren und die vielgestellten Fragen: In welcher Richtung soll ich mich denn weiterbilden? Wo liegen meine größten Chancen? besser beantworten. Am 1. Oktober 1991 nahmen 21 junge Facharbeiter, davon 13 Frauen am Einführungsseminar der Begabtenförderung berufliche Bildung in Schwerin teil, die ersten von 3 200 in diesem Jahr. Gefördert werden können anspruchsvolle berufsspezifische fachliche Qualifikationen, aber auch soziale Fähigkeiten, die sowohl den Bedürfnissen der jungen Berufstätigen als auch den Erwartungen der späteren Arbeitgeber gerecht werden. Für dieses Programm sind im Haushalt 1992 18 Millionen DM vorgesehen, das entspricht einer Steigerungsrate von 80 % . Mittelfristiges Ziel wird es sein, dieses Programm finanziell ähnlich auszustatten wie die Begabtenförderung an den Hochschulen. Insgesamt müssen wir die strukturellen Ungleichgewichte zwischen beruflicher Bildung einerseits und der akademischen Laufbahn andererseits beseitigen, um die Attraktivität des in der Welt vielbewunderten Systems der dualen Ausbildung auch für die Zukunft zu sichern. Das Kapitel Hochschule und Wissenschaft enthält die beiden Hochschulsonderprogramme I und II, die wie mit den Ländern vereinbart weitergeführt werden, um die Situation an unseren Hochschulen weiter zu verbessern. Nicht mehr im Einzelplan 31 veranschlagt sind die 1,32 Milliarden DM, die der Bund 1992 im Rahmen des Erneuerungsprogramms für Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 5125* Hochschule und Forschung in den neuen Bundesländern bereitstellt. Sie werden jetzt im Einzelplan 60 etatisiert. Herausgreifen möchte ich die Studentenwohnraumförderung. Hier hat der Bund im Westen wie im Osten eine große Verantwortung, die weit über den Bildungsetat hinausreicht. Für ca. 1,6 Millionen Studenten stehen in den alten Bundesländern nur 140 000 mit öffentlichen Mitteln geförderte und vergleichsweise preiswerte Wohnungen zur Verfügung. Studenten werden vorübergehend in Turnhallen, Containern, ja sogar in Bauwagen untergebracht. Angesichts dieser Zustände halte ich es für dringend geboten, sowohl das Deutsche Studentenwerk als auch private Investoren verstärkt für den Bau von Studentenwohnungen in frei werdenden Kasernengebäuden zu gewinnen. Der Bund ist hier besonders in der Verantwortung, die kritische Situation zu entschärfen, und sollte sich nicht nur am besten Angebot für die Immobilien orientieren, sondern die optimale Lösung im Interesse unserer Studenten und damit letztendlich auch im wohlverstandenen Interesse unserer Volkswirtschaft suchen. Zum Schluß möchte ich es nicht versäumen, ein Problem besonderer Güte im Hochschulbereich anzusprechen. Warum leisten wir uns in unserer Hauptstadt Berlin mehrere Universitäten, von denen die eine, die Humboldt-Universität, mehr mit internen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, als sich auf ihre originären Aufgaben zu konzentrieren? Ja, die Zustände dort gipfeln darin, daß für die Verbesserung der Ausbildung dringend benötigte Gastdozenten davor zurückschrecken, sich hier zu engagieren. Zerschlagen wir den gordischen Knoten der alten Seilschaften und bilden aus der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität eine Freie Humboldt-Universität Berlin! Forschung und Lehre rückten wieder in den Vordergrund, der Verwaltungsapparat könnte verkleinert und die frei werdenden Mittel für Investitionen in die Zukunft aufgewandt werden. Hinrich Kuessner (SPD): Die Zeit nach Abschluß der deutschen Einheit rast dahin — so empfindet man es, wenn man in den neuen Ländern für politische Entscheidungen mitverantwortlich ist. Die Menschen erwarten schnelle und wirksame Entscheidungen für die Umgestaltung der Gesellschaft, Entscheidungen, die sie positiv spüren und die für das Neue stehen. In dieser Woche verabschieden wir den zweiten gesamtdeutschen Haushalt. Bei der Verwirklichung der Einheit spielen Bildung und Wissenschaft eine zentrale Rolle. Das gilt gleichermaßen für den Osten wie für den Westen Deutschlands. Investitionen in diesem Bereich sind Investitionen in unsere Zukunft. Denn eine gute Ausbildung ist das beste Fundament für eine erfolgreiche Berufstätigkeit und damit für die Entwicklung unserer Wirtschaft. Die Erhöhung des Haushaltsvolumens für den Bereich Bildung und Wissenschaft auf rund 6,5 Milliarden DM im Jahr 1992 — und wenn man die im Einzelplan 60 „versteckten" Bildungsausgaben im Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost sowie für das Hochschulerneuerungsprogramm hinzurechnet, werden es sogar rund 7 Milliarden DM — geht in die richtige Richtung. Die Frage ist: Reagiert die Politik im Bereich Bildung und Wissenschaft damit in ausreichender und geeigneter Weise auf die Herausforderungen des Einigungsprozesses? Stolz verkünden Regierung und Koalition: Die Zahl der offenen Ausbildungsplätze betrug in den neuen Ländern am 30. September 1991 6 608 und in den alten sogar 128 534. Im Osten waren zu diesem Zeitpunkt nur noch ca. 2 000 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Dabei wurde aber übersehen, daß über den Verbleib von rund 45 000 Bewerberinnen und Bewerbern aus den neuen Ländern noch nichts bekannt ist. Sind sie doch in größerer Zahl als vermutet in die alten Länder abgewandert? Haben sie resigniert und auf eine Ausbildung verzichtet, oder haben sie weiterführende allgemeinbildende Angebote wahrgenommen? Dies sind unbeantwortete Fragen. Zweifel sind auch noch auszuräumen, was die Qualität der Ausbildung angeht, womit jedoch der Dank an alle, die sich für die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen in den neuen Ländern eingesetzt haben, nicht geschmälert werden soll. Die weitere Entwicklung von Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen im nächsten Jahr wird nicht nur von uns kritisch beobachtet. Die Kollegin von der FDP Frau Funke-Schmitt-Rink sagte am 14. November hier im Bundestag: Womöglich kommt es 1992 im Osten zu einer Berufsbildungskatastrophe und einer Welle von Ausbildungsflüchtlingen in den Westen. Leider muß die Warnung der Kollegin ernst genommen werden. In Gesprächen mit jungen Leuten in meinem Wahlkreis in Vorpommern wird mir immer wieder vorgehalten: Wo ist der Arbeitsplatz, für den wir ausgebildet werden? In der Region fehlen sichtbare Zeichen für das Entstehen von neuen Arbeitsplätzen. Man hört vor allem von Entlassungen und Ersatzmaßnahmen wie ABM und Kurzarbeit Null. Es fehlt eine gezielte Strukturpolitik, wie man sie z. B. bei der Stahlkrise im Westen praktiziert hat. Auf die tiefgreifenden strukturellen Veränderungen im Ruhrgebiet und im Saarland antwortete man zu Recht mit einem Sonderprogramm für diese Montanregionen. Ich will nicht leugnen, daß man Zeichen des Neubeginns auch in Vorpommern sieht. Besonders gilt dies für die Baubranche. Aber bisher bringt alles nicht viele Arbeitsplätze. Der Bürger sieht noch nicht, wohin die Fahrt geht, und kann sich darum nicht darauf einstellen. Die hohe Zahl der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze — ca. 38 000 = 35 % aller Lehrlinge im Osten — ist ein Zeichen dafür, daß es noch nicht in die richtige Richtung geht. Noch können die Handwerksbetriebe in den neuen Ländern ihre Ausbildungsfunktion nicht wahrnehmen. Dies ist kein Vorwurf, sondern eine Aufforderung, gemeinsam darüber nachzudenken, was in der Übergangssituation getan werden kann, um das Recht auf eine qualifizierte Ausbildung für alle Jugendlichen zu verwirklichen. Anträge der SPD lagen mehrfach auf dem Tisch, um das Programm der 5126* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 Förderung der betrieblichen Ausbildung im Osten auszuweiten und effizient zu gestalten. Die Koalition hat sie niedergestimmt, und sie unterstützt damit eine falsche Entwicklung. Es muß alles getan werden, daß wir schnell von der außerbetrieblichen Ausbildung vor allem in Helferberufen wegkommen. Es besteht sonst die Gefahr, daß in die Arbeitslosigkeit hinein ausgebildet wird. Von der außerbetrieblichen Ausbildung sind in einem hohen Maße Mädchen betroffen. Dies ist ein gravierendes Problem und kann nicht verharmlost werden. Nicht selten beklagen sich Frauen und Mädchen in den neuen Ländern über spürbare Benachteiligungen, Gleichheit vor dem Gesetz reicht nicht aus. Benötigt wird eine gezielte Förderung in der Beruf sausbildung, auch in sogenannten Männerberufen. Diese Förderung muß beim Übergang in den Beruf fortgesetzt werden. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein gesamtdeutsches Thema, das noch nicht abgehakt werden kann. Dies ist auch nicht nur ein Frauenthema. Im Osten muß die Qualität der beruflichen Ausbildung insgesamt schneller angehoben werden. Auch wenn die SPD viel weitergehende Vorschläge gemacht hat, ist zu begrüßen, daß im Haushalt '92 der Ansatz für die Qualifizierung von Personal der beruflichen Bildung um 5 Millionen DM angehoben wurde und ein Titel für die Entwicklung von regionalen beruflichen Weiterbildungshilfen mit einem Ansatz von 5,5 Millionen DM geschaffen wurde. Das Umsetzen all dieser Mittel muß schnell und gezielt erfolgen. Auf diesem Gebiet geht mir vieles zu langsam. Wer sich dafür lobt, daß er die Einheit schnell vollzogen hat, darf nun nicht ins Schneckentempo verfallen. Gerade die jungen Menschen müssen jetzt eine solide Ausbildung erhalten. Nur so kann die Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland noch in diesem Jahrhundert erreicht werden. Gerade die Jugend brauchen wir dazu. Das Einsetzen der Milliarden im Osten hat nur Sinn, wenn dadurch Aktivitäten ausgelöst werden. Bei der beruflichen Bildung wird das noch nicht genügend sichtbar. In den Berufsschulen ist dringender Handlungsbedarf, auch von seiten des Bundes über das Programm Aufschwung Ost hinaus. Personell und sächlich muß die Ausstattung verbessert werden. Das Geldausgeben auf diesem Gebiet geht mir zu langsam, und ich bezweifle, daß das Geld immer zukunftsträchtig genug eingesetzt wird. Immer wieder werde ich auf Unzulänglichkeiten in der Lehrmittelausstattung angesprochen. Dem Greifswalder Seminar des Landesinstitutes für Schule und Ausbildung stehen für den Aufbau einer Bibliothek kaum Mittel zur Verfügung. Die Qualität der Referendarausbildung ist somit gefährdet. Sicher das ist zuallererst Ländersache. Auch für die Beschaffung der Schulbücher ist der Bund nicht zutändig. Eine Bonner Lehrerin sammelt für Greifswalder Schulen Schulbücher. Und das wird immer noch gerne angenommen. Es zeigt nur, daß auf dem Sektor der Bildung noch viel Sand im Getriebe steckt. In Mecklenburg-Vorpommern kann es natürlich auch daran liegen, daß dieser Bereich nicht gerade von kompetenten Leuten vertreten wird. Die negativen Entwicklungen im Rechtsextremismus zeigen, daß wir hier keine Zeit haben. Soziale Probleme verstärken Spannungen und erzeugen Gewalt. Bildung ist eine wichtige Waffe dagegen. Trotz der vielen offenen Ausbildungsplätze im Westen gibt es auch dort ungelöste Ausbildungsprobleme. Eine EMNID-Umfrage hat ergeben, daß 14 % der jungen Menschen eines Jahrgangs keinen Ausbildungsabschluß haben. Die Zahl der jugendlichen Langzeitarbeitslosen ist beträchtlich. Die etwa 1,7 Millionen Jugendliche, die seit 1970 ohne eine qualifizierte Ausbildung geblieben sind, sind hier besonders gefährdet. Auch hier zeigt sich, daß in den alten Bundesländern mehr Anstrengungen unternommen werden müssen, damit die Zahl der Jugendlichen ohne Qualifizierung geringer wird. Arbeitgeber und Berufsschulen sind aufgerufen, die Anstrengungen zu verstärken, damit die Abbrecherquote gesenkt und sozialpädagogische Förderung Lernschwacher intensiviert wird. Kein richtiger Weg ist nach Meinung der SPD die Verkürzung der Berufsausbildung für sogenannte praktisch Begabte. Der Bund hat eine besondere Verantwortung für diese benachteiligten Gruppen. Staatliche Bildungspolitik muß allen gleiche Bildungschancen eröffnen. Ich erkenne im Haushalt '92 nicht die Programme, die auf die Lernbedürfnisse aller Jugendlichen genügend reagieren. Den Jugendlichen in Deutschland wird bescheinigt, daß die Bereitschaft zum Lernen bei vielen vorhanden ist, ja, sie war noch nie so groß wie heute. Darum muß unser Bildungssystem jetzt ausgebaut und umgebaut werden, um den Anforderungen der Jugendlichen, aber auch der Erwachsenen sowie den Anforderungen von Gesellschaft und Wirtschaft gewachsen zu sein. Die Wiedereinführung von Zulassungsbeschränkungen an den Hochschulen ist nach Meinung der SPD ein falscher Weg. Daß viele junge Menschen gute Ausbildungen an Hochschulen anstreben, sollten wir nicht verhindern. Um den Einsatz öffentlicher Mittel an den Hochschulen wirkungsvoller zu machen, sind andere Überlegungen notwendig. Arbeitsmarktforscher sagen auch einen höheren Bedarf für die nächste Zukunft voraus. Die Programme im Haushalt '92 sind dafür nicht ausreichend. Neben der Reform der inneren Struktur der Hochschulen müssen die Sonderprogramme neu überdacht werden. Dazu ist der Nachholbedarf der Universitäten in den neuen Ländern zu berücksichtigen. Gemeinsam setzen sich alle Fraktionen im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft für eine Anhebung der Mittel für den Hochschulbau ein. In den Bund-Länder-Gremien müssen die Überlegungen zu einem Hochschulentwicklungsplan — als Teil eines neuen Bildungsplanes — rasch beginnen. Ich will nur auf einen Punkt hinweisen: Für die Studentenwohnraumförderung wurde der Ansatz '92 um 50 Millionen DM auf 200 Millionen DM erhöht. Dieses Geld steht nur den Hochschulen im Westen zur Verfügung. Die Hochschulen in den neuen Ländern kön- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 5127* nen theoretisch der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern beitreten. Aber es fehlen die finanziellen Voraussetzungen, da die Länder 30 und die Träger 40 % der Kosten zu tragen haben. Dies läßt sich nicht realisieren. Für 1991/92 sind darum Mittel im Programm Aufschwung Ost vorgesehen. Dieses Programm muß in den neuen Ländern aber weitergehen. Die Wohnheimplätze in den neuen Ländern sind oft in einem unzumutbaren Zustand. Auch das führt zu Abwanderungen. Hier muß schnell über weitergehende Maßnahmen nachgedacht werden. Der Versorgungsgrad mit Wohnheimplätzen der Studenten in den neuen Ländern liegt mit 75 % weit über dem der alten Länder. Dort betrug er 1990 9,3 %. Aber man darf nicht übersehen, daß die Wohnraumsituation in den neuen Ländern insgesamt mit riesigen Problemen behaftet ist. Außerdem wird die Studentenzahl an den Hochschulen in den neuen Ländern steigen. Die Universität Greifswald hat z. B. nicht einmal 3 900 Studenten. Der Bedarf an Studienplätzen für Studenten aus den neuen Ländern wird in den nächsten Jahren erheblich zunehmen. In der DDR war die Möglichkeit zum Studium nur wenigen gegeben. Eine Reduzierung von Studentenwohnheimplätzen ist keine Lösung. Auch darf das Programm der Studentenwohnraumförderung im Osten nicht zu Lasten des Programms im Westen gefahren werden. Es ist dort ebenso notwendig. Uns allen in diesem Haus ist sicher bewußt, daß eine friedliche und demokratische Entwicklung im geeinten Deutschland nur zusammen mit unseren Nachbarn in Ost und West und Nord und Süd möglich ist. Für die Förderung der Zusammenarbeit mit anderen Staaten und mit internationalen Organisationen auf dem Gebiet von Bildung und Wissenschaft sind im Haushalt bescheidene Mittel eingesetzt. Die Zuschüsse für Investitionen in Mittel- und Osteuropa sind von 3 Millionen DM 1991 auf 4 Millionen DM 1992 erhöht worden. Das ist bei der Größe der Aufgabe ein kleiner Betrag. Noch bedenklicher ist, daß der Betrag 1991 wohl nicht ausgeschöpft wird. Sicher gibt es große Schwierigkeiten, wenn man in Mittel- und Osteuropa etwas machen will. Das kann doch aber nur bedeuten, daß Einsatzbereitschaft und Einfallsreichtum verstärkt werden. Auf neue Herausforderungen muß man mit neuen Ideen antworten. Oder sollen hier schöne politische Titel geschrieben werden, mit denen man sich in der Öffentlichkeit schmückt, aber die in Wirklichkeit nicht realisiert werden sollen? Meine Skepsis ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Schon im Haushalt '91 stand eine globale Minderausgabe von 50 Millionen DM; 1992 beträgt sie 42,5 Millionen DM. Was politische Prosa ist und was Wirklichkeit werden soll, kann also nicht erkannt werden. Die globale Minderausgabe ist ein untaugliches haushaltspolitisches Mittel. Beim ersten gesamtdeutschen Bundeshaushalt hatte ich dafür noch gewisses Verständnis. Es gibt bisher keine Erklärung seitens der Bundesregierung, daß auf dieses Mittel künftig verzichtet wird. Theoretisch ist es z. B. möglich, daß die Ansätze für Qualifizierung von Personal der beruflichen Bildung, für Entwicklung von regionalen beruflichen Weiterbildungshilfen und für Modernisierung und Ausstattung beruflicher Bildungsstätten in den neuen Ländern der globalen Minderausgabe zum Opfer fallen. Wer die globale Minderausgabe zu einem festen Haushaltstitel macht, ist — um es vorsichtig zu formulieren — an der aktiven Haushaltspolitik des Parlamentes nicht interessiert. Das kann und darf nicht unser Interesse sein. Der Einzelhaushalt für Bildung und Wissenschaft wird den Anforderungen und Herausforderungen unserer Zeit nicht gerecht. Die SPD lehnt ihn darum ab. Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink (FDP): Der Etat des Bundesbildungsministers weist in diesem Jahr wieder eine überdurchschnittliche Steigerung aus. Es ist ein Anstieg um 4,5 % auf rund 6,5 Milliarden DM. Die Regierung hat also erhebliche finanzielle Anstrengungen unternommen, auch wenn nicht alle gewünschten Maßnahmen abgedeckt werden können. Wichtige wegweisende Schlüsselentscheidungen sind jedoch in dem Haushaltsplan enthalten. 1. Der Aus- und Neubau von Hochschulen wird um 300 Millionen auf 1,6 Milliarden DM aufgestockt. 2. Für das Ausbildungsplatzförderungsprogramm in den neuen Ländern sind 1992 175 Millionen DM eingestellt. 3. Mit der Verdoppelung der Mittel auf 20 Millionen DM soll die in diesem Jahr begonnene Begabtenförderung in der beruflichen Bildung 1992 ausgebaut werden. Damit ist für den Bereich der beruflichen Bildung eine Ausgabensteigerung um mehr als 43 % vorgesehen. 4. Rund 250 Millionen DM sind für das Erneuerungsprogramm für Hochschule und Forschung in den neuen Bundesländern vorgesehen. Der Bundesbildungsminister hat zu Recht die Erhöhung der BAföG-Leistung um 6 % gefordert. Es geht um die Anpassung der BAföG-Grundbeträge an die kräftig gestiegenen Lebenshaltungskosten im Osten. Ein Hinauszögern der Gleichstellung der ostdeutschen Studenten würde den Abwanderungstrend Richtung West dramatisch verstärken. Doch über berstende Hörsäle können die Hochschulen in Westdeutschland schon zur Genüge klagen. Die Aufbauprobleme im Osten dürfen uns nicht den Blick auf die offenkundigen Probleme im Westen versperren. Deswegen möchte ich an dieser Stelle auf zwei Bereiche dieses Haushalts eingehen, die noch mehr als bisher Schwerpunkte der zukünftigen Bildungspolitik sein müssen. Das ist zum einen die Weiterbildung des dualen Systems in Richtung auf die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung und zum zweiten die Hochschulausbildung. Die Bildungsreform der 70er Jahre hatte vor allem das Postulat der Chancengleichheit und die soziale Öffnung des Bildungswesens zum Ziel. Die Bildungspolitik der 90er Jahre muß die soziale Integration der Jugendlichen über eine bildungsadäquate Beschäftigung im Beruf gewährleisten. Und deshalb begrüßen wir Liberale ausdrücklich die Zielsetzung der Regierung, die berufliche Bildung als gleichwertigen Teil des Bildungswesens auszubauen. Ein Schritt in diese Richtung ist das Programm der beruflichen Begabten- 5128* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 förderung. Diese muß in den nächsten Jahren auf eine Größenordnung wie im Hochschulbereich kommen. Die Öffnung der Hochschulen für qualifizierte Berufstätige ohne Abitur ist vor allem dann zu erwägen, wenn man das Ziel nicht aus dem Auge verliert, Berufsausbildung attraktiver zu machen. Denn über eines sind wir uns alle klar: Die Wachstumsbremse unserer Volkswirtschaft in den nächsten Jahren wird der Facharbeitermangel sein, und die Bildungspolitik der 90er Jahre muß diesen Mangel beheben, indem sie der beruflichen Bildung den Makel der Minderwertigkeit nimmt. Im vereinten Deutschland haben wir 1991 mehr Studierende als Lehrlinge (1,7 Millionen zu 1,5 Millionen). Jugendliche zwischen 18 und 21 Jahren haben zu 31 To inzwischen die Hochschulreife, und die meisten möchten auch studieren. Aber was heißt das heute? Überlange Studienzeiten, Zunahme von unzumutbaren Lehr- und Lernsituationen, Fachwechsel, Studienabbrüche und ungewisse Zukunftsaussichten. Ein Numerus clausus in zahlreichen weiteren Fächern, wie ihn die Hochschulrektorenkonferenz verlangt, ist zu verstehen, aber von Bildungspolitikern/ innen nicht zu vertreten. Die erhebliche Steigerung der Hochschulförderungsmittel im Haushalt 1991 und die konsequente Weiterführung des Ansatzes in 1992 sind zukunftsweisend. Aber die FDP wird auch in Zukunft gemeinsam mit dem Bundesbildungsminister dafür kämpfen, weitere Erhöhungen der Mittel zur Modernisierung und den Ausbau der Hochschulen einsetzen zu können. Trotz der auf 1,6 Milliarden DM erhöhten Bundesmittel für den Hochschulneubau und der zur Lösung der anstehenden Probleme in den Hochschulsonderprogrammen zur Verfügung stehenden Beträge werden wir es nicht zulassen, daß die Länder in ihrem Verantwortungsbereich — und das heißt personelle und materielle Ausstattung der Universitäten und Fachhochschulen — untätig die Hände verschränken und die gestiegenen Studentenzahlen hilflos ignorieren. Wir müssen ohne ideologische Scheuklappen über neue Wege nachdenken. Einige Stichworte: — fachspezifische Hochschuleingangsprüfungen, — rigorose Prüfungen nach der ersten Studienetappe, — Kurzstudiengänge mit attraktiven Abschlüssen. Wir müssen da allerdings auch die Wirtschaft und die Studierenden davon überzeugen, daß diese Abschlüsse etwas wert sind. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Fachhochschulen mit ihrem kürzeren Studium auszubauen. Die Fachhochschulen attraktiver zu gestalten ist aber auch verbunden mit einigen Fragen, die in nächster Zeit zu klären sind und sicherlich Proteste provozieren werden. Ich meine die beamtenrechtliche Laufbahn. Muß es auf ewig festgezimmert sein, daß Fachhochschulabsolventen im öffentlichen Dienst mit A 9/ A 10 anfangen, während Absolventen der Hochschulen bei A 13 einsteigen? Ein zweiter Punkt: Professoren für die Fachhochschulen zu gewinnen ist schwierig. Sie müssen nämlich im Wettbewerb mit der Wirtschaft gewonnen werden. Zwischen Wirtschaft und Fachhochschule ergeben sich mittlerweile derart hohe Einkommensunterschiede, daß es immer schwieriger sein wird, die Professuren mit qualifizierten Persönlichkeiten zu besetzen. Leider konnten der Haushaltsausschuß und das Hohe Haus nicht der Empfehlung des Wissenschaftsrates für eine deutliche Erhöhung der C-3-Stellen folgen. Immerhin war die Verbesserung des Schlüssels auf 60 (C 3) zu 40 (C 2) ein Schritt in die richtige Richtung. Fazit: Wir müssen mehrere Instrumente zur gleichen Zeit anwenden. Bund und Länder müssen zusammen tragfähige Konzepte erarbeiten, und zwar unter dem Leitsatz, daß die Investitionen in Bildung und Wissenschaft die wichtigsten Investitionen in die Zukunft unserer Gesellschaft sind. Und vielleicht muß der Bund mehr Kompetenzen bekommen, wenn die Länder versagen. Dr. Rainer Ortleb Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf für den Haushalt 1992 des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft sieht Ausgaben in Höhe von insgesamt 6,451 Milliarden DM vor. Gegenüber dem diesjährigen Haushalt bedeutet dies einen überdurchschnittlichen Anstieg um 4,5 % . Die Bundesregierung dokumentiert damit den hohen Stellenwert, den sie Bildung und Wissenschaft beimißt. Der Entwurf des Einzelplans 31 bietet eine solide finanzielle Basis zur Lösung der im Jahre 1992 zu bewältigenden Aufgaben. Im Mittelpunkt der Anstrengungen stehen auch im kommenden Jahr der weitere Ausbau sowie inhaltliche und strukturelle Verbesserungen von Bildung und Wissenschaft in den neuen Ländern. Daneben gilt es, die notwendigen Reformen in den alten Bundesländern fortzuführen. Die Ansätze des Haushaltsentwurfs tragen dieser Aufgabe und damit einer weiteren erfolgreichen Entwicklung von Bildung und Wissenschaft im geeinten Deutschland Rechnung. Folgende Punkte des Haushaltsentwurfs 1992 möchte ich besonders herausstellen: Erstens. Der beruflichen Bildung gelten besondere Anstrengungen. Die hierfür vorgesehenen Ausgaben sollen um mehr als 40 % steigen. Hauptaufgabe wird erneut sein, allen Jugendlichen in den neuen Ländern einen Ausbildungsplatz anzubieten. Die nahezu ausgeglichene Lehrstellenbilanz dieses Herbstes ist eine hervorragende Ausgangsposition. Allerdings muß im nächsten Jahr der Anteil der betrieblichen Ausbildungsplätze noch erheblich gesteigert werden. Für das Ausbildungsförderungsprogramm stehen — nach 75 Millionen DM im laufenden Jahr — im Jahre 1992 weitere 175 Millionen DM zur Verfügung. Daraus können für Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten Zuschüsse in Höhe von 5 000 DM pro eingestelltem Auszubildenden finanziert werden. Die Bundesregierung sieht in dieser Maßnahme gleichzeitig einen wirksamen Beitrag zum Auf- und Ausbau einer gesunden mittelständischen Wirtschaftsstruktur und damit des dualen Systems, in dem gerade kleinere Betriebe eine wichtige Rolle spielen. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 5129* Für die Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten sind die Mittel um 17 Millionen DM auf insgesamt 130 Millionen DM aufgestockt worden. Die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten sind zu einem unverzichtbaren Strukturelement der dualen Berufsausbildung geworden. Sie tragen wesentlich zur Verbesserung der Qualität der beruflichen Ausbildung bei. Das Netz der überbetrieblichen Berufsbildungsstätten wird nunmehr auch auf die neuen Länder ausgedehnt. Die Planung sieht dort die Errichtung von 7 000 Werkstattplätzen vor. Zur Verbesserung der Qualität der beruflichen Bildung in den neuen Ländern gehört auch die Qualifizierung des Personals. Gegenüber dem laufenden Jahr werden die Mittel um ein Viertel auf 25 Millionen DM erhöht. Daneben sind für die Modernisierung der Ausstattung beruflicher Ausbildungsstätten in den neuen Ländern nach 8 Millionen DM in diesem Jahr weitere 8 Millionen DM im Jahre 1992 veranschlagt. Erstmals sind 5,5 Millionen DM zur Entwicklung regionaler beruflicher Weiterbildungshilfen in den neuen Ländern vorgesehen. Hinweisen möchte ich auf die schwierige Situation an den Berufsschulen in den neuen Ländern. Hier besteht dringender Handlungsbedarf der dafür zuständigen Länder und Kommunen, denn eine leistungsfähige Berufsschule ist notwendig für eine hohe Qualität des dualen Systems der Berufsausbildung. In diesem Jahr ist die vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft ins Leben gerufene Begabtenförderung in der beruflichen Bildung angelaufen. Wie dringlich es war, diese Lücke zu schließen, zeigt die große Zahl vorliegender Anträge. Ich darf an dieser Stelle noch einmal betonen, daß es hierbei um die Förderung der berufsbegleitenden Weiterbildung begabter junger Berufstätiger geht, die im Beruf bleiben wollen. Der Haushaltsentwurf für 1992 sieht fast eine Verdoppelung der Mittel gegenüber 1991 auf 18 Millionen DM vor. Mittelfristiges Ziel ist es, für diese Förderung eine ähnliche Größenordnung wie bei der Begabtenförderung im Hochschulbereich zu erreichen. Zweitens. Die Sicherung und Stärkung der Leistungsfähigkeit von Lehre und Forschung an den Hochschulen in den alten und den neuen Ländern hat angesichts weiter steigender Studentenzahlen für die Bundesregierung höchste Priorität. Die Ausgaben für den Aus- und Neubau von Hochschulen im vorliegenden Haushaltsentwurf liegen mit 1,6 Milliarden DM auf dem hohen Niveau des Jahres 1991. Die Bundesregierung schafft damit bei anhaltend hoher Nachfrage nach Studienplätzen und den dringend notwendigen Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen in den neuen Ländern die finanzielle Grundlage für die erforderlichen Baumaßnahmen und die zunehmend wichtiger werdende Ausstattung mit modernen Großgeräten für Forschung und Lehre. Zusammen mit dem von den Ländern aufzubringenden Anteil stehen damit 3,2 Milliarden DM für den Hochschulbau zur Verfügung. Circa 600 Millionen DM entfallen davon auf die neuen Länder. Der Bedarf dieser Länder wird in den nächsten Jahren deutlich steigen, wenn die Planung der dringenden Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen weiter fortgeschritten ist. Der Wissenschaftsrat schätzt ab 1993 den Finanzbedarf für die alten und neuen Länder auf insgesamt 2 Milliarden DM jährlich an Bundesmitteln. Ich kann die hinter dieser Aussage stehende Sicht der Entwicklungstendenzen des Bedarfs und der Ausbaunotwendigkeiten durchaus nachvollziehen. Konkret werden wir darüber beim Haushalt 1993 sprechen müssen. Eines aber halte ich heute schon in aller Deutlichkeit fest: Eine Politik flächendeckender Zugangsbeschränkungen werde ich nicht akzeptieren. Wichtiges Element der Offenhaltungspolitik und der Steigerung der Leistungsfähigkeit von Forschung und Lehre bleiben die laufenden Hochschulsonderprogramme. Sie werden gemeinsam mit den Ländern weitergeführt. Für das Hochschulsonderprogramm I stehen 1992 150 Millionen DM zur Verfügung. Für das in diesem Jahr angelaufene Hochschulsonderprogramm II, das insbesondere der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der Förderung von Frauen in der Wissenschaft, der Stärkung der Fachhochschulen und der Intensivierung der europäischen Zusammenarbeit im Hochschulwesen dient, sind im Etatentwurf 165,9 Millionen DM veranschlagt. Ich bin erfreut darüber, daß es gelungen ist, in diesem Programm deutliche Schwerpunkte bei der Frauenförderung, z. B. durch die Einführung neuer Wiedereinstiegsstipendien und von Kinderbetreuungszuschlägen zu Stipendien, zu setzen. Als Beitrag des Bundes für die Förderung der Forschung soll die Deutsche Forschungsgemeinschaft insgesamt rund 860 Millionen DM an Bundesmitteln erhalten. Dabei werden die für die Allgemeine Forschungsförderung und die Sonderforschungsbereiche vorgesehenen Mittel der DFG für die alten Länder um die vom Bundeskanzler und den Regierungschefs der Länder vorgesehene Rate von 5 % steigen. Für die neuen Länder ist im Hinblick auf den Nachholbedarf ein höherer Aufwuchs gegenüber dem Vorjahr vorgesehen, so daß die DFG-Mittel für die Allgemeine Forschungsförderung und die Sonderforschungsbereiche um insgesamt rund 7 % steigen werden. Erstmals sieht der Entwurf des Einzelplans 31 einen Ansatz zur Förderung von angewandter Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen vor. Dadurch soll die Basis für ein stärkeres Engagement der Fachhochschulen in Vorhaben der angewandten Forschung und Entwicklung, die für die Qualität und den Praxisbezug der Lehre von erheblicher Bedeutung sind, in allen dort vertretenen Fachbereichen geschaffen werden. Die Förderung soll im Rahmen eines gemeinsamen Bund-Länder-Programms auf der Grundlage einer Vereinbarung nach Art. 91 b des Grundgesetzes erfolgen. Ich gehe davon aus, daß die Länder die Möglichkeit ergreifen werden, sich an diesem Programm zu beteiligen. Für das „Erneuerungsprogramm für Hochschule und Forschung in den neuen Ländern", das Bund und Länder im Juli dieses Jahres unterzeichnet haben, sind für 1992 rund eine halbe Milliarde DM vorgesehen (nur für 1992 im Einzelplan 60). Mit diesem Programm, an dessen Umsetzung die Verwaltungen der neuen Länder mit Nachdruck arbeiten, wird die Grundlage für den Neuaufbau von Hochschule und Wissenschaft in den neuen Ländern und Berlin mit dem Ziel der Verbesserung von Qualität in Forschung 5130* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. November 1991 und Lehre geschaffen. Dabei geht es neben verschiedenen Maßnahmen zur personellen Erneuerung und zur Verbesserung der Ausstattung der Hochschulen und ihrer Infrastruktur auch um die Eingliederung von Forschern und Forschergruppen der Akademien der ehemaligen DDR in die Hochschulen und um die Förderung neuer Einrichtungen des außeruniversitären Forschungsbereichs. Für Maßnahmen beim Studentenwohnraumbau im Rahmen des Förderungsprogramms von 1990 bis 1994 sind nach 150 Millionen DM für 1991 im Jahre 1992 200 Millionen DM vorgesehen. In dem genannten Zeitraum werden unter Berücksichtigung auch der von den Ländern und Trägern von Maßnahmen aufzubringenden Mittel Investitionen in Höhe von mehr als 2 Milliarden DM mobilisiert, um der Wohnungsnot der Studenten zu begegnen. Drittens. Die veranschlagten Mittel für Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz liegen mit 2,7 Milliarden DM knapp über dem Ansatz von 1991. Sie werden ausreichen, um alle Berechtigten zu fördern. Dabei ist berücksichtigt, daß durch ein 15. BAföG-Änderungsgesetz u. a. Bedarfssätze und Freibeträge zum Herbst 1992 angepaßt werden sollen. Viertens. Die Mittel für Maßnahmen auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung und für Zuschüsse an Weiterbildungseinrichtungen sollen von 48,6 Millionen DM im laufenden Jahr auf knapp 61 Millionen DM steigen. Dieser Mittelansatz trägt dazu bei, die Weiterbildung zu einem gleichwertigen Teil des Bildungswesens weiter auszubauen und in den neuen Ländern eine plurale, bedarfsgerechte Weiterbildungsstruktur zu schaffen. Fünftens. Die Bundesregierung beabsichtigt, auch im Jahre 1992 die Förderung von Auslandsaufenthalten deutscher Hochschulabsolventen und Studenten sowie des Austausches von Wissenschaftlern mit dem Ausland — auch im Hinblick auf die Entwicklung in den mittel- und osteuropäischen Staaten — weiter auszubauen. Dafür sollen 60 Millionen DM zur Verfügung stehen. Sechstens. Die Zuschüsse an die Begabtenförderungswerke, die Stipendien an Studenten und junge Nachwuchswissenschaftler vergeben, werden auf insgesamt 113,6 Millionen DM, einschließlich 27 Millionen DM für die Promotionsförderung, aufgestockt. Dazu kommen weitere 16,3 Millionen DM für die Förderung von Postdoktoranden, die von der DFG als Stipendien vergeben werden. Der Entwurf des Einzelplans 31 des Bundeshaushalts für 1992 bietet insgesamt eine solide finanzielle Grundlage, die vor uns liegenden Aufgaben in Bildung und Wissenschaft im vereinten Deutschland zu bewältigen. Ich danke den Berichterstattern und dem Haushaltsausschuß für ihre Unterstützung und bitte um Ihre Zustimmung zum Etatentwurf.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Michael Glos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur ein paar Worte zum Kollegen Thierse sagen: Zu unserer Gesellschaftsordnung gehört als ein tragender Bestandteil auch unsere Eigentumsordnung. Ohne daß wir diese Säule ordentlich aufrechterhalten, kann diese Gesellschaftsordnung und kann vor allen Dingen die Wirtschaftsordnung nicht funktionieren.

    (Wolfgang Thierse [SPD]: Muß man das so erbarmungslos machen, oder kann das auch barmherzig geschehen?)




    Michael Glos
    — Es wird rechtsstaatlich gemacht, nicht erbarmungslos; das wissen Sie ganz genau.

    (Zuruf von der SPD: Sozialpflichtigkeit gehört dazu!)

    Wir hoffen auch, daß der Ausbau des Rechtswesens in den Ländern der ehemaligen DDR vorangeht, und dann werden sich alle Fragen rechtsstaatlich klären lassen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir beraten über den Bundeshaushalt — ein Dokument dafür, welche enormen Anstrengungen wir unternehmen, den ökonomischen und ökologischen Scherbenhaufen zu beseitigen, den vierzig Jahre Sozialismus angerichtet haben. Wer allerdings bisher der Auffassung gewesen ist, daß zwischen Regierungskoalition und SPD-Opposition zumindest in diesem Punkt Einigkeit herrsche, der konnte am Sonntagabend eines Besseren belehrt werden.
    Die Äußerung von Herrn Klose in der ZDF-Sendung „Bonn direkt" zum Wettbewerb der Wirtschaftssysteme hat die letzte Illusion zerstört. Der neue Fraktionsvorsitzende hat in dieser Sendung zwar richtigerweise dargelegt, daß der Kommunismus tot ist und sich das westliche System als das erfolgreichere herausgestellt hat; so weit, so gut. Schlimm war allerdings der nächste Satz: Es müsse sich aber erst noch zeigen, ob das westliche System auch das bessere System sei im Sinne seiner Fähigkeit zur Lösung von Problemen. — Da kann ich nur sagen — frei nach dem bekannten Lied — : Wärst du doch in Mexiko geblieben!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Detlev von Larcher [SPD]: Das ist ein bißchen sehr primitiv!)

    — Entschuldigung, Herr Kollege, Sie scheinen auch der Toskana-Fraktion anzugehören, weil Sie sich jetzt so stark solidarisieren: Gut essen, gut trinken, gut ruhen lautet die Devise. Das ist also die Fortsetzung der ehemaligen Arbeiterpartei!
    Ich habe irgendwo gelesen, man müsse wissen, daß „piatti caldi" „warme Speisen" heißt und nicht „kalte Speisen" oder „Brotzeit" , wie deutsche Arbeiter vielleicht denken würden. Dies ist Ausdruck des neuen Lebensstils.
    Man hat sich den Fraktionsvorsitzenden aus Mexiko geholt, und man muß jetzt sehen, wie man damit zurechtkommt.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Sie können nicht zuhören, Sie können nur polemisieren! — Gegenruf des Abg. Johannes Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Dieser Quatschkopf!)

    — Ich kann doch nicht ständig Ihrem Geschrei zuhören. Ich habe vorhin aufmerksam zugehört.
    Ich möchte zurückkehren zur Marktwirtschaft. Auch in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung und in einem System der Sozialen Marktwirtschaft leben wir nicht auf einer Insel der Glückseligen.

    (Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: So ist es!)

    Auch bei uns gibt es sicher Probleme und Mißstände.
    Das wollen wir nicht verniedlichen. Auch bei uns gibt
    es immer wieder Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen. Es kann aber doch kein Zweifel darüber bestehen, daß die Soziale Marktwirtschaft dasjenige System darstellt, das Probleme mit Abstand am allerbesten lösen kann.
    Wer nach Öffnung der Mauer die damalige DDR betrachtet hat, konnte von dem versprochenen Arbeiter- und Bauernparadies nichts, aber auch gar nichts bemerken. Von Oskar Lafontaine gibt es das Zitat von der DDR als einem blühenden Industrieland. Wer es richtig betrachtet hat, hat gemerkt, daß kaum erhaltenswerte Errungenschaften vorhanden sind.

    (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Das gilt nicht einmal für das Saarland!)

    Die Vollbeschäftigung ist u. a. durch die Anstellung Zigtausender von Stasi-Spitzeln zur Überwachung der eigenen Bevölkerung garantiert worden. Dies darf man im nachhinein nicht als Erfolg von Vollbeschäftigung preisen. Die angeblich überlegene Lenkung und Steuerung der Planwirtschaft hat die Sowjetunion zwar befähigt, Raumstationen ins Weltall zu schießen und Nuklearwaffen zu entwickeln und auch in großer Zahl zu produzieren; sie hat es allerdings nicht vermocht, die endlosen Schlangen der Hausfrauen, Arbeiter und Rentner vor den leeren Lebensmittelläden zu verhindern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der real existierende Sozialismus.

    (Zuruf von der SPD: War er!)

    Für mich ist es deshalb schleierhaft, wie man nach diesen negativen Erfahrungen immer noch vorschlagen kann, die SPD sollte die ursprünglichen Ideale des Sozialismus, wie Herr Thierse es am 12. September in der „Berliner Zeitung" formuliert hat, wieder stärker kenntlich machen.
    Wenn die deutsche Sozialdemokratie glaubt, trotz dieser Tatsachen immer noch nach einem dritten Weg zwischen Zentralverwaltungsstaat und Sozialer Marktwirtschaft suchen zu müssen, dann ist das eine gefährliche politische Traumtänzerei.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der polnische Staatspräsident Lech Walesa soll vor einiger Zeit die Frage nach dem besten Wirtschaftssystem für Polen dahin beantwortet haben, daß man das Beste des Kapitalismus mit dem Besten des Sozialismus verbinden müsse. Ich beziehe mich hier auf Arnulf Baring in seinem Buch „Deutschland, was nun?". Auf die weitere Frage, was das sei, hat er gesagt, der Kapitalismus sei leistungsstark, aber im Sozialismus brauche man nicht viel zu arbeiten, das müsse beibehalten werden.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, so geht es natürlich nicht. Ich kann gut verstehen, daß das der polnische Staatspräsident noch nicht so genau gewußt hat. Aber die deutsche Sozialdemokratie müßte doch zumindest wissen, daß man nicht so ohne weiteres „Errungenschaften" beibehalten kann, wenn man erfolgreich sein will.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Sozialismus ist schon in den verschiedensten Spielarten versucht worden. Neben der Variante im kommunistischen Ostblock gab es die jugoslawische



    Michael Glos
    Variante, die schwedische Variante — sie wird jetzt stark korrigiert —, die afrikanische Variante — ich erinnere an Nyerere in Tansania —, die kubanische Variante usw.

    (Johannes Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Und die Willy-Brandt-Variante!)

    Alle Modelle haben nicht funktioniert und die Menschen nur ärmer gemacht. Das ist die Tatsache.

    (Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Leider wahr!)

    Ausgerechnet die deutsche Sozialdemokratie, die den real existierenden Sozialismus auf deutschem Boden erlebt hat, glaubt immer noch, eine eigene Variante, sozusagen einen Stein der Weisen des Sozialismus, entdecken zu können.

    (Dr. Franz Möller [CDU/CSU]: Das ist kein Traum, sondern ein Alptraum!)

    Ich bin der festen Überzeugung: Jeder dritte Weg führt in die Dritte Welt. Diese Einsicht hat sich bis weit in die Sowjetunion herumgesprochen, wie der Besuch des russischen Präsidenten Boris Jelzin in der Bundesrepublik gezeigt hat. Der russische Präsident will ordnungspolitische Grundsatzreformen mit einer Preis- und Wechselkursfreigabe, freien Märkten und Privateigentum in Rußland durchsetzen. Ich wünsche ihm und anderen Reformern wie dem Sankt Petersburger Oberbürgermeister Anatoli Sobtschak die gleiche Kraft, den gleichen Mut, die gleiche Beharrlichkeit und vor allen Dingen den gleichen Erfolg wie bei der Niederschlagung des August-Putsches.
    Boris Jelzin hat ein klares Bekenntnis zur Öffnung seines Landes für ausländische Investoren, zur Gewerbefreiheit abgelegt. Dabei sollen die Bedingungen für Investitionen verbessert und ein ungehinderter Transfer von Devisen und Gewinnen ermöglicht werden.
    Zu begrüßen ist, daß mittlerweile acht von zwölf Unionsrepubliken die Bedienung der sowjetischen Auslandsschulden uneingeschränkt anerkannt haben. Dies war und ist für uns unabdingbare Voraussetzung für ein weiteres staatliches und vor allen Dingen, wie ich hoffe, bald auch privates Engagement des Westens in den Republiken der Sowjetunion. Es kommt jetzt darauf an, diese Erklärung alsbald mit rechtlichen Bindungen zu versehen, damit das internationale Vertrauen in die Sowjetunion erhalten bleibt.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, westliche Hilfen können nur dann einen Sinn machen, wenn in der Sowjetunion möglichst rasch Klarheit über Zuständigkeiten geschaffen wird. Jedes einzelne Hinauszögern der Unterzeichnung des Unionsvertrages kann deshalb nur schädlich sein, und wir wünschen Präsident Gorbatschow hier, auch in unserem Interesse, viel Erfolg.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es gehört nicht viel Phantasie dazu, zu erkennen, daß die wirtschaftlichen Probleme in den Unionsrepubliken noch um einiges größer sind als diejenigen, mit denen wir zur Zeit in den jungen Bundesländern
    konfrontiert sind. Zu groß ist einfach die Altlast, die der Sozialismus hinterlassen hat.

    (Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    Im Gleichschritt mit Fortschritten bei der Umsetzung von Wirtschaftsreformen dürften deshalb in den kommenden Jahren weitere westliche Hilfen erforderlich sein, um den wirtschaftlichen Neuanfang zu flankieren.
    Niemand im Westen kann ein Interesse an einem Rückfall in den kalten Krieg oder an einem vollständigen Zerfall der Sowjetunion haben. Denken wir nur einmal an die Probleme, die entstehen, weil sehr viele Atomwaffen unkontrolliert vorhanden sind. Wir alle müssen ein ausgeprägtes Interesse am Gelingen der Reformen haben, damit es in der Sowjetunion und den anderen Reformstaaten nicht zu einem gefährlichen Vakuum kommt. Menschen, die in Not sind, die nichts zu verlieren haben, deren Kinder hungern, handeln irrational. Deshalb müssen Deutschland, Europa und die internationale Gemeinschaft einen entsprechend starken Beitrag leisten.
    Aber hier ist nicht nur die öffentliche Hand gefordert, nicht nur die Staaten sind gefordert; ohne privates Engagement — dies zeigen die Erfahrungen in den neuen Bundesländern — können die marktwirtschaftlichen Reformen nicht zum Erfolg führen. Private Unternehmungen und Banken müssen bei unsicheren Engagements die Risikokomponente zweifelsohne mitberücksichtigen. Das sind sie ihren Eigentümern schuldig.
    Es gilt aber auch, die enormen Chancen von Investitionen im ehemaligen Ostblock zu sehen. In der CSFR geht es ja los, daß westliche Industriekonzerne, auch deutsche, kräftig investieren. Wir wünschen uns das für den gesamten Ostblock.
    Jedem westlichen Investor und jeder Bank muß klar sein, daß im Osten ein Markt von 400 Millionen Menschen liegt und die Schlüssel für das Tor zum riesigen Markt der Sowjetunion und anderer ehemaliger RGW-Staaten heute vergeben werden. Wer bei dieser Schlüsselvergabe dabei sein will, muß sich jetzt bemühen und muß auch eigenes Risiko eingehen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es noch eines weiteren Beweises bedurft hätte, dann müßte im Zusammenhang mit unseren Hilfen für die Reformländer des Ostblocks jedermann klargeworden sein, daß der Haushaltsrahmen in der Bundesrepublik Deutschland leider sehr eng geworden ist. Deutsche Einheit und Unterstützung der Reformländer sind Aufgaben, die nicht ohne Einschnitte bei bisherigen und neuen staatlichen Leistungen einzulösen sind.
    Generell muß den Menschen im alten Bundesgebiet klar sein, daß nicht jedes soziale und wirtschaftliche Problem in demselben Umfang und in dem Tempo angepackt werden kann wie in der Vergangenheit. Es gibt in den nächsten Jahren keine zusätzlichen realen Verteilungsspielräume. Auch das müssen wir unseren Mitbürgern, wie ich meine, klipp und klar sagen.



    Michael Glos
    Vor diesem Hintergrund haben der Bundesfinanzminister und die Haushaltspolitiker der Koalition mit dem Bundeshaushalt 1992 ausgezeichnete Arbeit geleistet, die den geänderten finanzpolitischen Rahmenbedingungen Rechnung trägt.
    Für noch so gut gemeinte neue sozial- oder umweltpolitische Leistungen bieten zumindest die öffentlichen Haushalte in den nächsten Jahren keinen großen Spielraum mehr. Wir müssen deshalb auch unser Tempo beim Einführen neuer wünschenswerter Standards überprüfen. Es macht für mich z. B. wenig Sinn, im alten Bundesgebiet im kleinsten Dorf forciert die Umstellung auf vollbiologisch funktionierende Kläranlagen erreichen zu wollen, während in den neuen Bundesländern in vielen Landkreisen überhaupt noch keine einzige zentrale Kläranlage vorhanden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Rudi Walther [Zierenberg] [SPD]: Da gebe ich Ihnen ja recht!)

    Beim Einsatz knapper öffentlicher Mittel muß gelten, daß sie in hohem Maß dort eingesetzt werden, wo sie am allerdringendsten benötigt werden — da stimme ich mit den Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bundesländern überein —, nämlich in den neuen Bundesländern.
    Zu warnen ist auch davor, die Finanzierung von neuen staatlichen Aufgaben durch ein entsprechendes Anziehen der Abgabenlasten oder der Steuerschraube der Bürger und Betriebe suchen zu wollen. Wer glaubt, eine Kuh immer nur melken zu können, ohne sie zwischendurch auch einmal zu füttern, der irrt vollständig.

    (Ernst Waltemathe [SPD]: Schlachten!)

    — Nein. Hier geht's ums Füttern, ums gute Füttern. Vom Schlachten reden wir überhaupt nicht.
    Ich kann Ihnen ein anderes Bild bringen, da ja die Luft- und Raumfahrtindustrie in Bremen zu Hause ist.

    (Ernst Waltemathe [SPD]: Was? Auch in Bayern!)

    Es ist bei der Wirtschaft wie mit einem großen Jumbojet, der heute um die Welt fliegt. Die großen Konzerne verkaufen ja in allen Ländern der Welt, sie produzieren gemischt, und sie vertreiben weltweit. Für dieses große Flugzeug sucht man sich eine feste Basis oder einen festen Heimathafen, wo die Kosten günstig sind, wo man möglichst wenig Substanzsteuern zahlen muß, wo man sein Stammpersonal da hat, wo es noch bezahlbar ist.
    So ähnlich verhält es sich heute mit internationalen Investitionen. Wir stehen hier weltweit im Wettbewerb, nicht nur in Europa, sondern auch mit vielen anderen Industrie- und Schwellenländern.
    Es ist alarmierend — das müssen wir uns in dem Zusammenhang vor Augen führen — , daß im vergangenen Jahr deutsche Unternehmungen im Ausland 36 Milliarden DM direkt investiert haben, auch zur Sicherung ihrer Marktbasis, während ausländische Unternehmungen bei uns nur 2,5 Milliarden DM investiert haben. Ich glaube, das sind bedrohliche Zahlen. Diese Zahlen machen deutlich, daß wir nicht umhin
    können, die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Engagement in Deutschland zu verbessern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das heißt für den Bereich der Steuerpolitik, daß die Unternehmenssteuern investitions- und beschäftigungsfreundlicher, als sie derzeit sind, gestaltet werden müssen, um die Wettbewerbsposition für die deutschen Unternehmungen unter den Konkurrenzbedingungen des europäischen Binnenmarkts zu verbessern.
    Ich glaube, jetzt kommt bald die Stunde der Wahrheit.

    (Zurufe von der SPD: Ja! — Jawohl!)

    Die Sozialdemokratie kann durch ihr Verhalten im Bundesrat zeigen, wie ernst sie es mit dem Industriestandort Bundesrepublik Deutschland meint.

    (Eckart Kuhlwein [SPD]: Sagen Sie doch endlich die Wahrheit!)

    Im Vermittlungsausschuß haben Sie ein ganzes Stück mitzureden. Ich kann an Sie nur appellieren, daß Sie die Unternehmenssteuerreform nicht sabotieren, sondern so auf den Weg bringen, wie es für die Arbeitsplätze in unserem Land nötig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich finde es auch viel redlicher, hier in Bonn offen und ehrlich ja zu sagen zu unabdingbaren Verbesserungen bei den betrieblichen Steuern, z. B. bei der betrieblichen Vermögensteuer, statt so zu handeln, wie es im Saarland anscheinend Brauch ist. Ich beziehe mich auf die jüngste Ausgabe des „Spiegel". Dort heißt es: Im SPD-regierten Saarland ist durch Verstöße gegen steuerrechtliche Vorschriften mit Willkürentscheidungen auf die Zahlung von Unternehmensteuern überhaupt verzichtet worden.

    (Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Es stimmt ja nicht alles, was im „Spiegel" steht. Aber vieles stimmt. Und solche Dinge sind oft sehr sorgfältig recherchiert. Wenn diese Meldungen stimmen, hat dort, wie ich meine, ein „Oskar"-reifes vermögensteuerpolitisches „Kasper"-Theater auf Kosten der Gesamtheit der ehrlichen deutschen Steuerzahler stattgefunden. Für die, die den „Spiegel" nicht gelesen haben: Der Finanzminister dort heißt Kasper. Deswegen: das „Kasper"-Theater. Der Regisseur in diesem Theater heißt, glaube ich, Oskar — nicht? — . Und so hat ein „Oskar"-reifes „Kasper" -Theater stattgefunden.

    (Zurufe von der FDP und der SPD)

    — Es ist Oskar Lafontaine diesmal, der berühmte Oskar, Mitglied der Toskana-Fraktion.

    (Gerlinde Hämmerle [SPD]: Nur keinen Neid!)

    — Entschuldigen Sie! Ich war auch schon in der Toskana.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Ja, eben!)




    Michael Glos
    In dem Lokal war ich natürlich nicht. Ich war ganz privat dort, verstehen Sie, wie es sich gehört: mit der eigenen Frau.

    (Heiterkeit und Beifall)

    Auch da kann es einem gut gefallen. Ich will mich nicht weiter darüber verbreiten. Jedenfalls bin ich deswegen nicht zum Mitglied der „Toskana"-Fraktion geworden.
    Ich plädiere außerdem nachdrücklich für einen Verzicht auf weitere Belastungen oder zumindest für eine Verschiebung von Belastungen der Wirtschaft im sozialen wie im Umweltbereich. Jede einzelne dieser Belastungen unserer Wirtschaft durch Steuern, Abgaben, Löhne, Bürokratiekosten usw. scheint für sich verkraftbar zu sein, aber in der Summe, in der Bündelung liegt das eigentliche Problem. Nur wenn wir auf diesem Wege voranschreiten, die Kosten nicht erhöhen, sondern eher wieder eine Entlastung vornehmen, können wir die Staatsquote in der Bundesrepublik Deutschland wieder allmählich zurückführen und die Abgabenbelastung, die wir zur Zeit Bürgern und Wirtschaft zumuten müssen, auf ein vernünftiges, dauerhaft vertretbares Maß bringen. Nur wenn wir die Wirtschaft in den alten Bundesländern in Ordnung halten, haben wir auch die Kraft, den neuen Bundesländern zu helfen; und das möchten wir tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinem jüngsten Gutachten guté Chancen dafür konstatiert, daß es mit der ostdeutschen Wirtschaft im kommenden Jahr weiter aufwärtsgeht. Ich bin sehr zuversichtlich. Die gesamtwirtschaftliche Produktion in den neuen Ländern könnte dann 1992 mit einer zweistelligen Rate zunehmen. Ich freue mich, daß das auch Herr Kollege Thierse bestätigt hat. Es bedeutet allerdings im Blick auf das Ziel, gleiche Lebensverhältnisse wie in den alten Bundesländern rasch herzustellen, nur einen kleinen Schritt. Gemessen an dem desolaten Zustand, in dem sich die DDR beim Fall der Mauer befunden hat, kann man den Fortschritt als sehr beachtlich ansehen.
    Es ist durchaus verständlich, daß es in den neuen Bundesländern Enttäuschungen und in den alten Bundesländern Sorgen gibt, ob wir uns nicht dabei übernehmen, uns finanziell so stark zu engagieren, wie wir es mit diesem Haushalt tun. Vielleicht war am Beginn der Optimismus, daß sich die Lebensverhältnisse im Osten sehr rasch ändern, etwas zu groß. Ich gebe das gerne zu, aber es war zumindest nicht absichtlich verharmlost. Ich glaube, wir haben alle das Ausmaß nicht so deutlich erkannt. Ich kann das zumindest für mich in Anspruch nehmen.
    Die Konflikte, die daraus entstehen, sind heute schon angesprochen worden. Wir müssen uns nicht nur wirtschaftlich, sondern selbstverständlich auch menschlich zusammenfinden. 40 Jahre oder noch länger eines teilweise anderen Denkens prägen die Menschen.
    Ich möchte hier den Schriftsteller Martin Walser zitieren, der in seinem Buch „Die Verteidigung der Kindheit" richtig geschrieben hat: „Wahrscheinlich
    lassen sich Entfernungen zwischen Menschen mit irdischen Maßen gar nicht ausdrücken."
    Sowohl für das weitere Gelingen des Aufschwungs Ost als auch für eine Fortsetzung des Wirtschaftswachstums im Westen unseres Landes ist es unbedingt erforderlich, daß sich die Lohnpolitik im Rahmen des produktivitätsmäßig und stabilitätspolitisch Machbaren bewegt. Wenn ich mir die jüngsten Forderungen nach zweistelligen Einkommensverbesserungen im Westen und nach rascherer Angleichung der Einkommensverhältnisse im Osten vor Augen halte, so würde ich mir durchaus mehr Einsicht in gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge seitens der Gewerkschaften und vor allen Dingen auch mehr Stehvermögen der Arbeitgeber wünschen, als es in der letzten Lohnrunde der Fall gewesen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man kann nicht ständig nur von Aktivitäten der öffentlichen Hand reden, sie anmahnen und die hohe Abgabenbelastung der Wirtschaft anprangern, um sich dafür beim Hauptkostenfaktor Lohn oder bei den betrieblichen Lohnnebenkosten um so großzügiger zu zeigen. Das Ganze geht nicht zusammen.
    An dieser Stelle möchte ich mit einem Märchen aufräumen, das sich hartnäckig hält und uns von Arbeitgeberseite auch immer wieder an den Kopf geworfen wird, daß nämlich der öffentliche Dienst eine unheilvolle Lohnführerschaft übernommen habe. Dieser Vorwurf übersieht, wie ich meine, die im Vergleich zu anderen Tarifbereichen ausgesprochen niedrigen Lohnzuwächse in den Jahren vorher,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    nämlich 2,4 %, 1,4 % und 1,7 %, die im öffentlichen Dienst damals vereinbart worden sind, so daß der Abschluß von 6 % 1991 ohne Zahlung von Nachschlag hier eingeordnet werden muß. Das war also nicht als Signal an die übrige Industrie und an die übrigen Tarifbereiche gedacht und konnte auch nicht so verstanden werden. Insofern ist es falsch, wenn man sich darauf herausredet.
    Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir wünschen uns, daß die Tarifpartner in der diesjährigen Lohnrunde nicht die gleichen Fehler wie in den letzten Jahren machen. Es hat keinen Sinn, erst die Lohnpolitik zu überhitzen, bis die Funken sprühen, dann die Feuerwehr zu rufen und anschließend Ersatz für die Schäden, die durch Löschwasser entstanden sind, einzufordern.
    Trotz des Neuaufbaus in den neuen Bundesländern und trotz der raschen Entwicklung im Osten Europas dürfen wir nicht vergessen, die europäische Entwicklung weiter voranzutreiben. Ich bedanke mich sehr herzlich bei Herrn Bundeskanzler Kohl, der heute nochmals sehr ausdrücklich seinen festen Willen erklärt hat, die europäische Einigung in Maastricht voranzutreiben und vor allen Dingen darauf zu achten, daß wir bei der gemeinsamen europäischen Notenbank den gleichen Zielen verpflichtet sind wie die Deutsche Bundesbank, nämlich der Stabilität der Währung; damit sind wir gut gefahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Michael Glos
    Wir wünschen uns auch, daß gleichzeitig mit der Wirtschafts- und Währungsunion mehr Gemeinsamkeit in die Außen- und Sicherheitspolitik der europäischen Länder kommt. Es ist heute schon viel über die schrecklichen Ereignisse in Jugoslawien geredet worden. Hier ist ein gemeinsames Europa gefordert. Hier ist auch gefordert, daß sich die demokratischen Parteien verständigen, wie sich unser Land bei solchen Konflikten künftig verhält. Ich hoffe, daß sich in dieser Frage die pragmatische Haltung von Herrn Klose, die er zumindest im Golfkonflikt gezeigt hat, in der SPD stärker durchsetzt. Ich bin überzeugt, daß wir diese Dinge in der Koalition sehr sorgfältig miteinander diskutieren.
    Allerdings werden wir leichter Wege finden, um unser Land in eine gute Zukunft auch in dieser Frage zu führen. Ich fände es daher völlig unerträglich, wenn wir in diesem Jahrtausend noch einmal eine SPD-geführte Bundesregierung bekommen würden,

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Das dauert nicht mehr lange! — Gerlinde Hämmerle [SPD]: Demnächst!)

    die diesen Aufgaben, wie sich zeigt, nicht gewachsen ist.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Nun hören Sie aber auf! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Und jetzt schließe ich mich ausnahmsweise einmal einer Beurteilung an, die eine große Hamburger Illustrierte in ihrer letzten Ausgabe vorgenommen hat. Sie hat nämlich eine sehr treffende Situationsbeschreibung der SPD abgeliefert — ich zitiere — :
    Ein Parteivorsitzender ohne Autorität, ein zweiter Kanzlerkandidat in Wartestellung. Mit Klose wird die labile Lage an der Parteispitze durch einen dritten, noch unkalkulierbareren Hauptdarsteller komplettiert.

    (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Überschrift: Keiner kann mit keinem!)

    Trotzdem — oder vielleicht gerade deswegen — wünsche ich Herrn Klose eine sehr, sehr lange Amtszeit als Oppositionsführer.
    Vielen Dank.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Renate Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Kollegin Gerlinde Hämmerle.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerlinde Hämmerle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 10. Oktober erklärte der Bundespräsident in einem Aufruf zur „Woche der Welthungerhilfe" u. a. — ich zitiere — :
    Eine Fülle begeisternder und bestürzender Ereignisse, ermutigender und bedrohlicher Entwicklungen der Politik hält uns in diesem Jahr 1991 in Atem. Mit der Überwindung des Ost-West-Konflikts scheinen wir der Sorgen äußerer Sicherheit enthoben. Andererseits brachten uns die Ereignisse am Golf und in Jugoslawien in Erinnerung, wie sich die Verachtung für Mensch und Natur fast hemmungslos entfesseln kann.
    Es gibt aber eine noch schwerere Bedrohung, die nicht die Bildschirme beherrscht. Sie bewegt uns viel zuwenig und ist doch erbarmungslos. Sie betrifft nicht nur einzelne Nationen oder Konfliktherde, sondern unzählige Länder und ganze Weltteile: die Gewalt der Armut.
    Armutswanderung, Armutsflüchtlinge, die man oft — wie ich finde: diskriminierend — auch Wirtschaftsasylanten nennt,

    (Beifall bei der SPD)

    machen einen wesentlichen Teil der Zuwanderung in die Bundesrepublik aus. Ich nehme diesen Aspekt aus der Rede meines Fraktionsvorsitzenden von heute vormittag noch einmal auf.
    Innerhalb eines Jahres hat sich die Zahl der Flüchtlinge nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen um 2,3 Millionen auf 17,3 Millionen erhöht. Dies sind allerdings nur diejenigen unter den Flüchtlingen, für die der Hohe Flüchtlingskommissar ein Mandat übernommen hat. Aus Jugoslawien kamen allein im Oktober 14 744 Menschen. Hinter jeder einzelnen dieser Zahlen steht persönliches, meist schweres Schicksal.
    Bei aller Bedrohung, die mancher durch die Höhe dieser Zahlen empfinden mag, muß dennoch gesagt werden, daß nur etwa 15 % aller Flüchtlinge der Welt Europa überhaupt erreichen. Der weitaus größere Teil wird immer noch von den anderen Entwicklungsländern aufgenommen. Dies wird allerdings nicht so bleiben; denn der Fluchtdruck wächst, vor allem in Osteuropa, dessen Länder nicht immer zu denen gehörten, die ein Auswanderungspotential in sich trugen. Aber heute ist es anders: Etwa 70 % der Menschen, die zu uns kommen, stammen aus Osteuropa. Als Beispiel nenne ich nur die Zahlen des Monats Oktober. Aus den Staaten Ost- und Südosteuropas kamen im Oktober 22 912 Asylbewerber; das sind 68,3 % aller Asylbewerber überhaupt. Der Anteil der Europäer an der Gesamtzahl beträgt 75,9 %; das sind über 25 000 Personen.
    Millionen von Menschen sind auf der Wanderung, jeder aus einem für ihn wichtigen oder lebensbedrohenden Grund. Fluchtursachen sind vor allem die katastrophalen Lebensbedingungen in weiten Teilen der südlichen Erdhalbkugel, krasse Armut, Hunger, Kriege, Bürgerkriege, ethnische Konflikte, Umweltzerstörung und Katastrophen, schwere Menschenrechtsverletzungen, dramatisches Bevölkerungswachstum. „Auch Hunger ist ein Verfolger" , sagte Stefan Heym einmal in einer Podiumsdiskussion — ein Wort, das nachdenklich machen muß. Hunger als Vertreiber — auch ein Grund für die Zunahme der Wanderungsbewegung aus Osteuropa und den asiatischen Teilen der zerfallenen Sowjetunion, eine neue, meine Kolleginnen und Kollegen, eine neue, bedrükkende Qualität.
    Die Ursachen sind bekannt. Eine Analyse ist jetzt nicht meine Aufgabe. Mein Anliegen ist vielmehr, umgehend eine massive Bekämpfung der Fluchtursachen in die Wege zu leiten. Denn nur dies wird mittel- und langfristig die Wanderungsbewegungen eindämmen.

    (Beifall bei der SPD)




    Gerlinde Hämmerle
    Ich will die Durchlässigkeit der Grenzen in Europa. Ich will keine Abschottung der reichen gegenüber den armen Ländern. Ich will keine rein nationale Bevölkerung. Nein, ich will sie, ich will sie wirklich, die multikulturelle Gesellschaft. Ich will sie erreichen. Und bilden wir uns nicht ein, daß ein türkischer Volkstanz auf einem Gemeindeabend bereits die multikulturelle Gesellschaft darstelle! Doch will ich auch eine Verminderung, ja, Beseitigung der Flucht und der Zuwanderung aus Gründen des Hungers und der Not. Ich bin froh darüber, daß quer durch die Fraktionen dieses Hauses die Zuwanderungsproblematik zunehmend auch unter dem Aspekt diskutiert wird, die Ursachen von Flucht, Vertreibung und Auswanderung zu bekämpfen, anstatt sich auf eine Abwehrstrategie zu konzentrieren.
    Auf die Dauer — davon bin ich zutiefst überzeugt — wird die Bekämpfung der Ursachen wirksamer und leichter zu finanzieren sein als die Beschränkung auf kurzfristig wirksame Abwehrmaßnahmen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Der Bundeskanzler erklärte in seiner Regierungserklärung vom 30. Januar 91:
    Um das Problem der Flüchtlings- und Wanderungsströme in und nach Europa zu lösen, müssen wir gemeinsam die Ursachen in den Herkunftsländern bekämpfen.
    Ich hätte Ihnen gerne zugerufen: Recht so, gut so, Herr Bundeskanzler. Aber Sie waren hinausgegangen.

    (Rudi Walther [Zierenberg] [SPD]: Das ist aber unerhört! — Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Und wo ist denn Herr Klose?)

    — Ja, er muß auch einmal hinausgehen. Ich sehe das ein.
    Das tatsächliche Verhalten der Bundesregierung steht im Gegensatz zu diesen Erklärungen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben heute die Gelegenheit, unserem Antrag zuzustimmen, in dem wir fordern, daß durch Senkung des Verteidigungsetats Mittel in Höhe von 1 Milliarde DM für die Bekämpfung der absoluten Armut in Entwicklungsländern, für Umweltschutz und für Programme zur Minderung des Bevölkerungswachstums freigemacht werden.
    Für die Länder der Sowjetunion und für Osteuropa wird noch lange Zeit Hilfe nötig sein. Ich denke, daß die Zurverfügungstellung von Mitteln für diese Länder Entwicklungshilfe im wahrsten Sinne des Wortes ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Dr. Schäuble, Sie haben vorgestern im ZDF gesagt, daß ein guter Schachspieler nicht nur auf den nächsten Zug schauen darf, sondern daß er immer das Ende der Partie im Auge haben muß. Das Ende der Partie ist die Beseitigung der Fluchtursachen. Wenigstens hier, Herr Dr. Schäuble — darüber bin ich froh —, weiß ich Sie an unserer Seite. Das wird sehr viel Geld kosten. Wir sollten bereit sein, es zur Beseitigung der Fluchtgründe auszugeben und nicht vorwiegend zur Reparatur der Fluchtfolgen im eigenen Land.
    Ich habe dazu allerdings eine persönliche Meinung, die sich immer mehr und mehr verfestigt: Ich würde das Geld letztendlich auch davon abhängig machen, wie die Empfängerländer mit ihren Minderheiten umgehen. Damit sind wir wieder beim Thema Asyl.
    Natürlich gibt es Asylmißbrauch. Natürlich haben viele Asylsuchende keinen wahren Asylgrund. Das weiß doch jeder, und das bestreitet doch eigentlich niemand ernsthaft. Wir haben aber im Oktober eine Absprache — einen Kompromiß, wenn Sie so wollen — getroffen. Die Parteien haben sich auf einen Kompromiß verständigt, der keine Änderung des Grundgesetzes vorsieht.
    Herr Dr. Schäuble, Sie waren Innenminister. Sie haben große Erfahrung in diesem Ressort. Die Menschen erwarten nun von Ihnen — auch als Vorsitzender der Fraktion der CDU/CSU —, daß dieser Kompromiß jetzt durchgesetzt wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will Ihnen wirklich nicht die Schuld für das, was Länder vielleicht nicht so schnell zustande bringen, zuschieben. Aber ich sage Ihnen, Herr Dr. Schäuble — und das wissen Sie so gut wie ich — eines: Nach meiner Erfahrung erwarten die Bürgerinnen und Bürger bei der Bewältigung dieser Problematik ein gemeinsames Handeln der Demokraten. Lassen Sie uns doch nach diesem Grundsatz handeln, Herr Dr. Schäuble.
    Wie es nicht geht, weiß ich selber. Lassen Sie uns doch miteinander nach Möglichkeiten suchen, wie es geht und wie eine Lösung durchgesetzt werden kann. Ich glaube, daß Sie selber ganz genau wissen — das geht jetzt nicht mehr an Ihre Adresse, sondern an die Adresse der Bundesregierung — : Das Durchsetzen eines Kompromisses ist die Aufgabe der Exekutive und nicht die Aufgabe der Oppositionsfraktion in diesem Hause.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr wahr! — Zuruf von der CDU/CSU: In Bund und Ländern!)

    — Okay, da bin ich mit Ihnen einig.
    Die Zuwanderung aus Osteuropa besteht zu einem wesentlichen Teil aus deutschen Aussiedlern, die nicht als Asylbewerber kommen, sondern deren Kommen auf einem anderen rechtlichen Hintergrund basiert. Ich will diese Menschen nicht diskriminieren. Ich kenne ihr oft grausames Schicksal in der Vergangenheit. Sie wissen, daß ich und auch der Kollege Sielaff, den ich gerade hier sitzen sehe, oft bei diesen Menschen waren. Ich habe diese Menschen in unserem Land und in ihren Herkunftsländern getroffen.
    Ihr Schicksal hängt eng mit dem Zweiten Weltkrieg zusammen, durch den sie wie Millionen andere Vertreibung, Tod und Not erlebt haben. Aber es gibt keinen Vertreibungsdruck mehr. Das Bundesvertriebenengesetz kann außer Kraft gesetzt werden. Über 40 Jahre nach Kriegsende wird es Zeit, die Gesetze in diesem Bereich zu überprüfen und eine Gesetzgebung zum Abschluß der Kriegsfolgen vorzulegen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das halbe Asylproblem ist ein Wohnungsproblem, sagte jüngst ein Bürgermeister. Und er hat recht. Die Kapazität ist erschöpft, der Wohnungsmarkt leerge-



    Gerlinde Hämmerle
    fegt; die Gemeinden brauchen vor allem beim Wohnungsbau Hilfe. Gestern hatten Sie Gelegenheit, in namentlicher Abstimmung unserem Antrag zuzustimmen, der die Wohnungsbauförderung zum Inhalt hatte.
    Ein letzter Punkt: die Wolgarepublik. Die Bemühungen des Herrn Staatssekretärs Waffenschmidt sind zu begrüßen. Aber ich warne vor einer zu positiven Einschätzung der Auswirkungen auf das Bleiben der Menschen. Die ganze Angelegenheit ist sehr unsicher und wird dort nur relativ wenige halten. Die Zunahme der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die Nationalisierung der Republiken und anderes mehr, z. B. die Islamisierung Kasachstans, werden den Bleibewunsch nicht stärken.
    Zwar handelt es sich um eine innenpolitische Entscheidung der Russischen Republik, dennoch sage ich, daß auch das Gelände — ein abgewracktes Raketengelände — nicht unproblematisch ist.
    Lassen Sie mich das zusammenfassen, was das Peti-tum meines Redebeitrages ist: die Bekämpfung der Fluchtursachen. Bekämpfung der Fluchtursachen heißt, erstens eine Politik zu betreiben, die zu einer menschenwürdigen, wirtschaftlich produktiven, sozial gerechten und umweltverträglichen Entwicklung beiträgt, und zweitens massive Hilfe beim wirtschaftlichen Aufbau in Osteuropa und Direkthilfe für den Winter.
    Zur Toleranz der Demokratie, zur Toleranz der Demokraten, die heute in diesem Hause schon mehrfach angesprochen worden ist, meine Kolleginnen und Kollegen, gehört — wie wir alle wissen — Verständnis für Fremde, Freundlichkeit, Gastfreundschaft und Anerkennung für Ausländer. Ich möchte uns — vielleicht auch ein wenig zum Nachdenken — am Schluß dieses Redebeitrags ein Zitat aus der Rede eines Indios an die westliche Welt mitgeben:
    Was macht ihr eigentlich mit eurem Reichtum und eurer Bildung? Unsere Kinder lehrt ihr in den Schulen, wie man die Natur beherrscht, wie man reich werden kann. Aber sie erfahren nicht, wozu der Reichtum gut sein soll. Eure Touristen reisen durch die ganze Welt und suchen unsere Gastfreundschaft. Aber ich habe noch nicht gehört, daß ihr einen von uns eingeladen hättet, bei euch zu wohnen und euer Leben kennenzulernen. Wenn ihr nicht gastfreundlich sein könnt, weil in euren großen Wohnungen kein Platz ist, und ihr vor lauter Arbeit keine Zeit für Gäste habt, dann seid Ihr auch nicht reich.
    Danke schön.

    (Beifall bei der SPD)