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    Plenarprotokoll 12/39 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 39. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. September 1991 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 3243 A Zusätzliche Überweisung eines Entschließungsantrages an den Haushaltsausschuß 3271 B Zusätzliche Überweisung eines Gesetzentwurfes an den Ausschuß für Wirtschaft . . 3297 D Tagesordnungspunkt 3: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den deutsch-polnischen Verträgen b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 17. Juni 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit (Drucksache 12/1103) c) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 14. November 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenzen (Drucksache 12/1104) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze sowie über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit (Drucksache 12/ 1105) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze sowie über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit (Drucksache 12/1107) Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 3243 D Hans Koschnick SPD 3249 C Karl Lamers CDU/CSU 3253 A Freimut Duve SPD 3255 C Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister AA 3256A Gerd Poppe Bündnis 90/GRÜNE 3258 C Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . . 3260 A Ortwin Lowack fraktionslos 3261 B Hartmut Koschyk CDU/CSU 3262 B Markus Meckel SPD 3264 C Ulrich Irmer FDP 3266 B Margitta Terborg SPD 3267 D Dr. Karl-Heinz Hornhues CDU/CSU . . 3269 B Hans Koschnick SPD 3270 D Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze (Drucksache 12/899) in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. September 1991 Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze (Drucksache 12/ 765) Peter Kittelmann CDU/CSU 3271 D Hermann Bachmaier SPD 3273 B Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . 3275A, 3279 D Johannes Singer SPD 3275 D Andrea Lederer PDS/Linke Liste 3276 B Horst Eylmann CDU/CSU 3277 A Hermann Bachmaier SPD . . . 3277 C, 3281 D Dr. Hans de With SPD 3278 A Vera Wollenberger Bündnis 90/GRÜNE 3278 C Ernst Schwanhold SPD 3280 A Peter Kittelmann CDU/CSU 3280 B Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär BMWi 3281 B Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Abgeordneten Claudia Nolte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung adoptionsrechtlicher Fristen (AdoptFristG) (Drucksache 12/1106) Dr. Michael Luther CDU/CSU 3283 A Margot von Renesse SPD 3283 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP 3284 B Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . . 3284 D Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 3285 C Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3285 D Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister BMJ . . 3286 B Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin (Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz) (Drucksache 12/1092) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags des Abgeordneten Dr. Klaus-Dieter Feige und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern (Drucksache 12/ 1118) Dr. Günther Krause, Bundesminister BMV 3287 C Harald B. Schäfer (Offenburg) SPD . . . 3287 D Dr. Margrit Wetzel SPD 3289 A Helmut Rode (Wietzen) CDU/CSU . . 3291A Ekkehard Gries FDP 3292 A Jutta Braband PDS/Linke Liste 3293 D Horst Gibtner CDU/CSU 3294 C Dr. Klaus-Dieter Feige Bündnis 90/GRÜNE 3295 D Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . 3296 D Nächste Sitzung 3297 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3299* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3299* D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. September 1991 3243 39. Sitzung Bonn, den 6. September 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 06. 09. 91* Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 06. 09. 91 Berger, Johann Anton SPD 06. 09. 91 Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 06. 09. 91 Blunck, Lieselott SPD 06. 09. 91* Dehnel, Wolfgang CDU/CSU 06. 09. 91 Eichhorn, Maria CDU/CSU 06. 09. 91 Eppelmann, Rainer CDU/CSU 06. 09. 91 Erler, Gernot SPD 06. 09. 91 Formanski, Norbert SPD 06. 09. 91 Gattermann, Hans H. FDP 06. 09. 91 Dr. Gautier, Fritz SPD 06. 09. 91 Graf, Günter SPD 06. 09. 91 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 06. 09. 91 Großmann, Achim SPD 06. 09. 91 Grünbeck, Josef FDP 06. 09. 91 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 06. 09. 91 Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 06. 09. 91 Hauser (Esslingen), Otto CDU/CSU 06. 09. 91 Hilsberg, Stephan SPD 06. 09. 91 Ibrügger, Lothar SPD 06. 09. 91 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 06. 09. 91 Kastning, Ernst SPD 06. 09. 91 Körper, Fritz Rudolf SPD 06. 09. 91 Koltzsch, Rolf SPD 06. 09. 91 Kretkowski, Volkmar SPD 06. 09. 91 Dr.-Ing. Laermann, FDP 06. 09. 91 Karl-Hans Lenzer, Christian CDU/CSU 06. 09. 91* Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 06. 09. 91 Lintner, Eduard CDU/CSU 06. 09. 91 Louven, Julius CDU/CSU 06. 09. 91 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 06. 09. 91 Erich Männle, Ursula CDU/CSU 06. 09. 91 Marten, Günter CDU/CSU 06. 09. 91* Dr. Matterne, Dietmar SPD 06. 09. 91 Dr. Mertens (Bottrop), SPD 06. 09. 91 Franz-Josef Dr. Müller, Günther CDU/CSU 06. 09. 91* Nolte, Claudia CDU/CSU 06. 09. 91 Oostergetelo, Jan SPD 06. 09. 91 Otto (Frankfurt), FDP 06. 09. 91 Hans-Joachim Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 06. 09. 91 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 06. 09. 91* Pützhofen, Dieter CDU/CSU 06. 09. 91 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 06. 09. 91* Dr. Reinartz, Bertold CDU/CSU 06. 09. 91 Rempe, Walter SPD 06. 09. 91 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 06. 09. 91 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Reuschenbach, Peter W. SPD 06. 09. 91 Richter (Bremerhaven), FDP 06. 09. 91 Manfred Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 06. 09. 91 Ingrid Romer, Franz-Xaver CDU/CSU 06. 09. 91 Schäfer (Mainz), Helmut FDP 06. 09. 91 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 06. 09. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 06. 09. 91* Dr. Soell, Hartmut SPD 06. 09. 91* Dr. Sperling, Dietrich SPD 06. 09. 91 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 06. 09. 91 Dr. von Teichman und FDP 06. 09. 91 Logischen, C. Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 06. 09. 91 Verheugen, Günter SPD 06. 09. 91 Dr. Vondran, Ruprecht CDU/CSU 06. 09. 91 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 06. 09. 91 Gert Dr. Wieczorek, Norbert SPD 06. 09. 91 Wieczorek-Zeul, SPD 06. 09. 91 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 06. 09. 91* *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 21. Juni 1991 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen oder einen Einspruch gem. Art. 77 Abs. 3 GG nicht einzulegen. Gesetz zur Einführung eines befristeten Solidaritätszuschlags und zur Änderung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen (Solidaritätsgesetz) Gesetz über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte sowie über strukturelle Anpassungen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Haushaltsbegleitgesetz 1991 - HBeglG 1991 -) Gesetz zur Förderung von Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen im Beitrittsgebiet sowie zur Änderung steuerrechtlicher und anderer Vorschriften (Steueränderungsgesetz 1991 - StÄndG 1991 -) Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1991 (Haushaltsgesetz 1991) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: 1. Der Bundesrat stellt fest, daß weitere Maßnahmen erforderlich sind, damit der zwingend notwendige Umbau der Wirtschaft in den neuen Bundesländern nicht zu einem wirtschaftlichen Niedergang, zu Entindustrialisierung und Entqualifizierung führt. Die wirtschaftliche Erfahrung der Menschen und ihre Fertigkeiten müssen genutzt und gewahrt werden, damit sie ihren Beitrag für das gemeinsame Deutschland leisten können. Über die im Bundeshaushalt 1991 festgelegten Entwicklungen hinaus ist für die Zukunft besonders auf die Entwicklung der Infrastruktur, insbesondere in den Bereichen Wohnungsbau und Verkehr, noch stärker zu achten. Die Bundesregierung sollte im Hinblick auf die fortbestehenden Finanzierungsprobleme - auch in den alten Bundesländern - das Bund-Länder-Verhältnis nicht durch einseitige Steuerverbesserungen zugunsten des Bundes belasten. 2. Die Herstellung einheitlicher Lebensbedingungen in Deutschland ist vordringlichste politische Aufgabe. Dem festzustellenden Verfall der bisherigen Absatzmärkte und der damit einhergehenden verschlechterten Arbeitsmarktsituation muß durch entsprechende wirtschafts- und sozialpolitische Flankierungen begegnet werden. Diesen Anliegen muß in den nächsten Jahren noch verstärkt Rechnung getragen werden. 3. Nach wie vor besteht keine hinreichende Klarheit über die Finanzausstattung der neuen Länder ab 1992. Gerade angesichts des Rückgangs der Zuweisungen aus dem Fonds „Deutsche Einheit" besteht hier dringender Handlungsbedarf, um Planungssicherheit für die neuen Länder und Gemeinden zu schaffen. 4. Der Bundesrat bekräftigt die Forderung, daß der Bund seiner Verpflichtung zur Übernahme der Subventionen aus den Bereichen Wohnungswirtschaft, Energie und Verkehr solange nachkommen muß, bis das in den westlichen Bundesländern existierende Förderinstrumentarium auch in den neuen Bundesländern effektiv umgesetzt werden kann. 5. Der Vorrang der deutschlandpolitischen Aufgaben darf nicht dazu führen, daß in den alten Ländern die Beseitigung finanzwirtschaftlicher Ungleichgewichte und die Behebung von Mängeln der Infrastruktur vernachlässigt werden. 6. Der Bundesrat weist erneut darauf hin, daß gerade wegen der Vereinigung Deutschlands dem weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Ländern, aber auch in den alten Ländern, hohe Priorität zukommt. Er verweist auf seine Stellungnahme vom 19. April 1991 (Drs. 50/91 - Beschluß -). Der Bundesrat begrüßt daher, daß aufgrund der Empfehlung des Vermittlungsausschusses vom 14. Juni 1991 zu Art. 1 Haushaltsbegleitgesetz 1991 (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) Kürzungen im Verkehrsbereich wieder rückgängig gemacht werden und für 1992 und 1993 eine Aufstockung des Plafonds um 1,5 bzw. 3 Mrd. DM erfolgen soll. Der Bundesrat geht davon aus, daß im Rahmen der nächsten Haushaltsplanungen Klarheit geschaffen wird. 7. Wie in seiner Stellungnahme vom 19. April 1991 (Drs. 50/91 - Beschluß -) ausgeführt, hält der Bundesrat daran fest, daß auch unter Ausschöpfung aller Umschichtungsmöglichkeiten dem steigenden Bedarf u. a. in den Bereichen Wohnungs- und Städtebau sowie Hochschulbau und Forschungsförderung ab 1992 durch eine deutliche Mittelaufstockung Rechnung getragen werden muß. 8. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung - auch im Hinblick auf die vorliegenden 5 Länderplanungen der Bundeswehr - erneut auf, das vom Bundesrat schon am 9. 11. 1990 (Drucksache 462/90 - Beschluß -) geforderte Sonderprogramm zur Förderung von Strukturverbesserungen in besonders von Truppenreduzierungen und Rüstungseinschränkungen betroffenen strukturschwachen Standorten so schnell wie möglich zu konkretisieren und umzusetzen. 9. Der Bundesrat erwartet, daß der Bund nunmehr auch bereit ist, dem Anliegen einer vergünstigten Überlassung ehemaliger militärisch genutzter Liegenschaften an Länder und Gemeinden, insbesondere für Zwecke des sozialen und studentischen Wohnungsbaus wie auch für strukturverbessernde Maßnahmen, hinreichend Rechnung zu tragen. 10. Der Bundesrat hält eine weitere Kürzung der Verteidigungsausgaben für erforderlich. Der Bundesrat hält es ferner für erforderlich, daß die Subventionen für die Kernenergie abgebaut werden. Neue umweltfreundliche Energietechnologien sollen gestärkt werden. 11. Angesichts der sich abzeichnenden Veränderungen der öffentlichen Haushalte zu Lasten von Ländern und Gemeinden - insbesondere durch Steuererhöhungen, die ausschließlich dem Bund zugute kommen -, erwartet der Bundesrat, daß auch die Länder spätestens ab 1. Januar 1992 einen größeren Anteil am Steueraufkommen erhalten. 12. Der Bundesrat hält daran fest, daß für die Mittel des Programms „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost" Verwahrkonten mit dem Ziel eingerichtet werden, daß die Mittel auch für das Jahr 1992 uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Der Bundesrat verweist auf seine Stellungnahme vom 19. April 1991 (Drs. 50/91 - Beschluß -). Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 5. Juli 1991 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz über die Förderung einer einjährigen Flächenstillegung im Wirtschaftsjahr 1991/92 (Flächenstillegungsgesetz 1991) Sechstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" Gesetz zur Änderung der Verordnung über die weitere Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Familien mit Kindern (Gesetz zur Einführung von Mütterunterstützung für Nichterwerbstätige in den neuen Bundesländern) Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (14. BAföGÄndG) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen Gesetz zur Ausführung des Übereinkommens vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen (Überstellungsausführungsgesetz - ÜAG) Gesetz zu der Dritten Änderung des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz - RUG) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: 1. Der Bundesrat sieht im Rentenüberleitungsgesetz einen wichtigen Schritt zur Herstellung der sozialen Einheit Deutschlands. Mit diesem Gesetz werden die unterschiedlichen Rentensysteme in den neuen und alten Bundesländern zusammengeführt. Zum 1. Januar 1992 werden in den neuen Bundesländern mit der Senkung der Altersgrenzen, mit der Erweiterung der Hinterbliebenenversorgung und mit dem neuen Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrecht spürbare sozialpolitische Verbesserungen eingeführt. 2. Mit dem Rentenüberleitungsgesetz werden bis einschließlich des Jahres 1996 solche Elemente des bisherigen Rentenrechts der neuen Bundesländer im Bestand geschützt, die vor allem Frauen zugute kommen. Das betrifft vor allem den Sozialzuschlag und die erweiterte Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung und der Pflege. 3. Die Zeit bis zum Auslaufen dieser Bestandsschutzregelungen muß nun dazu genutzt werden, die Alterssicherung der Frauen in der leistungsbezogenen Rentenversicherung zu verbessern. 4. Eine solche Reform der Alterssicherung der Frauen soll vor allem a) die Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung und der Pflege verbessern und dabei die Tatsache berücksichtigen, daß Familienarbeit oft auch gleichzeitig mit Erwerbsarbeit geleistet wird, b) eigenständige Anwartschaften der Frauen ausbauen, und c) einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Problems der Altersarmut leisten. Das Gesamtkonzept soll bis zum Jahresbeginn 1997 verwirklicht werden; die unter a) genannten Verbesserungen sollen noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich geregelt werden. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 25. Juni 1991 ihren Antrag „Einsetzung von Ausschüssen" - Drucksache 12/53 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. September 1991 3301* Innenausschuß Drucksache 11/6897 Drucksache 12/347 Finanzausschuß Drucksache 12/368 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/7628 Drucksache 12/48 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 8/2925 Drucksache 11/4315 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen, bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 12/458 Nr. 2.1 Finanzausschuß Drucksache 12/152 Nr. 2 Drucksache 12/458 Nr. 2.4 Haushaltsausschuß Drucksache 12/458 Nr. 2.5, 2.6 Drucksache 12/706 Nr. 3.2 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 12/399 Nr. 3.1-3.4, 3.7-3.16 Drucksache 12/458 Nr. 2.7 —2.10 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 12/210 Nr. 202 Drucksache 12/269 Nr. 2.35, 2.36 Drucksache 12/399 Nr. 3.19 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 12/311 Nr. 2.22 Drucksache 12/458 Nr. 2.17, 2.18 Drucksache 12/1003 Nr. 22 Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat mit Schreiben vom 19. Juli 1991 gemäß § 32 Abs. 6 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Jahresabschluß der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1989 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Der Jahresabschluß ist vom Bundesminister für Verkehr im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen genehmigt worden. Die Unterlagen liegen im Parlamentsarchiv zur Einsichtnahme aus.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans Koschnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heute zur Beratung anstehenden Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenzen sowie über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit geben mir die Möglichkeit, für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei im Deutschen Bundestag einige grundsätzliche Anmerkungen zu machen und Ihnen zugleich die Zustimmung zu unserem eingebrachten Entschließungsantrag zu empfehlen.
    Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, erinnern wir uns in dieser Stunde an die Ansätze einer neuen Politik gegenüber den im Warschauer Pakt vereinten Staaten Mittel-, Südost- und Osteuropas. Es war der Außenminister in der großen Koalition, Willy Brandt, der bereits damals im Einvernehmen mit dem Bundeskabinett die Kurskorrektur des westlichen Bündnisses auf der NATO-Tagung in Reykjavik anregte, eine Kurskorrektur, die im Harmel-Bericht ihre strukturelle Begründung fand.
    Es war ein geradliniger Weg, der — wenngleich jetzt von der sozialliberalen Koalition vorangetrieben — über die Verträge von Moskau und Warschau, Budapest und Prag sowie über den nicht minder bedeutsamen Grundlagenvertrag mit der DDR zu einer Auflösung der Eiszeit zwischen Ost und West führte

    (Beifall bei der SPD)

    und zukunftsgerecht auf der KSZE-Konferenz in Helsinki mit der Schlußakte vom 1. August 1975 zum Grundstein des nun allmählich folgenden Abbaus des Kalten Krieges wurde.
    Diese Schlußakte, Politikverpflichtung nicht nur für die in unterschiedlichen Bündnissen vereinten Kontrahenten im Ost-West-Konflikt, sondern besonders bedeutungsvoll wegen der Einbeziehung der blockungebundenen Staaten Europas, eben diese Schlußakte wurde die Basis für ein neues, wenn auch nicht immer störungsfreies Miteinander in Europa.
    Dieses Miteinander trug Früchte. Es war von gleicher Bedeutung wie die Einsicht über die unselige Ressourcenverschwendung als Folge des Wettrüstens. Die anwachsende Bereitschaft bei den militärischen



    Hans Koschnick
    Supermächten USA und UdSSR, sich auch in Fragen globaler Politik zu verständigen, nachdem Michail Gorbatschow den Kurswechsel in der sowjetischen AuBen- und Sicherheitspolitik eingeläutet hatte und durch konkretes Tun für dieses Vorhaben belegte, schuf eine neue Atmosphäre des Vertrauens.
    Begleitet war dieser Prozeß, wie wir alle wissen, von einem Prozeß freiheitlicher Entwicklungen in den Mitgliedstaaten des Warschauer Paktes. Am sichtbarsten — neben der intellektuell so beachtlichen Opposition um die Charta 77 in der CSSR — stand für diesen Aufbruch in eine neue freiheitliche Ara die polnische Volksbewegung Solidarnośc. Trotz Diskriminierung und staatlicher Unterdrückung, trotz Kriegsrecht und anderer Maßnahmen polnischer Staatsmacht wurde sie das Symbol für die freiheitlichen Grundbedürfnisse einer civic society, die sich dann, von Polen ausgehend, genau 200 Jahre nach der Großen Französischen Revolution in Mittel- und Südosteuropa Bahn brach.
    Auch die Oppositionskräfte in der DDR hatten von dieser Entwicklung profitiert, hatten Mut gewonnen, offen zum Kampf für eine demokratische Perspektive in Freiheit und sozialer Verantwortung anzutreten.

    (Beifall bei der SPD)

    Auch sie gewannen die Massen und schufen dadurch die Voraussetzung zum Zusammenbruch eines politisch perfiden und ökonomisch zerrütteten Systems. Am Ende dieses Prozesses stand die Erlangung der deutschen Einheit.
    Daß dies möglich wurde, verdanken wir in hohem Grade dem freiheitlichen Behauptungswillen von Solidarnośc, der Bereitschaft von Michail Gorbatschow, nicht wie in den Jahren 1953, 1956 oder 1967 die militärischen Machtmittel des damals noch funktionierenden Sowjetimperiums einzusetzen, sondern den freiheitlich-demokratischen Kräften in den bis dahin kommunistisch beherrschten Ländern Raum zu geben.
    Doch eines, meine Damen und Herren, darf dabei nicht übersehen werden: Es waren die Chancen des Korbes III der Schlußakte von Helsinki, die die Bürgerrechtsbewegungen im östlichen Machtbereich ermutigten, den Freiheitskampf erneut aufzunehmen.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE sowie des Abg. Ulrich Irmer [FDP])

    Und gegen eben diese Ergebnisse der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit, gegen die Beteiligung der Bundesrepublik an der Konferenz in Helsinki hatte die CDU/CSU in den 70er Jahren gekämpft, polemisiert und die damalige SPD/FDPKoalition mit dem Verdacht der Preisgabe heiligster Güter überzogen.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ulrich Irmer [FDP] — Zuruf von der SPD: Leider! Leider!)

    Es wäre ungemein reizvoll, hier noch einmal alles aufzuzeigen, was denn die CDU/CSU-Fraktion an Vorbehalten, Bedenken und Ablehnungen damals der Offenlichkeit präsentierte. Im Stile der Ausführungen des Kollegen Dr. Dregger zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers am Mittwoch dieser Woche könnte man dann aufzeigen, in welche zeitgeschichtlichen Irrtümer sich andere verstrickt hatten.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist wahr!)

    Doch lassen es wir mit diesem Hinweis genug sein. Die breite Zustimmung zu den heute anstehenden Verträgen ist mir wichtiger als ein zeitgeschichtliches Kolleg über Irrtümer in der Politik.

    (Zuruf des Abg. Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU])

    Sodann gibt es einen weiteren Grund, lieber Kollege Hornhues, für meine Enthaltung in bezug auf Aufrechnung. Hat doch der Herr Bundeskanzler den zeitgeschichtlichen Fehler der CDU/CSU, namentlich auch der CDU/CSU-Ministerpräsidenten im Bundesrat bei der Abstimmung 1972 zum Warschauer Vertrag, eingesehen, er, der damals vergessen hatte, auf Hambach und andere hinzuweisen, und sich jetzt in seiner Regierungszeit bemüht, die sozialliberale Verständigungspolitik gegenüber Polen fortzusetzen. Dabei haben wir ja auch erleben dürfen, wieviel Widerstand er im eigenen Lager zu überwinden hatte, und zwar nicht nur von CSU-Kontrahenten.
    Ich verhehle deshalb nicht meinen Respekt, Herr Bundeskanzler, vor dieser innenpolitischen Leistung, denn ich weiß genau, wie häufig Nominationen, Wahltermine und ähnliches einer freien Willensentscheidung entgegenstehen. Auch gebe ich dem CDUBundesvorsitzenden recht, wenn er sagt, daß auch außerhalb der parlamentarischen Gremien schwierige Überzeugungsarbeit notwendig war, um am Ende zu einer solchen relativen Geschlossenheit bei dem Grenzvertrag zu kommen, wie wir sie bei den Entschließungen des Bundestages erleben konnten.

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: So sind wir, Herr Bundeskanzler!)

    Auch ist es sicher richtig, daß beide Verträge mit einem besonderen Blick auf die Heimatvertriebenen gesehen werden müssen, Menschen die neben materiellen Verlusten, wie sie auch die Bombengeschädigten in unseren Städten erlitten, zusätzlich mit dem Verlust angestammter Heimat fertig werden mußten. Sie haben — und ich folge Ihnen hier, Herr Bundeskanzler — zu Recht auf dieses besondere und eben nicht für alle unsere Bürger gleiche Schickal hingewiesen. Dies haben wir Sozialdemokraten immer gesehen und gewürdigt. Doch daß — aus welchen Gründen auch immer — eben diesen sowieso schon schwer getroffenen Mitbürgern politisch nie zu realisierende Hoffnungen auf eine Rückkehr in eine dann wieder deutsch gewordene Heimat gemacht wurden, ist eine Irreführung, deren Folgen wir noch heute in der Verbitterung mancher Heimatvertriebener spüren.
    Ich werfe das, meine Damen und Herren, ausdrücklich nicht nur der CDU/CSU-Fraktion oder der Partei vor; alle demokratischen Kräfte haben in der Zeit des Kalten Krieges hier gesündigt. Nur einige haben früher begriffen als andere, daß der Mut zur bitteren Wahrheit heilsamer ist als die Kultivierung unerfüllbarer Hoffnungen. Heimatverlust, Vertreibung, Um- und Aussiedlung hängen für uns unlösbar mit der Hitlerschen Gewaltpolitik zusammen. Er, sein System,



    Hans Koschnick
    hat das verspielt, für das jetzt eine endgültige Klärung gefunden wurde. Das ist eine schmerzliche Einsicht zudem, wenn man an die Menschen denkt, die im Sudetenland, an der Wolga oder in Siebenbürgen mit Vertreibung oder Verelendung als von Hitler erzwungene Geiseln seiner menschenverachtenden Politik bestraft wurden.

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Wohl wahr!)

    Deshalb haben wir auch verstanden, daß sich die Verbände und Landsmannschaften, organisierte Heimatvertriebene also, mit besonderer Intensität bei der Vertragsgestaltung einschalteten, daß sie Obhutrechte geltend machten und wegen der häufig familiären oder nachbarschaftlichen Bindungen die Minderheitenregelungen besonders kritisch beurteilen.
    Doch die kritische Wegbegleitung ist das eine, neue unredliche Vorschläge mit erkennbarer Irreführungsabsicht sind das andere. Wer etwa den Oberschlesiern verbindlich erkärte, der Bundestag würde nie dem Grenzvertrag zustimmen, um ihnen dann später die unrealistische Perspektive der Bildung einer autonomen europäischen Region unter dem Schutze der EG als reale Möglichkeit anzudienen, der zerstört notwendiges Vertrauen, der mißbraucht Sorgen und Befürchtungen von Menschen,

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

    die gerade durch die im Vertrag gefundene, den europäischen Standard auf der Basis der Kopenhagener KSZE-Entschließung absichernde Minderheitenlösung zu einem Erkennen ihrer tatsächlichen staatsrechtlichen Situation, aber auch ihre konkreten Ansprüche auf die Entwicklung ihrer kulturellen Identität geführt werden sollten. Ein mir vorliegender Brief im Namen des Zentralrates der Deutschen Gesellschaft in der Republik Polen vom 15. Juni 1991 bezeugt — jedenfalls für mich — , daß der Verfasser nur auf Grund irrealer Informationen zu seinen Vorschlägen kommen konnte. Das ist alles in allem eine für die betroffenen Menschen wenig hilfreiche Handreichung.
    Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, wir Sozialdemokraten werden die Interessen der deutschen Minderheit auch im Kontext zu europäischen Menschenrechts- und Mitgestaltungs- sowie Mitverantwortungsvorstellungen vertreten, wo immer es geboten ist. Wir werden den einzelnen Gruppierungen mit Rat und Tat zur Seite stehen, soweit sie es wollen. Wir werden auch hier den Dialog mit den Vertretern der Flüchtlings- und Vertriebenenorganisationen suchen, die mit uns auf ein europäisches Kooperationsmodell hinarbeiten, um bei bewußter Staatsloyalität — das unterstreiche ich — das kulturelle Erbe weiterhin zu pflegen und Brücken für eine überwölbende europäische Rechtsordnung zu bauen, die Freiheit und Demokratie, verantwortliches Miteinander und kulturelle Eigenentwicklung als gesichertes Verständnis gemeinsamer europäischer Wirklichkeit gewährleistet. Wir sind auf dem Weg.
    Die Minderheitenregelungen des Vertrages sind Meilensteine auf diesem Wege. Sie bedürfen aber der rechtlichen Absicherung im innerstaatlichen Bereich der Republik Polen. Kolleginnen und Kollegen des Sejm, des polnischen Parlaments, haben mir noch vor sechs Wochen zugesichert, sich darum zu bemühen, in die sich dem Ende zuneigende Verfassungsdiskussion noch die rechtliche innerstaatliche Bindung von völkerrechtlichen Absprachen einzubringen, um auch dadurch unmittelbar einklagbare Rechte für Minderheiten zu gewährleisten. Das ist im jetzigen Abschlußentwurf vorgesehen. Im gleichen Sinne hatte sich zwei Wochen früher Außenminister Professor Skubiszewski gegenüber einer kleinen Delegation unter der Leitung meines Kollegen Gansel geäußert. Ich bin deshalb nicht skeptisch, daß die abgesprochene Minderheitenregelung von Bestand sein wird. Schließlich hat auch die Republik Polen ein Interesse daran, durch sinnvolle, übertragbare Minderheitenregelung nun ihrerseits einen gleichartigen Schutz ihrer Minderheiten in Litauen, Weißrußland und in der Ukraine einzufordern.
    Übrigens können Ihnen, meine Damen und Herren, die Kollegen aus Ihren Reihen, die bei der kürzlich beendeten Genfer Konferenz über Minderheiten dabei waren, berichten, wie gerade die polnische Delegation um einen hohen europäischen Standard warb und auf gemeinsame Verwirklichung drängte. Nichts ist so gut, als daß es nicht besser gemacht werden könnte. Doch was hier die beiden Außenminister ausgehandelt haben, läßt sich sehen und zwingt keinen Partner zum an sich Unmöglichen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)

    Hohes Haus! Nach diesem Exkurs auf die Konsequenzen der Schlußakte von Helsinki und auf eine auf europäische Absprachen und Standards basierende Minderheitenregelung wende ich mich noch einmal an die hoffentlich kleine Zahl von Gegnern dieser Vertragswerke und bitte sie, zu bedenken, daß diese Verträge in einem ursächlichen Zusammenhang mit der deutschen Einigung stehen.
    Nur durch die Absprachen bei den Zwei-plus-VierVerhandlungen unter Einschluß der Pariser Verhandlungen der beiden deutschen Außenminister Genscher und Meckel mit ihren amerikanischen, englischen, französischen und sowjetischen Kollegen, zu denen der polnische Außenminister hinzugetreten war, konnte eine Lösung für die Herstellung der deutschen Einheit gefunden werden, die von allen europäischen Nachbarn auch für sie als tragfähig empfunden wurde. Wer keine Klarheit über Grenzanerkennung, über friedliches und freundschaftliches Miteinander schaffen wollte, hätte nie die Zustimmung zur deutschen Einheit erlangt.

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Richtig!)

    Auch die Zusagen von Michail Grobatschow gegenüber Bundeskanzler Kohl über den Abzug der sowjetischen Truppen aus Ostdeutschland wie seine Zustimmung zum Verbleib des dann größeren Deutschlands in der NATO beruhen mit auf der gezeigten Bereitschaft einer breiten Mehrheit in der deutschen Politik zu einer Politik der unmißdeutigen Verständigung und Aussöhnung mit Polen.

    (Beifall bei der SPD)




    Hans Koschnick
    Diese Aussöhnung, meine Damen und Herren, bedarf nach unserer Auffassung aber noch eines Aktes besonderer Würdigung. Ich spreche hier von der von uns zu gewährenden Unterstützung für die Opfer Hitlerscher Gewaltherrschaft, die sich in deutschen Häftlingslagern befanden und zu Zwangsarbeit gezwungen wurden.
    Uns geht es hier nicht um eine Diskussion darüber, warum die DDR nicht — wie wir gegenüber den Menschen aus den westlichen Nachbarstaaten oder Israel — ihren damaligen Partnern in der von der NS-Barbarei so schrecklich getroffenen kommunistischen Staatenwelt mit Wiedergutmachungsleistungen beistand. Die Nachkriegsabsprachen zwischen den Siegermächten hätten dem jedenfalls entsprochen. Uns geht es darum, nicht zu übersehen, daß in Polen viele Tausende von Menschen leben, die Schaden an Leib und Leben durch deutsche Verfolgungsmaßnahmen genommen haben und die zumindest eine moralische Anerkennung ihrer Leiden erwarten.
    Wir wissen, daß sich der Bundeskanzler hier in Verhandlungen mit der polnischen Regierung befindet und auch eine Lösung von staatlicher Seite einvernehmlich von beiden Seiten angestrebt wird. Auf die Dringlichkeit dieser Entscheidung habe ich Bundeskanzler Kohl vor geraumer Zeit aufmerksam gemacht, nachdem ich erfahren hatte, wie sonst in der Auf wärmung alter Ressentiments während der Ratifizierungsdebatte im Sejm, mehr aber noch im bevorstehenden Wahlkampf in Polen die guten Ansätze einer bewußt deutsch-polnischen Zusammenarbeit zerredet werden und mit kontraproduktiver Wirkung auf uns zurückschlagen können.
    Doch eines wollen wir mit unserem Entschließungsantrag erreichen, auch wenn die Koalition ihn deshalb nicht für unterstützungswürdig hält: Wir wollen Teile der deutschen Wirtschaft zumindest moralisch in die Pflicht zu Mitleistungen für den Entschädigungsfonds nehmen, die Teile jedenfalls, die aus der Zwangsarbeit der polnischen Frauen und Männer ihren damals nicht unerheblichen Profit gezogen haben.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Gerade jüngste Meldungen über die Nichtbereitschaft zur materiellen Mitleistung für Vorteile aus Zwangsarbeit haben diesen Teil unseres Antrages dringlich gemacht.
    Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie es nicht zu, daß in Fragen von Moral und Gerechtigkeit nur Reuebekundungen und nicht Hilfsleistungen, um nicht von Bußleistungen zu sprechen, geboten werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Treten Sie mit ein für eine Mitleistung dieser Firmen!
    Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, ich komme zum Schluß. Über die von uns gesehene besondere Bedeutung der grenznahen und regionalen Zusammenarbeit sowie über die bilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Umweltschutzes wird mein Kollege Meckel sprechen. Frau Terborg wird mit Schwerpunkt die von uns begrüßte Einrichtung eines deutsch-polnischen Jugendwerkes — wie ich annehme, mit Sitz im Land Brandenburg — behandeln. Ich will deshalb nur die Frage aufwerfen, wie ernst wir es denn in der Bundesrepublik Deutschland und hier im Deutschen Bundestag mit der Zusage der Unterstützung Polens, Ungarns und der ČSFR bei ihren Bemühungen um Aufnahme in die EG nehmen.
    Zu oft hörte ich bei verschiedensten Gelegenheiten die Argumentation, zuerst müsse es zur Vertiefung der Europäischen Gemeinschaft kommen, dann erst könne man vielleicht über eine Verbreiterung nachdenken. Dies wird nicht nur von westlichen Regierungen so zu verstehen gegeben, sondern auch von Kolleginnen und Kollegen aus diesem Hohen Haus.
    Ich sage Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihnen, meine Damen und Herren aus den Fraktionsführungen: Wenn wir hier nicht sehr bald und sehr eindeutig erklären, daß diese Zusage der Bundesregierung wirklich ernst gemeint ist und von uns unterstützt wird, also kein Lippenbekenntnis ist, dann sehen wir alt aus in den Ländern, die auf ihre Weise einen Beitrag zur deutschen Einigung geleistet haben.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Detlef Kleinert [Hannover] [FDP])

    Lassen Sie es nicht zu, daß hier das Mißtrauen wächst, man wolle die mitteleuropäischen Länder Polen, ČSFR und Ungarn dauerhaft mit Assoziierungsabkommen abspeisen.

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Das will doch keiner!)

    Wir wissen um die Dauer des Weges, aber wir wollen mit Polen und Tschechen, Slowaken und Ungarn in einer Europäischen Gemeinschaft vereint sein. Eine solche Gemeinschaft entspricht einem alten Anliegen der Sozialdemokratie zur Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa. Die Form zu diesem Europa muß noch gefunden werden. Maastricht, Herr Bundeskanzler, ist nicht mehr sehr weit entfernt. Die Regierungen der Mitgliedstaaten der EG müssen Ende des Jahres bekennen, wie sie es mit einem künftig geschlossenen Europa halten.
    Bleiben Sie, Herr Bundeskanzler, bei Ihrer Zusage für Polen; Sie können sich auf die Zustimmung der Gutwilligen verlassen.
    Meine Damen und Herren, damit habe ich zur Sache gesagt, was ich für notwendig halte. Ich muß aber noch etwas zum Verfahren sagen. Das gebe ich ausdrücklich zu Protokoll. Anders, als es der Herr Bundeskanzler sagte, hat nicht die Bundesregierung das Verfahren hier eingeleitet, sondern es waren die beiden Koalitionsfraktionen. Die SPD-Bundestagsfraktion beanstandet, daß die hier vorliegenden Gesetzentwürfe zur Ratifizierung der Verträge nicht, wie üblich und geboten, von der Bundesregierung in den Gesetzgebungsgang eingebracht wurden, sondern von den Koalitionsfraktionen.

    (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Aber Sie kennen doch die Gründe!)




    Hans Koschnick
    Unsere Forderung ist: Kommen Sie zurück zum üblichen parlamentarischen Verfahren.

    (Beifall bei der SPD, dem Bündnis 90/ GRÜNE und der PDS/Linke Liste)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Karl Lamers.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl Lamers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die uns heute zur Beratung vorliegenden Verträge mit Polen bilden eine komplementäre Einheit: Der eine, welcher die Grenze zwischen Deutschland und Polen feststellt, zieht einen Schlußstrich unter den Streit der Vergangenheit, nicht unter die Vergangenheit als solche; der andere über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit weist in die Zukunft. Er wäre ohne den ersteren nicht möglich. Beide Verträge sind Grundlage für die Verwirklichung einer Vision: Frieden in vollem Sinne des Wortes zwischen Deutschen und Polen und eine gemeinsame Zukunft Deutschlands und Polens in Europa.
    Meine Fraktion dankt allen, die diesem Vertrag durch ihre mühselige, ja oft quälende Arbeit zum Teil seit Jahrzehnten den Weg bereitet haben, vorab — der Bundeskanzler hat es auch getan — den beiden großen Kirchen, die die ersten Breschen in die Mauer des Schweigens, des Mißtrauens, ja zum Teil des Hasses geschlagen haben. Danken möchten wir aber auch den ungezählten kleinen Gruppen und Millionen deutscher Bürger, die — wie etwa bei der großen Paketaktion und durch vieles kleine unbekannte Tun — das Bild der Deutschen bei den Polen freundlicher, d. h. menschlich gestaltet haben. Auch ohne diese Kärrnerarbeit wären diese Vertragstexte nicht möglich geworden.
    Für die Mühe und die Klugheit, die erst den Erfolg dieser großen Arbeit ermöglicht haben, dankt meine Fraktion der Bundesregierung. Sie dankt allen ungezählten Beamten aus dem auswärtigen Amt, dem Bundeskanzleramt, die daran mitgewirkt haben, und sie dankt Ihnen, Herr Außenminister, für Ihren unermüdlichen Einsatz, der weit über den Beginn der Arbeit an diesen Verträgen in eine Zeit hinausreicht, als der Weg zur deutsch-polnischen Versöhnung noch sehr viel steiniger und das Ziel noch keineswegs in Sicht war.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ein Wort des Dankes möchte ich auch an diejenigen Kollegen von der SPD richten, die sich in der Vergangenheit mit ganzem Herzen für die Verständigung und Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen eingesetzt haben. Das gilt beispielsweise und nicht zuletzt für den Kollegen Koschnick, der hier gesprochen hat, und das gilt natürlich vorab für den Kollegen Willy Brandt. Diesen Dank hier auszusprechen fällt um so leichter, als ja gerade auch der Kollege Koschnick und vorher der Kollege Brandt — etwa bei seiner Rede aus Anlaß der gemeinsamen Erklärung Kohl/Mazowiecki — ihre Anerkennnung hier nachdrücklich zum Ausdruck gebracht haben.
    Angesichts dieser in der Tat ungewöhnlichen Erfolge dieser Bundesregierung und vorab des Bundeskanzlers in der Ostpolitik tragen Sie, Herr Kollege
    Koschnick — das hat man eben wieder gemerkt; ohnehin ist das Leben für die Opposition kein Zucker-schlecken — , ein schweres Los, war es doch gerade dieser Politikbereich, Herr Kollege Vogel, war es doch gerade die Ostpolitik, wo die Opposition nicht müde wurde, in den schwärzesten Farben zu malen,

    (Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Weil Sie lange zu lernen hatten, bis Sie zu uns kamen!)

    war es doch gerade die deutsche Polenpolitik, die sie in den Fängen unbelehrbarer Vertriebenenfunktionäre wähnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei einer solchen wirklich nicht beneidenswerten Lage, wo sich Kassandra als Jahrmarktsprophetin erweist, ist es in der Tat nicht nur im Interesse der Sache, sondern auch im Interesse des eigenen Ansehens am besten, anzuerkennen, was anerkennenswert ist, wie es Willy Brandt und auch Hans Koschnick nach einigen notwendigen Pflichtübungen getan haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Freimut Duve [SPD]: Was heißt hier „Pflichtübung"? Courtoisie!)

    Jedermann, meine Kolleginnen und Kollegen, wird verstehen, ja es als zwingend erwarten, wenn ich ein besonderes Wort des Dankes an den Bundeskanzler richte. Der Bundeskanzler hat gewissermaßen die dicken Brocken aus dem Weg geräumt. Er hat immer wieder im richtigen Augenblick die entscheidenden Hindernisse, vor allem durch seine Begegnungen mit Premier Mazowiecki und Premier Bielecki, überwunden. Er hat das deutsch-polnische Verhältnis nicht nur, wie man so sagt, zur Chefsache, sondern er hat die Aussöhnung und, darauf fußend, die Freundschaft zwischen Polen und Deutschland zu seiner Herzenssache gemacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Er hat gesehen, Sie haben gesehen, Herr Bundeskanzler, daß dies nur gelingen kann, wenn dabei auch die deutschen Sicherheitsinteressen, die deutschen Anliegen, unter ihnen nicht zuletzt die Anliegen der Vertriebenen, Berücksichtigung finden. Ihre Ausdauer, die Sie wie oft in vergleichbaren Situationen mit unverständiger und manchmal auch unduldsamer Kritik bezahlen mußten, hat sich wieder einmal gelohnt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Denn in der Tat, wer hätte es noch bis vor kurzem für möglich gehalten, was dieser Vertrag an Entfaltungsmöglichkeiten für die Deutschen in Polen, vor allem in Oberschlesien, enthält. Dazu wird der Kollege Koschyk sicher gleich mehr sagen.
    Auch ich möchte an dieser Stelle ein Wort an die Vertriebenen richten. Ich weiß, wie schmerzlich Ihnen bewußt ist, daß der Freundschaftsvertrag erst durch die vorangegangene Feststellung der Grenze zwischen Deutschland und Polen möglich wurde und damit untrennbar mit dem endgültigen Verlust Ihrer Heimat verbunden ist. Auch für mich, der ich alle Wurzeln meiner Herkunft im westlichen Teil unseres Landes, im Rheinland, finde, ist dieser Verlust Ost-



    Karl Lamers
    deutschlands ein tiefer Schmerz. Wieviel mehr ist er es für Sie, die Sie den Schrecken und die Schmach der Vertreibung aus Ihrer Heimat ertragen mußten. Das ist ein Elend und ein Leid, das Unrecht war und das nicht durch das vorausgegangene unvorstellbare Leid, das Deutschland über Polen gebracht hat, gerechtfertigt werden kann.
    Aber wir alle sollten uns erinnern, daß die Übertragung der Oder-Neiße-Gebiete nicht das Werk Polens gewesen ist und daß Polen sie mit dem Verlust seiner Ostgebiete bezahlen mußte, wie anders auch immer deren ethnischer Charakter im Vergleich mit den deutschen Gebieten jenseits von Oder und Neiße gewesen sein mag.

    (Freimut Duve [SPD]: Mischgebiete waren es beide!)

    Aber auch für Sie, die Vertriebenen, ist nur der Weg nach vorn offen. Auch Sie müssen sehen, daß Deutschland, wollte es dieses Mal seine Einheit im Einvernehmen mit Europa erreichen, keine andere Wahl hatte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deutschland, verehrte Kolleginnen und Kollegen, gegen den Rest der Welt, das haben wir zweimal in diesem Jahrhundert mit katastrophalen Folgen für uns und für ganz Europa versucht.

    (Beifall des Abg. Reinhard Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU])

    Aber es ist nicht nur diese Logik der Macht, die unseren Schritt unvermeidlich machte. Es ist auch die Logik der Geschichte und des Verstehens der Folgen des eigenen Tuns in ihr. Es ist vor allem die Frucht der Einsicht, daß Frieden nur dann einkehren kann, wenn die Drehung der Rachespirale ein für allemal beendet und an ihrer Stelle ein gemeinsamer Weg in eine gemeinsame Zukunft geebnet wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Genau dies versucht der Nachbarschafts- und Freundschaftsvertrag. Ich bitte Sie, ich bitte die Vertriebenen, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Eine gemeinsame Zukunft und Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen kann es nur geben, wenn auch Polen, meine Damen und Herren, ein Leben in Würde, d. h. in Selbstachtung führen kann. Würde bedeutet ein Leben in Freiheit und in Demokratie; aber es bedeutet auch ein Leben in einem materiellen Wohlergehen, das sich an dem einzig verständlichen Maßstab für Polen messen kann, nämlich dem seines westlichen Nachbarn. Es bedeutet also ein Leben frei von Not und erniedrigender Dürftigkeit.
    Deutschland kann Polen dabei helfen. Das sollten wir nicht als Last, nein, das sollten wir als Chance begreifen.
    Diese Chance, meine Damen und Herren, ist sicher das Ergebnis einer deutschen Politik, die über vier Jahrzehnte aus der Geschichte gelernt hat. Aber sie erscheint mir doch zugleich auch als uns — gestatten Sie bitte diesen etwas ungewöhnlichen Ausdruck — von einem gütigen Geschick zugedacht. Jedenfalls ist diese Rollenverteilung zwischen Deutschland und Polen gewiß nicht das selbstverständliche Ergebnis der Geschichte, soweit wir sie im vergangenen Jahrhundert zu verantworten hatten.
    Diese Rollenverteilung erlegt uns die Pflicht zu mehr Großmütigkeit, zu mehr Großzügigkeit, ja, wenn es nicht vielleicht zu anmaßend klänge, würde ich sagen: zu mehr Weisheit auf. Wir müssen verstehen, daß manches, was uns an einzelnen polnischen Vorgängen zuweilen verstört, Ausdruck verletzten Selbstwertgefühls ist. Wir müssen erkennen, daß nationales Selbstbewußtsein und Selbstsein, das sich ganz plötzlich nicht länger wie über lange Zeit, ja wie über Jahrhunderte gegenüber zwei übermächtigen Nachbarn und sodann bis vor kurzem in der Gegnerschaft, in der feindseligen Abgrenzung, gegenüber einer imperialistischen Hegemonialmacht und dem von ihr aufgezwungenen System artikulieren kann, sondern das sich nun in sich selbst finden und im Miteinander der Nationen ausdrücken muß, notwendigerweise Zeit zur Neuorientierung braucht.
    Wir müssen sehen, daß das Verhältnis zu Deutschland notwendigerweise ambivalent ist. Zwar haben Deutsche und Polen ja keineswegs immer nur ein negatives Verhältnis gehabt oder die Deutschen in Polen immer nur eine verhängnisvolle Rolle gespielt, im Gegenteil: Die Beispiele gegenseitiger Befruchtung sind beeindruckend. Aber die Deutschen haben nicht nur gemeinsam mit den Russen Polen dreimal in einem Jahrhundert geteilt. Der Überfall Hitler-Deutschlands und die Greuel gegenüber der Zivilbevölkerung und die Pläne über die Zukunft dieses Landes sind natürlich noch im Gedächtnis dieses stark und — wenn ich das anmerken darf — mir manchmal zu stark in historischen Kategorien denkenden und empfindenden Volkes.
    Nun, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist Deutschland, obgleich der Geschlagene dieses Krieges, der moralische Outcast von 1945, heute die stärkste Macht in Europa. Deutschland ist dasjenige Land, auf das die Polen ihre Hoffnungen setzen, ja setzen müssen.
    Ich meine, jedermann bei uns, wirklich jeder Bürger, aber vorab wir, die politisch Verantwortlichen, müßten verstehen, daß dies für die Polen eine schwierige Lage ist. Deswegen sollten wir auch nicht jedes uns befremdlich erscheinende Wort aus Polen übelnehmerisch vermerken; wir sollten uns vielmehr an die alte Erfahrung erinnern, daß Geben leichter ist als Nehmen.
    Es gilt noch ein Weiteres zu sehen: Die Erfahrung mit unseren Transferleistungen in die frühere DDR zeigt, daß sich die Hilfe beim wirtschaftlichen Wiederaufbau auch materiell bezahlt macht, sicher im Falle Polens nach einer etwas längeren Zeit, als dies im Falle der früheren DDR geschieht.
    Aber wichtiger ist doch noch, daß es, wenn es gelingt, das schwierige Verhältnis zwischen Deutschen und Polen fruchtbar zu gestalten, nicht nur materiell und ideell für die Polen von Nutzen ist, sondern daß es für die Achtung der Deutschen vor sich selbst und für ihr Ansehen in der Welt ein gar nicht hoch genug zu



    Karl Lamers
    veranschlagender Gewinn wäre. Das ist die große Chance, die sich uns jetzt bietet und die wir ergreifen müssen, wollen wir uns nicht eines Tages eingestehen müssen, daß wir versagt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Aber natürlich muß sich dieser grundlegende Aspekt in den konkreten Herausforderungen, die sich uns stellen, bewähren, und diese konkreten Herausforderungen sind immer weniger national, sondern immer mehr nur noch grenzüberschreitend, nur noch gemeinsam zu bewältigen. Ich denke dabei beispielsweise an die Probleme der Umweltbelastungen ebenso wie an unsere gemeinsame Verpflichtung, den Menschen in der Dritten Welt zu helfen. Aber auch die gemeinsame Sicherheit in Europa und Europas Beitrag zur Friedenssicherheit und Freiheit in der Welt gehören dazu.
    Gerade mit Blick auf die alten, nun wieder aufbrechenden Konflikte im östlichen Teil unseres Kontinents können Deutsche und Polen jetzt ein Beispiel dafür geben, wie zwei Völker ihr schwieriges und gespanntes Verhältnis überwinden und mit einem Neubeginn ihre gemeinsame Zukunft in einem Europa ohne Grenzen gestalten. Dabei können die Deutschen in Polen und die Vertriebenen ebenso einen besonderen Beitrag leisten wie junge Menschen aus Deutschland und Polen, ohne deren Engagement die Einigung Europas nicht vollendet werden kann. Das zeigt noch einmal deutlich die zukunftsweisende Bedeutung des Abkommens über das deutsch-polnische Jugendwerk und der Vereinbarung über die Rechte der Minderheiten in Polen, wie sie im Nachbarschaftsvertrag festgelegt sind.
    Da es sich also im Kern bei dem deutsch-polnischen Verhältnis nicht zuletzt um das versehrte polnische Selbstwertgefühl, um die Selbstfindung Polens handelt, stehen wir vor einer wahrhaft schwierigen, ja heiklen Aufgabe. Es wäre sehr gut, wenn sich Polen nicht allein auf Deutschland angewiesen sähe. Daher fand ich das Treffen zwischen dem deutschen, dem französischen und dem polnischen Außenminister vor wenigen Tagen in Weimar, Herr Bundesaußenminister, eine ausgezeichnete Idee.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Ich bitte auch an dieser Stelle Frankreich ganz herzlich, sich seiner besonderen historischen Verantwortung gegenüber Polen bewußt zu sein. Das gilt nicht zuletzt für die auch von Ihnen, Herr Kollege Koschnick, angesprochene zentrale Erwartung, die Polen uns gegenüber und natürlich gegenüber allen unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft hat, daß wir ihm nämlich helfen, so schnell wie möglich Mitglied in der Europäischen Gemeinschaft zu werden.

    (Beifall im ganzen Hause)

    Herr Kollege Koschnick, ich sehe hier auch nicht einen Widerspruch zwischen Vertiefung und Erweiterung. Vertiefung der Gemeinschaft ist in der Tat die Voraussetzung, um das prioritäre Ziel, die Erweiterung um die neuen Demokratien im Osten unseres Kontinents, zu erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Politik Polens ist übrigens ein schlagender Beweis für meine Überzeugung, die ich schon öfters formuliert habe: Die deutsche Zukunft liegt nicht im Osten; die Zukunft des Ostens liegt im Westen.
    Bei einem Treffen von deutschen und polnischen Politikern im März 1989 sagte ein deutscher Teilnehmer, er wünsche sich, die Deutschen würden so national, wie die Polen es bereits seien. Ein polnischer Teilnehmer entgegnete ihm darauf, das wünsche er sich nicht. Er wünsche sich vielmehr, daß die Polen so europäisch würden, wie die Deutschen es bereits seien. Ich gestehe, verehrte Kolleginnen und Kollegen, daß ich dieses mich tief berührende Kompliment als das schönste Kompliment — und auch als eine Anerkennung — empfinde, das ich je von einem Nicht-Deutschen gehört habe. Beweisen wir durch unsere Politik gegenüber Polen die Berechtigung dieses Kompliments, und tragen wir dadurch dazu bei, daß der mit ihm verbundene Wunsch, ein europäisches Polen, Wirklichkeit werde.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)