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    Berichtigungen zu Plenarprotokollen Deutscher Bundestag Berichtigungen zu Stenographischen Berichten Nachtrag zur 34. Sitzung, erste Seite, linke Spalte: Statt „Klaus Brähning" ist „Klaus Brähmig" zu lesen. Auf Seite 2861 C, zweiter Absatz, letztes Wort: Statt „wurden" ist „würden" zu lesen. (In Nachdruckexemplaren bereits korrigiert.) 35. Sitzung: Auf der ersten Seite, rechte Spalte sowie auf Seite 2960 B ist statt „Gottfried Haschke (Großhennersdorf) " „Udo Haschke (Jena)" zu lesen. Plenarprotokoll 12/35 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 35. Sitzung Bonn, Freitag, den 21. Juni 1991 Inhalt: Erinnerung an die 50. Wiederkehr des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion . . . 2927 A Verabschiedung des Platzmeisters beim Deutschen Bundestag Karl-Heinz Schmitt 2928 C Begrüßung einer Delegation des Ausschusses für Sozialordnung des polnischen Sejm 2929 A Bestimmung des Abg. Dr. Willfried Penner in den Rundfunkrat des Deutschlandfunks als Nachfolger des ausgeschiedenen Abg. Dr. Wilhelm Nöbel 2929 A Erweiterung der Tagesordnung 2929 B Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, den Richtlinien für Aktuelle Stunden und der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 2. September 1991 2929 A Tagesordnungspunkt 16: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz — RÜG) (Drucksachen 12/405, 12/630, 12/786, 12/826, 12/812) b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über vorgezogene Regelungen zur Herstellung der Rechtseinheit in der Renten- und Unfallversicherung (Renten-Vorschaltgesetz) (Drucksachen 12/724, 12/786, 12/826, 12/813) Heinz Rother CDU/CSU 2930 A Ulrike Mascher SPD 2933 B Dr. Gisela Babel FDP 2936 A Petra Bläss PDS/Linke Liste 2940 D Christina Schenk Bündnis 90/GRÜNE . 2943 A Heinz-Adolf Hörsken CDU/CSU 2945 A Rudolf Dreßler SPD 2947 C Volker Kauder CDU/CSU 2950 D Renate Jäger SPD 2953 C Joachim Graf von Schönburg-Glauchau CDU/CSU 2956 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 2956 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 2957 C Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 2959 C Gottfried Haschke (Großhennersdorf) CDU/ CSU (Erklärung nach § 31 GO) 2960 B Ottmar Schreiner SPD (Erklärung nach § 31 GO) 2960 D Zusatztagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU: Entsendung eines Ersatzbewerbers als Beobachter in das Europäische Parlament (Drucksache 12/828) . 2962 D Zusatztagesordnungspunkt 14: Beratung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses: Übersicht 2 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 12/807) . . 2962 D II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1991 Zusatztagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 22 zu Petitionen (Drucksache 12/808) . . 2962 D Zusatztagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Egon Susset, Meinolf Michels, Richard Bayha, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Günther Bredehorn, Johann Paintner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Förderung einer einjährigen Flächenstillegung im Wirtschaftsjahr 1991/1992 (Flächenstilllegungsgesetz 1991) (Drucksachen 12/721 [neu], 12/821, 12/822) 2963 A Zusatztagesordnungspunkt 11: Aktuelle Stunde betr. Hunger und Bürgerkrieg im Sudan Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 2963 C Verena Wohlleben SPD 2964 C Arno Schmidt (Dresden) FDP 2965 A Dr. R. Werner Schuster SPD 2966 A Hans-Peter Repnik, Parl. Staatssekretär BMZ 2966 D Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . 2968 B Christoph Matschie SPD 2969 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . 2970B Ulrich Irmer FDP 2971 A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . 2971D Joachim Graf von Schönburg-Glauchau CDU/CSU 2972 D Dr. Volkmar Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 2973 C Nächste Sitzung 2974 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2975* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagesordnungspunkt 12 — Flächenstillegungsgesetz 1991 — Siegfried Hornung CDU/CSU 2975* C Jan Oostergetelo SPD 2976* D Ulrich Heinrich FDP 2978* B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste 2979* B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1991 2927 35. Sitzung Bonn, den 21. Juni 1991 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Becker-Inglau, Ingrid SPD 21. 06. 91 Blunck, Lieselott SPD 21. 06. 91 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 21. 06. 91 Formanski, Norbert SPD 21. 06. 91 Ganschow, Jörg FDP 21. 06. 91 Gattermann, Hans H. FDP 21. 06. 91 Dr. Gautier, Fritz SPD 21. 06. 91 Genscher, Hans Dietrich FDP 21. 06. 91 Dr. Glotz, Peter SPD 21. 06. 91 Dr. Gysi, Gregor PDS 21. 06. 91 Hasenfratz, Klaus SPD 21. 06. 91 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 21. 06. 91 Köhler (Hainspitz), CDU/CSU 21. 06. 91 Hans-Ulrich Dr. Köhler (Wolfsburg), CDU/CSU 21. 06. 91 Volkmar Kolbe, Regina SPD 21. 06. 91 Kriedner, Arnulf CDU/CSU 21. 06. 91 Dr. Mertens (Bottrop), SPD 21. 06. 91 Franz-Josef Dr. Meseke, Hedda CDU/CSU 21. 06. 91 Mischnick, Wolfgang FDP 21. 06. 91 Dr. Modrow, Hans PDS 21. 06. 91 Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 21. 06. 91 Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 21. 06. 91 Pfuhl, Albert SPD 21. 06. 91 Rawe, Wilhelm CDU/CSU 21. 06. 91 Reichenbach, Klaus CDU/CSU 21. 06. 91 Dr. Riege, Gerhard PDS 21. 06. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 21. 06. 91* Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 21. 06. 91 Sielaff, Horst SPD 21. 06. 91 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 21. 06. 91 Dr. Frhr. von Stetten, CDU/CSU 21. 06. 91 Wolfgang Terborg, Margitta SPD 21. 06. 91 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 21. 06. 91 Vosen, Josef SPD 21. 06. 91 Welt, Hans-Joachim SPD 21. 06. 91 Zierer, Benno CDU/CSU 21. 06. 91* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Zusatztagungsordnungspunkt 12 - Flächenstillegungsgesetz 1991 - Siegfried Hornung (CDU/CSU): Die Beratung zum Agrarbericht hat uns wieder deutlich vor Augen geführt, daß bei ungebremster Agrarproduktion die Betriebseinkommen der Bauern nicht steigen, sondern zunehmend rückläufig sind. Hauptursache sind übervolle Märkte, zurückgehender Verbrauch von Nahrungsmitteln, damit einhergehend sinkende Preise. Die „Stabilisierungskonzepte" der EG haben bislang zuwenig Augenmerk auf die Mengenrückführung gelenkt, vielmehr schlug die Preissenkungsautomatik voll durch. Mit mehr als 25 Millionen Tonnen Getreide derzeit in den Lagern Europas stehen wir auch bei den GATT-Verhandlungen mit dem Rücken an der Wand. Ein auch für unsere Bauern erfolgreicher Abschluß dieser Runde ist nur möglich, wenn die EG ernsthafte Anstrengungen zur Mengenanpassung an den EG-Markt unternimmt. Nur dann ist auch die leidige Frage der Getreidesubstitute positiv zu lösen. Solange ein Teil unserer Agrarproduktion nicht in den „Nonfoodbereich" als nachwachsender Rohstoff einfließt, wobei wir diesem Thema der nachwachsenden Rohstoffe ohnehin in der Agrar- und Umweltpolitik einen besonderen Schwerpunkt widmen werden, muß jede andere Chance der Mengenregulierung genutzt werden. Dabei führt nun einmal „Nichtproduktion" am schnellsten in diese Richtung. Obligatorische Regelungen wären hierbei EG-weit der sicherste Weg, er ist aber nicht durchsetzbar. Deshalb ist es der erste richtige Schritt neben der bisherigen fünfjährigen Flächenstillegung, nunmehr mit dem Sonderprogramm einer einjährigen Flächenstillegung eine Akzeptanz auf freiwilliger Ebene EG-weit zu erreichen. Bundesminister Kiechle hat nach langen und zähen Verhandlungen einen wichtigen Durchbruch gegenüber dem bisherigen Konzept beim Agrarrat erreicht. Wer weiter ungehemmt in einen nicht mehr vorhandenen Markt produziert, muß die erhöhte MVA von 5 % entrichten - künftig vielleicht sogar noch mehr -, andererseits erhält er bei der Teilnahme am Programm die 5%ige MVA voll erstattet. Dies wird nun auch für die Hauptgetreideproduzenten der EG wie Großbritannien und Frankreich interessant. Bisher hatten diese EG-Partner mit 0,6 % sich nur bescheiden an der Reduzierung der Getreideproduktion beteiligt, während in der Bundesrepublik mit über 300 000 ha in den alten Ländern und mit ca. 600 000 ha in den neuen Bundesländern eine überproportionale Teilnahme an der Flächenstillegung zu verzeichnen war. Das hat natürlich im Blick auf „Marktanteile" auch zu Spannungen und entsprechenden Diskussionen bei unseren Marktpartnern geführt. 2976* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1991 Nach dem Brüsseler Beschluß haben wir nun rasch gehandelt und die EG-Verordnungen in nationales Recht umgesetzt. Da dies im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe nicht möglich war, haben wir uns zur 100%igen Finanzierung des nationalen Anteils durch den Bund bereit erklärt. Bei der Annahme, daß etwa 350 000 ha über dieses Programm aus der Produktion genommen werden, entstehen Kosten in Höhe von rund 84 Millionen DM. Als Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten freut es mich ganz besonders, daß wir den Koalitionsentwurf so zügig von einer Woche auf die andere beraten konnten — hier sage ich allen Ausschußmitgliedern Dank — , so daß er heute schon zur Abstimmung vorliegt und morgen die Landwirte bereits ein Angebot auf dem Tisch haben. Sie haben jetzt mit der Verabschiedung des Gesetzes vor der Sommerpause, dann die Gelegenheit, sich für die Teilnahme zu entscheiden und in die Betriebskalkulation sowie den Anbauplan aufzunehmen. Die Bedingungen sind gerade für die getreidestarken Betriebe attraktiv: Gestaffelt nach Ertragsmeßzahl beträgt die Prämie zwischen 240 DM und 1059 DM/ha, das heißt ab einer EMZ von 10 gibt es je weiteren Punkt einen Zuschlag von 13 DM/ha bis zur vorgenannten Obergrenze. Im Schnitt rechnen wir mit 720 DM/ha. Die im Vergleich zum fünfjährigen Programm etwas geringere Prämie wird durch die im Gegensatz zur Fünfjahresregelung volle Erstattung der MVA in Höhe von 5 % teilweise mehr als kompensiert. Beträgt z. B. der Getreideanteil des Betriebes 80 % der Marktordnungsfläche, so können bei vollem Vermarktungsanteil im oberen Bereich der Bodenbonitäten bis 1 550 DM/ha erreicht werden. Die Mindeststillegung beträgt 15 % der Marktfruchtfläche, ab 50 ha stillgelegter Fläche — das entspricht einer Betriebsgröße von ca. 330 ha — wird die Prämie um 25 gekürzt. Ab 100 ha stillgelegter Fläche (entsprechend etwa 650 ha Betriebsgröße), erfolgt eine Kürzung um 50 %. Bei diesen Größenordnungen können Fixkosten und Lohnkosten eingespart werden, weshalb die degressive Ausgestaltung gerechtfertigt ist. Bei den sicher mit mehr Fläche ausgestatteten Betriebsstrukturen in den neuen Bundesländern sehe ich auch da keine Nachteile in der Anwendung des Programms. Kritikern der Flächenstillegung möchte ich entgegnen, daß es keine andere Möglichkeit gibt, jetzt schnell von den Überschüssen herunterzukommen. Außerdem darf ich erinnern, noch nach dem Krieg wurden von ca. 1/3 der landwirtschaftlichen Nutzfläche unsere Zugtiere ernährt. Und im Rahmen der Dreifelder-Wirtschaft war die Brache eine Selbstverständlichkeit, da die heutigen Produktionsmittel nicht vorhanden waren. Damals aber war im Gegensatz zu heute Not und Hunger an der Tagesordnung. Nicht zuletzt sind auch aus diesem Grunde die römischen Verträge 1957 zu einer gemeinsamen EG-Agrarpolitik geschlossen worden. Das allerdings scheinen viele in unserer heutigen Gesellschaft vergessen zu haben. Selbstverständlich würde eine flächendeckende Extensivierung der zunehmenden Bedeutung um die Erhaltung unserer Kulturlandschaft als Lebensraum — neben der Ernährungssicherung — näher kommen. Deshalb unterstütze und werbe ich auch für das baden-württembergische Modell eines Marktentlastungs- und Kulturausgleichs-Programms, das möglicherweise noch mehr als das vor einigen Jahren aufgelegte Grünbrachenmodell Niedersachsens richtungweisend in die Agrarpolitik Eingang findet. Aber auch das einjährige Flächenstillegungsprogramm, daß faktisch einer Rotationsbrache gleichkommt, dient den Umweltaspekten, da nach den Bestimmungen weder Dünge- noch Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden dürfen. Ein Vorteil gegenüber dem fünfjährigen Programm ist auch, daß die Strukturveränderungen nicht behindert sind und dennoch auf dem Pachtmarkt keine größeren negativen Auswirkungen zu befürchten sind. Es wird sich nun zeigen, ob das ein Anfang für ein langfristig angelegtes System einer Produktionsregelung sein wird, wie es in den USA schon seit längerer Zeit praktiziert wird, oder ob es im Rahmen der EG-Agrarreform mehr zu einer Extensivierung der Landwirtschaft kommt. Das eine ist in den letzten Jahren jedenfalls immer deutlicher geworden: Ohne Mengenreduzierung werden die Erzeugerpreise immer weiter zurückgehen und die Kosten der Exporterstattung ansteigen. Damit ist aber niemandem, vor allem aber nicht den Bauern gedient. Lassen Sie mich zum Schluß in diesem Zusammenhang auch noch auf die Verflechtung mit den Entwicklungsländern hinweisen. Es ist im höchsten Maße verantwortungslos, daß die Industrieländer mit ihren Überschußmengen und dann entsprechenden Exporterstattungen den Ländern der Dritten Welt die Agrarpreise vorgeben und ihnen jede Möglichkeit nehmen, auf dem Weltmarkt zu bestehen. Ich möchte unserem Bundesminister Ignaz Kiechle für die positiven Verhandlungsergebnisse recht herzlich danken und die Bundesregierung auffordern, den begonnenen Weg der Marktentlastung auch für die Betriebe, die hier nicht angesprochen sind, konsequent weiterzugehen. Dem Gesetz werden wir zustimmen. Jan Oostergetelo (SPD): Der vorliegende Gesetzentwurf über die Förderung einer einjährigen Flächenstillegung im Wirtschaftsjahr 1991/92 ist einmal mehr ein Zeichen der Hilflosigkeit. Die katastrophale Lage auf den Agrarmärkten zwingt zum Handeln. Die Bundesregierung jedoch doktert herum, ohne das Übel an der Wurzel zu packen. Sicher, lieber heute als morgen muß etwas gegen die Überproduktion getan werden. Wir zweifeln allerdings daran, ob die Flächenstillegung allein der richtige Weg ist. Um den Produktionszuwachs auf ± Null zu halten, müßten jährlich rund 2,6 Prozent der Getreidefläche — und das permanent — zusätzlich stillgelegt werden. Die Reform der EG-Agrarpolitik kann nach jahrzehntelangen vergeblichen Bemühungen nicht mehr aufgeschoben werden. Nur eine Bündelung geeigneter Maßnahmen kommt hierfür in Frage. Ein Allheilmittel gibt es nicht. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1991 2977* Wieder einmal müssen wir befürchten, daß vor allem deutsche Landwirte fleißig Flächen stillegen. Dieses Sonderprogramm muß jetzt zwar in allen EG-Ländern angeboten werden; da der zuständige Bundesminister aber keine EG-einheitliche Prämiengewährung in Brüssel durchgesetzt hat, wird die ungleichgewichtige Teilnahme an diesem Programm bestehen bleiben. Die Überschüsse bei Getreide werden weiter steigen, die Getreidepreise bleiben niedrig oder geben weiter nach. Die vom BML vorgesehene Prämiengestaltung zuzüglich der Rückerstattung der Mitverantwortungsabgabe verspricht relativ hohe Beträge pro Hektar, so daß bestimmt viele deutsche Getreideerzeuger mitmachen werden. Und wieder gehen wertvolle Marktanteile zugunsten anderer EG-Partner verloren! Eine Erzeugerpreissteigerung durch Mengenrückführung, wie sie die Regierung erhofft und — verständlicherweise — die Landwirte erwarten, kann jedoch nur erreicht werden, wenn sich alle EG-Partner konsequent und gleichgewichtig an Programmen zur Mengenrückführung beteiligen. Die Produktion muß an den innergemeinschaftlichen Verbrauch angepaßt werden. Nur dann kann der EG-Markt wieder ins Gleichgewicht kommen, nur dann können entsprechende Preise erzielt werden! Unerläßliche Rahmenbedingung für das Funktionieren des vom Bundeslandwirtschaftsminister favorisierten Modells wäre ein hoher Außenschutz für den EG-Markt, der in den GATT-Verhandlungen erst einmal durchgesetzt werden müßte. Einheitliche Prämien hat er bisher nicht durchgesetzt. Ob er für die GATT-Verhandlungen mehr Durchsetzungsvermögen haben wird, darf man wohl anzweifeln. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Solange vorwiegend die deutschen Landwirte Mengenrückführung betreiben, geschieht das voll zu ihren Lasten. Frankreich denkt nicht daran, seine Getreideproduktion zu drosseln. Die Politik des Bundeslandwirtschaftsministers ist Stückwerk. Zunächst hat er die Quotenregelung bei Milch propagiert. Wohin das führt, zeigen die permanenten Kürzungen, die uns auch jetzt wieder bevorstehen. Dann hat er propagandistisch auf nachwachsende Rohstoffe gesetzt, bisher auch mit wenig Erfolg. Jetzt setzt er einseitig auf Flächenstillegung und eine aktive Preispolitik. Weiterhin sehe ich strukturpolitische Gefahren: Die Prämien und die Rückerstattung der Mitverantwortungsabgabe zusammen bieten vor allem flächenstarken Betrieben mit hohem Anteil an Getreidevermarktung Anreize zur Flächenstillegung. Diese Betriebe liegen vor allem in Nord- und Ostdeutschland. Die schon jetzt großen beschäftigungspolitischen Probleme in den Agrarstandorten der neuen Länder werden drastisch zunehmen. Dabei werden besonders dort Initiativen benötigt, die Arbeitsplätze erhalten oder schaffen — und nicht überflüssig machen! Für strukturschwache Räume bedeutet ein Anreiz zur Flächenstillegung geradezu eine Bedrohung. Sicher, auf brachliegenden Flächen können keine Überschüsse produziert werden, aber was sollen die Menschen tun, die vorher dort gearbeitet haben? Entweder wirtschaften sie auf den verbleibenden Äckern um so intensiver — mit allen umweltschädlichen Folgen —, oder sie sind schlicht arbeitslos. Deshalb schließe ich mich den Bedenken des nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministers Matthiesen an, der — ich zitiere — „arge Zweifel am Sinn eines Agrarkonzepts hat, das in der Bundesrepublik stillgelegte landwirtschaftliche Modellregionen schafft, in denen keine Landwirte mehr wohnen und arbeiten". Die Politik der Flächenstillegung hat deshalb auch nicht zu unterschätzende psychologische Folgen. Noch ein Einwand gegen den Gesetzentwurf: Wo bleibt die Kontrolle der Substituteeinfuhr? Wer verhindert, daß eine reduzierte Getreideproduktion im Inland nicht automatisch durch vermehrten Import von Substituten kompensiert wird — womöglich auf Kosten der Länder in der Dritten Welt? Dort verhungern die Menschen, während wir ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse für wenig Geld erwerben und an unser Vieh verfüttern. Solange der Schlund der Substituteinfuhren noch offen ist, erscheint mir jede Mengenrückführung im Inland wirkungslos. Nebenbei bemerkt: Ich halte die Kostenkalkulation der Regierungsparteien für gewagt: Woher nehmen sie die Sicherheit, von 350 000 ha stillgelegter Fläche auszugehen? Wie schnell können hier zig Hektar hinzukommen, und die nationalen Aufwendungen schnellen in die Höhe! Und das beim nahezu täglich von Mitgliedern dieser Regierung lauthals angekündigten Subventionsabbau! Allein diese Argumente bestätigen, daß wir mit unserer Forderung „Extensivierung vor Flächenstillegung" richtig liegen. Im Interesse der Menschen, die im ländlichen Raum leben und arbeiten, aber auch derer, die dort Erholung suchen, und im Interesse der Umwelt ist die nötige Produktionsrückführung vor allem in der Fläche vorzunehmen, durch Extensivierung und in gewissem Umfang durch den Anbau von Nichtlebensmitteln und Umwidmungen aller Art, z. B. für Aufforstungen oder Freizeit- und Erholungsflächen. Ich will diese Forderung an Hand eines hoffentlich überzeugenden Beispiels für alle nachvollziehbar machen: Die Mutterkuhhaltung ist eine — inzwischen zunehmend verbreitete — Form extensiver Viehhaltung. Im Vergleich zur Flächenstillegung leistet sie unvergleichlich mehr für den Erhalt des ländlichen Raumes bei gleichzeitiger Rückführung der Erzeugung. Nehmen wir zunächst den offensichtlichsten Aspekt der Landschaftsgestaltung. Sagen Sie selbst, was ansprechender ist: eine brachliegende Fläche, auf der im Verlauf der „Selbstbegrünung" Unkraut wuchert, oder der Anblick einer Grünfläche, auf der sich (glückliche) Kühe samt Nachwuchs tummeln? Auch die beschäftigungspolitische Seite klingt nicht schlecht: Bei Förderung der Mutterkuhhaltung bleibt der Landwirt weiterhin Landwirt: Er muß die Mutterkuhherde managen und ihre „Erzeugnisse" — Kalb und Kuh — gewinnbringend vermarkten. Er bleibt also weiterhin als Landwirt gefordert, was bei stillgelegten Flächen nicht der Fall ist. Selbst das Abweidenlassen derselben durch Schafe ist bereits „prämienschädlich". 2978* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1991 Weiterhin werden durch Mutterkuhhaltung keine Überschüsse erzeugt: Das Kalb verbraucht die Milch der Kuh, die so den Markt nicht belastet, und pro Hektar wird wesentlich weniger Fleisch produziert. Ich weiß natürlich auch, daß davon nicht alle Bauern, die heute auf diesen Flächen intensiv wirtschaften, weiter existieren können. Ein Wechsel in der Struktur wird nicht zu umgehen sein. Aber wir können es uns auch leisten, dem Mutterkuhhalter mehr Geld in Form direkter Einkommensübertragung zu geben. Denn wir sparen nicht unerhebliche Beträge bei den Marktordnungskosten ein, die wir jetzt den Bauern direkt einkommenswirksam zukommen lassen können. Letztlich freut sich auch der Verbraucher: Das Fleisch extensiv aufgezogener Rinder garantiert ihm Qualität und Gesundheit. Die Tierschützer sind zufrieden, da die Tiere artgerecht gehalten werden. Auch die Umwelt profitiert: Ein geschlossener Kreislauf, bei dem auf zusätzlichen Energie- und Stickstoffimport verzichtet werden kann, belastet weder Boden noch Grundwasser, da Dauergrünland Voraussetzung ist. Ich habe das jetzt sehr gedrängt dargestellt. Die Vorteile der Extensivierung liegen auf der Hand. Wir wollen doch auch in Zukunft einen lebendigen, vielfältigen ländlichen Raum und Landwirte, die darin befriedigende Arbeit finden. Sie werden sich zunehmend ihrer Doppelrolle als Produzent und Erbringer ökologischer Dienste bewußt. Die gesamtgesellschaftlichen Anforderungen und nicht zuletzt die Marktentwicklung verlangen das zunehmend. Wir enthalten uns der Stimme. Wir können der ungleichgewichtigen Politik der Bundesregierung, die dieser Gesetzentwurf manifestiert, nicht zustimmen. Wir wollen allerdings auch den Landwirten nicht die Segnungen vorenthalten, zumal in einer Zeit, in der aufgrund einer verfehlten Agrarpolitik der Bundesregierung die landwirtschaftlichen Einkommen um 25 Prozent zurückgehen. Nein, diese Politik hat keine Perspektive! Wir haben unsere Auffassung hierzu in einem Entschließungsantrag zusätzlich aufgezeigt, für den ich um Zustimmung bitte. Damit unterstützen wir zugleich die dringend erforderliche Reform der EG-Agrarpolitik. Ulrich Heinrich (FDP): Das Gesetz zur einjährigen Flächenstillegung hat die Mengenbegrenzung zum Ziel. Es muß vor dem Hintergrund der ständig steigenden Überschüsse und immer mehr unter Druck geratenden Preissituation auf den Agrarmärkten gesehen werden. Mit der Verabschiedung und Umsetzung dieses Gesetzes können mit Sicherheit nicht alle Probleme auf den Agrarmärkten auf einen Schlag gelöst werden. Es ist jedoch ein redlicher Versuch, der unser aller Unterstützung verdient. Wir sitzen in der EG inzwischen auf einem Getreideberg von etwa 20 Millionen Tonnen. Davon werden alleine in der Bundesrepublik 9,3 Millionen Tonnen gelagert, was einem Anteil von 46 Prozent entspricht. Die Lagerkapazitäten sind erschöpft und das preisstabilisierende Instrument der Intervention in Gefahr. Von einem weiteren drastischen Anstieg der Lagerbestände ist auszugehen. Rechnet man nämlich für dieses Jahr — bei einer durchschnittlichen Ernte — in der EG mit einer Getreidemenge von etwa 175 Millionen Tonnen (davon elf Millionen Tonnen in den neuen Bundesländern), so steht dem nur ein Verbrauch von etwa 141 Millionen Tonnen gegenüber (davon acht Millionen Tonnen in den neuen Bundesländern).Daraus ergibt sich die zwingende Notwendigkeit schnellgreifender Maßnahmen zur Verringerung der Überschüsse. Ein gangbarer Weg, um durch Extensivierungsmaßnahmen zu deutlichen, mit der Flächenstillegung vergleichbaren Produktionssenkungen zu kommen, gibt es noch nicht. Die unterschiedlichsten Modelle führen alle nur zu einer prozentual nicht ausreichenden Rückführung der Produktion. Selbst ein so ausgereiftes Modell wie das Kulturlandschaftsprogramm in Baden-Württemberg kann nur zu einer Produktionssenkung von maximal ca. zwei Prozent führen. Der in der Gemeinschaft inzwischen angehäufte Getreideberg verursacht jährliche Kosten von etwa zehn bis zwölf Milliarden DM. Und das, obwohl allein im Wirtschaftsjahr 1989/90 in der EG mit dem fünfjährigen Flächenstillegungsprogramm etwa 430 000 ha aus der Produktion genommen wurden. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligte sich daran mit rund 57 000 ha. Im vergangenen Jahr stieg die stillgelegte Fläche in den alten Bundesländern auf rund 90 000 ha, im Beitrittsgebiet sogar auf 600 000 ha. Der Anteil der stillgelegten Fläche an der Ackerfläche stieg damit im gesamten Bundesgebiet auf 7,6 Prozent. Mit dieser großen Resonanz auf das Flächenstillegungsprogramm können wir uns im EG-Vergleich mehr als nur sehen lassen. Es zeigt sich aber auch deutlich, daß das fünfjährige Stillegungsprogramm für unsere EG-Nachbarn, vor allem für die Franzosen und Engländer, nicht attraktiv genug ausgestaltet wurde. So beteiligten sich diese beiden großen Agrarländer im Wirtschaftsjahr 1989/90 nur mit zusammen rund 90 000 ha an der Flächenstillegung. Bei den EG-Preisverhandlungen ist es nun das erste Mal auf dem Getreidesektor gelungen, einen betriebsbezogenen Zusammenhang zwischen produzierter Menge und Preis herzustellen. Wir bedienen uns dabei des Instruments der Mitverantwortungsabgabe (MVA), indem sie auf fünf Prozent erhöht wird. Die Entrichtung dieser MVA entfällt für einen Betrieb erst, wenn er sich mit mindestens 15 Prozent seiner Marktordnungsfläche an einem einjährigen Flächenstillegungsprogramm beteiligt. Diese grundlegende Richtungsänderung im Bemühen um eine spürbare Mengenbegrenzung innerhalb der Gemeinschaft wird von mir ausdrücklich begrüßt und wird zu einer stärkeren Beteiligung unserer EG-Nachbarstaaten an der Flächenstillegung führen. Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dieses Programm, wenn es von den Landwirten entsprechend angenommen wird, kann auch einen Beitrag zur Preisstabilisierung auf dem Getreidemarkt leisten. Bei der einjährigen Flächenstillegung wird es nicht bleiben. Sie ist ein Einstieg in weitere Jahresprogramme. Diese klare Perspektive sollen und müssen wir unseren Landwirten geben. Die Flächenstillegung als Instrument zur Beseitigung von Überschüssen ist meines Erachtens noch so lange erforderlich, bis es uns gelingt, unseren Landwirten wirkliche Produktionsalternativen im „non food"-Bereich anzubieten. In vielen Bereichen, Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1991 2979* insbesondere der nachwachsenden Rohstoffe, gibt es hier hoffnungsvolle Ansätze. Was aber soll nun mit dem Programm der fünfjährigen Flächenstillegung geschehen? Ich bin der Auffassung, sie sollte in naher Zukunft in eine noch längerfristigere Flächenstillegung umgewandelt werden. Hierbei sollten in erster Linie Grenzertragsböden aus der Produktion genommen werden und für Forst-, für landschaftsgestaltende, vor allem aber für Umweltschutzmaßnahmen zum Beispiel in Feucht- und Trockenbiotopen Verwendung finden. Diese Flächen sind dann allerdings mit einer geringeren Beihilfe zu versehen. Die einjährige Flächenstillegung ist aber auch aus umweltpolitischer Sicht ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Flächen dürfen nicht gedüngt werden, weder organisch noch anorganisch, und Pflanzenschutzmittel dürfen nicht angewendet werden. Im weiteren sind Meliorationsmaßnahmen untersagt, und Grünland darf auch nicht in Ackerland umgewandelt werden, um es dann anschließend stillzulegen. Die Flächen sind zu begrünen und dienen somit zur Auflockerung und Streckung unserer ohnehin zu engen Fruchtfolgen. Negative Begleiterscheinungen des laufenden fünfjährigen Programmes werden mit dem neuaufgelegten Programm zudem vermieden. Es kommt nämlich nicht zur bisher zu beobachtenden Störung des Pachtmarktes durch Stillegung ganzer Betriebe. Neben diesen willkommenen Begleiterscheinungen dient dieses Programm aber in erster Linie der Reduzierung der nicht mehr finanzierbaren Überschüsse und der damit einhergehenden Exportsubventionen. Der sicherlich berechtigte Stein des Anstoßes und der Kritik bei den laufenden GATT-Verhandlungen dürfte damit ein entscheidendes Stück weggerückt werden. Nicht aus den Augen verlieren dürfen wir aber die Entwicklung der Getreidesubstitute. Mengen, die wir auf dem Getreidesektor reduzieren, dürfen nicht mit Substituten aufgefüllt werden. Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) (PDS/Linke Liste): Im Gesetz über die Forderung einer einjährigen Flächenstillegung werden gesetzliche Regelungen geschaffen, die als Folge einer EG-Ratsverordnung notwendig geworden sind. Sie sind damit auch Ausdruck agrarpolitischer Leitlinien der EG, die gegenwärtig vorrangig darin gesehen werden, das seit 1958 bestehende agrarpolitische Leitbild zu erhalten. Unter diesem Gesichtspunkt ist das vorliegende Gesetz eine notwendige Schlußfolgerung. Meine prinzipielle Kritik orientiert sich deshalb nicht an der unmittelbaren Gesetzesvorlage, sondern am Grundanliegen. Erstens weiß ich natürlich auch, daß Ernährungsprobleme der Menschheit nicht allein mit Nahrungsmittelexporten gelöst werden können, sondern vor allem durch Lösungen vor Ort, d. h. durch die betroffenen Menschen selbst. Trotzdem erscheint es widersinnig, wenn in der gesamten EG Milliardenbeträge und in der Bundesrepublik 84 Millionen allein 1992 für die vorliegenden Gesetzesmaßnahmen aus Haushaltsmitteln ausgegeben werden sollen, um Nahrungsmittelproduktionen zu begrenzen. Es geht dabei nicht darum, daß ich vielleicht den Bauern die Einnahmen aus dieser Gesetzesvorlage nicht gönne, ganz im Gegenteil. Es ist ohnehin mehr eine Berufung als nur ein Beruf, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Das ist gut so, weil auch ich der Meinung bin, daß man Landwirtschaft ohne innerer Beziehung zu Boden, Pflanze und Tier nicht betreiben kann oder nicht betreiben sollte, aber sie wird nicht ausreichend honoriert und anerkannt. Rein betriebswirtschaftlich bedeutet deshalb dieses Gesetz eine Lösungsmöglichkeit, Preise zu halten und Einkommen zu sichern. Als Betriebswirtschaftler sage ich auch, es rechnet sich vor allem für Betriebe mit hohem Marktanteil an Getreide durch die Rückerstattung der 5%igen Mitverantwortungsgabe, auch wenn mit einem Einjahresprogramm kaum Einsparungen bei fixen Kosten erreicht werden können, und deshalb die Staffelung der Stillegungsprämien für größere Betriebe diskriminierend wirkt. Hier wird erneut ein untauglicher Versuch angestellt, politische Forderungen mit betriebswirtschaftlichen Erwägungen zu begründen. Wenn schon dieses Gesetz, dann wäre es eine Möglichkeit gewesen, „good will" zu zeigen, um den Strukturwandel positiv zu begleiten. Das hätte mich auch zu einer anderen Haltung zu diesem Gesetz bewogen. Zweitens. Flächenstillegung wird immer wieder als ökologische Maßnahme gepriesen. Natürlich stimmt es, daß auf stillgelegten Flächen keine Chemikalien ausgebracht werden. Das hat jedoch nicht dazu geführt, den Einsatz insgesamt zu verringern. Die Erfahrungen zeigen, daß Flächenstillegungen einerseits Intensivierung auf anderen Flächen bewirkt haben. Dafür sind nicht zuletzt die Prämien aus der Stillegung verwandt worden. Wenn schon Mengenbegrenzungen in der Produktion, dann über allgemeine Extensivierung. Das ist ökologisch sinnvoller und könnte außerdem noch ein Beitrag zur Erhaltung von Arbeitsplätzen sein. Lassen Sie mich deshalb als Punkt 3 der Kritik anbringen: 15 % Flächenstillegung bedeuten auch Verlust von Arbeitsplätzen, und zwar stärker in den fünf neuen Ländern als in den alten Ländern. Ich rechne mit 10 000 Arbeitsplätzen allein in den fünf neuen Ländern durch diese gesetzliche Regelung. Insgesamt halte ich also den begangenen Weg für untauglich und dringend reformbedürftig in der gesamten EG, nicht nur in Deutschland, zumal ohnehin zweifelhaft ist, ob sich alle Länder in der EG so diszipliniert daran halten.
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    Rede von Ulrike Mascher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, Herr Staatssekretär, eine Mascher-Rede.
    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Rother, daß Opposition und Regierungsfraktionen bei der Bewertung von Ergebnissen und in bezug auf den Ablauf der Beratungen zu unterschiedlichen Resultaten kommen, ist sicher normal. Aber über weite Strecken Ihrer Rede habe ich den Eindruck gehabt, daß Sie und ich in verschiedenen Ausschußsitzungen gewesen sind.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP — Horst Seehofer [CDU/CSU]: Sie saßen auf der linken Seite!)

    — Obwohl ich auf der linken Seite gesessen habe, kann ich Ihre Bewertung dessen, was in den Ausschußberatungen abgelaufen ist und was die Opposition mit viel Arbeit und Engagement in die Ausschußberatungen eingebracht hat, als Verzögerung wirklich nicht teilen.

    (Zuruf von der SPD: Richtig!)

    Aber ich denke, daß nach der folgenreichen Entscheidung gestern abend auch heute ein Gesetz zur Beschlußfassung auf der Tagesordnung steht, das für alle Menschen in den fünf neuen Bundesländern unmittelbare und ganz existentielle Auswirkungen hat. Ich wage deshalb die Behauptung: Die heutige Entscheidung steht, wenn sie auch nicht unter dem Scheinwerferlicht aller Fernsehanstalten stattfindet, gleichgewichtig neben der Entscheidung von gestern.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Lassen Sie sich von dem bürokratisch klingenden Kürzel „Renten-Überleitungsgesetz" nicht täuschen. Hier wird über die Lebenslage von Rentnern und Rentnerinnen und — ich sage es einmal ein bißchen pathetisch — von Witwen und Waisen entschieden. Hier werden die Weichen für die materielle Existenzgrundlage auch derjenigen gestellt, die heute noch Jahre oder Jahrzehnte vor dem Rentenbeginn stehen.
    Weil dieses Gesetz den Menschen der ehemaligen DDR ohne Ausnahme unser System der sozialen Sicherung, das sich ohne Zweifel bewährt hat, überstülpt, weil dieses Gesetz höchst komplexe Sachverhalte regelt und weil es auch erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Betroffenen, für die Beitragszahler der Sozialversicherung, für den Bund und für die Länder hat, wäre eine sorgfältige inhaltliche und politische Vorbereitung und Diskussion dieses Gesetzes notwendig und angebracht gewesen. Aber eine solche Diskussion braucht Zeit. Wir haben diese Zeit nicht gehabt.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Das ist wohl richtig!)

    Das Gesetz wurde dem federführenden Ausschuß am 26. April überwiesen. Wir haben in drei öffentlichen Anhörungen von Sachverständigen und in einer dichten Folge von Sitzungen versucht, trotzdem eine sorgfältige Befassung mit diesem Gesetz zu sichern.
    Aber wie eng unser Spielraum dabei war, macht ein Zitat aus der Stellungnahme des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger deutlich — ich zitiere — :
    Weil andernfalls die rechtzeitige Umsetzung der Neuregelung generell in Frage gestellt wäre, halten wir es für unbedingt erforderlich, daß keine wesentlichen Änderungen zum Inhalt des Gesetzentwurfs mehr vorgenommen werden und daß der Entwurf ohne weitere parlamentarische Hürden verabschiedet wird. Können die vorbereitenden Arbeiten für die Umsetzung der Neuregelung nicht rechtzeitig abgeschlossen werden, wären die Rentenversicherungsträger handlungsunfähig.
    Zum Glück haben sich die Opposition und die Koalition davon nicht gänzlich beeindrucken lassen. Wir



    Ulrike Mascher
    haben wesentliche Änderungen des Entwurfs vorgenommen. Ich denke, das war auch notwendig.

    (Beifall bei der SPD)

    Trotzdem war wenig Raum für die Prüfung, welche der Strukturelemente der Sozialversicherung der ehemaligen DDR für das westdeutsche Rentenversicherungssystem eine wichtige und lange und auch von Teilen der Koalition geforderte Ergänzung gewesen wäre, z. B. die Anrechnung von Zeiten der Pflege von Angehörigen oder — das ist eine Forderung, die wir immer aufgestellt haben — eine Mindestrente, eine soziale Grundsicherung.
    Der Versuch der SPD, mit einem Vorschaltgesetz Zeit für Beratung und Zeit für eine konkrete Umsetzung des Gesetzes zu schaffen, wurde von der Koalition abgelehnt.

    (Julius Louven [CDU/CSU] : Zu Recht!)

    So bleibt es auch dabei, daß im Gesetz schon vorsorglich eine Regelung festgeschrieben wird, wie die schon jetzt voraussehbaren Fehlberechnungen von Renten — allerdings erst ab 1994 — überprüft und korrigiert werden können. Ich finde, wir als Gesetzgeber stellen uns damit ein Zeugnis mit der Note „ungenügend" im Hinblick auf die praktische Umsetzung dieses Gesetzes aus.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist nichts Unnormales für die Koalition!)

    Wegen des großen Zeitdrucks haben die Beratungen im Ausschuß zwar die notwendige Vorarbeit geleistet, um deutlich zu machen, daß das Gesetz in der von der Regierungskoalition vorgelegten Fassung unhaltbar ist. Mehrheiten für eine Änderung des Gesetzes mit der SPD wurden im Ausschuß aber nicht gefunden. Die Koalition nutzte ihre Mehrheit ausnahmslos für ihre Vorstellungen. Herr Rother, bis zu diesem Zeitpunkt der Arbeit am Gesetz mag Ihr Diskussionsbeitrag in Ton und Inhalt die Situation richtig wiedergegeben haben, aber außerhalb der Ausschußsitzungen hat die Regierung im Gespräch mit Vertretern der SPD — insbesondere mit unserem Sozialexperten Rudolf Dreßler — dann doch nach Möglichkeiten gesucht, die die zentralen Forderungen der SPD — keine Verschlechterung der eigenständigen Rente von Frauen und keine Vermischung von Strafrecht und Sozialrecht — aufnehmen.

    (Zuruf von der SPD: Aha!)

    Eine solche Öffnung für die Forderungen der Opposition wäre ohne die breite Ablehnung, die besonders die Vermischung von Strafrecht und Sozialrecht im Regierungsentwurf in der Expertenanhörung gefunden hat, und ohne die intensive Beratung von seiten der SPD im Ausschuß nicht möglich gewesen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie ist aber auch der Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zu danken. Die Wählerinnen und Wähler in Hessen und in Rheinland-Pfalz haben insofern einen Solidaritätsbeitrag für die ostdeutschen Länder geleistet.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste)

    Bei der ersten Lesung des Gesetzes habe ich hier festgestellt, daß die Frauen für die Einheit teuer zahlen müssen, daß es für die Frauen in der ehemaligen DDR auf Grund dieses Renten-Überleitungsgesetzes hinsichtlich ihrer eigenen Rentenansprüche erhebliche Verschlechterungen gibt; Verschlechterungen, die nur für wenige Jahre zugunsten der Frauen, die bereits eine Rente erhalten, durch sogenannte Auffüllbeträge aufgefangen werden. Für diejenigen, die ab 1992 in Rente gehen, wäre ein solcher Bestandsschutz nicht gegeben gewesen.
    Gleichzeitig werden die Strukturelemente, die für eine eigenständige soziale Sicherung aller Frauen in der Bundesrepublik wichtig sind — uneingeschränkte und erweiterte Anerkennung von Kindererziehungszeiten und von Pflegezeiten; auch ein Anliegen der Koalitionsfraktionen — , erst einmal gestrichen.
    Wir haben jetzt auf Grund des Engagements von Frauen der SPD und der FDP einen Schritt nach vorn gemacht. Ich nehme an, daß die Frauen aus CDU und CSU — auch wenn sie heute leider nicht im Plenum sind —, auch wenn es in der Ausschußarbeit nicht erkennbar war, ihren Beitrag dazu geleistet haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Hier sitzt bei uns doch eine Frau!)

    — Ich begrüße eine Kollegin der CDU/CSU-Fraktion.
    Wir können heute über einen Bestandsschutz bei der eigenen Rente für alle Rentnerinnen und Rentner bis 1996 und über die verbindliche Absichtserklärung beschließen, bis zu diesem Zeitpunkt eine eigenständige soziale Sicherung der Frauen in unserem Rentensystem zu realisieren, die diesen Namen dann auch verdient. Dabei ist es für die SPD unverzichtbar, daß für die Frauen im Osten und im Westen der Skandal der Altersarmut von Frauen endlich wirksam bekämpft wird.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Denn für diese uralte soziale Frage gibt es immer noch keine Antwort; es gibt immer noch keine angemessene gesetzliche Sicherung des Existenzminimums außerhalb des Sozialhilferechts.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Wenn die Frage so uralt ist, dann hätten Sie sie früher längst lösen können! — Gegenruf des Abg. Detlev von Larcher [SPD]: Wir sind ja schon lange genug dabei! — Gegenruf des Abg. Julius Louven [CDU/CSU]: Wenn sie so uralt ist, hätten Sie zwölf Jahre Zeit gehabt, das zu ändern!)

    Im Renten-Überleitungsgesetz werden bis 1996 Sozialzuschläge zur Sicherung des Existenzminimums für rund 640 000 Rentnerinnen und rund 35 000 Rentner übernommen.
    Die Frauen, die 1992 und 1993 in Rente gehen, werden ebenso, z. B. als Alleinstehende, mindestens 600 DM erhalten. Dieser Vertrag wird parallel zur Entwicklung der Sozialhilferegelsätze in den neuen Bundesländern angehoben. Er wird also etwa entsprechend der Steigerung der Lebenshaltungskosten



    Ulrike Mascher
    dynamisiert. Wie bei der Hinterbliebenenrente sollen Erwerbseinkommen dann angerechnet werden.
    Mit dem Bestandsschutz für die eigenständige Rente von Frauen und dem Ausbau der Sozialzuschläge, der zu 95 % Frauen zugute kommt, wird für einige Jahre, bis 1996, die materielle Existenz von Rentnerinnen in den fünf neuen Bundesländern weitgehend abgesichert. Die SPD wird diese Jahre nutzen, um durch Regelungen für eine uneingeschränkte Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Zeiten der Pflege, durch eine soziale Grundsicherung zum Abbau der Altersarmut und durch eigenständige Rentenanwartschaften von Frauen an Stelle der abgeleiteten Hinterbliebenenrente eine Alterssicherung von Frauen auszubauen, die der gesellschaftlichen Realität und dem gewandelten Selbstverständnis von Frauen entspricht. Ich freue mich schon heute auf einen fruchtbaren Wettbewerb aller Parteien bis 1996, wer denn das beste Konzept für die Frauen entwickeln und durchsetzen kann.

    (Beifall bei der SPD — Julius Louven [CDU/ CSU]: Wahrscheinlich wir!)

    Ich bin sicher, Herr Staatssekretär Seehofer, daß die SPD hier erfolgreich sein kann.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Auf dem Papier!)

    Ein besonders schwieriger Abschnitt unserer Beratungen war der Teil des Gesetzes, der durch pauschale Kürzungen und individuelle Aberkennung von Renten aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR das Recht der sozialen Sicherung dafür nutzen wollte, 40 Jahre Unrecht auszugleichen oder abzustrafen, weil das Strafrecht zu langsam, zu schwach oder gar nicht wirksam wird. Hier haben ausnahmslos alle Verfassungsrechtler bei den Anhörungen schwerste grundsätzliche Bedenken angemeldet und damit die Position der SPD bekräftigt.
    Zusatzversorgungen gab es in der ehemaligen DDR — nur, um Ihnen eine Anschauung zu geben — für ganz unterschiedliche Berufsgruppen, für die Mitarbeiter des Staatsapparats, für den FDGB, für die Mitarbeiter der LDPD, der CDU und der SED/PDS, aber auch für Ballettmitglieder, für künstlerisch Beschäftigte beim Funk, beim Fernsehen, beim Film und beim Staatszirkus, für Ärzte und Apotheker, für Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, für Direktoren von Kombinaten und landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Wahrscheinlich haben alle Fraktionen Briefe von Vertretern dieser unterschiedlichen Berufsgruppen erhalten, die eine pauschale Verdächtigung als staatserhaltend und systemnah und die daraus folgende Kürzung der Rente, nur weil sie einer bestimmten Berufsgruppe angehörten, der ein eigenes Zusatzversorgungssystem zugeordnet war, als ungerecht empfinden.
    Die SPD hat sich, auch wenn sie die Gefahr gesehen hat, nach bekanntem Strickmuster diffamiert zu werden, immer wieder dafür eingesetzt, daß bei aller verständlichen Empörung über Renten für die Stützen des DDR-Regimes verfassungs- und rechtsstaatliche Grundsätze Schranken setzen, die Sozialdemokraten
    und Sozialdemokratinnen nicht unterlaufen können und nicht abbauen wollen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Sozialrecht darf nicht als Strafrecht mißbraucht werden.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste — Julius Louven [CDU/CSU]: Sie wollen dem Honecker die Rente überweisen?)

    — Herr Louven, Sie wissen es besser, daß wir dem Honecker die Rente nicht überweisen wollen.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Deshalb brauchen wir doch Instrumente!)

    — Niemand, auch Sie nicht, Herr Louven, kann schlüssig erklären, warum sich die Höhe einer Waisenrente danach unterscheidet, ob der Vater bei der Staatssicherheit oder beim Zoll war.
    Ob wir mit dem mühsam gefundenen Ergebnis, das in geänderter Form in Art. 3 als Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen beschlossen werden soll, ein Gesetz beschließen, das bei Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat, wage ich nicht vorherzusagen. Wir Sozialdemokraten haben versucht, willkürliche und dem Sozialversicherungssystem fremde Eingriffe zu verhindern.
    Ein besonders krasser Versuch, sich dieses Gesetzes zur Entlastung der Parteikassen der CDU, FDP und PDS zu bedienen, konnte verhindert werden.

    (Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

    Die entsprechende Regelung findet sich nicht mehr im Rentenüberleitungsgesetz.

    (V o r sitz : Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg)

    Es ist aber nicht abschließend geklärt, wer nun auf Dauer für die Kosten der Altersversorgung der Parteimitarbeiter aus der ehemaligen DDR, von CDU, FDP und PDS, aufkommen wird. Hier sollte das Parlament sorgfältig darauf achten, ob und wie dieser Punkt wieder auf die Tagesordnung gesetzt wird.
    Die Arbeit an diesem Gesetz war wegen des Zeitdrucks und der komplexen Sachverhalte für alle schwierig und belastend, für die Abgeordneten und für die Mitarbeiter der Fraktionen, denen ich ganz besonders danke, für den Ausschußvorsitzenden und seine Mitarbeiter, der unsere Arbeit überhaupt erst ermöglicht hat, für die Mitarbeiter in den zuständigen Ministerien, für die Sachverständigen, die sich für unsere Beratungen immer wieder zur Verfügung gestellt haben, und möglicherweise auch für den Minister und den zuständigen Staatssekretär. Ich denke, wir haben ihnen allen Dank abzustatten.

    (Beifall bei der SPD — Heribert Scharrenbroich [CDU/CSU]: Dem kann man zustimmen! — Horst Seehofer [CDU/CSU]: Was heißt diese Einschränkung „möglicherweise"?)




    Ulrike Mascher
    — Die betrifft nicht Sie, Herr Staatssekretär, die betrifft möglicherweise den Minister.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hier soll ein Keil getrieben werden! — Günther Heyenn [SPD] [zur CDU/CSU gewandt]: Das macht ihr selber!)

    Ich hoffe, daß wir heute am Ende der Beschlußfassung sicher sein können, im Interesse der Betroffenen, besonders der Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern, ein Gesetz gemacht zu haben, das trotz der für die SPD schmerzhaften Kompromisse eine tragfähige Brücke in die Zukunft baut.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste sowie des Abg. Dr. Bruno Menzel [FDP])



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Babel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gisela Babel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zur Rentenüberleitung erreicht heute fristgerecht in zweiter und dritter Lesung den Deutschen Bundestag. Keiner hört uns schneller atmen. Aber die Eingeweihten wissen, was es bedeutet, daß dieses Gesetz wie vorgesehen am heutigen Tag beraten wird. Kollege Dreßler hatte es uns — siehe erste Lesung am 26. April 1991 — zumindest noch nicht zugetraut und damit uns und — was noch seltsamer ist — sich selbst enorm unterschätzt.

    (Heribert Scharrenbroich [CDU/CSU]: Das ist wirklich sehr seltsam!)

    Nach all den Sitzungen, Anhörungen, internen und externen Beratungen laufen wir ein wie in einem Marathon: Egal, wie wir aussehen, wir sind am Ziel. Der Einigungsvertrag hatte das Datum gesetzt und die Überführung unserer gesetzlichen Rentenversicherung auf das Beitrittsgebiet, wie es immer heißt — ein unschöner Ausdruck, aber „ehemalige DDR" ist auch nicht so gut -, bis zum 1. Januar 1992 vorgeschrieben. Die Rentenversicherungsträger haben immer wieder gedrängt und uns gebeten, daß mindestens sechs Monate Zeit sein müsse, um die gigantische Operation dieses Rechtstransfers vorbereiten und durchführen zu können. Insgesamt sollen 3 Millionen Rentenbescheide ausgefertigt werden; deswegen auch ihre Mahnung zu pauschalieren, um die Sache computergerecht durchführen zu können.
    Das Renten-Überleitungsgesetz ist ein umfangreiches Gesetz, ein kompliziertes und verästeltes Regelwerk. Darüber hinaus birgt es noch in einigen Problemfeldern enormen politischen Sprengstoff.
    Daß es uns gelungen ist, nicht allein in der Koalition — das war auch schon schwierig —, sondern auch noch mit der Opposition hier eine Einigung zu erreichen, grenzt an Wunder. Die bewährte Tradition, daß sich im Rentenrecht beide großen Volksparteien CDU und FDP verständigen müssen, weil Fehlentscheidungen weit über die Zeiträume einer Legislaturperiode hinauswirken, konnte auch hier erhalten werden, und zwar — ich möchte das hier anerkennen — dank der geschmeidigen Verhandlungskunst, Zähigkeit,
    Zielstrebigkeit und Mut der politischen Sprecher Julius Louven, Julius Cronenberg und Rudolf Dreßler.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Alexander Warrikoff [CDU/CSU] : Und Gisela Babel!)

    Ich denke, daß wir mit Polemik gerade bei diesem Gesetz sehr wenig ausrichten können. Ich meine, manche scharfe Formulierung ist sicher nicht für dieses Haus und die hier Sitzenden gedacht, sondern mehr für diejenigen, denen man manches an diesen Kompromissen deutlich und verständlich machen muß. Wir sollten das vielleicht etwas locker und sportlich nehmen.
    Meine Damen und Herren, über die Vorzüge des Rentenrechts im Westen im Vergleich zum Rentenrecht der ehemaligen DDR ist schon viel gesagt worden. Bei uns richten sich die Beiträge nach dem Lohn, die Rente richtet sich nach den Beiträgen und wächst entsprechend der Lohnentwicklung. Es ist vor allem diese Leistungsbezogenheit, die das Rentenrecht West von dem entsprechenden Recht der ehemaligen DDR unterscheidet. Dort war die Rente in erster Linie ein Versorgungswerk. Es enthielt Mindestrentenregelungen, über die wir politisch in diesem Hause ja sehr unterschiedlich denken. Die FDP hat sich, wie Sie wissen, immer dagegen gewehrt, daß es eine Mindestrentenregelung geben soll.

    (Günther Heyenn [SPD]: Das ist ein Fehler!)

    Das DDR-Recht verzweigte sich in einen unbeschreiblichen Wust von Zusatz- und Sonderversorgungssystemen. Ich kann mir den Schrecken der hochqualifizierten Beamten des Ministeriums gut vorstellen, als sie diesen Schrank öffneten und wahrnahmen, was es alles gab: allein 67 verschiedene Zusatz- und Sonderversorgungssysteme mit und ohne Beitragspflicht, eingerichtet zu völlig unterschiedlichen Zeiten, oft auch nur gedacht als Bonbon in der Tarifrunde, ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft. Klare Bezüge zu Lohn, Leistung und Beiträgen waren gekappt.
    Um nun Bestandsrenten und Rentenanwartschaften für unser Recht passend zu machen, waren mutige Entscheidungen notwendig und Schnitte nicht zu umgehen. Dennoch soll hier kurz noch einmal festgestellt werden, daß im großen und ganzen das westliche Rentenrecht nicht nur mehr Ordnung und Übersichtlichkeit, sondern auch finanzielle Vorteile bringt. Ich nenne diesbezüglich folgende Stichworte: Rentenzeit, für viele — vor allem Männer — günstigere Bedingungen, Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsrenten an Stelle der Invalidenrenten, Hinterbliebenenrecht, das für rund 900 000 Frauen die Rente verbessert.
    Wenn ich mich im folgenden auf die schwierigen Einzelprobleme beschränke und das Grundsätzliche jetzt nur kurz streife, soll das Bild damit nicht verschoben werden. Ich stelle fest: Die Rentner im Osten stehen sich in Zukunft besser als vorher und werden auch die Preisentwicklung bestehen.
    Für die FDP gab es auf Grund ihrer Einstellung zu diesem Gesetz und vor allem auch nach den Erkennt-



    Dr. Gisela Babel
    nissen und Bestätigungen dieser Einstellung in den drei Anhörungen insgesamt vier Probleme, deren Lösung Veränderungen des ursprünglichen Entwurfs erforderte.
    Erstes Problem: Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Pflegezeiten im Rentenrecht West und Ost; zweites Problem: Zusatzversorgung mit ihrer vorgesehenen generellen Kappung und Begünstigtenverordnung. Wir haben den Grundsatz jetzt umgedreht, so daß die Ausnahme im Gesetz genau bezeichnet wird; drittes Problem: die im Einzelfall vorgesehene Verminderung und Streichung von Renten wegen Verstößen gegen die Menschlichkeit und das dazu gewählte Verfahren nach Art. 4; viertes Problem: Fremdrenten.
    Während wir bei diesen vier Problemen etwas verändern wollten — und, wie sich jetzt am Ende herausstellt, auch verändern werden — , galt es, Veränderungen beim fünften Punkt, soweit es ging, zu verhindern, nämlich darauf zu achten, daß mit dem systemfremden Sozialzuschlag nicht unversehens die Straße in Richtung Mindestrentenregelung beschritten wird. Auch das ist — entgegen den Verlautbarungen der SPD — weitgehend gelungen.
    Lassen Sie mich nun, meine Damen und Herren, in diese Kapitel einsteigen und den Entscheidungsprozeß bei den Frauenrenten darstellen. In der Öffentlichkeit heißt es vielfach: Nicht alles in der DDR war schlecht. Sehen Sie sich die Frauenrenten an. — Der VDR schrieb kürzlich, daß die Frauenrenten im Osten derzeit höher sind als im Westen. Aber das ist keine Nachricht, die zur Besorgnis, sondern eher zur Anerkennung und Befriedigung Anlaß gibt.
    Auf der anderen Seite sind Frauen zu zwei Dritteln die Bezieherinnen der Mindestrenten. Auch die günstigen Bestimmungen über Anerkennung der Kindererziehung und Pflege können daran nichts ändern. Maß muß also genau hingucken und differenzieren.
    Frauen in der ehemaligen DDR sind in höherem Maße berufstätig gewesen als Frauen bei uns im Westen. Auf Grund dieser Tatsache, also der längeren und nicht unterbrochenen Rentenbiographie, beziehen sie auch nach unserem Recht entsprechend höhere Renten, als die Frauen im Westen es in der Regel können. Das liegt nicht zuletzt an diesem perfekten Netz der Kinderbetreuungseinrichtungen, — perfekt im Sinne des ausreichenden Angebots —. Und daß sie berufstätig waren, war auch notwendig, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.
    Die Anerkennung der Kindererziehung in der Rente — ein Kind wurde mit einem Jahr angerechnet, bei drei Kindern und mehr erhöhte sich der Zeitraum auf drei Jahre pro Kind — ergab einen Betrag pro Kind in Höhe von umgerechnet etwa 6 DM — inzwischen wird dieser Betrag schon gestiegen sein — , während sich ein Jahr Kindererziehungszeit nach unserem Rentenrecht mit 30 DM niederschlägt, und zwar dynamisch.
    Das politische Problem, das nun auch für uns im Westen aufbrach, war folgendes: Mit der Überführung des Rentenrechtes (West) könnte ja die Kindererziehung als Rentenzeit für die Frauen nur dann anerkannt werden, wenn sie — abgesehen von Tätigkeiten, mit denen sie die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten — daneben nicht gearbeitet haben. Die Frauen fielen also nun praktisch durch den Rost. Sie hätten weder die bescheidenen Zuwendungen nach Ostrecht noch die entsprechenden nach Westrecht beanspruchen können. Dieser Sachverhalt erschien vielen meiner Kolleginnen und Kollegen und mir — die Fraktion hat sich dem angeschlossen — als verbesserungsbedürftig und nicht hinnehmbar.
    Es gab zwei Lösungsmöglichkeiten: Die eine war, das Ostrecht unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes weiter aufrechtzuerhalten, also eine Verlängerung der schon bis 1995 hinausgeschobenen Frist vorzusehen, ab der dann abgeschmolzen werden sollte. Das aber steht im Widerspruch zu unserem Bestreben, Rechtseinheit zu schaffen. Die andere Möglichkeit war, das Westrecht zu verbessern und für alle Frauen in Ost und West eine gemeinsam verbesserte Anrechnung der Familienarbeit im Rentenrecht einzuführen.
    Die Koalition entschied sich grundsätzlich für den zweiten Weg. Wir erkannten aber, daß die Reform in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeitspanne nicht zu bewältigen war. Auf der anderen Seite konnte man das Hinausschieben insofern verantworten, als bis Ende 1996 kein Abschmelzen dieser Rentenbestandteile vorgesehen ist.
    Daher sollte in einem gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP das Einvernehmen bekundet werden, sowohl die Zeiten für die Pflege von Angehörigen als auch Kindererziehungszeiten neben der Berufstätigkeit noch in dieser Legislaturperiode in einer gesetzlichen Regelung anzuerkennen, und zwar nicht „möglichst", sondern wirklich.
    Der Ihnen jetzt vorliegende große Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD erweitert das Reformvorhaben. Bis 1997 sollen auch das Hinterbliebenenrecht und das Problem der Altersarmut Gegenstand neuer Überlegungen im Rentenrecht sein.
    Sicher müssen wir angesichts der Belastungen, die unsere sozialen Sicherheitssysteme derzeit aushalten, behutsam und mit Augenmaß weitere Reformen ansteuern. Aber eines ist gewiß: Die Verbesserungen in der additiven Kindererziehungszeit, von der FDP schon lange angestrebt und bislang vergeblich mit dem Koalitionspartner verhandelt, müssen vor Ablauf der Legislaturperiode beschlossen werden.
    Ich stehe nicht an zu bemerken, daß uns, der FDP, beim Erreichen dieses Ziels die deutsche Einheit sehr gelegen kam und daß eine solche Regelung ihren Impuls dem Rentenrecht im Osten Deutschlands verdankt.
    In diesem Zusammenhang einen Hinweis auf die Alterssicherung der Bäuerinnen. Sie wissen, daß die Alterssicherung der Bäuerinnen in der DDR geregelt war und daß die Bäuerinnen einen Rentenanspruch hatten, während das bei uns nicht der Fall ist. Auch hierzu werden wir Überlegungen anstellen müssen, wie diesen Frauen bei uns im Westen eine adäquate



    Dr. Gisela Babel
    und entsprechende Versorgung zugute kommen kann.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Denn auch hier werden wir es aus politischen Gründen und auch unter Gleichheitsaspekten auf die. Dauer nicht aushalten können, daß wir eine Regelung haben, die die Frauen im Osten begünstigt und unsere Frauen mit leeren Händen dastehen läßt.

    (Uta Würfel [FDP]: Mehr Gerechtigkeit brauchen wir!)

    Zum Thema der Zusatzversorgung und Sonderversorgung: Im Einigungsvertrag steht, daß die Zusatzversorgungs- und Sonderversorgungssysteme ins Rentenrecht zu überführen und überhöhte Leistungen abzubauen sind.
    Dieser Auftrag hat weitreichende Folgen. Ich bin nicht sicher, wieweit sich die Vertragspartner über diese Folgen ganz im klaren waren. Der Gesetzgeber aber muß sich an diese Vorgaben halten.
    Eine Zusatzversorgung gab es für eine Reihe von Berufsgruppen. Sie sind schon aufgeführt worden: etwa für Wissenschaftler, Künstler, Sportler, Richter, Techniker und viele gab es extra eingerichtete Zusatzversorgungen. Die einen umfaßten ganz wenige Personen, die anderen sehr viele. Der gesamte öffentliche Dienst und der ganze Beamtenstand waren in diesen Systemen untergebracht. Sie sind nun einzupassen.
    Ein großer Teil der Diskussionen, die drüben auch unter Vergleichen mit unserem System geführt werden, resultiert aus der Tatsache, daß Angehörige des Staatsdienstes nun bei uns zu Rentnern werden, während Staatsbedienstete in entsprechenden Berufen bei uns keine Rente, sondern eine Beamtenpension erhalten, die in den meisten Fällen eine höhere Versorgung als die bedeutet, die unter dem Dach des jetzigen Rentenrechts überhaupt möglich sind; der Rahmen des Rentenrechts gilt ja für alle, d. h. daß wir keine höheren Renten als derzeit ca. 3 200 DM haben.
    In diesen Rahmen müssen sich auch die Anwartschaften und die bestehenden Renten einpassen. Der Hochschullehrer aus Jena wird also durch die Rentenüberführung auf Grund des Einigungsvertrags zum Rentner, und zwar durchaus mit einer Beeinträchtigung seiner Altersversorgung. Dies führt zu nicht geringem Ärger und zu Empörung. Es gibt eine Menge Protest. Wir haben das an den Briefen gemerkt.
    Ich glaube, nicht zuletzt dies hat zu einem Umdenken bei unseren Kollegen aus den neuen Bundesländern geführt. Auch sie selber waren vielleicht am Anfang von der Überzeugung durchdrungen, daß es richtig sei, diese Versorgungssysteme in einem großen Rahmen und sehr fühlbar herunterzufahren. Das Nachdenken hat begonnen. Ich glaube, es war ein Gutteil dieses Umdenkens, das die jetzigen Regelungen begründen.

    (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS/Linke Liste]: In Ihrer Fraktion!)

    — Nein.
    Die FDP hat sich von vornherein in allen Verhandlungsrunden — das können wir nachweisen — immer dafür eingesetzt, daß die Intelligenz, die es ja auch in der DDR gab, dieser hochqualifizierte Bestand an Wissenschaftlern, Technikern, Künstlern nicht in der Altersversorgung beeinträchtigt werden darf, sondern das Erreichte behalten darf.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Der jetzige Bestandsschutz — zumindest in der Höhe, wie die Volkskammer das beschlossen hat — ist auch mit der CDU/CSU vereinbart gewesen, wenngleich die SPD vielleicht den Eindruck hat, daß es das Ergebnis der dann einsetzenden Verhandlungen gewesen ist.

    (Bundesminister Dr. Norbert Blüm: Sehr richtig!)

    — Das hätten wir — Herr Arbeitsminister Blüm, Sie geben mir recht — auch ohne die Sozialdemokraten beschlossen;

    (Beifall bei der FDP)

    denn es ist ein Faktum, daß der Volkskammerbeschluß, nach dem die Kappung bis 2010 durchgeführt werden sollte, einen gewissen Bestands- und Vertrauensschutz verdient.

    (Zustimmung bei der FDP) Die FDP begrüßt also diese Lösung.

    Weiter war geplant, daß Renten aus Sozialversicherung plus Zusatzversorgung grundsätzlich nur in der Höhe der Durchschnittsentgelte anerkannt werden sollten. Eine Verordnungsermächtigung sollte der Regierung die Möglichkeit geben, Ausnahmen zu bestimmen, z. B. für die Ärzte, die Künstler und die Techniker, und zwar dann begrenzt auf das 1,8fache des Durchschnittsentgeltes; Art. 3 des Gesetzes.
    Die weitere Kappung sollte auf Grund der Prüfung des Einzelfalles möglich sein, d. h. dann, wenn sich der Betroffene Verstöße gegen die Menschlichkeit hat zuschulden kommen lassen. Das Verfahren — so war vorgesehen — sollte in einer Kommission eröffnet werden, und der Vorschlag der Kommission sollte der Rentenversicherung die Möglichkeit zum Handeln geben. Die Rentenversicherung hätte dann im Einzelfall diese Kürzung vorgenommen.
    Beide Bestimmungen führten zu erheblichen Bedenken seitens der Verfassungsrechtler. Ich habe mir sagen lassen, daß es selten Anhörungen gab, in denen die dort vorgetragenen Bedenken auch so wirksam geworden sind für die Bestimmungen, die wir heute schließlich verabschieden werden. Das Thema ist — Frau Mascher hat es angesprochen — Strafrecht im Sozialrecht, Vergeltung durch Kürzung oder Aberkennung von Renten. Das ist in der deutschen Geschichte bislang nur einmal praktiziert worden, nämlich unter der Nazi-Herrschaft gegenüber den Juden. Es ist verständlich, daß das doch zu großen und starken Bedenken geführt hat.
    Die überhöhten Leistungen sollten also abgebaut werden; das stand im Einigungsvertrag. Was war denn die grundlegende Überlegung, die zu dieser Bestimmung im Einigungsvertrag geführt hat? Der



    Dr. Gisela Babel
    Grundgedanke war die Herstellung von Gerechtigkeit. Die Systemgewinnler sollten nicht auch noch im Rentenrecht über viele, viele Jahre hinweg in den Genuß überhöhter Versorgungen kommen.

    (Beifall der Abg. Uta Würfel [FDP])

    Das ist ein Grundsatz, dem wir auch durchaus zugestimmt haben. Zu diesen Bestimmungen sind wir nicht zuletzt durch die Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bundesländern gedrängt worden.
    Art. 3 ist in seinen Grundüberlegungen auch in dem heutigen Gesetz enthalten. Wir haben den Grundsatz zwar umgekehrt, so daß er heute lautet: Wir wollen grundsätzlich bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze gehen. Aber auch in dem jetzigen Änderungsgesetz, das von allen drei Parteien getragen wird, steht, daß in Ausnahmen — sie sind jetzt im Gesetz verankert — eine Kappung vorgesehen ist, und zwar für die Gruppen, denen wir den Vorwurf machen, dem Staat besonders nahe gewesen zu sein und dem System besonders gedient zu haben.
    Aber die Einzelfallprüfung, die Prüfung auf Verstöße gegen die Menschlichkeit ist verfassungsrechtlich natürlich besonders problematisch, weil gar nicht vorgesehen war, daß ein gerichtliches oder strafrechtliches Verfahren den Anlaß zu der Prüfung geben müßte. Ich darf in diesem Zusammenhang Bundesjustizminister Kinkel aus seiner Rede zitieren, die er anläßlich der Haushaltsberatung am 4. Juni 1991 gehalten und in der er zu der Frage Unrechtsstaat und Einzelschuld Stellung genommen hat:
    Erst wenn das Recht den Rahmen gibt, ist das Unrecht als aus dem Rahmen fallend konkretisierbar. In der DDR lagen die Dinge ganz anders: Ein ganzer Staat hatte sich in weiten Bereichen vom Recht abgekoppelt. In der DDR war die Abweichung vom Recht nicht der konkretisierbare Einzelfall, sondern vielfach die politisch gewünschte Normalität. Das ganze System ist vom Rechtsstaat in unserem System und Sinn abgewichen ... Wir
    — also im Westen —
    konnten Unrecht als Abweichung von der Norm definieren. Dies ist mit dem Geschehen in der ehemaligen DDR nicht möglich. Denn dieses System hatte sich dem Recht letztlich sozusagen nicht mehr unterworfen. Ich frage mich deshalb, ob es möglich ist, mit unserem Wert- und Rechtssystem die Ereignisse in der DDR zu erfassen und aufzuarbeiten. Unser Rechtssystem ist auf den Einzelfall zugeschnitten, nicht aber auf die Kriminalität eines Staates.
    Meine Damen und Herren, das sind meiner Ansicht nach sehr nachdenkenswerte Sätze, die uns veranlaßt haben, diesem Art. 4 sehr skeptisch gegenüberzustehen. In der Änderung, die die Koalition noch beschlossen hatte, war zumindest das Verfahren von der Rentenversicherungsanstalt schon mal abgekoppelt, was für diese sicher eine große Erleichterung war, und beim Bundesversicherungsamt angegliedert, so daß der belastende Verwaltungsakt, daß also ein Verstoß gegen die Menschlichkeit vorliegt, der zu einer Kürzung oder Aberkennung der Rente weiterhin geführt
    hätte, einer gerichtlichen Prüfung unterworfen und der Rechtsweg dann eröffnet werden kann.
    Mit der SPD sind weitere Einschränkungen vorgesehen, nämlich daß ein solches Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gegen Leib und Leben eingeleitet und diese Taten im Zusammenhang mit staatlicher Machtausübung ausgeführt sein müssen, und der Betroffene sich im Ausland befindet. Die Rente wird dann auch nicht angetastet, aber Sie wird nicht exportiert, sie wird nicht ausgezahlt.
    Das Ganze ist, man könnte sagen, eine „Regelung Honecker". Damit soll vermieden werden, daß wir, nachdem wir dieses Rentenrecht verabschiedet hätten, gezwungen wären, eine hohe Staatsrente nach Moskau zu überweisen. Andere Möglichkeiten gibt es für uns nicht. Ich denke, das ist auch richtig. Die Lösung heißt ganz schlicht reduziert: Rente oder Knast.
    Ich komme nun noch kurz zu der Regelung Stasi. Die Ansprüche aus dem Sonderversorgungssystem des Stasi waren im Volkskammerbeschluß auf 990 DM, also 10 DM unter 1 000 DM, gesenkt, aber damit im Grunde auch festgelegt worden. Die Frage für uns war: Gilt auch hierfür der Bestandsschutz, und müssen wir uns daran halten, oder sind wir nicht vielmehr genötigt, aus dem Gefühl der Gerechtigkeit, was Stasi angeht, tiefer zu gehen und die Rente abzusenken? Der Vorschlag der Koalition war 600 DM, die jetzige Regelung sieht 800 DM vor, was etwa 70 % des Durchschnittsentgeltes enthält.
    Das dahinter liegende Problem ist natürlich, daß die Stasi sozusagen für alle Zeiten mit einer 65%igen Versorgung im Vergleich zum Durchschnitt gebrandmarkt wird und daß dieses zu Schwierigkeiten führt. Aber ich gebe zu, daß dieses — man kann sagen tapfer — von der SPD durchgesetzt worden ist. Das war für viele nicht einfach. Ich nehme auch an, daß es für Kollegen und Kolleginnen aus der SPD nicht ganz einfach war, weil für die, die drüben gelebt haben, die Stasi geradezu Inbegriff des DDR-Unrechtsstaates war und natürlich die Neigung, da besonders scharf einzuschneiden, naheliegend und vielleicht auch verständlich ist. Die jetzige Regelung wird von der FDP mitgetragen.
    Meine Damen und Herren, was die Kappung der Zusatzversorgungssysteme anlangt, ist es so, daß wir grundsätzlich im Gesetz geregelt haben, daß es nicht mehr diese generelle Kappung, auf Durchschnitt, sondern eine generelle Anerkennung der Ansprüche bis zur Beitragsbemessungsgrenze gibt, mit einer Kappung in Ausnahmefällen.
    Weggefallen ist die Verordnungsermächtigung. So bleibt es unklar, wenn es nicht aus der Begründung hervorgeht, was den Gesetzgeber veranlaßt hat, in einigen Fällen — nehmen wir mal an, bei Generaldirektoren, Betriebsdirektoren, Schuldirektoren — die Kappung vorzunehmen. Mir scheint es also notwendig, auch hier noch einmal darauf hinzuweisen, was die Elemente waren, die wir in der Verordnungsermächtigung beschlossen hatten, auch wenn diese Verordnungsermächtigung nicht mehr im Gesetz steht, weil sie die Kriterien aufzeigen, nach denen



    Dr. Gisela Babel
    auch der Gesetzgeber letztlich die Entscheidung getroffen hat.
    Ursprünglich war eine relative Staats- und Systemnähe vorgesehen. Wir sind im Ausschuß wegen dieser Begriffe sehr kritisch angegangen worden. Denn wie kann man definieren, was Staatsnähe und vor allem relative Staatsnähe ist. Das ist alles sehr schwammig, schwierig, und für das Metermaß nicht geeignet.
    Die neue Fassung der Verordnungsermächtigung hatte dann versucht, das schärfer zu fassen. Hier sollte es heißen: Wenn jemand einen erheblichen Beitrag zur Aufrechterhaltung und Stärkung des politischen Systems geleistet hat, dann sollte es zur Kappung kommen. Dies war Vorschlag der FDP und sollte zumindest in der Gesetzesbegründung wieder auftauchen, weil sonst unklar bleibt, warum überhaupt der Gesetzgeber in einigen Fällen kappt.
    Erfaßt werden die Leitungsfunktionen des Staatsapparates — immer unter dem Eindruck, daß die SED natürlich verstanden hat, die Einheit von Partei und Staat dadurch herzustellen, daß sie besonders SED-treue Genossen im Staatsapparat eingestellt hat. Die Grundsätze lassen sich leicht erläutern; die Abgrenzung im Einzelfall ist außerordentlich schwierig.
    Ich möchte hier gerade in diesem Zusammenhang erwähnen, daß alle Angehörigen der Parteien, auch der Blockparteien, in diese Kappung einbezogen werden. Diese Hauptamtlichen hatten eine Rente, die nach unserem Grundsatz in dieser Höhe nicht anzuerkennen ist. Es ist richtig, diese Renten zu kappen.
    Aber auch sonst haben wir bei den Funktionen, aus denen sich ein besonders aktives Eintreten für die SED ablesen läßt, die Kappung beschlossen.
    Ich hoffe, daß das jetzt im Einzelfall einigermaßen gerecht aussieht — mit der SPD ist ja Einigung erzielt worden. Ich gehe davon aus, daß unser Rentenrecht auch im Osten seine Fortentwicklung über Gerichtsentscheidungen erfahren wird und sich dann das eine oder andere vielleicht noch korrigieren läßt.
    Im Zusammenhang mit dem Zusatzversorgungssystem und dem Änderungsantrag noch ein Wort zu den Parteien: Die SPD hat das, wie mir scheint, sehr hochgespielt und die Anhörung deswegen veranstaltet um von Verfassungsrechtlern zu hören, daß das, was wir hier tun, eine untragbare Begünstigung der Parteien darstellt.

    (Zuruf von der SPD: Ist es auch!)

    Diese Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Das, was im Gesetz steht, nämlich daß Parteien, wenn sie für ihre hauptamtlichen Mitarbeiter Beiträge für die Renten in die Sozialversicherung eingezahlt haben, dann auch frei sind und daß es sich bei diesen Beträgen nicht um eine quasi Betriebsrente mit einem Kapitaldeckungssockel handeln könne, der Rückgriff also nicht möglich ist, hat sich in der Anhörung bestätigt. Es gibt also keine Äußerung, die uns Anlaß gäbe, dies zu ändern.

    (Vorsitz: Präsidentin Dr. Rita Süssmuth)

    Auf der anderen Seite haben wir respektiert, daß die SPD diese Regelung, so wie sie vorgesehen war, nicht mittragen konnte, indem wir der Lösung, den Passus
    zu streichen und auf ein Gesetz zu verweisen, daß die Sache später noch einmal aufgreift und regelt, zugestimmt haben; insofern wurde den Einwänden der SPD begegnet. Wir haben aber nicht zugestimmt, weil sich darin sozusagen ein stillschweigendes Eingeständnis der Verfassungswidrigkeit oder auch nur der politischen Unhaltbarkeit dieser Bestimmung ergeben könnte.
    Meine Damen und Herren, zum Sozialzuschlag und zu den Fremdrenten noch einige kurze Bemerkungen. Bei den Fremdrenten wissen wir, daß die Länder mit einem eindrucksvollen 16 : 0-Beschluß fordern, daß wir die Aussiedler, wenn sie zu uns kommen, einheitlich behandeln sollten, daß sie nicht, wenn sie sich im Westen niederlassen, 80 % der Rente West, wenn sie sich im Osten niederlassen, die Rente Ost bekommen.
    Die Regelung war für uns insofern einigermaßen hinnehmbar, weil wir wußten, daß es ein ungleicher Zustand ist, der sich innerhalb von zwei Jahren durch Angleichung des Rentensystems Ost beseitigen ließe. Dennoch haben wir jetzt einer Änderung zugestimmt, die die Fremdrenten auf das Niveau von 70 % West festlegt, so daß wir im Grunde dem Bundesrat auch mit dieser Lösung entgegenkommen.
    Der Sozialzuschlag und die Auffüllbeträge sind in ihren Fristen, sowohl was Zugang als auch was Abschmelzen betrifft, verlängert worden. Wir haben auch der Dynamisierung des Sozialzuschlags innerhalb der Grenzen der Sozialhilfe zugestimmt. Für uns ist das kein Einstieg in die Mindestrentenregelung, weil wir daran festhalten wollen, daß wir das soziale Hilfssystem neben der Rente beibehalten. Aber wie gesagt, auch hier gibt es sicher unterschiedliche Auffassungen; wir wollen das nicht verkennen.
    Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren: Das Renten-Überleitungsgesetz insgesamt haben wir positiv gewürdigt, aber in den angezeigten Problemfeldern haben wir in der Diskussion durch Vorschläge eine gute Lösung erreicht. Die FDP begrüßt dieses Gesetz insgesamt.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Die CDU auch!)

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)