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    Plenarprotokoll 12/32 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 32. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. Juni 1991 Inhalt: Nachträgliche Überweisungen von Gesetzentwürfen an weitere Ausschüsse 2493 A Überweisungen von Vorlagen an Ausschüsse 2493 A Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Peter Götz, Georg Brunnhuber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Fraktion der FDP: Wohnen im Alter — Förderung der Selbständigkeit in der Gemeinschaft (Drucksache 12/434) Peter Götz CDU/CSU 2493 B Dieter Maaß (Herne) SPD 2495 A Lisa Peters FDP 2496 C Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 2497 D Dr. Walter Hitschler FDP 2498 B, 2501 A Joachim Günther, Parl. Staatssekretär BMBau 2498 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 2499 C Gabriele Iwersen SPD 2500 A Erika Reinhardt CDU/CSU 2502 B Roswitha Verhülsdonk, Parl. Staatssekretärin BMFuS 2503 B Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Einsetzung eines Ausschusses Treuhandanstalt (Drucksache 12/433) b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Entschuldung der Treuhandunternehmen (Drucksache 12/615) c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Fach- und Rechtsaufsicht über die Treuhandanstalt (Drucksache 12/618) d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Achim Großmann, Norbert Formanski, Iris Gleicke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Entschuldung der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen in den neuen Bundesländern (Drucksache 12/614) e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Den Aufbau in den neuen Ländern vorantreiben — Investitionen fördern — Umwelt sanieren — Verwaltungskraft stärken (Drucksache 12/670) f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald B. Schäfer (Offenburg), Brigitte Adler, Robert Antretter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Mehr Arbeit durch mehr Umweltschutz in den neuen Bundesländern (Drucksache 12/676) g) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reorganisation und Verwertung des ehemaligen volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) (Drucksache 12/552) h) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Heuer, Dr. Gregor Gysi, Bernd Henn und der Gruppe der PDS/ Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" vom 6. Oktober 1969 (Drucksache 12/613) in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Juni 1991 Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Sicherung von Arbeitsverhältnissen für eine Übergangszeit in den neuen Ländern (Drucksache 12/725) Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Arne Börnsen (Ritterhude), Helmut Esters, Robert Antretter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Aufgaben der Treuhandanstalt (Drucksache 12/726) Zusatztagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Abgeordneten Werner Schulz (Berlin), Dr. KlausDieter Feige, Dr. Wolfgang Ullmann und der Gruppe Bündnis 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Sanierung und Reorganisation des Treuhandvermögens (Treuhandgesetz) (Drucksache 12/735) Wolfgang Thierse SPD 2505 A Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 2507 D Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 2509 B Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste 2510 B, 2512 C Horst Gibtner CDU/CSU 2512 B Paul K. Friedhoff FDP 2512 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste 2514 C Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär BMF 2515 A Arne Börnsen (Ritterhude) SPD 2516 B Dr. Christian Neuling CDU/CSU . 2519 A, 2521 C Wolfgang Roth SPD 2521 A Hinrich Kuessner SPD 2521 D Ulrich Petzold CDU/CSU 2523 C Dr. Jürgen Starnick FDP 2524 C Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste 2524 D Franz Müntefering SPD 2526 A Gerhard Schulz (Leipzig) CDU/CSU 2526 C Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 2527 B Rolf Rau CDU/CSU 2528 A Dr. Bertram Wieczorek, Parl. Staatssekretär BMU 2529 B Dr. Konrad Elmer SPD 2530 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu den Wünschen hinsichtlich einer Erhöhung der Rundfunkgebühren und der Erweiterung der Werbezeiten Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP 2530 D Dr. Joseph-Theodor Blank CDU/CSU 2531 D Margot von Renesse SPD 2532 D Wilfried Seibel CDU/CSU 2534 A Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste 2535 A Franz Heinrich Krey CDU/CSU 2535 C Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 2536 C Gerhart Rudolf Baum FDP 2537 B Dr. Eberhard Brecht SPD 2538 A Dr. Bernd Protzner CDU/CSU 2538 D Wolfgang Clement, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 2539 C Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI . 2541 D Dr. Peter Glotz SPD 2542 D Wolfgang Schulhoff CDU/CSU 2543 C Nächste Sitzung 2544 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 2545* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2545* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Juni 1991 2493 32. Sitzung Bonn, den 14. Juni 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 14. 06. 91 Becker-Inglau, Ingrid SPD 14. 06. 91 Daubertshäuser, Klaus SPD 14. 06. 91 Duve, Freimut SPD 14. 06. 91 Ehrbar, Udo CDU/CSU 14. 06. 91 Eylmann, Horst CDU/CSU 14. 06. 91 Dr. Faltlhauser, Kurt CDU/CSU 14. 06. 91 Dr. Feige, Klaus-Dieter Bündnis 90/ 14. 06. 91 GRÜNE Gansel, Norbert SPD 14. 06. 91 Genscher, Hans-Dietrich FDP 14. 06. 91 Glos, Michael CDU/CSU 14. 06. 91 Grünbeck, Josef FDP 14. 06. 91 Dr. Haussmann, Helmut FDP 14. 06. 91 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 14. 06. 91 Ibrügger, Lothar SPD 14. 06. 91 Jagoda, Bernhard CDU/CSU 14. 06. 91 Jaunich, Horst SPD 14. 06. 91 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 14. 06. 91 Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 14. 06. 91 Jungmann (Wittmoldt), SPD 14. 06. 91 Horst Kastning, Ernst SPD 14. 06. 91 Keller, Peter CDU/CSU 14. 06. 91 Dr. Kolb, Heinrich FDP 14. 06. 91 Leonhard Kolbe, Regina SPD 14. 06. 91 Kors, Eva-Maria CDU/CDU 14. 06. 91 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 14. 06. 91 Günther Dr. Küster, Uwe SPD 14. 06. 91 Lamp, Helmut Johannes CDU/CSU 14. 06. 91 Lowack, Ortwin fraktionslos 14. 06. 91 Dr. Mertens (Bottrop), SPD 14. 06. 91 Franz-Josef Dr. Mildner, Klaus CDU/CSU 14. 06. 91 Gerhard Dr. Müller, Günther CDU/CSU 14. 06. 91* Müller (Völklingen), Jutta SPD 14. 06. 91 Müller (Wadern), CDU/CSU 14. 06. 91 Hans-Werner Neumann (Gotha), SPD 14. 06. 91 Gerhard Pfuhl, Albert SPD 14. 06. 91 Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 14. 06. 91 Susanne Reichenbach, Klaus CDU/CSU 14. 06. 91 Reschke, Otto SPD 14. 06. 91 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 14. 06. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 14. 06. 91* Schmalz-Jacobsen, FDP 14. 06. 91 Cornelia Schmidt (Nürnberg), SPD 14. 06. 91 Renate Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 14. 06. 91 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Schulte (Schwäbisch CDU/CSU 14. 06. 91 Gmünd), Dieter Dr. Sonntag-Wolgast, SPD 14. 06. 91 Cornelie Spilker, Karl-Heinz CDU/CSU 14. 06. 91 Toetemeyer, SPD 14. 06. 91 Hans-Günther Verheugen, Günter SPD 14. 06. 91 Vosen, Josef SPD 14. 06. 91 Weißgerber, Gunter SPD 14. 06. 91 Welt, Hans-Joachim SPD 14. 06. 91 Wolf, Hanna SPD 14. 06. 91 Wonneberger, Michael CDU/CSU 14. 06. 91 Zierer, Benno CDU/CSU 14. 06. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 7. Juni 1991 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz über die zwanzigste Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (KOV-Anpassungsgesetz 1991 - KOVAnpG 1991) Gesetz zu dem Abkommen vom 8. Dezember 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit Gesetz zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften (AFG u. a. ÄndG) Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und anderer Gesetze Zu den beiden letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: A. Zum Gesetz zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften (AFG u. a. ÄndG): Der Bundesrat hat mit seinen Beschlüssen zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften (Drucksache 149/91) vom 19. 4. 1991 in einigen Punkten wesentliche Änderungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung gefordert. Insbesondere handelte es sich dabei um - die Beibehaltung der 10-Monatsdauer von Sprachlehrgängen; - die Beibehaltung des § 128 AFG; - die Verlängerung der Kurzarbeitergeld-Sonderregelung in den neuen Bundesländern bis zum 31. 12. 1992; - die Verhinderung der Benachteiligung von Kurzarbeitern, die aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht an einer Qualifizierungsmaßnahme teilnehmen können. Die Forderungen des Bundesrates werden von dem Anliegen getragen, zu einer mittelfristigen Verstetigung und Berechenbarkeit von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zu kommen, die für die Bewältigung der enormen beschäftigungs- und wirtschaftspolitischen Anpassungsprozesse in den neuen Ländern unabdingbar ist. So sollte Unternehmern, Arbeitnehmern, den Akteuren der Arbeitsmarktpolitik und Trägern die dringend notwendige mittelfristige Rechts- und Planungssicherheit vermittelt werden. 2546* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Juni 1991 Die Haltung der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen im Bundestag, lediglich eine 6-monatige Verlängerung der Sonderregelung für Kurzarbeiter vorzusehen, gründet sich nach Auffassung des Bundesrates nach wie vor auf der höchst unrealistischen Annahme, sich selbst tragende wirtschaftliche Aufschwungtendenzen könnten kurzfristig zu einem nachhaltigen Abbau der Arbeitslosigkeit führen. Ebenso arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv ist nach Auffassung des Bundesrates die zunächst ersatzlose Aufhebung des § 128 AFG. Sie wird in den neuen Ländern einer verstärkten Freisetzung älterer Arbeitnehmer durch Betriebe und Unternehmen zu Lasten des ohnehin aufs äußerste angespannten Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit — und damit letztendlich der Beitragszahler — Tür und Tor öffnen. Darüber hinaus hat der Bundesrat Vorschläge zur Weiterentwicklung des arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums des AFG unterbreitet. Hervorzheben sind hier — die Berücksichtigung von Frauen in Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen und ABM entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen; — die Erleichterung des Zugangs zu Maßnahmen der Fortbildung und Umschulung für von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer; — die verbesserte Verknüpfung von Qualifizierung und ABM in Teilzeitform für benachteiligte Gruppen auf dem Arbeitsmarkt; — die Erhöhung des Zeitanteiles für Qualifizierung und/oder sozialpädagogische Betreuung in ABM von 10 % auf 20 %; — das Absehen von dem Erfordernis des Nachweises einer Betreuungsmöglichkeit für Kinder während der Arbeitslosmeldung (§ 103 AFG); — die Ausdehnung des Geltungsbereichs des § 40c Abs. 4 AFG-DDR auf Regionen mit überdurchschnittlichem Ausbildungsplatzdefizit. Der Bundesrat bedauert, daß sich die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen diesen Vorschlägen zur Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik verschlossen haben. Angesichts der äußerst knappen Fristsetzungen im Verfahren, für die die Bundesregierung die Verantwortung trägt und der unmittelbaren Notwendigkeit, zum 30. 6. 1991 auslaufende Sonderregelungen im Beitrittsgebiet zu verlängern, verzichtet der Bundesrat auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Der Bundesrat fordert in diesem Zusammenhang jedoch die Bundesregierung auf, in der für den Herbst angekündigten weiteren AFG-Novellierung die von der Mehrheit der Länder beschlossenen Regelungen in das AFG aufzunehmen. B. Zum Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und anderer Gesetze: Der Bundesrat beobachtet mit großer Besorgnis die Arbeitsmarktlage in den ländlichen Räumen der östlichen Bundesländer, die durch die Auswirkungen des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes noch weiter verschlechtert wird. Ungeachtet der agrarpolitischen Notwendigkeit für eine Strukturreform sollte stärker berücksichtigt werden, daß gerade in den ländlichen Räumen die alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten für die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer völlig unzureichend sind. Es sollte versucht werden, zumindest für eine Übergangszeit von drei bis fünf Jahren einen großen Teil der vorhandenen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in Form ihrer Nachfolgebetriebe (e. G., GmbH u. a.) als Arbeitsstätten zu erhalten — in welcher Rechtsform auch immer. Sonst ist in den ländlichen Räumen eine noch deutlich höhere Arbeitslosigkeit zu befürchten, als ohnehin in den neuen Bundesländern im Vergleich zu den alten Bundesländern zu erwarten ist — mit allen sozialen Folgen für die betroffenen Familien, aber auch der Landflucht der noch vermittelbaren jüngeren Arbeitskräfte und allen daraus entstehenden Folgewirkungen auf Besiedlungsdichte, regionale Wirtschaftskraft usw. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 13. Juni 1991 mitgeteilt, daß sie ihre Anträge Einsetzung von Ausschüssen — Drucksache 12/39 — und Einsetzung eines Ausschusses für Fragen der Europäischen Gemeinschaft — Drucksache 12/448 — zurückzieht. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 12/157 Nr. 1.5, 1.17, 1.18, 1.19 Drucksache 12/210 Nr. 8 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/210 Nr. 10 Finanzausschuß Drucksache 12/269 Nr. 2.10
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    Rede von Manfred Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Treuhandanstalt steht natürlicherweise — man kann auch sagen: zwangsläufig — im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Geschehens in den neuen Bundesländern. Aber man darf nicht vergessen, daß es darüber hinaus erhebliche Entwicklungen gibt, die nicht zu vernachlässigen sind. Es gibt zwischenzeitlich mehr als 300 000 Selbständige in den neuen Bundesländern. Das spricht von Mut und Dynamik. Monatlich kommen fast 30 000 hinzu.

    (Wolfgang Thierse [SPD]: Wieviel Beschäftigte haben sie?)

    Man kann fast überall in den neuen Ländern feststellen, daß sich eine dynamische Entwicklung in Gang gesetzt hat, die bei allen Problemen, die es auch gibt, unüberschaubar ist.
    Die Treuhandanstalt hat die Aufgabe, nach folgender Maßgabe zu handeln: schnelle Privatisierung, entschlossene Sanierung, behutsame Stillegung, wie der ermordete Präsident, Rohwedder, einmal formulierte.
    Die Treuhandanstalt kann beachtliche Erfolge auf diesem Gebiet vorweisen. Der Motor ihrer Unternehmensverkäufe läuft mit rund 300 pro Monat gegenwärtig auf hohen Touren. Im Mai gab es sogar 544 Einzelfälle. Bis jetzt konnten ca. 2 140 Unternehmen an private Eigentümer übergeben werden. Auf diese Weise sind bis heute über 467 000 Arbeitsplätze und Investitionen in Höhe von rund 62 Milliarden DM gesichert worden. Insgesamt sind in den neuen Bundesländern in den vergangenen zwölf Monaten rund 1 Million neue Arbeitsplätze entstanden.
    Treuhandanstalt, Deutscher Gewerkschaftsbund und die Deutsche Angestelltengewerkschaft haben eine gemeinsame Erklärung vorgelegt, wonach die Sicherung von Beschäftigungsmöglichkeiten sowie die Qualifizierung von Arbeitnehmern in den neuen Bundesländern unter Nutzung aller Möglichkeiten Vorrang haben sollen. Die Treuhandanstalt wird zur Verwirklichung dieses Zieles im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags beitragen. Unser Ziel ist klar: Die Wirtschaft in Ostdeutschland muß wettbewerbsfähig gemacht und der Lebensstandard der Bevölkerung muß möglichst schnell dem Niveau in den alten Bundesländern angepaßt werden.
    Dazu ist vieles auf den Weg gebracht worden. Herr Kollege Thierse, ich darf beispielsweise das Programm Aufschwung Ost erwähnen, in dem viele hunderttausende Arbeitsplätze über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen geschaffen werden sollen, wovon schon jetzt über 110 000 zur Verfügung stehen — Arbeitsplätze über ABM wie nie zuvor, auch für viele Umweltprojekte, für Straßenbaumaßnahmen. Es gibt die Investitionspauschalen, die an die Kommunen und an die Landkreise geflossen sind. Die Mechanismen sind in Gang gesetzt, um zu einer zügigen Einkommensangleichung zu kommen. Soziale Abfederungen sind für alle wichtigen Bereiche beschlossen. Mehr konnte man kaum tun.
    Dies alles — auch das möchte ich einmal erwähnen — war nur möglich, weil es bei der Politik der jetzigen Bundesregierung in der alten Bundesrepublik eine überaus gesunde wirtschaftliche Lage gibt. Wenn die SPD bei der Lage 1981/82 weiterregiert hätte, hätten wir die Kraft zu diesen Maßnahmen überhaupt nicht gehabt.

    (Beifall bei der CDU/CSU un I der FDP — Detlev von Larcher [SPD]: So ein Quatsch!)

    Meine Damen und Herren, die vorliegenden Anträge auf Änderung der Ressortzuständigkeit für die Treuhandanstalt und auf Änderung des Treuhandgesetzes sind nicht hilfreich. Die Fach- und die Rechtsaufsicht sind klar geregelt. Art. 25 des Einigungsvertrages gibt hierzu Auskunft. Die Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsminister und den anderen Ressorts funktioniert hervorragend. Das Treuhandgesetz hat sich bisher bewährt. Ich kann sagen: Nach anfänglichen Schwierigkeiten bewährt es sich immer besser.
    Die Treuhandanstalt sieht ihren Auftrag nicht allein in der Privatisierung, sondern auch in der Sanierung und Umstrukturierung der Unternehmen. Die Erfahrungen zeigen: Sanierung und Umstrukturierung bilden mit der Privatisierung oft eine Einheit. Sie gehen Hand in Hand. Den von der Opposition konstruierten Widerspruch zwischen Sanierung und Privatisierung gibt es nicht.
    Die Treuhandanstalt arbeitet eng und vertrauensvoll mit den betroffenen Ländern zusammen. In den Wirtschaftskabinetten der Länder wirken hochrangige Vertreter der Treuhandanstalt mit.
    Wir sollten, meine Damen und Herren, die Treuhandanstalt ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen lassen. Ständige Forderungen, sie umzuorganisieren, sind wenig hilfreich. Deshalb bedarf es keiner Gesetzesänderung, schon gar nicht eines neuen Treuhandgesetzes, wie Sie, meine Damen und Herren von der Gruppe PDS/Linke Liste, es vorschlagen. Daß Sie von erfolgreicher Unternehmensführung nichts verstehen, Herr Kollege Briefs, haben Ihre Vorgänger mehr als 40 Jahre jeden Tag aufs neue bewiesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zahlreiche Unternehmen aus den neuen Bundesländern sind durch Altschulden aus der Zeit der Kommandowirtschaft erheblich belastet. Das ist wahr. Die Bundesregierung ist sich der Notwendigkeit von Entschuldungen in einem bedeutenden Umfang bewußt. Sie hält jedoch nach wie vor die im Einigungsvertrag verankerte einzelfallbezogene vollständige oder teilweise Entschuldung der Unternehmen für die sachgerechte Problemlösung. Eine globale Streichung aller



    Parl. Staatssekretär Manfred Carstens
    Altschulden von ca. 100 Milliarden DM wäre ebenso willkürlich, wie die frühere Zuteilung von Schulden durch das DDR-System willkürlich war.
    Lassen Sie mich auch deutlich sagen und noch einmal bestätigen, was schon Kollegen vor mir gesagt haben: Am Prinzip der Entschuldung nach Einzelfallprüfung ist bisher noch kein Privatisierungs- oder Sanierungsvorhaben gescheitert.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Das sollte auch einmal ins Bewußtsein der Opposition gelangen, damit die gegenteilige Behauptung nicht ständig wiederholt wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Damit sie es endlich begreift!)

    Die Härten, die der Strukturwandel im Osten mit sich bringt, erfordern in hohem Maße praktische Solidarität gerade auch von den Bürgern in den westlichen Ländern. Die Bundesregierung hat zur Unterstützung und sozialen Abfederung des raschen Wirtschaftswandels in den neuen Bundesländern ein breites Maßnahmenbündel für Arbeitnehmer, Betriebe und öffentliche Infrastruktur in einem bisher nicht gekannten Ausmaß in Kraft gesetzt. Die Fördermaßnahmen des Bundes für die ostdeutschen Länder betragen allein in diesem Jahr rund 100 Milliarden DM. Das entspricht etwa der Hälfte des ostdeutschen Sozialprodukts. Das ist ein beispielloser Einsatz finanzieller Mittel zur Bewältigung der historischen Aufgabe der Transformation eines sozialistischen, zentral geleiteten Planwirtschaftssystems in ein freies marktwirtschaftliches System.
    Ich hatte gerade gestern im Bundesfinanzministerium eine Abgeordnetendelegation des ungarischen Parlaments zu Besuch. Ich kann Ihnen nur sagen, auch dort hätte man gern eine solche Unterstützung, wie sie die neuen Bundesländer von uns erfahren. Wir sind froh darüber, daß wir so stark sind, diese Aufgabe leisten zu können. Wir wollen auch die Ungarn nicht vergessen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, die Weichen für eine gute Entwicklung sind gestellt, und ich bin sehr zuversichtlich, daß wir die Arbeit auch schaffen.
    Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Arne Börnsen.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu den zumindest schönfärberischen Ausführungen des Herrn Staatssekretärs möchte ich behaupten: Die traditionelle Wirtschaftspolitik ist nicht in der Lage, die drohende Entindustrialisierung in den neuen Ländern zu verhindern. Dieser Satz soll sicherlich provozieren, aber nicht um zum wiederholten Male die Vorwürfe und Rechtfertigungen zu formulieren, sondern um den Versuch zu machen, Positionen zu überdenken und neue Lösungsansätze zu finden. Denn ich bin sehr wohl der Überzeugung, daß die bisherigen Initiativen nicht ausreichen, um zu verhindern, daß wir einen schnellen Entindustrialisierungsprozeß in den neuen Bundesländern haben, mit dem Ergebnis, daß, um dies zu überwinden und wieder aufzufangen, zuviel Zeit ins Land gehen wird.
    Ich meine aber auch, daß das notwendig ist, weil wir bei den Menschen in den neuen Bundesländern vielleicht eher auf offene Ohren stoßen, wenn wir z. B. eine Art öffentliches Brainstorming hier im Parlament versuchen, statt uns mit bekannten Vorwürfen zu traktieren oder die Sache schönzufärben.
    Damit ich nicht falsch verstanden werde, meine Damen und Herren: Für uns ist unstrittig, daß sich die Bundesregierung 1990 an den Tatsachen in der damaligen DDR vorbeimogelte, den Bürgern Sand in die Augen streute, den parteipolitischen Wahlerfolg höher bewertete als das Interesse der Bürger in den neuen Bundesländern. Daß sie sich aus dieser selbstgestellten Falle nicht herausmogeln kann, zeigen die jüngsten Wahlergebnisse.
    Ob die Bundesregierung zwischenzeitlich allerdings zu einer realistischen Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung — genauer: der wirtschaftlichen Gefahren durch den Zusammenbruch der Industrie — in den neuen Ländern, bereit ist, muß immer noch bezweifelt werden. Die heutige Debatte bestätigt diese Zweifel.
    Zur Begründung möchte ich auf die Antwort auf eine schriftliche Frage meines Kollegen Wolfgang Roth verweisen. Das ist in den ersten Ausführungen des Kollegen, der inzwischen zu der Trauung unterwegs ist, allerdings in anderer Weise auch deutlich geworden. Wolfgang Roth fragte nach dem Abfluß der Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur " in den neuen Ländern und erhielt von Staatssekretär Beckmann die Antwort, daß bis Ende April ca. 5 000 Anträge der gewerblichen Wirtschaft und 1 000 Anträge für Maßnahmen der wirtschaftsnahen Infrastruktur mit einem potentiellen Investitionsvolumen von 44 Milliarden DM gestellt worden sind. Das klingt gut; das sind genau die Investitionen, auf die wir alle warten. Entschieden wurden jedoch bisher nur 255 Anträge, d. h. 4,2 %. Von den vorgesehenen Investitionen sind allenfalls ein Viertel realisiert. Das ist in der Antwort von Herrn Staatssekretär Beckmann nachzuvollziehen.
    Hier klafft eine beträchtliche Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, und unser Vorwurf, daß die Bundesregierung in bedenklicher Weise zur Schönfärberei neigt, wird erneut bestätigt.
    Ich habe einleitend behauptet, daß die bisherige Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nicht in der Lage ist, die drohende Entindustrialisierung in den neuen Bundesländern zu verhindern. Auch durch die Prognose der Wirtschaftsforscher wurde bestätigt
    — Wolfgang Thierse hat schon darauf hingewiesen —, daß für den Herbst dieses Jahres ein Rückgang der ostdeutschen Industrieproduktion auf 25 % des Vorjahres zu erwarten ist, — zu befürchten ist, wäre wohl zutreffender zu sagen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist alles Schwarzmalerei!)

    — Die Forscher wissen es offensichtlich zu gut.



    Arne Börsen (Ritterhude)

    Zugegebenerweise ist die bundesdeutsche Wirtschaftspolitik bisher mit solch umwälzenden Problemen nicht konfrontiert worden. Die Philosophie, daß die Marktwirtschaft schon alles richten werde, wie auch in dem Beitrag des Kollegen von der FDP zum Ausdruck kam, ist in der Vergangenheit nicht grundsätzlich in Frage gestellt worden, mit Ausnahme solcher Problembranchen, wo selbstverständlich staatlich interveniert wurde: Werftindustrie und Kohlebergbau. Daß das kein neues Mittel ist, müßte Ihnen an und für sich bekannt sein.
    Nur ist zwischenzeitlich erkennbar geworden, daß die bisherigen Instrumente nicht im entferntesten geeignet sind, den Zusammenbruch ganzer Wirtschaftszweige zu verhindern. Aber diese Erkenntnis hat sich bei der Bundesregierung bedauerlicherweise offensichtlich nicht durchgesetzt — zum Schaden der neuen Länder.
    Ein Beleg dafür ist die Antwort, die die Bundesregierung auf eine von uns im April gestellte Kleine Anfrage gegeben hat, nämlich gar keine. Die Antwort steht noch aus.
    Worum geht es? Bei einem Besuch bei den Werftstandorten in Mecklenburg-Vorpommern hat eine Arbeitsgruppe meiner Fraktion eine Anfrage an die Regierung mit dem Ziel gerichtet, ein Küstenstrukturprogramm zu initiieren. Das Wirtschaftsministerium bat um Fristverlängerung, da Frage und Antwort so komplexe Themen berühren.
    Ich bezweifele nicht, daß das ein komplexes Thema ist. Aber die Probleme der Küstenregion sind nicht erst seit dem Frühjahr 1991 bekannt.
    Der von der Staatspartei SED gehätschelte Devisenbringer Schiffbau in Wismar, Rostock, Stralsund und Wolgast wird zumindest erheblich eingeschränkt werden müssen.
    Verursacher sind neben anderen Problemen, die ich hier nicht noch einmal zu nennen brauche, verantwortungslose westliche Geschäftemacher — die seriöse Bezeichnung „Reeder" wäre unangemessen —, die die Zeit vor der Währungsunion nutzten, um Schiffe zu bestellen, die nach dem 1. Juli 1990 nicht mehr kostendeckend produziert werden können.
    Zweitens. Mit dem beträchtlichen Rückgang der Schiffahrtkapazitäten wird ein entsprechender Rückgang auch der Arbeitsplätze in der maritimen Wirtschaft verbunden sein, ob in der elektronischen Industrie oder im Maschinenbau oder in weiteren Bereichen.
    Die Fischereiindustrie an der Ostseeküste ist bereits jetzt im Prozeß des Zusammenbruchs. Die Versorgung wird im wesentlichen aus den Nordseehäfen sichergestellt.
    Die Hafenwirtschaft ist auf weniger als die Hälfte der ehemaligen Umschlagmenge zurückgegangen. Hamburg hat sein Hinterland wiedergewonnen; Rostock hat es verloren.
    Ich habe die Küstenregion erwähnt, weil hier der Mangel an vorausschauender Politik beispielhaft deutlich wird. Aber zu übertragen ist dieses Beispiel auch auf den Raum Chemnitz mit seiner Abhängigkeit von der Textilindustrie, auf die Region Halle mit der
    Chemieindustrie und auf die Baunkohleregion an der deutsch-polnischen Grenze.
    Lassen Sie mich deshalb einige grundsätzliche Fragen stellen. Welche annähernd vergleichbaren Erfahrungen bei der Bewältigung wirtschaftlicher Krisen haben wir in der Bundesrepublik sammeln können, und worin unterscheiden sich die dabei gewonnenen Erkenntnisse von den aktuellen Anforderungen? Welche zusätzlichen Lösungen müssen gesucht werden? Und verfügen wir über ausreichende Vorstellungen und Instrumente? Wo ist gegebenenfalls zusätzlicher Planungsbedarf?
    Die Dramatik der Entwicklung in den genannten Regionen ergibt sich besonders aus der Geschwindigkeit des Zusammenbruchs ehemals prägender Strukturen. Auch in Westdeutschland haben wir Umstrukturierungsprozesse durchstehen müssen und erfolgreich abgeschlossen, so im Ruhrgebiet und an der Küste.
    Aber für die Bewältigung der Krisen bei uns stand mehr als ein Jahrzehnt zur Verfügung. Jetzt jedoch liegt die Frist eher bei einem Jahr.
    Daraus ergibt sich die Notwendigkeit von Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften. Sie sind die tragfähigste und den meisten Erfolg versprechende arbeitsmarktpolitische Brücke zu neuen, modernen und wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen.
    Den Sozialdemokraten liegt aber sehr am Herzen, daß jenseits aller verbalen Zustimmung das praktiziert wird, was Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften mit Leben erfüllt. Das sind die spezielle Kurzarbeiterregelung und die besonderen Bestimmungen über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den neuen Ländern.
    Nach Geist und Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen soll ein Maximum von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in solchen Gesellschaften mit sinnvollen Arbeiten wie Industrieflächensanierung beschäftigt und beruflich fortgebildet werden, ohne daß das Arbeitsverhältnis mit dem angestammten Betrieb erlischt.
    Mit unserem diesbezüglichen Antrag wollen wir sichern, daß Massenentlassungen die Ausnahme bleiben. Denn für die Betroffenen sind Beschäftigungsgesellschaften der sozialverträglichste Weg, um die wirtschaftliche Umgestaltung durchzustehen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sonst verlieren sie die soziale Bindung an ihren Betrieb ; sonst muß jeder einzelne die Initiative zur Qualifizierung mühsam zurückgewinnen. Wir wollen das auf der Grundlage der gegebenen Möglichkeiten verhindern.
    Wer eine solche Suche nach sozialverträglichen arbeitsmarktpolitischen Wegen mit Wirtschaftsfeindlichkeit gleichsetzt und behauptet, Investoren scheuten vor der Praxis der Beschäftigungsgesellschaften zurück, verläßt die Linie, die wir gemeinsam im Einigungsvertrag angelegt haben.
    Im übrigen können Beschäftigungsgesellschaften kein Hindernis für die wirtschaftliche Umgestaltung sein; denn die anfallenden Personal-, Management-



    Arne Börsen (Ritterhude)

    und Sachkosten belasten zu fast 100% die Steuer- und die Beitragszahler, aber eben nicht die Investoren. Wer dennoch meint, Millionen Arbeitssuchende seien eine notwendige Zwischenetappe auf dem Weg zur Marktwirtschaft, sollte wenigstens die politischen Risiken in Rechnung stellen, die ein Heer desillusionierter, verzweifelter und um ihre Perspektive gebrachter Menschen mit sich bringt.

    (Beifall bei der SPD)

    Beschäftigungsgesellschaften sollen die Fristen überbrücken, die zur Schaffung neuer industrieller Strukturen notwendig sind. Für die genannten besonders betroffenen Regionen muß aber auch eine Perspektive erarbeitet werden, wie denn neue industrielle Strukturen tatsächlich geschaffen werden können. Dafür, meine ich, müssen Bund und Länder die Kommunen bzw. die Regionen finanziell in die Lage versetzen, unter Beteiligung von Hochschulen und Forschungsinstituten Entwicklungskonzepte für die Regionen zu entwerfen, um auf der Grundlage von Flächennutzungsplänen und anderen Voraussetzungen, die natürlich nicht geschmälert werden sollen, Industriestandorte auszuweisen und zu erschließen bzw. zu sanieren.
    Gleichzeitig sind in der Form konzertierter Aktionen unter Beteiligung von Industrie und Gewerkschaften, aber auch — wegen der notwendigen Risikoabsicherung — der Banken die Entwicklungskonzepte zu realisieren, also die Produktionsbereiche zu bestimmen, für die perspektivische Marktanalysen den Aufbau neuer Standorte rechtfertigen.
    Solche Investitionen sind für einen Übergangszeitraum nicht oder kaum rentabel durchzuführen. Auf deutsch gesagt: Sie rechnen sich nicht. Dies ist wohl auch der Grund dafür, daß Investitionen in dem erforderlichen Umfang sowohl aus den westlichen Bundesländern als auch aus dem Ausland unterbleiben; denn Investitionen in den neuen Bundesländern werden heute wieder unter rein ökonomischen Gesichtspunkten bewertet, obwohl Anfang 1990 viel von Pioniergeist und sogar von Patriotismus die Rede war.
    Weil sich die Investitionen nicht rechnen, bleibt sowohl das deutsche als auch das ausländische Kapital auf der Bank und bringt Zinsen. Die Produktionsgesellschaften sind auf dem besten Wege, Vermögensverwaltungsgesellschaften zu werden; so ein Kommentar aus dem „Handelsblatt" .
    Eine solche Investitionszurückhaltung ist meines Erachtens nicht akzeptabel. Sie wird jedoch nicht durch Appelle überwunden — heute konnten wir wieder Andeutungen solcher Appelle hören — , sondern nur durch eigene, zusätzliche wirtschaftspolitische Initiativen. Es muß ja nicht gleich glühender Patriotismus sein, aber mehr Risikobereitschaft und mehr Pioniergeist müssen von der Industrie, von der Wirtschaftspolitik und von den Banken erwartet werden.
    Meine Damen und Herren, ich habe mich in meinen bisherigen Ausführungen auf zwei wesentliche Aspekte unserer Anträge konzentriert, nämlich die Förderung von Investitionen in den neuen Ländern und die Bildung von Beschäftigungsgesellschaften. Abschließend will ich einen Schwerpunkt aufzeigen, der nicht unberücksichtigt bleiben darf, nämlich das ganze Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung und Förderung des Wohnungsbaus in den neuen Ländern, welches in unserem Antrag zur Entschuldung der kommunalen genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen enthalten ist.
    Ich will zwei Punkte aufgreifen. Die Kommunen haben durch den Einigungsvertrag den ehemals volkseigenen Wohnungsbestand von 2,7 Millionen Wohnungen übernommen. Auf diesen Wohnungen und den zusätzlichen 1,1 Millionen Genossenschaftswohnungen lasten ca. 50 Milliarden DM Altschulden, deren Rechtmäßigkeit von den Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden und der Wohnungswirtschaft, aber auch von unabhängigen Gutachtern sehr wohl bezweifelt wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Die zu über 95 % der Treuhand gehörende Kreditbank will die Wohnungsunternehmen jetzt zum Abschluß neuer Kreditverträge zwingen mit der Drohung, ansonsten das Zinsmoratorium nicht zu gewähren.
    Meine Damen und Herren, es ist geradezu skandalös, daß die Bundesregierung einerseits auf eine Kleine Anfrage der SPD hin wörtlich erklärt „Die Problematik der Altschuld im kommunalen Wohnungsbestand, insbesondere die Zuordnung auf die einzelne Wohnung, ist noch nicht geklärt" , andererseits die Kreditbank trotz dieser ungeklärten Rechtslage die Unternehmen über neue Kreditverträge zwingen will, die Rechtmäßigkeit von dubiosen Schulden anzuerkennen.

    (Achim Großmann [SPD]: Ungeheuerlich!)

    Überhaupt ist nicht einsehbar, warum, wenn auch noch nicht zureichend, die Sanierung in anderen Bereichen wie etwa der Landwirtschaft oder der Industrie u. a. durch Schuldenerlaß oder Schuldenübernahme durch die Treuhand erfolgt, die Wohnungsgesellschaften aber zweifelhafte Schulden voll übernehmen müssen und damit investitionsunfähig werden.

    (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Aber auch erhebliche Werte!)

    — Das sind Werte! Ich bin begeistert.
    Seit Beginn des Jahres explodieren die Betriebskosten bei Strom, Wasser, Müllabfuhr, Abwasserentsorgung usw. und sorgen für zusätzliche Defizite mit der Folge des Verlustes der Liquidität. Rechnungen bleib en unbezahlt. Die Wohnungsunternehmen haben Aufträge in Milliardenhöhe storniert.
    Der Wahnsinnskreislauf geht weiter: Die Bauwirtschaft verzeichnet kaum Aufträge, Bauarbeiter
    — ausgerechnet die — werden entlassen, kleine und mittlere Handwerksbetriebe müssen aufgeben. Das alles ist die Folge eines völlig überflüssigen Kompetenzgerangels, welches die Bundesregierung angezettelt hat.

    (Franz Müntefering [SPD]: Leider wahr!)

    Meine Damen und Herren, auch diese Beispiele zeigen, wie man durch konzeptlose Politik und das Vorsich-Herschieben von Problemen schnellere Investitionen in Milliardenhöhe verhindert und sogar neue Probleme schafft.



    Arne Börnsen (Ritterhude)

    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD)