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ID1202616000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Dienstag, den 4. Juni 1991 Inhalt: Gedenkworte für den durch ein Attentat ums Leben gekommenen früheren indischen Ministerpräsidenten Rajiv Gandhi . 1841 A Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Müller (Wesseling) 1841B Ausscheiden des Abg. Lowack aus der Fraktion der CDU/CSU 1841B Überweisung eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung an verschiedene Ausschüsse 1841 C Tagesordnungspunkt I: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1991 (Haushaltsgesetz 1991) (Drucksachen 12/100, 12/494) Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 12/501, 12/530) 1841D Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 12/502, 12/530) Helmut Esters SPD 1842 A Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 1844 D Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste . . . 1847 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . . 1847 D Dr. Peter Struck SPD 1848 D Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 12/503, 12/530) 1849D Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 12/511, 12/530) Rudolf Dreßler SPD 1850 A Hans-Gerd Strube CDU/CSU 1855 C Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . . . 1858A Petra Bläss PDS/Linke Liste 1859 A Ina Albowitz FDP 1860 D Vera Wollenberger Bündnis 90/GRÜNE 1863 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 1864 D Rudolf Dreßler SPD 1866 C Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . 1868A Uta Würfel FDP 1868B Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheit (Drucksachen 12/515, 12/530) Uta Titze SPD 1869B Uta Würfel FDP 1870 D Arnulf Kriedner CDU/CSU 1872 B Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 1873 B Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste 1874A, 1875 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 1874 D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . . 1875 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 4. Juni 1991 Gerda Hasselfeldt, Bundesministerin BMG 1876B Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . 1876D, 1878 D Klaus Kirschner SPD 1877 B Einzelplan 17 Geschäftsbereich des Bundesministers für Frauen und Jugend (Drucksachen 12/517, 12/530) Dr. Konstanze Wegner SPD 1879 B Susanne Jaffke CDU/CSU 1883 C Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 1884 D Ina Albowitz FDP 1885 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 1886 C Einzelplan 18 Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Senioren (Drucksachen 12/518, 12/530) Ingrid Becker-Inglau SPD 1889 B Ina Albowitz FDP 1890 A Irmgard Karwatzki CDU/CSU 1892 D Ingrid Becker-Inglau SPD 1893 B Dr. Konstanze Wegner SPD 1893 C Margot von Renesse SPD 1895 A Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . . 1896 B Dr. Sigrid Hoth FDP 1897 B Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 1898C, 1901B Margot von Renesse SPD 1901 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz (Drucksachen 12/507, 12/530) in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 12/519, 12/530) Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . 1901D, 1914 A Michael von Schmude CDU/CSU . . . . 1905 C Dr. Wolfgang Ullmann Bündnis 90/GRÜNE 1907 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . . . 1908 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . . 1909 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister BMJ . . 1910B, 1914 C Dr. Hans de With SPD (zur GO) 1913 C Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 1913D Nächste Sitzung 1915 D Berichtigungen 1916 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1917* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 4. Juni 1991 1841 26. Sitzung Bonn, den 4. Juni 1991 Beginn: 15.00 Uhr
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    1916 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 4. Juni 1991 Berichtigungen 25. Sitzung (Nachtrag): Auf der ersten Seite ist bei „Anlage 3" zu lesen: „Endgültiges Ergebnis und Namenslisten der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/580". Auf Seite II ist bei „Anlage 10" zu lesen: „Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink FDP". Seite 1806, Anlage 3: In der zweiten Zeile der Überschrift ist statt „Änderungsantrag" „Entschließungsantrag" zu lesen. Auf Seite 1825 A ist bei dem Namen „Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink" statt „(SPD)" „(FDP)" zu lesen. Auf Seite 1839 D (Anlage 40) ist bei „Haushaltsausschuß" statt „Drucksache 11/360 Nummer 3.13, 2.13" zu lesen: „Drucksache 12/269 Nummer 2.12, 2.13". Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 04.06.91 * * Blunck, Lieselott SPD 04.06.91* * Büchler (Hof), Hans SPD 04.06.91 * * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 04.06.91 * * Catenhusen, SPD 04.06.91 Wolf-Michael Diller, Karl SPD 04.06.91 Francke (Hamburg), CDU/CSU 04.06.91 Klaus Genscher, Hans Dietrich FDP 04.06.91 Haack (Extertal), SPD 04.06.91 Karl-Hermann Haschke CDU/CSU 04.06.91 (Großhennersdorf), Gottfried Dr. Hauchler, Ingomar SPD 04.06.91 Hauser CDU/CSU 04.06.91 (Rednitzhembach), Hansgeorg Kittelmann, Peter CDU/CSU 04.06.91 * * Klappert, Marianne SPD 04.06.91 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 04.06.91 Klaus W. Lummer, Heinrich CDU/CSU 04.06.91 * * Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 04.06.91 * * Erich Marten, Günter CDU/CSU 04.06.91 * * Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) SPD entschuldigt bis einschließlich Matschie, Christoph 04.06.91 Meckel, Markus SPD 04.06.91 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 04.06.91 Dr. Meyer zu Bentrup, CDU/CSU 04.06.91 * * Reinhard Michels, Meinolf CDU/CSU 04.06.91 * * Dr. Müller, Günther CDU/CSU 04.06.91 * * Pfuhl, Albert SPD 04.06.91 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 04.06.91 * * Rau, Rolf CDU/CSU 04.06.91 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 04.06.91* Reimann, Manfred SPD 04.06.91* * von Schmude, Michael CDU/CSU 04.06.91 * * Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 04.06.91 Seesing, Heinrich CDU/CSU 04.06.91 Singer, Johannes SPD 04.06.91 Dr. Soell, Hartmut SPD 04.06.91 * * Stachowa, Angela PDS 04.06.91 Dr. Stavenhagen, Lutz G. CDU/CSU 04.06.91 Steiner, Heinz-Alfred SPD 04.06.91 * * Terborg, Margitta SPD 04.06.91 * * Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 04.06.91 Vogel (Ennepetal), CDU/CSU 04.06.91 * * Friedrich Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 04.06.91 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 04.06.91 Zierer, Benno CDU/CSU 04.06.91 * *' * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Michael von Schmude


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Däubler-Gmelin, auch mir geht manches nicht so schnell, wie ich es haben möchte, was den Wiederaufbau der Rechtsstaatlichkeit in den neuen Bundesländern angeht. Aber wir müssen Realisten sein. Wir können das, was über Jahrzehnte dort eben nicht vorhanden war, nicht von heute auf morgen aus dem Boden stampfen.
    Der Haushalt, mit dem wir uns hier auseinandersetzen, bringt die notwendigen Voraussetzungen in materieller und personeller Hinsicht mit, um dieser Aufgabe ein großes Stück näherzukommen. Wir haben in der Vergangenheit ein sehr maßvolles Wachstum des Justizhaushaltes gehabt und stehen jetzt vor der Situation, daß die Ausgaben um fast 42 % auf 692,6 Millionen DM anwachsen. Der Planstellenanstieg von 4 586 auf 5 117 macht auch deutlich, daß vor allem die personellen Kapazitäten für den Aufbau des Rechtsstaats in den neuen Bundesländern ausgeweitet werden.
    Mit einem Sofortprogramm von 117,7 Millionen DM ermöglicht die Bundesregierung noch in diesem Jahr die Entsendung von insgesamt 2 300 Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern in den Osten Deutschlands.

    (Dr. Hans de With [SPD]: Die hätten schon längst da sein sollen!)

    Ich habe das in Ihren Ausführungen vorhin vermißt. Denn hiermit wird natürlich ein ganzes Stück Zuarbeit geleistet, um dieses Aufbauwerk voranzubringen.
    Jetzt sind — und da stimmen wir überein — vor allem die alten Bundesländer gefordert, qualifizierte Kräfte für dieses dreijährige Unterstützungsprogramm bereitzustellen. Die Zeit drängt; denn in der Beurteilung gibt es keine zwei Meinungen: Die Situation des Rechtsstaats in den neuen Ländern ist teilweise katastrophal. Negative Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau sind personalbedingt verursacht, insbesondere auch durch den großen Stau bei den Grundbuchämtern. Aber auch in der übrigen Gerichtsbarkeit gibt es ganz erhebliche Schwierigkeiten.
    Die alten Bundesländer haben bei der Lösung dieser Probleme zu helfen versucht, in der Tat, aber doch



    Michael von Schmude
    mit stark unterschiedlichem Engagement. So hat z. B. das vom neuen SPD-Bundesvorsitzenden regierte Schleswig-Holstein im Jahre 1990 — eher halbherzig als hilfsbereit — die lächerliche Größenordnung von vier Richtern für Mecklenburg als ausreichend erachtet. Ich halte das für beschämend.
    Die Notwendigkeit einer massiven Unterstützung wird bei einem Zahlenvergleich deutlich: In Nordrhein-Westfalen mit 17 Millionen Einwohnern gibt es allein 5 000 Richter, in den neuen Bundesländern ganze 1 000. In Nordrhein-Westfalen gibt es 1 200 Staatsanwälte, in den neuen Ländern ganze 900. In Nordrhein-Westfalen haben wir 3 000 Rechtspfleger; eine solche Einrichtung gab es in den neuen Bundesländern überhaupt nicht. Wenn man dann noch bedenkt, daß die Überprüfung von Staatsanwälten und Richtern nicht abgeschlossen ist, so muß man bei diesem Personenkreis doch noch erhebliche Ausfälle mit einkalkulieren.
    Dramatisch ist auch die Situation bei der Arbeitsgerichtsbarkeit. Hier wird ein rasanter Anstieg der Verfahren registriert, so daß zur Zeit mehr als 10 000 unerledigte Fälle anstehen. Die Aufarbeitung ist von hoher Dringlichkeit.
    Bei den Rehabilitierungsverfahren gibt es mehr als 20 000 unerledigte Vorgänge. Hier unterliegen wir in der Tat einer besonderen Verantwortung und Pflicht gegenüber den Opfern der Willkür des DDR-Unrechtsstaates und des Stalinismus in der früheren sowjetischen Besatzungszone.
    Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteilsspruch vom 23. April den Gesetzgeber auch an seine diesbezüglichen Pflichten erinnert. Alle Betroffenen haben einen rechtlichen, moralischen und politischen Anspruch darauf, daß ihre Unrechtsurteile schnellstmöglich aufgehoben werden. Ihr persönliches Schicksal verdient unsere Solidarität und Hilfe auch bei einer Wiedergutmachung, soweit dies materiell möglich ist.
    Für diesen Personenkreis ist es in der Tat unerträglich und unzumutbar, daß ein Großteil der Verantwortlichen für die Unrechtstaten von einst wieder — von der Justiz noch unbehelligt — neuen, oft sogar sehr einträglichen beruflichen Betätigungen nachgeht. Über die Weiterbeschäftigung und Eignung früherer Richter und Staatsanwälte der ehemaligen DDR muß deshalb umgehend entschieden werden. An deren rechtsstaatlichem Denken und Handeln darf es in Zukunft keinerlei Zweifel mehr geben.
    Durch Stasi-Vergangenheit Belastete sollten deshalb von sich aus die Konsequenzen ziehen, so wie es im mecklenburgischen Landtag soeben sieben Abgeordnete taten. Der dortige CDU-Fraktionsvorsitzende Rehberg hat übrigens zum Fall Modrow festgestellt — ich zitiere —:
    Es ist unzumutbar, daß wir in den neuen Ländern unsere Parlamente ausräumen und daß der Deutsche Bundestag mit so einem Mann belastet ist.
    Es ist nachweisbar: Die Chefs der SED-Bezirksleitungen waren direkt weisungsberechtigt für die Staatssicherheit in ihren Bezirken. -

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist wahr!)

    Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
    Die Lage bei der Strafgerichtsbarkeit, meine Damen und Herren, wird sich weiter verschärfen durch die zunehmende Aufdeckung von Straftaten. Hier geben nicht nur Stasi-Akten Hinweise, sondern auch gezielte Prüfungen bei Unternehmen der Treuhand. Darunter fällt auch in der DDR verübte Wirtschaftskriminalität zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland, beispielsweise Subventionsbetrug, wobei in der früheren DDR zumindest mit staatlicher Duldung Ursprungszeugnisse gefälscht wurden, um Zoll- und Steuerhinterziehungen in der Bundesrepublik zu ermöglichen.
    Der Zustand der Rechtsstaatlichkeit in den neuen Bundesländern erfordert hochqualifizierte, erfahrene Juristen und Rechtspfleger. Der Wiederaufbau, meine Damen und Herren, darf aber nicht ausschließlich zu einer Angelegenheit der älteren Generation werden. Ich sehe mit großer Sorge, daß nicht nur im Bereich der öffentlichen Verwaltung, sondern auch in der Wirtschaft viel zu wenig jüngere Menschen ihre berufliche und persönliche Lebenschance im Osten Deutschlands suchen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die materiellen Voraussetzungen für den Wiederaufbau des Rechtsstaats im Osten sind nun gegeben. Jetzt gilt es auch, vorurteilsfrei zu prüfen, ob der Sitz des einen oder anderen obersten Gerichtes nicht in absehbarer Zeit von West nach Ost verlagert werden kann.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Hans de With [SPD]: Da stimmen wir Ihnen zu! Machen Sie einen Vorschlag!)

    In derartige Überlegungen, sehr geehrter Herr Kollege With, muß auch der Bundesfinanzhof mit einbezogen werden. Die Berichterstatter im Haushaltsausschuß haben darüber hinaus einvernehmlich auch eine Untersuchung vorgeschlagen, ob nicht das Institut für Ostrecht z. B. nach Sachsen oder Thüringen verlegt werden kann. An Geld kann und darf eine funktionierende Rechtspflege in ganz Deutschland nicht scheitern.

    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [FDP] — Dr. Hans de With [SPD]: Was ist mit dem Vorschlag: Verfassungsgericht nach Weimar?)

    — Auch das kann man überprüfen.
    Die Menschen in den fünf neuen Ländern haben nicht nur die Freiheit gewählt, sondern wollten nach Jahrzehnten der Unterdrückung auch Recht und Gerechtigkeit für sich.
    Diese Erwartungshaltung gilt in ganz besonderer Weise hinsichtlich der Regelung offener Vermögensfragen. Wir haben auf der Grundlage des Einigungsvertrages und, Frau Däubler-Gmelin, auch auf dem Boden des Grundgesetzes gesetzliche Regelungen getroffen, die jetzt nach dem jüngsten Karlsruher Urteil noch ergänzt werden müssen um eine Ausgleichsregelung für die während der sogenannten Bodenreform zwischen 1945 und 1949 entschädigungslos Enteigneten. Dieser Personenkreis, dem im Gegensatz zu den später Enteigneten der Anspruch auf Rückgabe



    Michael von Schmude
    versagt bleibt, muß angemessene Ausgleichsleistungen erhalten. Hier muß im Einzelfall auch der Rückerwerb des früheren Eigentums möglich sein.
    Wichtig ist in der Tat jedoch nicht nur eine umfassende gesetzliche Regelung der offenen Vermögensfragen, sondern auch deren praktische Umsetzung. Inzwischen liegen den zuständigen Behörden, wie hier schon ausgeführt, rund eine Million Anträge auf Rückerstattung vor. Die Bearbeitung verläuft schleppend und führt zu großem Unmut der Betroffenen. Hier sind vor allem Länder- und Kommunalverwaltungen in den alten Bundesländern gefordert, um mit personellen Hilfen zur Lösung der Problematik beizutragen.
    Einigungsbedingte Mehrbelastungen ergeben sich aber nicht nur für das Ministerium selbst, sondern auch für dessen nachgeordnete Behörden. Ich will in diesem Zusammenhang auf das Bundeszentralregister in Berlin eingehen. Dort ist die Zahl der täglich eintreffenden Anträge auf Erteilung von Führungszeugnissen von zuvor 8 000 auf jetzt 14 000 angestiegen. Einer derartigen Entwicklung kann nicht allein mit der Forderung nach zusätzlichen Planstellen, schon gar nicht etwa auf der Grundlage von Hochrechnungen, begegnet werden. Hier ist zusätzlich auch die Überprüfung der Organisationsstruktur dringend erforderlich.

    (Dr. Hans de With [SPD]: Da stimmen wir zu!)

    Seit nunmehr fast zehn Jahren wird vor allem durch die Mitglieder des Haushaltsausschusses beanstandet, daß durch die mangelnde oder mangelhafte Erfassung der Anträge von Gemeinden auf Führungszeugnisse fehlerhafte Abrechnungen erfolgen, wodurch dem Bund Millionenbeträge verlorengehen. Trotz mehrfacher Aufforderung und Anmahnung ist das Bundeszentralregister bis heute nicht in der Lage, die Anträge der Gemeinden auf Erteilung von Führungszeugnissen zu registrieren. Man verläßt sich darauf, daß die Kommunen am Jahresende von sich aus die Zahl der gestellten Anträge mitteilen.
    Das Ergebnis sieht wie folgt aus: Die beim Bundeszentralregister 1989 ausgefertigten Führungszeugnisse hätten uns Einnahmen in Höhe von 12 409 000 DM bringen müssen. Tatsächlich gingen auf Grund der Erklärungen der Gemeinden jedoch nur 10 948 000 DM ein. Der Fehlbetrag von 1,46 Millionen DM entspricht somit fast 12 % des gesamten Gebührenaufkommens.
    Noch dramatischer zeigt sich die Situation 1990. In jenem Jahr gingen uns Einnahmen in einer Größenordnung von 2,65 Millionen DM verloren, was schon 19 % des gesamten Gebührenaufkommens ausmacht. Bei den Registerauszügen ergibt sich ein Fehlbetrag von 312 000 DM. Insgesamt gingen uns 1990 beim Bundeszentralregister also 3 Millionen DM verloren.
    Offensichtlich spricht es sich bei den Kommunen bereits herum, daß es bei dieser Behörde keine geordnete Buchführung gibt. Dieser Mißstand kann von uns nicht länger hingenommen werden.

    (Zuruf von der FDP: Richtig!)

    Der Bundesrechnungshof ist während der Haushaltsberatungen aufgefordert worden, umgehend eine Überprüfung des Bundeszentralregisters vorzunehmen. Man darf nun gespannt darauf sein, ob dieser Zustand, den ich nur als Schlamperei bezeichnen kann, auf Unfähigkeit oder Unwilligkeit zurückzuführen ist.

    (Dr. Hans de With [SPD]: Hört! Hört!)

    Der Bundesjustizminister ist aufgefordert, diese Angelegenheit umgehend zur Chefsache zu machen.

    (Beifall des Abg. Dr. Hans de With [SPD])

    Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums möchte ich an dieser Stelle für ihren vorbildlichen Einsatz bei der Bewältigung der enormen Mehrarbeit, die durch die deutsche Einheit gerade auf das Justizministerium zugekommen ist, herzlich danken.
    Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen stimmen dem Justizhaushalt ohne Einschränkung zu.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Hans de With [SPD]: Trotz der Schlamperei, die es da gibt!)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt unser Kollege Dr. Wolfgang Ullmann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Ullmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zwei kurze Anmerkungen zu einem ganz wichtigen Thema machen, nämlich zum Thema der Justizpolitik.
    Der erste Staatsvertrag hat die Aufgabe, um die es geht, auf das Stichwort „Rechtsanpassung" gebracht. Ich denke, daß das nicht das richtige Stichwort ist. Es ging um eine Rechtsunion, eine Rechtsunion zur Erneuerung von Recht und Rechtsprechung in einem Gebiet, in dem beides zerstört gewesen ist. Ich denke, das Stichwort „Rechtsanpassung" hat dazu geführt, daß Recht in den Ländern der ehemaligen DDR bis heute mehr administriert statt praktiziert und gesprochen wird.
    Ich sage das mit Blick auf die von mir voll unterstützten Versuche der Bundesregierung und auch des Justizministeriums, Leute zu gewinnen, um den Justizaufbau in den neuen Ländern zu unterstützen. Ich frage mich aber, ob dieses System von Versprechungen, Seniorenregelungen, Beförderungsbevorzugungen und derlei mehr diese wichtige Aufgabe nicht in ein Zwielicht bringt, weil man das anwendet, was man in der ehemaligen DDR das Prinzip der materiellen Interessiertheit nannte.
    Ich meine aber, wirklich bedenklich wird diese Vorherrschaft administrativen Pragmatismus, wenn in ihrem Gefolge so tief in die Substanz rechtsstaatlicher Traditionen eingegriffen wird wie in dem Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 24. April 1991. Frau Däubler-Gmelin hat darauf schon hingewiesen.
    Wieder sind es die angeblichen Überforderungen der Justiz in den Ostländern und fragwürdige Hin-



    Dr. Wolfgang Ullmann
    weise auf Verfahrensbeschleunigungen und Erleichterungen, die es rechtfertigen sollen, im Bereich der Strafgerichtsbarkeit drastische Beschränkungen der Rechtsmittelmöglichkeiten, Verkleinerungen der Spruchkörper und Erweiterungen des Sanktionsrahmens einzuführen. Wieso soll es der Erneuerung der Justiz dienlich sein, wenn dort, wo sie besonders erforderlich ist, die Rechte des Angeklagten und der Verteidigung in auffälliger Weise eingeschränkt werden?
    Wir stimmen der Kritik der Strafverteidigervereinigungen zu, die besonders darauf hinweisen, daß dieses Gesetz unter Berufung auf die Zwänge der Situation in den fünf Ländern lediglich einen Vorstoß der Justizministerkonferenz von 1982 wieder aufnimmt, der schon damals an den energischen Protesten der Öffentlichkeit gescheitert war. Besonders bedenklich stimmt in diesem Zusammenhang der Hinweis der Verteidigerverbände, daß das sogenannte Entlastungsgesetz sich in den Bahnen zweier nationalsozialistischer Gesetze von 1935 und 1939 bewegt, die das Beweisantragsrecht im Strafverfahren zunächst einschränken, um es schließlich völlig zu beseitigen. — Herr Kleinert ist wohl auch gegangen? —

    (Uta Würfel [FDP]: Der kommt gleich wieder!)

    Das erinnert mich an seinen Zwischenruf von vorhin. Die Geschichte ist also über 50 Jahre lang.
    Ich kann mir schwer vorstellen, daß auf diesem Weg eine Erneuerung einer politisch deformierten Justiz oder auch nur eine wirklich durchgreifende Verwaltungsvereinfachung erreicht werden kann.
    Hierfür bieten sich nach meinem Dafürhalten ganz andere Wege an. Frau Däubler-Gmelin hat einiges aufgezählt. Ich möchte an eine mögliche Entkriminalisierung im Bereich des Bagatellstrafrechts erinnern: Verfahrensentlastungen zugunsten des Angeklagten und der Verteidigung statt des Gegenteils. Ich darf auch daran erinnern, daß jemand, der die sogenannte gesellschaftliche Gerichtsbarkeit der ehemaligen DDR samt ihren Bedenklichkeiten nicht zu unterschätzen geneigt ist, doch auch auf positive Erfahrungen verweisen kann, zu denen es Analogien in westdeutschen Schiedsverfahren und in der Gütestellenpraxis gibt, ebenso in allen Bemühungen um einen Täter-Opfer-Ausgleich.
    Ich muß hier abbrechen, meine Damen und Herren. Ich möchte das in der Form tun, daß ich sage: Angesichts der grundsätzlichen Bedenken, die ich angemeldet habe, fällt es mir nicht gerade leicht, diesem Justizhaushalt zuzustimmen. Dies gilt auch angesichts der Tatsache, daß ich nur zu genau die Sorgen des Herrn Justizministers kenne. Ich werde aber dennoch den Haushaltsansätzen in der Hoffnung zustimmen,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    daß es doch Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Meine Hoffnungen gehen z. B. dahin, daß hinsichtlich des Instituts für Ostrechtsforschung die Strenge der Rotstifte des Haushaltsausschusses nicht in vollem Umfang angewandt wird.
    Ich erinnere auch an den einstimmigen Beschluß des Rechtsausschusses, zwei der obersten Gerichte in die neuen Bundesländer zu verlegen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall im ganzen Hause)