Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Veröffentlichung der Arbeitsmarktzahlen für den Monat Mai steht unmittelbar bevor. Daß auch mit ihnen noch längst nicht die Talsohle der Entwicklung in den neuen Bundesländern erreicht sein wird, war bereits dem Kommentar des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit zum Vormonatsbericht zu entnehmen.
Noch stehen die schmerzhaftesten Entlassungswellen bevor: Das Ende der Verlängerung der Regelung für Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter und die Tatsache, daß die Warteschleifen-Regelung für den öffentlichen Dienst noch nicht ausgelaufen ist, führen dazu, daß wir es nach wie vor mit einer Situation zu tun haben, die das wahre Ausmaß der Arbeitslosigkeit verdeckt.
Bereits heute sind etwa 4 Millionen Menschen in den neuen Bundesländern von den Folgen schon bestehender oder teilweiser Arbeitslosigkeit betroffen. Die Arbeitslosigkeit im Osten Deutschlands ist nach ihrem gegenwärtigen Umfang und dem Tempo, mit dem sich die Arbeitslosenzahlen entwickeln, zweifellos eine der grundlegenden, wenn nicht sogar die die soziale Verträglichkeit des Einigungsprozesses am meisten beeinträchtigende Erscheinung.
Zweifellos trägt der durch das Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost und durch jüngste Kabinettsbeschlüsse ermöglichte massive Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente, die Zigtausenden Eintritt in Arbeitsbeschaffungs-, Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen ermöglicht, zu einer Entlastung der Entwicklung bei.
Wir unterstützen die Schaffung von ABM-Stellen als eine Möglichkeit, wenigstens einem bestimmten Prozentsatz der Arbeitslosen vorübergehend Arbeit zu geben, soziale und wirtschaftliche Probleme für die betroffenen Menschen zu mildern und ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Doch so hilfreich ABM-Stellen für die einzelnen sein können: Ein Konzept gegen Massenarbeitslosigkeit, ein Ersatz für die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen können sie nicht sein. Ebenso stellen Beschäftigungs- und Arbeitsförderungsgesellschaften zwar eine unmittelbare Hilfe für die darin Beschäftigten, aber keine Gesamt- und Dauerlösung dar.
Auf jeden Fall muß verhindert werden, daß diese Maßnahmen zum weiteren Abbau fester Arbeitsplätze führen und daß sie dazu mißbraucht werden, Tätigkeiten, die zu den Regelaufgaben des entsprechenden Unternehmens gehören, noch häufiger als bisher über ABM, also aus dem Topf der Bundesanstalt für Arbeit, zu finanzieren.
Angesichts der dramatischen Entwicklungen in den neuen Bundesländern durch die Vernichtung von Arbeitsplätzen und ganzen Produktionsstandorten plant die Bundesregierung heute aber auch einen erneuten Angriff auf die von der Arbeiterbewegung erkämpften Tarifrechte und Schutzrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Es ist sicher kein Zufall, daß ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt unter dem Stichwort „Deregulierung" Vorschläge auf den Tisch kommen, die die abhängig Beschäftigten unter dem Vorwand ihrer individuellen Freiheit zum Verzicht auf erworbene Rechte bewegen sollen.