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    Plenarprotokoll 12/22 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 22. Sitzung Bonn, Freitag, den 19. April 1991 Inhalt: Tagesordnungspunkt 13: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 1991 der Bundesregierung (Drucksache 12/223) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahresgutachten 1990/ 1991 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache 11/8472) Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 1421B Wolfgang Roth SPD 1426 D Matthias Wissmann CDU/CSU 1431 B Bernd Henn PDS/Linke Liste 1435 A Josef Grünbeck FDP 1438 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste 1441 B Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 1442 B Rainer Brüderle, Minister des Landes Rheinland-Pfalz 1445 A Wolfgang Roth SPD 1446C, 1460 B Dr. Uwe Jens SPD 1447 B Dr. Walter Hitschler FDP 1449A, 1458D, 1462 C Josef Grünbeck FDP 1450B, 1464 C Rudolf Kraus CDU/CSU 1451 B Dr. Elke Leonhard-Schmid SPD 1453 D Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär BMF 1456 A Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD 1457 C Friedhelm Ost CDU/CSU 1459 D Herbert Meißner SPD 1462 A Dr. Hermann Pohler CDU/CSU 1463 D Gerd Andres SPD 1465 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 1467 B Nächste Sitzung 1468 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1469* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 13 a und b (Jahreswirtschaftsbericht 1991 der Bundesregierung, Jahresgutachten 1990/1991 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung) Peter Kittelmann CDU/CSU 1469* D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 1472* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. April 1991 1421 22. Sitzung Bonn, den 19. April 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 19. 04. 91 Austermann, Dietrich CDU/CSU 19. 04. 91 Börnsen (Börnstrup), CDU/CSU 19. 04. 91 Wolfgang Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 19. 04. 91 Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 19. 04. 91 Burchardt, Ursula SPD 19. 04. 91 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 19. 04. 91 Peter Harry Clemens, Joachim CDU/CSU 19. 04. 91 Conradi, Peter SPD 19. 04. 91 Daubertshäuser, Klaus SPD 19. 04. 91 Dörflinger, Werner CDU/CSU 19. 04. 91 Doss, Hansjürgen CDU/CSU 19. 04. 91 Ehrbar, Udo CDU/CSU 19. 04. 91 Engelhard, Hans A. FDP 19. 04. 91 Eylmann, Horst CDU/CSU 19. 04. 91 Feilcke, Jochen CDU/CSU 19. 04. 91 Fuchs (Köln), Anke SPD 19. 04. 91 Gattermann, Hans H. FDP 19. 04. 91 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 19. 04. 91 Genscher, Hans Dietrich FDP 19. 04. 91 Gerster (Mainz), CDU/CSU 19. 04. 91 Johannes Dr. Glotz, Peter SPD 19. 04. 91 Dr. Götte, Rose SPD 19. 04. 91 Graf, Günter SPD 19. 04. 91 Haack (Extertal), SPD 19. 04. 91 Karl-Hermann Hämmerle, Gerlinde SPD 19. 04. 91 Hampel, Manfred Eugen SPD 19. 04. 91 Dr. Haussmann, Helmut FDP 19. 04. 91 Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 19. 04. 91 Ibrügger, Lothar SPD 19. 04. 91 Jaunich, Horst SPD 19. 04. 91 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 19. 04. 91 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 19. 04. 91 Jungmann (Wittmoldt), SPD 19. 04. 91 Horst Kiechle, Ignaz CDU/CSU 19. 04. 91 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 19. 04. 91 Köhler (Hainspitz), CDU/CSU 19. 04. 91 Hans-Ulrich Kohn, Roland FDP 19. 04. 91 Kolbe, Manfred CDU/CSU 19. 04. 91 Koltzsch, Rolf SPD 19. 04. 91 Koschnik, Hans SPD 19. 04. 91 Kossendey, Thomas CDU/CSU 19. 04. 91 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 19. 04. 91 Günther Dr. Graf Lambsdorff, Otto FDP 19. 04. 91 Lamers, Karl CDU/CSU 19. 04. 91 Leidinger, Robert SPD 19. 04. 91 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 19. 04. 91 Elke Lohmann (Witten), Klaus SPD 19. 04. 91 Lowack, Ortwin CDU/CSU 19. 04. 91 Mascher, Ulrike SPD 19. 04. 91 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Meckel, Markus SPD 19. 04. 91 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 19. 04. 91 Dr. Mertens (Bottrop), SPD 19. 04. 91 Franz-Josef Müller (Pleisweiler), SPD 19. 04. 91 Albrecht Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 19. 04. 91 Ostertag, Adolf SPD 19. 04. 91 Pfeiffer, Angelika CDU/CSU 19. 04. 91 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 19. 04. 91 Pützhofen, Dieter CDU/CSU 19. 04. 91 Rappe (Hildesheim), SPD 19. 04. 91 Hermann Rauen, Peter Harald CDU/CSU 19. 04. 91 Reschke, Otto SPD 19. 04. 91 Reuschenbach, Peter W. SPD 19. 04. 91 Dr. Riedl (München), CDU/CSU 19. 04. 91 Erich Schäfer (Mainz), Helmut FDP 19. 04. 91 Schaich-Walch, Gudrun SPD 19. 04. 91 Schmalz-Jacobsen, FDP 19. 04. 91 Cornelia Schmidbauer (Nürnberg), SPD 19. 04. 91 Horst Schmidt (Aachen), Ursula SPD 19. 04. 91 Schmidt (Nürnberg), SPD 19. 04. 91 Renate Schmidt (Spiesen), Trudi CDU/CSU 19. 04. 91 Schmidt-Zadel, Regina SPD 19. 04. 91 Seehofer, Horst CDU/CSU 19. 04. 91 Skowron, Werner H. CDU/CSU 19. 04. 91 Dr. Sperling, Dietrich SPD 19. 04. 91 Spilker, Karl-Heinz CDU/CSU 19. 04. 91 Stiegler, Ludwig SPD 19. 04. 91 Voigt (Frankfurt), SPD 19. 04. 91 Karsten D. Dr. Voigt (Nordheim), CDU/CSU 19. 04. 91 Hans-Peter Vosen, Josef SPD 19. 04. 91 Welt, Hans-Joachim SPD 19. 04. 91 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 19. 04. 91 Wieczorek-Zeul, SPD 19.04.91 Heidemarie Wimmer (Neuötting), SPD 19. 04. 91 Hermann Wittmann (Tännesberg), CDU/CSU 19. 04. 91 Simon Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 13 a, b (Jahreswirtschaftsbericht 1991 der Bundesregierung, Jahresgutachten 1990/1991 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung) Peter Kittelmann (CDU/CSU): Der Jahreswirtschaftsbericht 1991 steht ganz im Zeichen der deut- 1470* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. April 1991 schen Einigung im vergangenen Jahr. Nachdem die Mauer gefallen und die politische Einheit vollzogen ist, gilt es nun, die wirtschaftliche Mauer einzureißen und die Wohlstandsbarriere zwischen den neuen und alten Ländern aufzuheben. Mit dem 1. Januar 1993 öffnen sich darüber hinaus weitere Schranken — der gemeinsame Markt Europas entsteht. Unser gemeinsames Ziel ist darum: 1. gleiche Lebensverhältnisse für die Menschen in ganz Deutschland herzustellen und 2. die neuen Länder mit der wirtschaftlichen Schubkraft der alten Bundesrepublik auf den Binnenmarkt vorzubereiten; ein ebenso ehrgeiziges wie notwendiges Ziel. Unsere Ausgangsposition ist trotz aller zu überwindender Durststrecken eine denkbar gute. Die äußerst dynamische und leistungsfähige deutsche Wirtschaft kann sich der Herausforderung stellen. Auch nach der Einigung zeigt sich die Bundesrepublik im Vergleich der westlichen Industrieländer immer noch extrem preisstabil. Veränderungen zeigen sich hingegen für den bisherigen Exportweltmeister Bundesrepublik in der Ein- und Ausfuhr. Hier zeigt sich die Bilanz von — verstärktem Import (einer Steigerung um 4,7 %) — und nur noch leicht ansteigendem Export (2,2 %) geprägt. Mit dem Abbau der Leistungsbilanz, die stark durch den rückläufigen Export bedingt ist, entspricht die Bundesrepublik — zwangsweise — den Forderungen ihrer Handelspartner. Die europäischen Partner haben wiederholt nach einer deutschen Anpassung verlangt, um ihrerseits von einem daraus resultierenden Wachstumsimpuls zu profitieren. Die für den Abbau des Überschusses verantwortliche Binnennachfrage hat unterdessen in den Unternehmen der deutschen Industrie für Hochstimmung gesorgt, die sich mit Sicherheit positiv auf die Investitionsentwicklung auswirken wird. Von diesem Wachstumsprozeß müssen nun die neuen Länder profitieren. Dort muß den erheblichen Beschäftigungseinbußen durch neu zu schaffende Arbeitsplätze, vor allem in der Bauwirtschaft und dem Dienstleistungssektor, entgegengewirkt werden. Auch wenn viele unserer Bürger aus den neuen Ländern enttäuscht und mit den bestehenden Verhältnissen — zu Recht meine Damen und Herren — unzufrieden sind, muß doch eines klar sein: Die aktuelle wirtschaftliche Lage, wie sie sich den Bürgern der neuen Länder zeigt, ist Resultat einer sozialistischen Kommando- und Planwirtschaft und deren einseitiger Ausrichtung. Die so strukturierte Wirtschaft hätte in jedem Falle in die wirtschaftliche Katastrophe geführt — die Situation ohne Einigung wäre weit fataler als heute. Nun wird es darauf ankommen, den neuen Ländern zu einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu verhelfen, die sie nicht nur am Wohlstand teilhaben läßt, sondern auch für den Binnenmarkt Ende '92 rüstet. — Die reduzierten Beziehungen mit den ehemaligen COMECON-Staaten, — die mangelnde europäische und internationale Wettbewerbsfähigkeit — und das fehlende Kapital haben in den neuen Ländern zu einem Einfuhrrückgang von 44,5 % und einem Ausfuhrrückgang von 7,4 % gegenüber dem Vorjahr geführt — diese Zahlen müssen sich schnellstens ändern; im Interesse der neuen Bundesländer und im Interesse der Exportwirtschaft der gesamten Bundesrepublik. Meine Damen und Herren, wir wissen, daß die Währungsunion und die Einigung die traditionellen Warenströme in und aus den neuen Ländern verlagert hat. Wirtschaftliche Schwierigkeiten in den ehemaligen RGW-Ländern, vor allem der Sowjetunion, sorgen für besondere und vor allem — und dies muß betont werden — unvorhersehbare Härten. Der Wegfall des Transferrubels zur Abwicklung des bisherigen Handels hat einen Aktivsaldo gegenüber der Bundesrepublik entstehen lassen, über den von der Bundesregierung mit der Sowjetunion verhandelt wird. Hinzu kommen in der UdSSR massive Schwierigkeiten mit der Dezentralisierung im administrativen Bereich, z. B. bei der Übertragung des Devisenregimes auf die Republiken. Solche, vorher nicht kalkulierbare, Schwierigkeiten sind es, die den außenwirtschaftlichen Anpassungsprozeß der neuen Länder verzögern und ihren Warenaustausch behindern. Ich frage Sie: Was nützen den neuen Ländern z. B. Schiffe in den Werften, die die Sowjetunion nicht bezahlen kann? Die Verträge mit der Sowjetunion bereiten uns hier besondere Schwierigkeiten. Nicht zuletzt darum wird es wichtig sein, die konkreten Zusagen, die der Sowjetunion gemacht worden sind, auch einzulösen. Hier ist die Glaubwürdigkeit von Politik und Wirtschaft gleichermaßen gefragt. Die Zusagen enthalten Risiken, aber auch positive Optionen. Meine Damen und Herren, wenn ich von der Glaubwürdigkeit von Politik und Wirtschaft spreche, erlauben Sie mir noch einen Hinweis auf ein in der Öffentlichkeit sehr heikles Thema: den Rüstungsexport. Wir haben in den letzten Monaten miteinander gerungen, zügig das Kriegswaffenkontroll- und daß Außenwirtschaftsgesetz zu verschärfen. Die neuen restriktiven Regelungen sind hier beschlossen worden. Jetzt aber müssen wir zu unserer Verwunderung feststellen, daß der Bundesrat das Gesetz aufhält. Ich möchte den Bundesrat darum von dieser Stelle aus nachdrücklich auffordern, seine Einsprüche schnell zu formulieren, denn wir alle wissen: es besteht dringender Handlungsbedarf. Wir haben in diesem Zusammenhang von unserer Seite aus Wert darauf gelegt, daß die personellen und sachlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß die notwendigen Genehmigungsverfahren wegen möglicher Wettbewerbsverzerrung zügig durchgeführt werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und das Bundesamt für Wirtschaft sollten nun auch in engster Kooperation die Genehmigungsbegehren behandeln. Es häufen sich die konkreten Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. April 1991 1471* Klagen, daß diese Verfahren äußerst langwierig sind. Dies kann nicht im Interesse unserer Exportwirtschaft sein. Der Bundeswirtschaftsminister hat hier Zusagen gemacht, und ich hoffe, daß die verzögerten Genehmigungen nur Übergangsprobleme sind. Die CDU/ CSU-Fraktion wird auf dieses Problem im Wirtschaftsausschuß und im Plenum zurückkommen. Im übrigen muß die unverhältnismäßige Polemik einzelner Medien aus den Vereinigten Staaten gegen deutsche illegale Rüstungsexporte in den Irak endlich einmal energisch zurückgewiesen werden. Die, die hier pauschal andere verurteilen, haben um ein Vielfaches mehr in den Irak exportiert und daher scheinheilig argumentiert. Ich hoffe, solche berechnende Emotionalisierung wird sich in der Zukunft nicht wiederholen. Es kann nicht angehen, daß die deutsche Wirtschaft prinzipiell zum Sündenbock gemacht wird — gerade von solchen, die sich selbst etwas haben zuschulden kommen lassen. Meine Damen und Herren — ich habe auf die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes hingewiesen. Wie überall zeigt sich gerade im Kontext der wirtschaftlichen Entwicklung, wie sehr wir heute in die europäische Integration eingebunden sind. Nationale Konzepte allein gehören der Vergangenheit an. Der Ministerrat konnte bei über 70% der Vorschläge der EG-Kommission für den Binnenmarkt Einigung erzielen. Nun aber muß die Bundesregierung darauf drängen, das ehrgeizige Binnenmarktprogramm erfolgreich zum Abschluß zu bringen. Dazu sind noch weitere Harmonisierungen und Liberalisierungen bei den — Grenzkontrollen, — den Dienstleistungen, — den indirekten Steuern — und der Abgabenbelastung im Straßenverkehr notwendig. Eine liberale Handelspolitik mit verstärktem Wettbewerb bleibt unabdingbares Ziel. Unzumutbare Härten für die neuen Bundesländer müssen aber abgedämpft werden. Wenn wir auch nachdrücklich für eine wirkungsvolle Kontrolle der Beihilfen eintreten, bleibt doch eines sicher: Die extrem strukturschwachen Regionen der neuen Länder brauchen eine regionalpolitische Unterstützung, die ihnen auf die Beine hilft. Die europäische Leitmaxime der Subsidiarität läßt hier für nationales Handeln genügend Spielraum. Darüber hinaus können die neuen Bundesländer in den Jahren 1991 bis 1993 mit insgesamt 6 Milliarden D-Mark aus dem Gemeinsamen Förderkonzept der Europäischen Gemeinschaft rechnen. Die Europäische Gemeinschaft tut ihr Möglichstes, um die neuen Länder auf das gemeinsame Europa vorzubereiten. Aber auch die Bundesregierung muß hier verstärkt die Initiative ergreifen. So, wie wir den Mittelstand der alten Bundesrepublik durch zahlreiche Initiativen auf den Binnenmarkt vorbereiten, muß dies umso stärker in den neuen Ländern geschehen. Ich fordere darum die Bundesregierung auf, engagiert ensprechende Binnenmarktaktionen anzugehen. Im europäischen Kontext wird es darauf ankommen 1. die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion parallel mit der politischen Union voranzubringen. Der erfolgreiche Abschluß der beiden Regierungskonferenzen ist für die Außenwirtschaft von immenser Wichtigkeit. Die Voraussetzungen sind unantastbar: — Konvergenz der Wirtschaftspolitiken und — ein unabhängiges autonomes Zentralbanksystem, das dem Ziel der Geldwertstabilität verbunden ist. 2. muß eine freiheitliche Welthandels- und Wirtschaftsordnung garantiert sein. Wichtigster Schritt bleibt darum zunächst der Abbau von Subventionen und jeder Form des gedeckten Protektionismus. Beides bedeutet für die Bundesrepublik langfristig eine Existenzfrage. Aus diesem Grunde muß die Bundesregierung alles Erdenkliche tun, um den erfolgreichen Abschluß der Uruguay-Runde im Rahmen des GATT zu erreichen. Nicht nur die USA können von den EG-Ländern eine konsequente Subventionsstreichung erwarten. Auch die Dritte Welt und Südamerika bauen hier auf eine Lösung. Jahrzehntelange, mühsam errungene Erfahrungen des Welthandels sind hier in Gefahr. Viele Länder würden sich nicht mehr ernstgenommen fühlen, wenn die Uruguay-Runde nicht erfolgreich abgeschlossen werden könnte. Afrika, Asien und Lateinamerika wollen am internationalen Welthandel teilhaben, und das GATT muß auf diese Wünsche reagieren. Hier stellen sich für die kommende Zeit große Herausforderungen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß wir die Entwicklungsländer in der Zukunft mehr unterstützen und in den Welthandel integrieren müssen; auch die Einbindung Mittel-, Ost- und Südosteuropas muß im GATT sehr viel intensiver forciert werden. Wir müssen diese Verantwortung ernst nehmen und daneben die hoffnungsvollen Reformen der jungen Demokratie tatkräftig unterstützen. Dies geschieht zum einen im Interesse unserer eigenen Wirtschaft. Zum anderen aber können wir nur so unserer neuen Rolle in Europa und der Welt gerecht werden. Die Entscheidung für demokratische Reformen und damit die Marktwirtschaft beinhaltet für die Staaten im Osten harte Anpassungsphasen und Lernprozesse. Für ein friedliches Europa und einen liberalen Welthandel, an dem alle teilhaben, sind wir verpflichtet, all unsere Kraft einzusetzen. Stellen wir uns dieser verantwortungsvollen Aufgabe! 1472* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. April 1991 Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 22. März 1991 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Gesetz zur Änderung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der Bundesanstalt für Arbeit (BeitrS. RV/BA ÄndG) Erstes Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen (SpTrUG) Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat stimmt dem Gesetz zu und begrüßt, daß es nunmehr zusätzliche Ausnahmen vom Restitutionsprinzip vorsieht. Er weist jedoch zu Artikel 12 auf folgendes hin: Die Erweiterung des § 4 Abs. 3 des Umweltrahmengesetzes wird als notwendige Erleichterung der Unternehmensansiedlung und Privatisierung begrüßt. Aus der Freistellung von Grundstücks- und Unternehmensbesitzern von Altlasten werden aber Kosten in einer kaum abschätzbaren Höhe auf die neuen Länder zukommen, die sie bei der gegebenen Finanzsituation nicht allein tragen können. Der Bundesrat hält daher eine substantielle Kostenbeteiligung des Bundes für unerläßlich, um den mit der Regelung angestrebten Abbau von Investitionshemmnissen tatsächlich wirksam werden zu lassen. Weiter erleichtert würde die verwaltungsmäßige Umsetzung des Gesetzes durch die Vorlage eines bundeseinheitlichen Prioritätenkataloges für die Sanierung von Altlasten, einschließlich von Kriterien, nach denen Grundstücke für bestimmte Zeiträume oder auf Dauer von der Altlastensanierungspflicht befreit werden können. Der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Drucksache 12/210 Nr. 137 Drucksache 12/269 Nr. 2.31
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    Rede von Herbert Meißner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das will ich Ihnen gerne zugeben. Dennoch funktioniert diese Regelung momentan noch nicht, wie Sie sehen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Walter Hitschler [FDP]: Das kann dann aber nur an der Unwissenheit der Richter liegen!)

    — Das will ich auch zugeben. Die Zeit läuft uns weg.

    (Wolfgang Roth [SPD]: Es ist doch unglaublich! Der Kinkel schafft zuerst Hemmnisse, und dann macht er ein Abbaugesetz für Hemmnisse!)

    Ein weiteres Beispiel zur Arbeitsmarktsituation. Wir hatten, so meinten einige, Glück gehabt: Zur Verbesserung der Situation in der Telekommunikation wurden Verträge zunächst bei uns vergeben. Die Telekom hat vor drei Wochen mit Erdarbeiten für das Kabelnetz begonnen. In der darauffolgenden Zeit wurde ganz nebenbei festgestellt: Die Arbeiten werden von einer Münchener Firma mit Arbeitern aus Jugoslawien ausgeführt.

    (Wolfgang Roth [SPD]: Das ist unglaublich!)

    Können Sie das noch verstehen? Ich kann es nicht verstehen, das tut mir furchtbar leid.

    (Dr. Walter Hitschler [FDP]: Das kann nur daran liegen, daß die billiger war!)

    In meinem nächsten Beispiel muß ich noch einmal die Situation der Häuslebauer in den ostdeutschen Ländern betrachten. Das ist schon mehrmals geschehen, trotzdem ist es wert, hier erwähnt zu werden. Knapp 1 Million Häuslebauer haben mit der Einführung der Währungsunion eine böse Überraschung überlebt. Ihre Kreditinstitute verlangten schlagartig marktwirtschaftliche Zinsen. Dies ist jedoch nicht alles. Der Häuslebauer zahlt für die Müllabfuhr, für die Fäkalienbeseitigung und den Schornsteinfeger marktübliche Preise.

    (Dr. Walter Hitschler [FDP]: Das ist die Marktwirtschaft!)




    Herbert Meißner
    — Natürlich. — Wer kennt nicht die erheblichen Instandsetzungs- und Reparaturkosten für ein Eigenheim, ja gerade für ein Eigenheim in den ostdeutschen Ländern? Dazu kommen die erst jetzt erheblich gestiegenen Kosten für Elektroenergie und andere Energieträger, wie Kohle und Gas — alles in marktwirtschaftlichen Größen. Nur eines, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist bei dem Häuslebauer keine marktwirtschaftliche Größe geworden, nämlich sein Einkommen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste — Dr. Walter Hitschler [FDP]: Das steigt auch!)

    Im besten Fall kann er als Lohn- bzw. Gehaltsempfänger mit etwa 50 % des üblichen Einkommens rechnen. Viel schlechter sind Arbeitslose, Kurzarbeiter oder gar Rentner dran; Sie haben doch keine Chancen, diesen Kostendruck abzufangen und dennoch einigermaßen vernünftig zu leben.
    Auch wenn Sie dieser Problematik mit der Übernahme wenigstens der Zinsen bis zum 3. Oktober 1990 und darüber hinaus mit einer Art Zinsgeldmöglichkeit ähnlich dem Wohngeld jetzt schnell beikommen möchten, ist es dafür eigentlich schon zu spät. Wenn die Menschen nicht verzweifeln sollen, müssen kurzfristige, sehr kurzfristige Veränderungen zum Tragen kommen. Wie soll denn in dieser Branche der erwartete Investitionsschub eintreten? Wir erwarten ja auch da etwas. Jeder von uns möge sich bitte den Optimismus vorstellen, als die Häuslebauer nach Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion glaubten, daß sie ihre Häuser nun endlich nach westlichem Standard erneuern könnten. Aber sie kamen vom Regen in die Traufe.
    Ein letztes Beispiel. In meinen Landkreis — er hat eine Größe von 725 km2 — gibt es allein 128 Objekte des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit. Darüber hinaus gibt es zwölf Objekte der ehemaligen SED und viele weitere Objekte von Versorgungseinrichtungen. Dazu gehören solche Einrichtungen wie ein Diplomatenklub, das Schloß Teupitz, die Herzog-villa und ein Diplomatenjagdgebiet.
    Ein weiteres Objekt hat allein eine Flächenausdehnung von 55 Quadratkilometern. Ja, Sie hören richtig: 55 Quadratkilometer.
    Etwa 20 bis 30 % dieser Objekte sind, wie man so schön sagt, von der Treuhandanstalt vermarktet oder — sicherlich meistbietend — verkauft worden. Einige werden für kommunale Zwecke genutzt.

    (Wolfgang Roth [SPD]: Spekulation statt Privatisierung!)

    Die anderen 70 % dieser Objekte schlummern noch vor sich hin. Es ist eine lange Zeit bisher vergangen.
    Dies bedrückt mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, und mich bedrückt auch, daß kaum ein Ossi hier als Käufer in Frage kommt; denn nur wenige hatten die reale Chance, in der ehemaligen DDR Rücklagen zu bilden.
    Ich meine, wir sollten doch für Chancengleichheit sorgen, wie sie das Grundgesetz fordert. Diese ist hier nicht gegeben.

    (Beifall bei der SPD)

    Nicht einmal die Kommunen kommen — aus den verschiedensten Gründen — für die Nutzung in Frage. Ein Grund liegt darin, weil die kleinen Kommunen aus fachlicher Kompetenz oder aus Kapazitätsgründen nicht in der Lage sind, eine kommunale Nutzung solcher Objekte planerisch oder gar wirtschaftlich vorzubereiten. Die jetzt angestrebte kommunale Gebietsreform ist meines Erachtens nach eine der wichtigsten Aufgaben. Hier sind die Landesregierungen gefordert. Die kommunalen Verwaltungen müssen in die Lage versetzt werden, ihre Mitarbeiter zu qualifizieren und parallel dazu fachkompetent und schlagkräftig die durch das Gemeinschaftswerk gebotenen Möglichkeiten zu nutzen, damit das Geld, das jetzt zur Verfügung steht, auch wirklich an die richtige Stelle kommt.
    Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren der Koalition, haben mit dem Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost eine Reihe von wirtschaftlichen Fördermaßnahmen belebt, wie sie die Sozialdemokraten schon lange gefordert haben. Ergreifen Sie doch ganz einfach das wiederholt unterbreitete Angebot meiner Partei: Machen Sie mit uns ein wirkliches Gemeinschaftswerk für die Menschen im Osten und im Westen daraus!
    Danke schön.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)



Rede von Helmuth Becker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, Ihr Einverständnis setze ich voraus, daß der Kollege Kittelmann seine Rede zu Protokoll gegeben hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Der nächste Redner ist unser Kollege Dr. Hermann Pohler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Pohler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es steht außer Frage, daß sich die Wirtschaft der neuen Bundesländer in einem schwierigen Anpassungsprozeß befindet. Die ursprünglich mit der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion eingetretene Euphorie ist verflogen.
    Eine sozialistische Mißwirtschaft kann aber nun einmal nicht in wenigen Monaten in eine blühende Marktwirtschaft verwandelt werden.
    Die gegenwärtige Anpassungskrise ist auch keine Krise der Sozialen Marktwirtschaft. Es sind die schweren Hypotheken vierzigjähriger Planwirtschaft, die jetzt von uns allen abgetragen werden müssen.
    Hart trifft das vor allem die Menschen in den neuen Ländern, die arbeitslos geworden sind oder es noch werden. Wir dürfen dabei nicht vergessen, daß es für sie eine völlig neue Situation ist, mit der sie nie gelernt haben umzugehen.



    Dr. Hermann Pohler
    Um so unverantwortlicher ist das Verhalten von politischen Strömungen und der Gewerkschaften, Stimmungen gegen die Soziale Marktwirtschaft zu machen. Nicht Demonstrationen, sondern Innovationen und Investitionen sind jetzt das Gebot der Stunde. Es gilt nicht, die Bürger zu verunsichern, sondern es gilt, sie zu informieren und die Wege zum Aufschwung aufzuzeigen; denn neben Schatten gibt es bereits jetzt erstes Licht in der wirtschaftlichen Entwicklung. Da es einigen meiner Vorredner aus der Opposition schwerfällt, dies zu erkennen, will ich nachfolgend versuchen, einige Beispiele aufzuzeigen.
    Mit all unseren beschlossenen Maßnahmen, insbesondere dem Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost, haben wir eine Gesamtstrategie und einen Finanzrahmen beispielloser historischer Dimension geschaffen. Besonders wirkungsvoll ist die Investitionspauschale in Höhe von insgesamt 5 Milliarden DM, weil sie schnell wirkt. So wurde z. B. in Leipzig unter Einbeziehung aller Dezernate ein Katalog zum sinnvollen Einsatz der zur Verfügung stehenden 160 Millionen DM erarbeitet. Wie mir bestätigt wurde, ist abgesichert, daß 40 bis 50 % der Vorhaben sofort nach Beschlußfassung durch die Stadtverordnetenversammlung begonnen werden können. Soweit ich informiert bin, ist dies am letzten Mittwoch geschehen.
    Der vordringliche Einsatz der örtlichen Kapazitäten ist dabei gesichert, und damit beginnt der Kreislauf des Geldes; denn mit der Arbeit fließen die Steuern und damit Geld in die schmalen Kassen der Kommunen.
    Ich nenne weitere positive Ergebnisse, die deutlich sichtbar sind.
    Allein in meinem Bundesland, dem Freistaat Sachsen, sind in den ersten beiden Monaten 1991 bereits 18 000 neue Gewerbe angemeldet worden. Im Rahmen des Kommunalkreditprogramms sind in Sachsen bis vergangene Woche 628 Kreditzusagen mit einem Volumen von 1,7 Milliarden DM bewilligt worden. Im Bereich des Mittelstands der neuen Länder ist auch unter Berücksichtigung von Betriebsschließungen eine Erweiterung von über 20 000 neuen Unternehmen zu verzeichnen.
    Wie die beiden nachfolgenden Fälle zeigen, gibt es auch für größere Industriebetriebe positive Beispiele. So ist das Drehmaschinenwerk in Leipzig mit Firmen aus den alten Ländern und der Schweiz eine enge Verbindung eingegangen und hat nicht nur in den Ostländern, sondern auch auf dem EG-Markt bereits Fuß gefaßt und hat somit wieder eine Perspektive. Ein weiteres Beispiel ist die Warnow-Werft an der Ostseeküste, die mit Hilfe der Thyssen GmbH ein Sanierungskonzept erarbeitete, das unter Nutzung der spezifischen Kenntnisse der Werft langfristig nicht nur den Schiffsbau für die SU, sondern auch für die westlichen Länder sichern kann.
    Im Baubereich geht es gleichfalls voran. So verzeichnete das Landratsamt Leipzig im vorigen Jahr insgesamt 150 Anträge auf Erteilung von Baugenehmigungen. Jetzt sind es täglich rund 50 Anträge, die gestellt werden.