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    Plenarprotokoll 12/13 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 13. Sitzung Bonn, Dienstag, den 12. März 1991 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 643 A Tagesordnungspunkt 1: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen (Drucksachen 12/204, 12/216) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen (Drucksachen 12/205, 12/214) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 12/206, 12/215) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Strafprozeßordnung (Drucksachen 12/209, 12/218) e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der Bundesanstalt für Arbeit (Drucksache 12/208) f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1991 (Drucksache 12/197) g) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Erneute Überweisung von Vorlagen aus früheren Wahlperioden (Drucksache 12/210) 643 C Tagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1991 (Haushaltsgesetz 1991) (Drucksache 12/100) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1990 bis 1994 (Drucksache 12/101) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte sowie über strukturelle Anpassungen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Haushaltsbegleitgesetz 1991) (Drucksache 12/221) in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 12. März 1991 Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Dr. Kurt Faltlhauser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie dem Abgeordneten Hans H. Gattermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen im Beitrittsgebiet sowie zur Änderung steuerrechtlicher und anderer Vorschriften (Steueränderungsgesetz 1991) (Drucksache 12/219) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Dr. Kurt Faltlhauser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie dem Abgeordneten Hans H. Gattermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines befristeten Solidaritätszuschlags und zur Änderung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen (Solidaritätsgesetz) (Drucksache 12/220) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 645 A Oskar Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 656B Hans H. Gattermann FDP . 659C, 712A, 723B, 728A, 733 C Friedrich Bohl CDU/CSU 665 A Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste . 670A, 708C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . . . 673B Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 677D Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD . . . 681 B Jochen Borchert CDU/CSU 687 C Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD 689C, 690C, 718A, 720C Ingrid Matthäus-Maier SPD 692 B Bernd Henn PDS/Linke Liste 692 C Werner Zywietz FDP 694 D Helmut Esters SPD 695 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . 695D Hans-Eberhard Urbaniak SPD 696A Joachim Poß SPD 697 D Gunnar Uldall CDU/CSU 702 B Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 704 B, 708A, 713A Rudi Walther SPD 707C, 708B Ingrid Matthäus-Maier SPD 707 D Hermann Rind FDP 709 A Rudi Walther SPD 709 D Achim Großmann SPD 712D Dr. Emil Schnell SPD 713B Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 716D Ernst Schwanhold SPD 717 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 719A Manfred Hampel SPD 721 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 722A Dr. Hermann Otto Solms FDP 722 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 724 D Jürgen Koppelin FDP 725 C Reiner Krziskewitz CDU/CSU 728 C Gunnar Uldall CDU/CSU 730A Joachim Poß SPD 731 C Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU . . . 732A Dankward Buwitt CDU/CSU 732 D Beratung und Abstimmung über den Antrag der PDS/Linke Liste auf Änderung der Tagesordnung und des Tagesortes Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste 654 D Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 655A Dr. Peter Struck SPD 655 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . . 655 C Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 655 D Nächste Sitzung 734 C Berichtigung 734 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 735* A Anlage 2 Deichsicherheit an der Unterelbe angesichts der zu erwartenden Änderung der Tidedynamik MdlAnfr 68, 69 — Drs 12/159 —Dr. Margrit Wetzel SPD SchrAntw PStSekr Neumann BMFT 335* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 12. März 1991 643 13. Sitzung Bonn, den 12. März 1991 Beginn: 10.01 Uhr
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    Berichtigung 12. Sitzung, Seite III, linke Spalte, 6. Zeile von unten: Bei dem Namen ,Eimer (Fürth)' ist statt „SPD" „FDP" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 12. 03. 91 * Augustin, Anneliese CDU/CSU 12. 03. 91 Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 12. 03. 91 ** Brandt, Willy SPD 12. 03. 91 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 12. 03. 91 * Dr. Däubler-Gmelin, SPD 12. 03. 91 Herta Doss, Hansjürgen CDU/CSU 12. 03. 91 Funke, Rainer FDP 12. 03. 91 Göttsching, Martin CDU/CSU 12. 03. 91 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 12. 03. 91 Dr. Guttmacher, FDP 12. 03. 91 Karlheinz Dr. Hennig, Ottfried CDU/CSU 12. 03. 91 Heyenn, Günther SPD 12. 03. 91 Horn, Erwin SPD 12. 03. 91 ** Ibrügger, Lothar SPD 12. 03. 91 ** Jaunich, Horst SPD 12. 03. 91 Kossendey, Thomas CDU/CSU 12. 03. 91 Krause (Dessau), CDU/CSU 12. 03. 91 Wolfgang Dr. Kübler, Klaus SPD 12. 03. 91 Lowack, Ortwin CDU/CSU 12. 03. 91 ** Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 12. 03. 91 Erich Dr. Müller, Günther CDU/CSU 12. 03. 91 * Paintner, Johann FDP 12. 03. 91 Rawe, Wilhelm CDU/CSU 12. 03. 91 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 12. 03. 91 * Dr. Reinartz, Bertold CDU/CSU 12. 03. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 12. 03. 91 * Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 12. 03. 91 Dr. Schneider CDU/CSU 12. 03. 91 (Nürnberg), Oscar Schulte (Hameln), SPD 12. 03. 91 ** Brigitte Sielaff, Horst SPD 12. 03. 91 Dr. Sperling, Dietrich SPD 12. 03. 91 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 12. 03. 91 Weiß (Berlin), Konrad Bündnis 90/ 12. 03. 91 DIE GRÜNEN Welt, Hans-Joachim SPD 12. 03. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Neumann auf die Frage der Abgeordneten Dr. Margrit Wetzel (SPD) (Drucksache 12/159 Fragen 68 und 69): Zu Frage 68: Das Forschungsprojekt „Rezente Wasserstandsänderungen an der Deutschen Nordseeküste - Numerische Simulation" wurde vom Bundesminister für Forschung und Technologie (BMFT) für einen Zeitraum von drei Jahren (1. 7. 1987-30. 6. 1990) gefördert. Die Arbeiten haben gezeigt, daß die angewandten numerischen Modelle gute Ergebnisse bezüglich des Tideablaufs (Normaltiden und Sturmfluten) liefern und somit für die Vorhersage von Änderungen des Tideverhaltens in der Deutschen Bucht, verursacht durch einen Meeresspiegelanstieg, verwendet werden können. Die Simulationen eines erhöhten Meeresspiegels ergaben, daß insbesondere in den flachen Gebieten der Deutschen Bucht mit Änderungen der Tidedynamik zu rechnen ist. Dies trifft sowohl für Normaltiden als auch für Sturmfluten zu. Es ist mit Veränderungen der Erosions- und Sedimentationsmuster in den Wattengebieten und Verschiebungen der Brackwasserzonen in den Ästuaren (Flußmündungsgebiete) zu rechnen, die zur Quantifizierung jedoch weiterer Untersuchungen bedürfen. Unmittelbare Konsequenzen für den Deichbau ergeben sich aus den Ergebnissen des Vorhabens bisher nicht. Im zwischenzeitlich geförderten Anschlußprojekt „Simulationen von Wasserstandsänderungen an der Deutschen Nordseeküste und in den Ästuaren" sollen die Folgen eines beschleunigten Meeresspiegelanstiegs auf die Ästuare (z. B. Verlagerung der Schwebstoffzonen, Veränderung der Strömungsverhältnisse unter Berücksichtigung sich hydrologisch verändernder Bedingungen im Ober- und Unterlauf des Ästuars, Änderung der Windstaukurven und Strömungsverhältnisse bei Extremwetterlagen) untersucht werden. Auf die Frage, ob es möglich ist, zusätzliche Zerstörungspotentiale durch Veränderungen der Tidedynamik infolge einer Vertiefung der Unterelbe auf 15 m unter MTNV zu berechnen, ist folgendes zu sagen: Der Bundesminister für Verkehr läßt von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes zur Zeit eine Fahrwasseranpassung der Elbe unterhalb von Hamburg aus Anlaß der weltweit gestiegenen Anforderungen des Containerschiffsverkehrs untersuchen. Verschiedene Fahrwasservarianten und deren Auswirkungen auf die Tideenergie werden nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik zuverlässig mit mathematischen Simulationsmodellen berechnet. Hiermit wird die Grundlage für die Optimierung von ökonomischen und ökologischen Fragestellungen der Verkehrsplanung ermöglicht. Der Begriff „Zerstörungspotentiale" ist fachwissenschaftlich nicht gebräuchlich und sollte in diesem Zu- 736* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 12. März 1991 sammenhang nicht verwendet werden. Zu der Frage, ob es Wasserbaumaßnahmen gibt, die grundsätzlich geeignet sind, dem Zerstörungspotential des allgemeinen Tidenhöhenanstiegs sowie sturmfluterzeugenden Windlagen entgegenzuwirken und umgekehrt, antworte ich folgendes: Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, durch Wasserbaumaßnahmen, wie z. B. Buhnen, die Rauheiten im Randbereich des Flußbettes zu erhöhen und damit eine entsprechend erhöhte Tideenergieumwandlung herbeizuführen. Dabei ist jedoch abzuwägen, ob diese Maßnahmen ökonomisch und ökologisch angemessen sind, insbesondere weil eine sehr geringe Änderung der mittleren Tidewasserstände zu erwarten ist. Eine abschließende Beurteilung wird nach Vorliegen der Untersuchungsergebnisse erfolgen. Bei Sturmfluten herrschen meteorologisch bedingt bereits stark erhöhte Wasserstände im Elbe-Ästuar, so daß bei diesen Bedingungen die örtlich nur im Fahrrinnenbereich vorgenommene Vertiefung einen noch geringeren Einfluß hat. Zu Frage 69: Meeresspiegeländerungen sind im Rahmen natürlicher Schwankungen seit langen Jahren bekannt. Gegenwärtig hat es den Anschein, als ob wir uns in einer Phase des Meeresspiegelanstiegs befinden. So ist seit Beginn dieses Jahrhunderts der Meeresspiegel im Bereich der Nordsee um 14 plus/minus 5 cm gestiegen. Ob hierfür ausschließlich natürlich oder auch durch menschliche Aktivitäten angestoßene Ursachen verantwortlich sind, kann derzeit — so sagen es die den Bundesminister für Forschung und Technologie beratenden Wissenschaftler — nicht eindeutig beantwortet werden. Auch sind sich die Wissenschaftler darin einig, daß die zukünftige Veränderung des Meeresspiegels neben geologischen Bedingungen (Hebungen/Senkungen der norddeutschen Tiefebene) ganz wesentlich auch von der künftigen Entwicklung des Klimas abhängt. In welchem Ausmaß aufgrund von Klimaänderungen der Meeresspiegel steigt, ist in der Wissenschaft allerdings umstritten. Prognosen reichen von 15 cm bis 150 cm für das kommende Jahrhundert. Die wohl komplexeste Modellrechnung u. a. zu diesem Themenkreis hat das Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Klimarechenzentrum kürzlich vorgelegt. Hier gehen die Wissenschaftler von einer thermisch bedingten Anhebung des Meeresspiegels von 16 cm für die nächsten 100 Jahre aus. Welche Folgen hiermit verbunden sind, soll im Rahmen eines BMFT-Förderschwerpunkts „Folgen einer möglichen Klimaänderung" wissenschaftlich bearbeitet werden. Zu der Frage, ,gibt es Maßnahmen zur Verhinderung einer Verschiebung der Brackwasser-Zonen, die aufgrund veränderter Tidedynamik entgegenwirken können, wenn ja, welche?' folgendes: Der Bundesregierung liegen abgesicherte Erkenntnisse über Verschiebungen der Brackwassergrenze in der Unterelbe bisher nicht vor. Alle Maßnahmen an Küstengewässern stellen einen Eingriff in äußerst sensible hydrodynamische und ökologische Systeme dar und bedürfen als Planungsgrundlage umfassender ökosystemarer Untersuchungen. Es wird auf die Antwort in Zusatzfrage 68.2 verwiesen. Die Frage, durch welche Maßnahmen ein Vordringen der Salzfront flußaufwärts und eine Beeinträchtigung des Grundwassers im Einflußbereich der Unterelbe zu verhindern wäre, kann ich sagen: Ökosystemare Untersuchungen schließen die Erkundung der Auswirkung einer potentiellen Verschiebung der Brackwasserzone auf das ufernahe Grundwasser mit ein. Eine Beurteilung wird nach Vorliegen entsprechender Untersuchungsergebnisse im Einvernehmen mit den für den Grundwasserschutz zuständigen Elbeanliegerländern erfolgen.
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    Rede von Bernd Henn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS/LL)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten der PDS/Linke Liste stellen zunächst mit Genugtuung fest, daß die Regierung offensichtlich begriffen hat, daß für den Osten unseres Landes finanz- und wirtschaftspolitisch mehr getan werden muß, um die ökonomische und soziale Katastrophe zu begrenzen, mehr jedenfalls, als man ursprünglich bereit war zu tun.

    (Zywietz [FDP]: Leider! Weil ihr so schlecht wart!)

    Diese Erkenntnis ist unseres Erachtens ausschließlich ein Ergebnis der wachsenden sozialen Unruhe in den sogenannten neuen Bundesländern. Ich denke, daß die Regierung auch eine abnehmende Bereitschaft der Bürger im Westteil der BRD registriert, Milliarden für eine konzeptions- und wirkungslose Wirtschafts- und Finanzpolitik aufbringen zu müssen.
    Ich bin überzeugt, es gäbe eine größere Opferbereitschaft der Bürger im Westen, wenn erstens die Steuer-, Haushalts- und Finanzpolitik von größerer sozialer Gerechtigkeit gekennzeichnet wäre. Es ist doch ein Skandal, wenn 700 000 Bürger in einem Volk von fast 80 Millionen ein Steuergeschenk von fast 9 Milliarden DM durch die Streichung der Gewerbekapitalsteuer und der Vermögensteuer bekommen, während Arbeitnehmer mit der Erhöhung der Arbeitslosenversicherung zur Kasse gebeten werden.
    Ich glaube, es gäbe eine größere Opferbereitschaft der Bürger im Westen, wenn zweitens ernsthafte Sparversuche bei den Rüstungsausgaben gemacht würden. Ich denke, es gäbe eine größere Opferbereitschaft, wenn drittens das Vertrauen in die Wirksamkeit der Hilfsmaßnahmen für die neuen Bundesländer größer sein könnte.
    Ich stelle in den Gesprächen mit den Bürgern, den Betriebsräten und den Gewerkschaftern immer wieder fest, daß die Auffassung vorherrscht, daß das Faß Ex-DDR noch keinen Boden hat, daß noch viele Milliarden zur sozialpolitischen Flankierung von Arbeitslosigkeit und sozialer Not notwendig sein werden, daß die industriepolitische Untätigkeit der Bundesregierung zu einer fast vollständigen Demontage der Industrie im Osten führen wird und daß dieser Prozeß der Deindustriealisierung des Ostens im Westen entsprechende Gewinner vorfindet.
    Der Niedergang der Produktion und die steigende Arbeitslosigkeit im Osten einerseits sowie die konjunkturelle Aufwärtsentwicklung und die Zunahme der Beschäftigung im Westen andererseits sind zwei Seiten derselben Medaille. Mit marktradikalen Theorien ist dieser Entwicklung nicht beizukommen.



    Bernd Heim
    Wer wie der Kanzler noch vor wenigen Monaten im Wahlkampf Eisenacher Arbeitern ein blühendes Thüringen in drei bis vier Jahren versprochen hat, der müßte doch schon heute die Großinvestition benennen können, durch die die zu 95 % arbeitslos werdenden Wartburg-Arbeiter wieder beschäftigt werden können. Bei Opel werden sie jedenfalls nicht unterkommen.
    Neuinvestitionen, wie sie in der ehemaligen DDR notwendig wären, um wegbrechende Großbetriebe zu ersetzen, brauchen auch nach unseren altbundesrepublikanischen Planungsmaßstäben einige Zeit, um beschäftigungswirksam zu werden. Als ich Dr. Wild, Mitglied des Treuhandvorstands, im Wirtschaftsausschuß fragte, von welchen Branchen er sich denn vorstellen könne, daß sie in der Ex-DDR angesichts des geringen Bedarfs an Erweiterungsinvestitionen vieler Branchen hierzulande mit Neuinvestitionen aufwarten würden, fielen ihm nur die Kfz-Industrie und Software-Firmen ein, mehr nicht. Jeder kann sich ausrechnen, daß das zuwenig ist, zumal da alle Investitionen von Volkswagen, Daimler und Opel im Verhältnis zu den früheren Automobilfirmen der DDR einen massenhaften Abbau von Arbeitsplätzen bedeuten.

    (Kalb [CDU/CSU]: Warum kaufen Sie sich keinen Trabi?)

    Wenn Sie, Herr Dr. Waigel, heute feststellen, daß das Anlagevermögen in der ehemaligen DDR, gemessen am BRD-Niveau, im Durchschnitt veraltet ist, dann kommt diese Feststellung ein Jahr zu spät. Ich denke, diese Situation war vor einem Jahr erkennbar.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Sie wußten das schon vorher! Sie haben das ja mitverschuldet! — Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Wer ist für alles verantwortlich? Das ist eine lustige Veranstaltung! Ihr habt alle enteignet!)

    An erster Stelle haben diese Situation die Manager westdeutscher Konzerne erkannt; denn seit November 1989 gab es eine intensive Inspektion der DDR-Betriebe durch Fachleute der West-Unternehmen. Ich denke, Herr Dr. Waigel, Sie hatten sicher häufiger Gelegenheit als ich, mit Vorstandsmitgliedern von West-Unternehmen zu reden. Also hätten Sie sich auch über die Situation informieren können.
    Wirtschaftswissenschaftler, Bundesbank und viele Politiker haben vor der Entwicklung gewarnt. Ich habe heute noch großen Respekt vor den 25 SPD-Abgeordneten, die sich vor einem Jahr bei ihrem Nein zur Wirtschafts- und Währungsunion mit einer zutreffenden Erklärung zu Wort meldeten.

    (Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Ihr wolltet überhaupt keine Einheit!)

    Die Wahrheit ist aber auch, daß es nur 25 waren und der Großteil der Fraktion einen anderen Weg gegangen ist,

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Das war auch richtig! — Matthäus-Maier [SPD]: Was haben Sie denn für eine Ahnung vom Parlament?)

    übrigens auch einen anderen als den, den Lafontaine wollte. Als die Wirtschafts- und Währungsunion durchgedrückt wurde, hätte die Wahrheit gelautet: Wenigen wird es besser gehen, aber vielen schlechter.
    Wenn man die Karre nicht vollends in den Dreck fahren lassen will, dann muß die Regierung schleunigst aktive Wirtschaftspolitik betreiben

    (Kriedner [CDU/CSU]: So wie ihr?)

    und sich haushaltspolitisch und finanzpolitisch darauf konzentrieren, in der ehemaligen DDR Betriebe zu stützen, sie zu sanieren und sie nötigenfalls auf eigene Faust in einem angemessenen Zeitraum wettbewerbsfähig zu machen.
    Oskar Lafontaine hat sich heute in seinen Ausführungen bereits auf Franz Steinkühler bezogen, der in diesen Tagen darauf hingewiesen hatte, daß für einen neuen industriellen Arbeitsplatz ein Kapitaleinsatz von 250 000 DM erforderlich ist. Auch wir folgen dieser Rechnung, daß für 2,5 Millionen Arbeitslose entsprechend 600 Milliarden DM Kapital zu mobilisieren wären. Ich halte es für völlig undenkbar, daß diese Summen politisch zu mobilisieren sind.

    (Kriedner [CDU/CSU]: Die hat selbst die PDS nicht!)

    — Sie sollten aufhören, über Milliarden zu reden. Solange Schalck-Golodkowski noch Gast der Bayerischen Staatsregierung am Tegernsee ist, möchte ich mit Ihnen darüber nicht diskutieren.

    (Bundesminister Dr. Waigel: Der lügt ja wie gedruckt! — Parl. Staatssekretär Dr. Riedl: Lügner! — Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/ CSU]: Das war doch euer Chefschmuggler! — Kalb [CDU/CSU]: Unverschämt!)

    Ich meine, es kann nur eine Lösung geben: so viele vorhandene Arbeitsplätze wie möglich durch vernünftige Sanierungsmaßnahmen retten. Das erfordert einen anderen Auftrag an die Treuhand. Das erfordert ein Zusammenwirken von Bund, Treuhand und Ländern. Ich halte die Frage, wer federführend für die Treuhand ist, ob die Treuhand regional oder zentral geführt wird, letztlich für zweitrangig, wenn endlich Schluß gemacht wird mit dem Schwarzer-Peter-Spiel, wer für Regional- und Strukturpolitik zuständig ist. Alle sind zuständig, und alle sind verantwortlich für die Menschen. Sie haben die Pflicht, Schaden abzuwenden.
    Ich denke, es kommt darauf an, mit dem Treuhandvermögen wirtschaftspolitisch im Sinne von Industriepolitik und im Sinne von regionaler Strukturpolitik zu arbeiten.
    Ohne Zweifel ist in den letzten drei bis vier Wochen Bewegung in die Politik der Bundesregierung gekommen. Ich muß anerkennen — ich habe heute auch bei Herrn Dr. Waigel solche Töne gehört — , daß es inzwischen ein Bekenntnis zur Sanierung von nichtprivatisierungsfähigen Betrieben gibt.
    Der Bundeswirtschaftsminister ist, gemessen an seinem politischen Standort, dieses Thema recht undogmatisch angegangen. Ich denke, man kann die Transformation einer bürokratischen Kommandowirtschaft in eine Marktwirtschaft auch vor einem liberalen Ge-



    Bernd Henn
    wissen als Sonderfall der Geschichte betrachten, der eben besondere Methoden der Wirtschaftspolitik zuläßt. Niemand käme auf die Idee, einen übergewichtigen Schachspieler gegen einen hochtrainierten Kurzstreckenläufer in einen Hundertmeterlauf zu schicken. Auch in der Wirtschaft kann man Vergleichbares nicht machen. Das kann nicht funktionieren.
    Nötig sind drei bis fünf Jahre Zeit zur Anpassung für die neuen Länder, um sie industriell wettbewerbsfähig zu machen. Das vorliegende Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost formuliert einige gute Absichten. Es gibt Elemente dieses Programms, die sicher ihre Wirkung haben werden. Ich denke insbesondere an die Infrastrukturmaßnahmen, die in der Bauwirtschaft Beschäftigung auslösen werden. Aber im Kern der Industriepolitik bleibt dieses Programm unzureichend. Es gibt für etliche Branchen, insbesondere für Schlüsselindustrien, überhaupt keine Notwendigkeit, neue Standorte im Osten zu erschließen, wenn die Märkte von hier bedient werden können. Was also soll die westdeutsche Werftindustrie, die Chemieindustrie, die Textilindustrie oder den Maschinenbau anreizen, nach Osten zu gehen? Es ist eben nicht nur die Eigentumsfrage, die eine Investitionszurückhaltung bewirkt.
    Ich bin sicher, daß sich einige Konzerne mehr bewegen würden, wenn sie befürchten müßten, daß ihnen im Osten in ihrem Produktionsbereich eine wirkliche Konkurrenz entstünde. Deshalb gehören zur Wirtschaftspolitik Zuckerbrot und Peitsche. Peitsche heißt in diesem Fall,

    (Heise [CDU/CSU]: Von der Peitsche verstehen Sie etwas!)

    glaubhaft zu machen, daß Teile der Industrie staatlich weitergeführt werden, wenn die private Industrie nicht bereit ist, in diesen Teil der Industrie zu investieren. Die Treuhand organisiert in dieser Richtung nichts, kann es auch nicht. Es wäre aber notwendig.

    (Kalb [CDU/CSU]: Als SED-Ableger müßten Sie noch viel zurückhaltender sein!)

    — Mein lieber Herr Kollege, ich war nie in der SED. Insofern brauche ich auch nicht zurückhaltend zu sein.

    (Kalb [CDU/CSU]: Aber die PDS ist nichts anderes!)

    Es ist völlig klar: Mecklenburg-Vorpommern braucht eine leistungsfähige Werftindustrie. Brandenburg braucht eine leistungsfähige Stahlindustrie. Was soll aus diesen Regionen im Osten unseres Landes werden, wenn das Halbleiterwerk in Frankfurt kaputtgeht und das relativ moderne Stahlwerk in Eisenhüttenstadt von den Kosten her nicht lebensfähig wird, weil sie mit einer unvollendeten Investitionspolitik der ehemaligen DDR-Regierung zu kämpfen haben? Die Chemieindustrie Sachsen-Anhalts geht Stück für Stück kaputt. Leuna, Buna, Bitterfeld und Wolfen werden bald nur noch unbedeutende Standorte gegenüber den Giganten Bayer, Hoechst und BASF sein.
    Die wirkliche Konsequenz heißt: Werftenkonzepte mit staatlicher Stützung, Investitionen in die Stahl- und Chemieindustrie, Modernisierung der Anlagen,
    Entwicklung neuer Produktlinien auch mit Mitteln aus dem Forschungshaushalt, Altlastsanierungsprogramme, um den freigesetzten Chemieingenieuren und Technikern in neuen Umwelttechnikfirmen Arbeit zu geben. Im Rahmen eines solchen Programms wäre es auch notwendig, darüber nachzudenken, ob die Investitionszulagen, die gewährt werden, zu einem gewissen Teil in gestaffelter Form an Fertigung in der ehemaligen DDR gebunden werden sollten. Das bedeutet die Außerkraftsetzung von Wettbewerbsregeln und tangiert sicher auch die EG. Aber ich denke, daß man diese Frage dort klären muß.
    Der Ostexport könnte stärker gestützt werden. Das geht nicht nur mit Hermes-Krediten. Wir alle wissen, daß sich die Sowjetunion nicht auf Dauer verschulden kann. Es wäre also notwendig, die Importe aus der Sowjetunion zu stärken.

    (Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Die müßten ihren Militärapparat abbauen!)

    Es wäre beispielsweise möglich, den Erdgasimport stark und schnell zu steigern. Damit würden Chancen für ehemalige DDR-Betriebe zur Lieferung in den Osten eröffnet.
    Ich meine, die Notwendigkeit staatlicher Interventionen ist auch für die Verhältnisse der alten Bundesrepublik kein marktwirtschaftlicher Sündenfall. Bevor Preussag, VW und Salzgitter privatisiert wurden, waren sie lange unter staatlichem Dach. Ich möchte nicht wissen, wie es heute in Wolfsburg oder Salzgitter aussähe, wenn das nicht der Fall gewesen wäre.
    Ich denke, es gibt viele Branchen, die staatlich gestützt wurden, und das mit gutem Recht. Wir standen 1983 im Bonner Hofgarten mit 130 000 Stahlarbeitern. Wir haben damals durchgesetzt, daß 3 Milliarden DM marktfördernd für die Stahlindustrie gegeben wurden. Die Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR hatten bisher noch ein recht starkes Vertrauen in die Ergebnisse von Wahlhandlungen.

    (Kalb [CDU/CSU]: Wo war das?)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege Henn, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Je länger Sie jetzt noch sprechen, desto weniger Chancen hat der letzte Redner der PDS.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Bernd Henn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS/LL)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Ich komme zum Schluß. Ich habe nur noch einen Satz, Herr Präsident.
    Auch die Bürgerinnen und Bürger in der DDR verstehen mehr und mehr, daß Parlamente von Zeit zu Zeit der Erinnerung bedürfen, daß das Volk noch da ist.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)