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    Plenarprotokoll 12/13 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 13. Sitzung Bonn, Dienstag, den 12. März 1991 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 643 A Tagesordnungspunkt 1: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen (Drucksachen 12/204, 12/216) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Spaltung der von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmen (Drucksachen 12/205, 12/214) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 12/206, 12/215) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Strafprozeßordnung (Drucksachen 12/209, 12/218) e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der Bundesanstalt für Arbeit (Drucksache 12/208) f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1991 (Drucksache 12/197) g) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Erneute Überweisung von Vorlagen aus früheren Wahlperioden (Drucksache 12/210) 643 C Tagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1991 (Haushaltsgesetz 1991) (Drucksache 12/100) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1990 bis 1994 (Drucksache 12/101) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte sowie über strukturelle Anpassungen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Haushaltsbegleitgesetz 1991) (Drucksache 12/221) in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 12. März 1991 Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Dr. Kurt Faltlhauser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie dem Abgeordneten Hans H. Gattermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen im Beitrittsgebiet sowie zur Änderung steuerrechtlicher und anderer Vorschriften (Steueränderungsgesetz 1991) (Drucksache 12/219) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Dr. Kurt Faltlhauser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie dem Abgeordneten Hans H. Gattermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines befristeten Solidaritätszuschlags und zur Änderung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen (Solidaritätsgesetz) (Drucksache 12/220) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 645 A Oskar Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 656B Hans H. Gattermann FDP . 659C, 712A, 723B, 728A, 733 C Friedrich Bohl CDU/CSU 665 A Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste . 670A, 708C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . . . 673B Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 677D Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD . . . 681 B Jochen Borchert CDU/CSU 687 C Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD 689C, 690C, 718A, 720C Ingrid Matthäus-Maier SPD 692 B Bernd Henn PDS/Linke Liste 692 C Werner Zywietz FDP 694 D Helmut Esters SPD 695 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . 695D Hans-Eberhard Urbaniak SPD 696A Joachim Poß SPD 697 D Gunnar Uldall CDU/CSU 702 B Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 704 B, 708A, 713A Rudi Walther SPD 707C, 708B Ingrid Matthäus-Maier SPD 707 D Hermann Rind FDP 709 A Rudi Walther SPD 709 D Achim Großmann SPD 712D Dr. Emil Schnell SPD 713B Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 716D Ernst Schwanhold SPD 717 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 719A Manfred Hampel SPD 721 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 722A Dr. Hermann Otto Solms FDP 722 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 724 D Jürgen Koppelin FDP 725 C Reiner Krziskewitz CDU/CSU 728 C Gunnar Uldall CDU/CSU 730A Joachim Poß SPD 731 C Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU . . . 732A Dankward Buwitt CDU/CSU 732 D Beratung und Abstimmung über den Antrag der PDS/Linke Liste auf Änderung der Tagesordnung und des Tagesortes Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste 654 D Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 655A Dr. Peter Struck SPD 655 B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . . 655 C Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 655 D Nächste Sitzung 734 C Berichtigung 734 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 735* A Anlage 2 Deichsicherheit an der Unterelbe angesichts der zu erwartenden Änderung der Tidedynamik MdlAnfr 68, 69 — Drs 12/159 —Dr. Margrit Wetzel SPD SchrAntw PStSekr Neumann BMFT 335* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 12. März 1991 643 13. Sitzung Bonn, den 12. März 1991 Beginn: 10.01 Uhr
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    Berichtigung 12. Sitzung, Seite III, linke Spalte, 6. Zeile von unten: Bei dem Namen ,Eimer (Fürth)' ist statt „SPD" „FDP" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 12. 03. 91 * Augustin, Anneliese CDU/CSU 12. 03. 91 Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 12. 03. 91 ** Brandt, Willy SPD 12. 03. 91 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 12. 03. 91 * Dr. Däubler-Gmelin, SPD 12. 03. 91 Herta Doss, Hansjürgen CDU/CSU 12. 03. 91 Funke, Rainer FDP 12. 03. 91 Göttsching, Martin CDU/CSU 12. 03. 91 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 12. 03. 91 Dr. Guttmacher, FDP 12. 03. 91 Karlheinz Dr. Hennig, Ottfried CDU/CSU 12. 03. 91 Heyenn, Günther SPD 12. 03. 91 Horn, Erwin SPD 12. 03. 91 ** Ibrügger, Lothar SPD 12. 03. 91 ** Jaunich, Horst SPD 12. 03. 91 Kossendey, Thomas CDU/CSU 12. 03. 91 Krause (Dessau), CDU/CSU 12. 03. 91 Wolfgang Dr. Kübler, Klaus SPD 12. 03. 91 Lowack, Ortwin CDU/CSU 12. 03. 91 ** Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 12. 03. 91 Erich Dr. Müller, Günther CDU/CSU 12. 03. 91 * Paintner, Johann FDP 12. 03. 91 Rawe, Wilhelm CDU/CSU 12. 03. 91 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 12. 03. 91 * Dr. Reinartz, Bertold CDU/CSU 12. 03. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 12. 03. 91 * Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 12. 03. 91 Dr. Schneider CDU/CSU 12. 03. 91 (Nürnberg), Oscar Schulte (Hameln), SPD 12. 03. 91 ** Brigitte Sielaff, Horst SPD 12. 03. 91 Dr. Sperling, Dietrich SPD 12. 03. 91 Dr. Töpfer, Klaus CDU/CSU 12. 03. 91 Weiß (Berlin), Konrad Bündnis 90/ 12. 03. 91 DIE GRÜNEN Welt, Hans-Joachim SPD 12. 03. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Neumann auf die Frage der Abgeordneten Dr. Margrit Wetzel (SPD) (Drucksache 12/159 Fragen 68 und 69): Zu Frage 68: Das Forschungsprojekt „Rezente Wasserstandsänderungen an der Deutschen Nordseeküste - Numerische Simulation" wurde vom Bundesminister für Forschung und Technologie (BMFT) für einen Zeitraum von drei Jahren (1. 7. 1987-30. 6. 1990) gefördert. Die Arbeiten haben gezeigt, daß die angewandten numerischen Modelle gute Ergebnisse bezüglich des Tideablaufs (Normaltiden und Sturmfluten) liefern und somit für die Vorhersage von Änderungen des Tideverhaltens in der Deutschen Bucht, verursacht durch einen Meeresspiegelanstieg, verwendet werden können. Die Simulationen eines erhöhten Meeresspiegels ergaben, daß insbesondere in den flachen Gebieten der Deutschen Bucht mit Änderungen der Tidedynamik zu rechnen ist. Dies trifft sowohl für Normaltiden als auch für Sturmfluten zu. Es ist mit Veränderungen der Erosions- und Sedimentationsmuster in den Wattengebieten und Verschiebungen der Brackwasserzonen in den Ästuaren (Flußmündungsgebiete) zu rechnen, die zur Quantifizierung jedoch weiterer Untersuchungen bedürfen. Unmittelbare Konsequenzen für den Deichbau ergeben sich aus den Ergebnissen des Vorhabens bisher nicht. Im zwischenzeitlich geförderten Anschlußprojekt „Simulationen von Wasserstandsänderungen an der Deutschen Nordseeküste und in den Ästuaren" sollen die Folgen eines beschleunigten Meeresspiegelanstiegs auf die Ästuare (z. B. Verlagerung der Schwebstoffzonen, Veränderung der Strömungsverhältnisse unter Berücksichtigung sich hydrologisch verändernder Bedingungen im Ober- und Unterlauf des Ästuars, Änderung der Windstaukurven und Strömungsverhältnisse bei Extremwetterlagen) untersucht werden. Auf die Frage, ob es möglich ist, zusätzliche Zerstörungspotentiale durch Veränderungen der Tidedynamik infolge einer Vertiefung der Unterelbe auf 15 m unter MTNV zu berechnen, ist folgendes zu sagen: Der Bundesminister für Verkehr läßt von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes zur Zeit eine Fahrwasseranpassung der Elbe unterhalb von Hamburg aus Anlaß der weltweit gestiegenen Anforderungen des Containerschiffsverkehrs untersuchen. Verschiedene Fahrwasservarianten und deren Auswirkungen auf die Tideenergie werden nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik zuverlässig mit mathematischen Simulationsmodellen berechnet. Hiermit wird die Grundlage für die Optimierung von ökonomischen und ökologischen Fragestellungen der Verkehrsplanung ermöglicht. Der Begriff „Zerstörungspotentiale" ist fachwissenschaftlich nicht gebräuchlich und sollte in diesem Zu- 736* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 12. März 1991 sammenhang nicht verwendet werden. Zu der Frage, ob es Wasserbaumaßnahmen gibt, die grundsätzlich geeignet sind, dem Zerstörungspotential des allgemeinen Tidenhöhenanstiegs sowie sturmfluterzeugenden Windlagen entgegenzuwirken und umgekehrt, antworte ich folgendes: Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, durch Wasserbaumaßnahmen, wie z. B. Buhnen, die Rauheiten im Randbereich des Flußbettes zu erhöhen und damit eine entsprechend erhöhte Tideenergieumwandlung herbeizuführen. Dabei ist jedoch abzuwägen, ob diese Maßnahmen ökonomisch und ökologisch angemessen sind, insbesondere weil eine sehr geringe Änderung der mittleren Tidewasserstände zu erwarten ist. Eine abschließende Beurteilung wird nach Vorliegen der Untersuchungsergebnisse erfolgen. Bei Sturmfluten herrschen meteorologisch bedingt bereits stark erhöhte Wasserstände im Elbe-Ästuar, so daß bei diesen Bedingungen die örtlich nur im Fahrrinnenbereich vorgenommene Vertiefung einen noch geringeren Einfluß hat. Zu Frage 69: Meeresspiegeländerungen sind im Rahmen natürlicher Schwankungen seit langen Jahren bekannt. Gegenwärtig hat es den Anschein, als ob wir uns in einer Phase des Meeresspiegelanstiegs befinden. So ist seit Beginn dieses Jahrhunderts der Meeresspiegel im Bereich der Nordsee um 14 plus/minus 5 cm gestiegen. Ob hierfür ausschließlich natürlich oder auch durch menschliche Aktivitäten angestoßene Ursachen verantwortlich sind, kann derzeit — so sagen es die den Bundesminister für Forschung und Technologie beratenden Wissenschaftler — nicht eindeutig beantwortet werden. Auch sind sich die Wissenschaftler darin einig, daß die zukünftige Veränderung des Meeresspiegels neben geologischen Bedingungen (Hebungen/Senkungen der norddeutschen Tiefebene) ganz wesentlich auch von der künftigen Entwicklung des Klimas abhängt. In welchem Ausmaß aufgrund von Klimaänderungen der Meeresspiegel steigt, ist in der Wissenschaft allerdings umstritten. Prognosen reichen von 15 cm bis 150 cm für das kommende Jahrhundert. Die wohl komplexeste Modellrechnung u. a. zu diesem Themenkreis hat das Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Klimarechenzentrum kürzlich vorgelegt. Hier gehen die Wissenschaftler von einer thermisch bedingten Anhebung des Meeresspiegels von 16 cm für die nächsten 100 Jahre aus. Welche Folgen hiermit verbunden sind, soll im Rahmen eines BMFT-Förderschwerpunkts „Folgen einer möglichen Klimaänderung" wissenschaftlich bearbeitet werden. Zu der Frage, ,gibt es Maßnahmen zur Verhinderung einer Verschiebung der Brackwasser-Zonen, die aufgrund veränderter Tidedynamik entgegenwirken können, wenn ja, welche?' folgendes: Der Bundesregierung liegen abgesicherte Erkenntnisse über Verschiebungen der Brackwassergrenze in der Unterelbe bisher nicht vor. Alle Maßnahmen an Küstengewässern stellen einen Eingriff in äußerst sensible hydrodynamische und ökologische Systeme dar und bedürfen als Planungsgrundlage umfassender ökosystemarer Untersuchungen. Es wird auf die Antwort in Zusatzfrage 68.2 verwiesen. Die Frage, durch welche Maßnahmen ein Vordringen der Salzfront flußaufwärts und eine Beeinträchtigung des Grundwassers im Einflußbereich der Unterelbe zu verhindern wäre, kann ich sagen: Ökosystemare Untersuchungen schließen die Erkundung der Auswirkung einer potentiellen Verschiebung der Brackwasserzone auf das ufernahe Grundwasser mit ein. Eine Beurteilung wird nach Vorliegen entsprechender Untersuchungsergebnisse im Einvernehmen mit den für den Grundwasserschutz zuständigen Elbeanliegerländern erfolgen.
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    Rede von Manfred Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Man kann der Demokratie keinen größeren Schaden antun, als wenn der Eindruck entsteht, die Politiker lügen.
    Dies ist ein nachdenkenswerter Satz. Diesen Eindruck zu vermeiden, das ist Ihnen, meine Damen und Herren in der Koalition, in den letzten Monaten gründlich mißlungen.

    (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE, bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Ich verzichte darauf, jetzt Zitate aus dem Wahlkampf zu wiederholen; es würden sich hier die Träger im Wasserwerk biegen, befürchte ich.

    (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE)

    Der entstandene Schaden hat politische Dimension, hat politische Tragweite. Erneut wurden kurzfristige Parteiinteressen über das Wohl der Nation gestellt, wurden die geweckten Erwartungen bitter enttäuscht, wird die Politikverdrossenheit, ja, die Parteiverdrossenheit — das mag aus dem Blickwinkel von Bürgerbewegungen nicht sonderlich beängstigend sein — zunehmen.
    Ich kann nur das unterstützen, was Oskar Lafontaine hier gesagt hat: Die Glaubwürdigkeit in die Demokratie an sich ist in Gefahr. Vielleicht liegt darin der größte Schaden.

    (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und bei der SPD)

    Ich glaube, ich weiß in diesem Fall, wovon ich rede.
    In dieser Woche steht die Lektion Staatshaushalt auf dem Lehrplan. Wir sind begierig, zu lernen, was seriöse Haushalts-und Finanzpolitik ausmacht. Einiges Grundsätzliches haben wir uns schon angelesen, etwa über die Prinzipien der Vollständigkeit, der Haushaltswahrheit und -klarheit.
    Um mit dem letzten zu beginnen: An Klarheit mangelt es noch ein bißchen. Aber das mag an unserer Unerfahrenheit liegen. Wenn beinahe täglich Milliardenprogramme durch die Medien gewirbelt werden, kann man schon einmal den Überblick verlieren. Gestern 10 Milliarden DM für die Strategie Aufschwumg Ost. Aber halt, das war ja nicht die Regierung, sondern das war nur der Bundeswirtschaftsminister. Morgen 12 Milliarden DM für das Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost. Ist das jetzt dasselbe wie das, was der Wirtschaftsminister verkündet hat, oder ist das nur der gleiche Name?

    (Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Halten Sie sich an den Finanzminister! Dann liegen Sie richtig!)

    Als nächstes 17-Milliarden-DM-Aktionsprogramm ökologischer Aufbau in Ostdeutschland, alles aus dem Hause Töpfer. Kann man das jetzt einfach addieren? Werden das jetzt 40 Milliarden DM für die neuen Länder und noch in diesem Jahr, oder war das schon wieder naiv gesehen? Soviel zur Klarheit.
    Kommen wir zur Vollständigkeit: Es ist schon ein Kuriosum: Bevor er gedruckt, war dieser Haushalt schon in wesentlichen Teilen überholt. Vor dem Hintergrund muß man fragen, ob es eine weise Entscheidung der Regierung war, im letzten Herbst auf die Verabschiedung eines Haushalts für das Jahr 1990/91 zu verzichten.

    (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und bei Abgeordneten der SPD)

    Aber die Regierung wollte damals vor den Wahlen offenbar die Katze nicht aus dem Sack lassen. Doch auch heute, so zeigt sich immer deutlicher, können Sie die Haushaltsbelastungen selbst für das laufende Jahr noch nicht zuverlässig einschätzen. Wir werden uns auf weitere Nachtragshaushalte gefaßt machen müssen. Hinsichtlich der Vollständigkeit dieses Haushalts haben wir einige Zweifel, ob der vorhersehbare Ausgabenbedarf des Bundes angemessen berücksichtigt worden ist.
    Ich will einige Beispiele nennen:
    Erstens. Die Bundesregierung war innerhalb von Tagen bereit, Milliardenbeträge zur Finanzierung des Krieges am Golf lockerzumachen. Mindestens 17 Milliarden DM hat die Rückeroberung Kuwaits den deutschen Steuerzahler bereits gekostet. Aber das ist nicht das Ende. Wer den Krieg bezahlt, ist auch für die Folgen des Krieges mitverantwortlich. Die sind, heute bereits deutlich absehbar, beträchtlich. Die kuwaitischen Ölquellen brennen. Der Golf ist mit Öl verpestet. Die modernste Armee der Welt hat den Irak und Kuwait in mittelalterliche Verhältnisse zurückgebombt. Die Zahl der toten Zivilisten, der Kriegsversehrten und Kriegswaisen ist noch unbekannt. Wir erwarten, daß sich die Bundesrepublik ebenso selbstverständlich und großzügig, wie sie sich an der Zerstörung beteiligt hat, nun auch für den Wiederaufbau



    Werner Schulz (Berlin)

    der geplagten Region engagiert, auch wenn sich dies für die deutsche Industrie nicht rechnet.
    Zweitens. Die Treuhandanstalt wird über das Jahr 1991 ein Defizit von schwer abschätzbarer Höhe erwirtschaften. Die Höhe des Defizits, von Herrn Rohwedder auf etwa 13 Milliarden DM, vom Kollegen Neuling auf etwa 21 Milliarden DM veranschlagt, hängt letztlich von der Politik ab, welche die Treuhand in den kommenden Monaten machen wird.
    Wie man hören kann, wird ein verstärktes Engagement der Treuhand für aktive Sanierungspolitik endlich auch in der Regierung für nötig befunden. Wir begrüßen das. Aber das heißt natürlich, daß der Finanzbedarf der Treuhand eher noch größer werden wird.
    Drittens. Mit dem Kompromiß zur Finanzierung der ostdeutschen Bundesländer scheint der dringendste Finanzbedarf zunächst einmal gedeckt. Doch nach wie vor ist unsere Forderung nach sofortigem und vollständigem Einbezug der neuen Länder in den Länderfinanzausgleich nicht erfüllt. Nach wir vor ist der verfassungsrechtlich gebotene horizontale Finanzausgleich zwischen den Ländern in die Zukunft verschoben. Nach wie vor ist auch nicht einzusehen, wieso die im Einigungsvertrag festgeschriebenen Subventionen für Energie, Mieten und Verkehr allein den neuen Ländern aufgebürdet werden sollen.

    (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und der SPD)

    Ein Abbau dieser Preisstützungen im Hauruckverfahren, wie ihn sich die Bundesregierung vorstellt, wird jedenfalls nicht zu machen sein. Die Folge dieser immer noch unzureichenden Länderfinanzierung wird der rasante Aufbau einer unverhältnismäßig hohen Neuverschuldung der ostdeutschen Bundesländer sein. Die Währungsunion und die deutsche Vereinigung haben die Menschen in der ehemaligen DDR um einen Großteil der von ihnen erarbeiteten Werte gebracht. Großzügige Hilfe für die Ostländer ist daher nicht nur eine föderative Verpflichtung, sondern ein absolutes Muß, noch dazu, wenn man bedenkt, daß uns nicht allein die Potenz der alten Bundesrepublik zugute kommt, sondern wir auch deren Altlasten, deren enorme Staatsverschuldung übernehmen. Daran werden noch unsere Kinder und Enkel abtragen müssen, ohne daß sie oder gar ihre Eltern in dem Maße etwas davon hatten.
    Viertens. Der Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern entwickelt sich rapide nach unten. Hier scheint die Bundesregierung der Auffassung zu sein, das Risiko hauptsächlich den Versicherten anlasten zu können. Auch wenn jetzt zusätzliche ABM-Stellen angekündigt werden, ist es doch sehr befremdend, zu sehen, daß die Regierung gerade in dieser Situation den Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit und die Mittel für das Langzeitarbeitslosenprogramm drastisch kürzen will.
    81 Milliarden DM, nach den letzten Ankündigungen wohl 98 Milliarden DM sind im Bundesetat für die neuen Bundesländer vorgesehen. Das ist eine beachtliche Summe. Sehen wir einmal davon ab, inwieweit die Zurechnungen im einzelnen zutreffen: Für die langfristige Wirkung dieser Ausgaben ist von entscheidender Bedeutung, wo sie nachfragewirksam werden. Wir haben die große Befürchtung, daß der Bundeshaushalt insgesamt, aber insbesondere dieser Teil vorwiegend in den westdeutschen Ländern ausgegeben wird. Wenn das zutrifft, werden die ostdeutschen Länder noch lange Zuwendungsempfänger bleiben. Die öffentliche Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen ist in der jetzigen Situation von zentraler Bedeutung für die Stabilisierung der ostdeutschen Wirtschaft. Wie groß ist nach diesem Kriterium der ostdeutsche Anteil am Bundeshaushalt? Welche Vorkehrungen gedenkt die Bundesregierung zu treffen, um einen beträchtlichen Teil dieser Nachfrage in die neuen Bundesländer zu lenken? Dazu würden wir gern Genaueres von Ihnen hören.
    Mit der Schaffung des Gemeinschaftswerkes Aufschwung Ost und seiner Anschubfinanzierung aus dem Bundeshaushalt geht die Bundesregierung einen Schritt in die richtige Richtung, aber sie geht ihn halbherzig, und sie geht ihn spät.

    (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und bei Abgeordneten der SPD)

    Das jetzt vorgesehene Volumen reicht nicht aus, um nur halbwegs das abzufangen, was momentan in der ostdeutschen Wirtschaft zusammenbricht. Was uns immer wieder besorgt macht, ist das kurzatmige Reagieren dieser Regierung auf die ständig neuen Hiobsbotschaften aus dem Osten. Hier werden bestehende Programme aufgestockt, da werden neue aufgelegt, aber eine Konzeption ist bei all dem nicht erkennbar.
    Was uns ebenfalls zu denken gibt, das ist der gefühllose Umgang der Bonner Politik mit dem Schicksal von Millionen Bürgern in den ostdeutschen Ländern, die jetzt ihren Arbeitsplatz und häufig auch ihre Lebensperspektive verlieren.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Diese Bemerkung ist eine Unverschämtheit, Herr Kollege!)

    — Nein. Ich glaube schon, daß man das sehr wohl begründen kann. Die Sicherheit des Arbeitsplatzes war in der DDR nämlich gegeben und tief verinnerlicht.

    (Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Unter welchen Bedingungen?)

    Nur so ist nämlich die Fassungslosigkeit und Hilflosigkeit zu erklären, mit der viele jetzt die Arbeitslosigkeit als Verhängnis auf sich zukommen sehen.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Die Behauptung, man sei hier gefühllos, ist eine Unverschämtheit!)

    Wer seinen Beruf verliert, verliert ein Stück seines Lebens.

    (Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Das sind die Arbeitslosen der SED! Da, bei der PDS, sitzen die Verantwortlichen!)

    Bei einem hohen Sockel an Dauerarbeitlosigkeit wird
    eine verlorene Generation zurückbleiben, nämlich die
    der 40- und 50jährigen, die bei allem Für und Wider



    Werner Schulz (Berlin)

    diese DDR mit aufgebaut und überstanden haben. Wir sehen dem schmerzlich entgegen.

    (Dr. Altherr [CDU/CSU]: Herr Kollege, unsere Schmerzgrenze ist auch bald erreicht!)

    Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zu den Einnahmen des Bundeshaushalts machen. Der Herr Finanzminister hat in der vergangenen Woche vor der Presse das vom Kabinett beschlossene Steuerpaket, das zur Deckung dieses Haushalts dienen soll, als ausgewogen bezeichnet. Von einem ausgewogenen Mix zwischen indirekten und direkten Steuern war die Rede. Man muß die Ausgewogenheit wohl vor dem Hintergrund der bereits vorangegangenen Belastungen der Bürger sehen. Denn das ist bereits das dritte Mal seit dem letzten Sommer, daß die Regierung den Bürgern ins Portemonnaie faßt. Das erste Mal tat sie es mit der massiven Belastung des Kapitalmarktes durch den weitgehend kreditfinanzierten Fonds Deutsche Einheit, womit sie die Zinsen in die Höhe treibt und künftige Steuererhöhungen zur Bedienung der Kredite vorprogrammiert. Der zweite Griff war der nur kosmetisch verschleierte Anstieg der Telefongebühren und die Anhebung der Beiträge für die Arbeitslosenversicherung.

    (Matthäus-Maier [SPD]: Telefonsteuer! — Gegenruf des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Wie ein Pawlowscher Hund! — Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die beabsichtigten Autobahngebühren rührten schließlich doch an ein Tabu und wurden fallengelassen. Griff 3 ist die jetzt beschlossene deutliche Erhöhung von Verbrauch- und Einkommensteuern. Wer glaubt, dieser dritte Griff sei nun der vorläufig letzte, wird bald eines anderen belehrt werden. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer liegt bereits im Kasten. Der Zuschlag auf die Lohn- und Einkommensteuer, der entgegen unseren Forderungen nicht sozial gestaffelt ist, soll auf ein Jahr begrenzt bleiben und Anfang 1993 durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ersetzt werden. Wie da von einem ausgewogenen Mix von direkten und indirekten Steuern gesprochen werden kann, ist mir unbegreiflich. Durch die Abschaffung von Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer und weitere Steuersenkungen für Unternehmen wird der Mix ausgesprochen delikat, aber vor allen Dingen wird er unsozial.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Erst in der Zusammenstellung der Umschichtungen zeigt sich, in welch unverfrorener Weise diese Regierung Politik für die Wohlhabenden und gegen Arbeitnehmer, Normalverdiener und sozial Schwache macht. Diese Regierung handelt nach der Maxime: Wenn es den Reichen gut geht, nützt dies den Armen. Daß dem nicht so ist, davon kann eine ständig steigende Zahl von Armen in der alten Bundesrepublik aus Erfahrung ein Lied singen. Schon die Steuerreform, mit der Steuergeschenke in der Größenordnung von 25 Milliarden DM an die Besserverdienenden verteilt wurden, zeigt deutlich diese Handschrift, ebenso die Spargesetze, die sich Gesundheitsreform und Rentenreform nannten. Die Regierung muß ausgewogene Politik machen, anstatt sie herbeizureden.
    Nebenbei bemerkt: Es ist auch nicht ausgewogen, auf der einen Seite die den Ländern und Gemeinden zustehenden Steuereinnahmen zu senken und auf der anderen Seite die Bundessteuern heraufzusetzen. Das ist Steuerpolitik gegen den Föderalismus.
    Finanzpolitik und Finanzplanung der Bundesregierung stehen auf einem unsicheren Fundament. Sie basieren auf Wachstumserwartungen, die schon aus der Sicht traditioneller Wachstumspolitik fragwürdig sind; denn weltweit zeichnet sich eine Rezession ab, die allerdings vom einigungsbedingten Wachstumsschub in der Bundesrepublik überlagert wird. Von einer weltweiten Rezession bliebe auf Dauer auch die Bundesrepublik nicht unbeschadet.
    Dies ist der Hintergrund, vor dem die Schuldenpolitik der Bundesrepublik zu beurteilen ist. Mit mindestens 70 Milliarden DM Neuverschuldung des Bundes in diesem Jahr erreicht die Staatsverschuldung eine neue Rekordmarke, und niemand soll erzählen, dies sei ausschließlich „einigungsbedingt", wie das in Bürokratendeutsch heißt.

    (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE und bei Abgeordneten der SPD)

    Die Verschuldung des Bundes hat sich bereits in den vergangenen Jahren unter der Verantwortung dieser Koalition massiv erhöht. Im Jahre 1982

    (Borchert [CDU/CSU]: Ich glaube, Sie haben den falschen Haushaltsplan!)

    war der Bund mit 308 Milliarden DM Schulden belastet. Ende 1990 waren es ohne Vereinigungskosten ca. 520 Milliarden DM, und Ende dieses Jahres werden es mit überschlägigen 620 Milliarden DM doppelt so viel Bundesschulden wie beim Amtsantritt dieser Regierung sein

    (Matthäus-Maier [SPD]: Und die Bundesbankgewinne nicht gerechnet!)

    — ja — , die sich in der Öffentlichkeit so gerne mit der Konsolidierung der Staatsfinanzen brüstet.

    (Borchert [CDU/CSU]: Aber die Zinsen für die SPD-Schulden mitgerechnet!)

    An die 200 Milliarden DM an zusätzlichen Bundesschulden will die Regierung im Laufe einer einzigen Legislaturperiode anhäufen. Diese Schuldenmacherei treibt die Zinsen in die Höhe und gefährdet damit die Stabilität der D-Mark. Diese Schuldenpolitik schränkt den Spielraum künftiger Politik dramatisch ein. In der Tendenz, so ist zu befürchten, geht dieser verengte Spielraum zu Lasten von Ländern und Gemeinden und besonders zu Lasten der sozial Schwachen. Die nächsten Spargesetze und weiterer Sozialabbau sind damit bereits absehbar. Sozialabbau ist aber keineswegs billig. Machen Sie sich und uns da nichts vor! Die Folgekosten trägt nur leider nicht die Bundesregierung.
    Auch in diesem Haushalt erweist sich die stolz verkündete Haushaltskonsolidierung von 37 Milliarden DM größtenteils nicht als Erfolg konsequenter Sparpolitik, sondern als das Ergebnis der einseitigen Verlagerung der Kosten auf andere. Schon auf den ersten



    Werner Schulz (Berlin)

    Blick sind 21 von den 37 Milliarden DM als schlichte Kostenüberwälzungen erkennbar. Zudem beziehen sich die sogenannten Einsparungen nicht auf den vorangegangenen Haushalt, sondern auf die bisherigen Planungsansätze. So haben Sie also nicht tatsächliche Ausgaben eingespart, sondern Mehrausgaben verringert, die Sie eigentlich geplant hatten. So wird beispielsweise der Verteidigungsetat tatsächlich um 2 Milliarden DM weniger entlastet, als Sie angeben. Wirkliche und wesentliche Einsparungen im Haushalt, wie den Abbau von Subventionen und Steuergeschenken, den Verzicht auf kostenträchtige Prestigeobjekte, sind Sie bisher schuldig geblieben.

    (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE)

    Auch die Selbstbescheidung im eigenen Hause fällt schwer. Die Regierung zieht es vor, mit schlechtem Beispiel voranzugehen. Die Zahl der Minister wächst, auch das kleinste Ministerium kann ohne Parlamentarischen Staatssekretär nicht sein, der Bedarf für Öffentlichkeitsarbeit steigt sprunghaft, die Anschaffung neuer Dienstwagen läßt sich natürlich nicht verschieben.
    Ich fasse zusammen: Diese Regierung verfügt nach wie vor über kein finanzpolitisches Gesamtkonzept für die vor uns liegenden Jahre, es sei denn das, den Reichen zu geben und den Armen zu nehmen. Sie hat notwendige Ausgaben zu niedrig angesetzt, auf mögliche Einsparungen verzichtet, sie hat auf skandalöse Weise einseitig die Bezieher niedriger Einkommen belastet, und sie hat mit einer Neuverschuldung von 70 Milliarden DM eine atemberaubende Hypothek auf die Zukunft aufgenommen.

    (Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE, bei der SPD und der PDS/Linke Liste)



Rede von Renate Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Kollege Wieczorek.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Wieczorek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

    (Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Lafontaine ist gerade gegangen!)

    — Oskar Lafontaine weiß, was ich Ihnen zu sagen habe. Mit Herrn Lafontaine setze ich mich nicht auseinander, sondern ich setze mich mit dem Finanzminister auseinander. Das ist doch vollkommen klar.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wollen hier doch keine Veränderung der Schlachtordnung einführen, Herr Schmitz; um Gottes willen nicht.

    (Rüttgers [CDU/CSU]: Wir dachten, es käme mal etwas Neues!)

    Daß Herr Lafontaine hiergeblieben ist und sich die hervorragende Rede insbesondere des Kollegen Weng angehört hat, war schon eine Leistung!

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Das hat ihn weitergebracht!)

    Wenn ich die beiden Reden von seiten der Koalition — ich nehme den Finanzminister einmal ausdrücklich
    aus — an mir vorüberziehen lasse, dann fällt mir der Spruch ein: Wie soll ich eigentlich wissen, was ich denke, bevor ich gehört habe, was ich sage?

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Den Spruch verstehe ich im Zusammenhang mit meiner Rede nicht! — Borchert [CDU/CSU]: Das liegt daran, daß Sie es so schnell haben vorüberziehen lassen! Sie haben es nicht mitbekommen!)

    Lassen Sie uns jetzt zum Sachteil übergehen, denn ich glaube, hier ist der Sachteil mehr gefordert.
    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Finanzpolitik steht in Gesamtdeutschland vor der größten Herausforderung der Nachkriegszeit. Sie muß die Vereinigung der deutschen Staaten finanz- und gesellschaftspolitisch bewältigen, und sie muß dafür sorgen, daß in Gesamtdeutschland einheitliche Lebensverhältnisse herbeigeführt werden. In den neuen Ländern brechen in vielen Regionen ganze wirtschaftlich tradierte Strukturen weg, deren Anfänge bis weit in das letzte Jahrhundert zurückreichen.
    Die Bundesregierung verharrt in ideologischer Selbstfesselung und wartet auf den marktwirtschaftlichen Urknall, auf die schlichte Wiederholung des westdeutschen Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir haben alle noch die Sprüche im Ohr, die Einheit lasse sich allein durch Wirtschaftswachstum finanzieren,

    (Borchert [CDU/CSU]: Das haben wir nie gesagt!)

    folglich brauche auch niemand auf etwas zu verzichten oder gar höhere Steuern zu zahlen.
    Dieser Glaube, meine Damen und Herren, war nicht nur naiv, er war verantwortungslos.

    (Beifall bei der SPD)

    16 Millionen Bürger, die den Versprechungen des Bundeskanzlers geglaubt haben, stehen heute vor den Trümmern ihrer Hoffnungen. Der Verzicht auf eine gemeinsame Solidaritätsanstrengung, zu der nach Öffnung des Brandenburger Tors große Bereitschaft vorhanden war, war ein schwerer finanzpolitischer und moralischer Fehler.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Das Problem war nur, daß die Einheit noch nicht da war!)

    Die Bundesregierung ist dabei, die Glaubwürdigkeit der Sozialen Marktwirtschaft, ja unseres demokratischen Systems zu verspielen.

    (Beifall bei der SPD — Bundesminister Dr. Waigel: Jetzt gehen Sie aber zu weit!)

    Der Bundeshaushalt 1991 und die mittelfristige Finanzplanung bis 1994 hätten Antwort auf fünf Fragen geben müssen: erstens Klarheit und Wahrheit über den Finanzbedarf, zweitens Klarheit und Wahrheit über den Umfang der notwendigen Einsparungen, drittens Klarheit und Wahrheit, Herr Finanzminister, über den Finanzierungsanteil, der durch Steuererhöhungen aufgebracht werden muß, viertens Klarheit und Wahrheit über den Umfang, wie der Kapitalbe-



    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    darf am Kapitalmarkt zu decken ist. Finanzpolitische Führung verlangt fünftens, diese Klärungen nicht nur isoliert für den Bundeshaushalt vorzunehmen, sondern sie einzubetten in ein stimmiges mittelfristiges Konzept für den öffentlichen Gesamthaushalt, der den Bund, die alten und die neuen Bundesländer sowie die Kommunen gleichberechtigt berücksichtigt.
    Die sozialdemokratische Fraktion stellt fest: Auf allen fünf Feldern hat die Bundesregierung versagt.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie hat sogar zweimal versagt, wenn ich es Ihnen genau sagen soll: zum erstenmal, als sie im Juli vergangenen Jahres nach der Beschlußfassung über die Eckwerte für den Bundeshaushalt 1991 die Haushaltsaufstellung abbrach. An die Stelle finanzpoliltischer Verantwortung setzten Sie einen monatelangen Prozeß der finanz- und steuerpolitischen Täuschung.

    (Beifall bei der SPD — Matthäus-Maier [SPD]: Genau!)

    Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung ist in Frage gestellt; das Vorgehen wurde letztendlich vom Wähler als Wahlbetrug empfunden.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Feige [Bündnis 90/GRÜNE])

    Zum zweitenmal versagten Sie, als die Bundesregierung am 20. Februar 1991 einen nicht beratungsfähigen Haushaltsentwurf verabschiedete, von dem Sie eingestandenermaßen wußten, daß er bereits zum Zeitpunkt der Beschlußfassung Makulatur war, Herr Dr. Waigel. Ich frage Sie: Führt das eigentlich zu mehr Glaubwürdigkeit? Wenn Ihr ehemaliger Parteivorsitzender Franz Josef Strauß Ihren Haushaltsplanentwurf hätte prüfen müssen, Herr Minister, dann hätte er mit meiner Einschätzung übereingestimmt,

    (Borchert [CDU/CSU]: Das können Sie Strauß nicht antun, er war viel zu intelligent!)

    er hätte nämlich sicherlich mit mir festgestellt: Dieser Haushalt ist nicht das Schicksalsbuch der Nation, sondern die Schmuddelkladde der Koalition.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Feige [Bündnis 90/GRÜNE] — Lachen bei der CDU/CSU)

    Zentrale, das politische Leben des Jahres 1991 und darüber hinaus bestimmende Ausgaben- und Einnahmenblöcke sind schlichtweg unterschlagen worden.

    (Matthäus-Maier [SPD]: Sehr gut!)

    Sie sollen im parlamentarischen Verfahren durch die Berichterstatter eingearbeitet werden. Wo gibt es denn so etwas?

    (Matthäus-Maier [SPD]: Schmuddelkinder!)

    Einen Vorgang, der mit diesem Schmuddelbuch vergleichbar wäre, hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Feige [Bündnis 90/GRÜNE])

    Sie machen sich anheischig, die Aushöhlung des Budgetrechtes des Parlamentes zu vollziehen, und verkaufen das semantisch noch als eine neue Form von Demokratie.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir sind doch nicht im Wahljahr!)

    Herr Bundesfinanzminister, Sie stellen die Seriosität des administrativen Haushaltsverfahrens politisch in Frage. Kehren Sie zu den Prinzipien der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit zurück, zu den Prinzipien, die das Bundesfinanzministerium als Institution immer ausgezeichnet haben und die seinen hervorragenden Ruf in 40 Jahren festigten, einen Ruf, Herr Dr. Waigel, den Sie sich anschicken zu untergraben!

    (Bundesminister Dr. Waigel: Nein! — Matthäus-Maier [SPD]: Das ist nämlich auch eine Schummelkladde!)

    In der Reihenfolge der Fragen, die eine verantwortliche, planvolle Finanzpolitik hätte beantworten müssen, zäumen Sie das Pferd von hinten auf. Bei Ihrer fieberhaften Suche nach neuen Finanzquellen, um das 37-Milliarden-Loch zu stopfen, begannen Sie mit Abgabeerhöhungen. Man muß sich noch einmal vergegenwärtigen, was war, bevor Sie die Steuererhöhungen machten. Sie haben doch zunächst die Idee gehabt, gegen europäisches Recht eine Autobahngebühr einzuführen.

    (Matthäus-Maier [SPD]: Das will die CSU immer noch!)

    Dann haben Sie das Postunternehmen Telekom als Dukatenesel entdeckt, indem Sie die Telefonsteuer von über 5 Milliarden DM einführen wollten. Dann geriet die Bundesknappschaft, die Versicherung der Bergleute, bei Ihnen ins Visier.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch richtig!)

    Schließlich wollten Sie die Bundeskasse zu Lasten der Länderkassen auffüllen.
    Im Ergebnis konzentrieren sich die finanzpolitischen Rundumschläge jetzt auf die Sozialkassen. Wie Sie die Sozialkassen nennen, ist mir im Moment egal. Die Bundesknappschaft ist eine Kasse für die Bergleute, für die Menschen, die Ihren Wohlstand herbeigeführt haben, Herr Kollege.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Es ist eine Unverschämtheit, wie Sie sich hier den Bergleuten gegenüber benehmen.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Sie haben hier aus den Sozialkassen einen Verschiebebahnhof aufgemacht. Sie haben zu Lasten der Leistungsempfänger bei den Sozialkassen mehr als 20 Milliarden DM verschoben. Selbst wenn Sie alles konsolidieren, Herr Kollege Müller, bleibt schlicht und einfach eine Mehrbelastung von 11 Milliarden DM übrig; das werde ich Ihnen bei den Haushaltsberatungen noch vorrechnen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: In der Knappschaftskasse?)




    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    — Wenn Sie nur halb zuhören, weil Sie lesen, Herr Kollege, dann kann ich Ihnen den Nachhilfeunterricht leider nicht ersparen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, mit den Kabinettsbeschlüssen vom letzten Freitag liegt nunmehr ein Dokument des Steuerbetruges dieser Regierung auf dem Tisch.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das geht zu weit!)

    Ich sage dieses Wort nicht fahrlässig, sondern bewußt. Es ist ein Steuerbetrug, den Sie hier machen.

    (Beifall bei der SPD — Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Ein bewußter Steuerbetrug!)

    Ich will mich hier an den Bundeskanzler wenden: Die von Ihnen, Herr Bundeskanzler, zu verantwortenden und unter Ihrer Leitung beschlossenen Steuererhöhungen sind sozial unausgewogen und ungerecht. Zu den aus der Anhebung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge und aus der neuen Telefonsteuer resultierenden Mehrbelastungen, kommen jetzt weitere, massive Steuererhöhungen im Volumen von 30 Milliarden DM hinzu. Die für 1993 bereits angekündigte Erhöhung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger Abschaffung der Vermögen- und der Gewerbekapitalsteuer bedeutet eine Gefährdung des sozialen Friedens.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Briefs [PDS/Linke Liste] und Dr. Feige [Bündnis 90/GRÜNE])

    Ich sage Ihnen hier sehr klar und deutlich: Ich vermute und ich weiß, daß Sie planen, die Mehrwertsteuer in dem Moment zu erhöhen, wo Sie die sogenannte Solidaritätsabgabe wieder abschaffen. Wir werden einen nahtlosen Anschluß bekommen. Ich weiß, daß in Ihrem Hause Pläne gewälzt werden, die nicht auf 1 % oder 2 % Mehrwertsteuererhöhung zielen, sondern zur Kompensation wenigstens auf 3 % gehen werden.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU) Wir sprechen uns wieder, Herr Waigel.


    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Das ist doch nichts Neues! Das hat er schon in der Pressekonferenz gesagt!)

    Wir werden uns wiedersprechen. Ich sage es hier im vollen Bewußtsein.
    Sie haben mit diesen Steuer- und Abgabenbeschlüssen ohne soziale Symmetrie die in der Bevölkerung vorhandene Bereitschaft zum Aufbau der neuen Bundesländer in ganz gefährlicher Weise durchbrochen. Zu dieser Art Politik sagen wir Sozialdemokraten ein klares Nein.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Bundesfinanzminister, wer die Einheit zur Sache des ganzen Volkes machen will, muß das ganze Volk je nach Fähigkeit und Vermögen des einzelnen belasten. Wir Sozialdemokraten sagen ein klares Ja zu einem sozial ausgewogenen und gerechten Finanzierungspaket für den Ausbau der neuen Bundesländer,
    für die Schaffung ausgeglichener Lebensverhältnisse im gesamten Deutschland.
    Herr Bundeskanzler, dieses Land braucht eine neue Orientierung nach innen. Statt dessen stürzen Sie es mit Täuschung und Wortbruch in eine Krise des Vertrauens.

    (Beifall bei der SPD)

    Eine Steuerpolitik, die gegen das Postulat der sozialen Gerechtigkeit verstößt, schafft keine Solidarität, sondern entzweit die Gesellschaft und schafft Mißtrauen zwischen den Bürgern, weil keiner mehr übersieht, wie hoch er als einzelner belastet wird. Blicken Sie nach Großbritannien! Dort wurde vor gut einem Jahr der gesellschaftliche Konsens aufgekündigt durch die als zutiefst ungerecht und als unsozial empfundene Ablösung der Grundsteuer durch eine Kopfsteuer.
    Ihr bedenkenloser Umgang mit dem Begriff Solidarität macht auch aus einem anderen Grunde betroffen. Zu Ihrer politischen Strategie gehört es seit jeher, Begriffe zu besetzen, um die Köpfe der Menschen zu besetzen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir!)

    Wir alle wissen aber, welche politischen Verwüstungen der Kommunismus gerade hier angerichtet hat. Er zerstörte, wovon er dauernd redete: das Verantwortungsgefühl des einzelnen für das Ganze. Ich sage noch einmal, was im Kommunismus vordringlich war. Er betonte das Verantwortungsgefühl des einzelnen für das Ganze und handelte anders. Genau das gleiche tun Sie.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich! Wissen Sie eigentlich, was Sie hier sagen?)

    Ich warne Sie ganz offiziell davor, den offen zutage liegenden operativen Mangel Ihrer Politik durch semantische Täuschungen überdecken zu wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    — Sie glauben doch nicht, daß ich das im Raum stehen lasse. Ich begründe das selbstverständlich. Wenn Sie nämlich den Entwurf für Ihr nacktes Abkassieren bei Verbrauch-, Lohn- und Einkommensteuer mit den finanziellen Lasten des Golfkrieges und dem Zusammenbrechen des osteuropäischen Handels begründen, dann nennen Sie dieses Gesetz nicht Solidaritätsgesetz!

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Das war aber eine schwache Begründung!)

    Sie treiben einfach Schindluder mit Begriffen. Sie ruinieren damit Ideale und nehmen diesem Wort seinen Inhalt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wer Ihren Steuergesetzen mit Ihrer Begründung zustimmt, erklärt sich nicht solidarisch mit den Menschen im Osten, sondern allenfalls mit einer Politik der Täuschung und des Wortbruchs.
    Sie haben argumentiert, Herr Bundesfinanzminister, die Ausgaben für die neuen Bundesländer seien nur vorübergehender Natur, und deshalb könnten Sie sie über Kredite finanzieren. Ist denn die Krise



    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    am Golf eine ständige Einrichtung? Oder entspricht es der Geisteshaltung der Bundesregierung, zu glauben, daß Steuererhöhungen wegen des Golfkonflikts von den Bürgern im Westen für einleuchtender gehalten werden als Steuern für den Aufbau des geeinten Deutschlands? Wie Sie auch argumentieren: Es ist das Eingeständnis entweder des finanzpolitischen oder des moralischen Versagens.
    Während die Bürger mit dem Etikettenschwindel Solidarität zur Kasse gebeten werden, haben Sie gleichzeitig den Solidaritätsbeitrag der Pharmaindustrie gekippt. Wegen Ihres politischen Versagens müssen die Defizite der Ost-Kassen ab 1992 voraussichtlich über stark steigende Krankenkassenbeiträge finanziert werden. Sie machen es den Menschen dadurch noch schwerer, den bestehenden Einkommensrückstand zum Westen aufzuholen, und verschärfen über eine Erhöhung der Lohnnebenkosten den Wettbewerbsnachteil ostdeutscher Firmen gegenüber der Westkonkurrenz.
    Meine Damen und Herren, wenn Solidarität zur Einbahnstraße wird, spaltet sie. Solidarität muß deshalb auch den Menschen im Westen gelten, die sich allein — ich meine das durchaus im wörtlichen Sinne — nicht helfen können. Deshalb muß daran erinnert werden, daß 17 Milliarden DM Einstiegsfinanzierung zum Golfkonflikt im diplomatischen Vorbeigehen zugesagt wurden,

    (Matthäus-Maier [SPD]: Leider, leider!)

    aber die vor der Wahl von uns geforderte gesetzliche Pflegeversicherung, die den Haushalt nur mit 6,5 Milliarden DM belastet hätte, aus Kostengründen hier nicht Ihre Zustimmung finden konnte.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Rüttgers [CDU/ CSU]: Das war nur, weil ihr die Grundgesetznorm verweigert habt!)

    — Wir wollen keinen Kuhhandel machen, sondern wir wollen saubere Gesetze haben, die den Menschen helfen.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Was hat Lafontaine gemacht? Zuerst hat er zugesagt, daß er die Grundgesetzänderung macht, und dann ist er umgefallen!)

    Die betroffenen Menschen werden das nicht verstehen, und das führt weiter hin zu einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise der Politik ganz allgemein. Ich möchte nicht durch Ihre Fahrlässigkeit mit in den gleichen Ruf gebracht werden.

    (Beifall bei der SPD — Matthäus-Maier [SPD]: Genau! — Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Das richtet sich sicherlich an Herrn Lafontaine!)

    Die Bundesregierung stellt bei ihren finanzpolitischen Beschlüssen das Haushaltsverfahren auf den Kopf, meine Damen und Herren. Zunächst plündern Sie mit Ihrem Abgaben- und Steuerputsch die Taschen der Bürger. Dabei dienen die einnahmepolitischen Beschlüsse ausschließlich der Auffüllung der Bundeskasse, ohne Berücksichtigung der Finanzbedürfnisse anderer Gebietskörperschaften. Sodann wird im zweiten Schritt der Kapitalmarkt bis an die Grenze der inländischen Ersparnisbildung — wir sagen das so leicht — , also bis an die Grenze dessen, was alle Bürger im Lande in einem Jahr sparen, für die Kreditaufnahme in Anspruch genommen.

    (Borchert [CDU/CSU]: Im Bundeshaushalt?)

    — Im öffentlichen Gesamthaushalt und den damit zusammenhängenden Schattenhaushalten, Herr Kollege. Sie haben ja mittlerweile mehr an finanziellen Lasten versteckt, als Sie offen zugegeben haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Jetzt machen Sie sich unglaubwürdig! — Denken Sie an den nordrhein-westfälischen Haushalt!)

    Sie waren doch diejenigen, die in der Zeit unserer Regierung gegen Schattenhaushalte immer wer weiß wie polemisiert haben. Wir haben sie abgeschafft, und Sie sind dabei, bei jedem Haushalt wieder einen neuen Schattenhaushalt draufzupacken.

    (Matthäus-Maier [SPD]: Ein Schmuddeltopf nach dem anderen! — Zurufe von der CDU/ CSU: Wo Sonne ist, ist auch Schalten! — Das kennen Sie noch aus den 70er Jahren, Frau Kollegin!)

    Diese finanzpolitisch in die Sackgasse und sozialpolitisch in die Entsolidarisierung führende Politik dient zur Finanzierung eines obsoleten Bundeshaushaltsentwurfs, dem es an einer strukturellen Durchforstung der Ausgaben mit dem Ziel einer Neuorientierung auf die künftigen Anforderungen vollständig mangelt.
    Das Ergebnis ist eine Lähmung der Finanz- und Haushaltspolitik. Selbst der überholte Finanzplan macht dies schlaglichtartig deutlich. Die Zinsausgaben unter Einschluß der Erstattungen für den Fonds Deutsche Einheit und den Kreditabwicklungsfonds steigen von rund 48 Milliarden DM auf mindestens 73 Milliarden DM im Zeitraum 1991 bis 1994. Als Sie die Regierung 1982 von uns übernommen haben, hatten Sie Zinsausgaben von 21 Milliarden DM zu übernehmen. Ich erinnere Sie nur daran, welche Erblastlüge Sie aus diesen Zinslasten konstruiert haben! Sie sind jetzt bei einer Verschuldung, die doppelt so hoch ist, wie wir sie damals gehabt haben.

    (Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Sie haben neues Geld immer nur für neue Schulden aufgenommen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie verfrühstücken die Zukunft unserer Kinder!

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Ich stelle fest: Dieser Bundeshaushalt ist für die mittelfristigen Herausforderungen nicht gerüstet,

    (Borchert [CDU/CSU]: Ein SPD-Minister nach dem anderen ist zurückgetreten!)

    weder für den Aufbau der neuen Länder noch — das halte ich für ganz besonders wichtig — für eine Abschwächung des konjunkturellen Klimas. Die Bundesregierung verläßt sich blind auf das anhaltende Wirtschaftswachstum. Sie unterschlägt dabei, daß die Expansion der Inlandsnachfrage durch ein geradezu klassisches, in seinen Dimensionen gewaltiges



    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    keynesianisches Programm des Deficit spending ausgelöst wurde: durch den Anstieg der Nettokreditaufnahme von 26 Milliarden DM 1989 auf voraussichtlich 92 Milliarden DM im Jahre 1990.

    (Roth [Gießen] [CDU/CSU]: 15 Milliarden DM, das war eine falsche Zahl!)

    — Herr Kollege Roth, seien Sie nicht stolz darauf, daß Sie weniger Nettokreditaufnahme realisieren mußten, als Sie aufgenommen haben.

    ( Vor s i t z : Vizepräsident Hans Klein)

    Der Bundesfinanzminister hat 1990 16 Milliarden DM mehr aufgenommen, als überhaupt abgeflossen sind. Das hat dazu geführt, daß die Zinsen im letzten Quartal des vergangenen Jahres einen deutlichen Push nach oben bekommen haben, überflüssiges Geld, das Sie aufgenommen haben und das Sie noch nicht mal zinsgünstig angelegt haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das Gegenteil ist der Fall, Herr Kollege! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie haben Geld zu 9 % Zinsen aufgenommen und 10 Milliarden DM bei der Bundesbank gegen null Zinsen geparkt. Sagen Sie nur, das sei eine vorausschauende Finanzplanung! Das können doch selbst Sie nicht glauben!

    (Beifall bei der SPD)

    In diesem Jahr soll die Nettokreditaufnahme der öffentlichen Gesamthaushalte — ich sage es noch einmal, damit Sie nicht wieder Mißverständnissen erliegen — bei 140 Milliarden DM liegen. 140 Milliarden DM sind das, was der Finanzminister in seinen Rechnungen hat. Die Bundesbank sagt allerdings: Mit diesen 140 Milliarden DM wird er nicht auskommen, sondern — das betrifft immer die gesamten öffentlichen Haushalte, nicht nur den Bund — es werden 155 Milliarden DM sein.

    (Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Wegen der Länder!)

    Selbst wenn die Bundesregierung mit ihrem Zweckoptimismus recht hätte, kommen immer noch 64 Milliarden DM Kreditaufnahme aus den Schattenhaushalten hinzu. Sie sind sich über die Dimension Ihrer Verschuldung überhaupt nicht im klaren!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was ist denn Ihre Alternative? Wie würden Sie es gern machen?)

    Ich will Ihnen sagen, woher dieser Betrag kommt: 7 Milliarden DM ERP-Programm, 5 Milliarden DM Kreditabwicklungsfonds. — Sie wollen das nicht hören, aber Sie kriegen es jetzt bis zum letzten. —

    (Beifall bei der SPD)

    7 Milliarden DM für das wohnungswirtschaftliche Moratorium, 23 Milliarden DM für die Treuhandanstalt, 8 Milliarden DM für Reichsbahn und Bundesbahn,

    (Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Ihr wollt doch immer noch mehr für die Reichsbahn ausgeben!)

    14 Milliarden DM Telekom, in West und Ost. Den offenen Finanzbedarf im Rahmen des Entschädigungsfonds zur Regelung der offenen Vermögensfragen habe ich dabei noch nicht mitgerechnet.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich bin noch nicht fertig; ich habe heute so viel Zeit, wie ich brauche, um mit Ihnen fertigzuwerden.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Heißt das, Sie reden bis morgen?)

    Meine Damen und Herren, die der haushaltswirtschaftlichen Verschleierung dienenden Schattenhaushalte haben inzwischen ein Eigenleben entwikkelt. Dem Bundesfinanzministerium ist die administrative Gesamtschau über Struktur, Dynamik und gesamtwirtschaftliche Wirkung der aus Einzeltöpfen gespeisten Verschuldung offensichtlich verlorengegangen.

    (Beifall bei der SPD — Matthäus-Maier [SPD]: Leider, leider!)

    Die Belastung des Bruttosozialproduktes — für uns immer der wesentlichste Indikator — durch die Kreditaufnahme aus dem öffentlichen Sektor wird in eine Größenordnung von über 7 % steigen. Die gesamte Ersparnisbildung aller privaten Haushalte in Westdeutschland beträgt rund 200 Milliarden DM, die für den Finanzbedarf des Staates restlos benötigt werden.

    (Borchert [CDU/CSU]: Wie war die Belastung für den Bundeshaushalt 1975?)

    Wenn wir in der Bundesrepublik in größerem Maße Investitionen brauchen, werden wir von einem Kapitalexportland wieder zu einem Kapitalimportland werden. Das müssen Sie sich klarmachen. Sie haben das Land an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit gebracht.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    — „An die Grenze" heißt nicht, daß Sie sie schon überschritten haben.

    (Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Das kommt noch!)

    Das will ich eindeutig sagen.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Billiger geht's nicht! Normalerweise sind Sie seriöser!)

    Ich hoffe, Sie werden das, was ich Ihnen sage, im Herzen bewahren, Ihre Lehren daraus ziehen und uns die Chance geben, vernünftig weiterzuarbeiten.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Das glauben Sie wohl selber nicht, was Sie hier alles sagen! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Aber jetzt kommt Ihre Alternative, Herr Kollege!)

    Meine Damen und Herren, wir befinden uns in einer Situation, in der der Zinsauftrieb und eine restriktive Geldpolitik der Bundesbank als Folge der exorbitanten staatlichen Verschuldung einen bremsenden Einfluß auf das Wirtschaftsleben haben werden. Verstärkt wird das durch eine mögliche internationale Abschwächung der Weltwirtschaft. Es besteht die reale Gefahr, daß der öffentliche Gesamthaushalt, einschließlich seiner Schattenhaushalte, in eine amerikanische Situation mit dauerhaften Defiziten im



    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    Volumen von dreistelligen Milliarden-Beträgen hineinschlittert.
    Es bedarf daher meiner Ansicht nach einer grundsätzlichen Neuordnung der Konsolidierungspolitik — keiner kosmetischen Operationen bei den Finanzhilfen und Subventionen, sondern einer strukturellen Durchforstung der öffentlichen Aufgaben. Wir sind zu dieser Art der Zusammenarbeit bereit und werden unsere Vorstellungen im Rahmen der Haushaltsberatung deutlich machen.
    Ich wünsche mir nicht, daß die Aussage von Herrn Lambsdorff aus dem letzten Jahr Richtschnur Ihres Handelns wird. Er hat damals gesagt: In dem Augenblick, in dem die Steuererhöhungsschleuse geöffnet wird, kann man die Diskussion über den Subventionsabbau beenden.

    (Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Da ist was dran, ein wahres Wort! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Da hat Herr Lambsdorff recht!)

    Ich hoffe, daß Sie sich hier trotzdem zu einer Kraftleistung bereitfinden können.

    (Matthäus-Maier [SPD]: Der Möllemann tritt ja dann zurück!)

    Ich hoffe nämlich, daß Sie beim Subventionsabbau zu einer ähnlichen Kraftanstrengung fähig sind, wie Sie sie den Bürgern in den neuen Bundesländern zumuten. Sie haben ihnen zugemutet, beim Abbau der Preisstützungen eine Belastung von 20 Milliarden DM hinzunehmen. Wenn Sie dann Ihrerseits die gleiche Kraft hier aufwenden würden, entstünden im Bundeshaushalt erhebliche Finanzierungsspielräume zugunsten neuer Aufgaben.
    Meine Damen und Herren, Sie haben mich nach den Alternativen gefragt. Die will ich Ihnen gerne sagen.

    (Müller [Wadern] [CDU/CSU]: Da sind wir gespannt! — Hinsken [CDU/CSU]: Das hat lange gedauert, bis Sie dazu kommen!)

    Der Aufbauplan der SPD für die Zukunft der neuen Länder ist unser Beitrag, um in den Augen der Menschen in Ost und West die Glaubwürdigkeit und die Ehrlichkeit zurückzugewinnen, die von der Bundesregierung und den Koalitionsparteien Stück für Stück verspielt wurden. Unser Programm geht von einem integrierten Konzept für die Wirtschafts-, Finanz- und Industriepolitik aus,

    (Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Das klingt gut!)

    damit die Betriebe in den neuen Ländern zu einer wettbewerbsfähigen Industriebasis mit den entsprechenden Arbeitsplätzen umgebaut werden können.
    Flankiert wird dies von einem sozial ausgewogenen und gerechten Finanzierungskonzept

    (Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Das klingt auch gut!)

    mit einem Volumen von mindestens 36 Milliarden DM,

    (Müller [Wadern] [CDU/CSU]: Wie sieht das Konzept jetzt aus?)

    das im Gegensatz zu den Regierungsbeschlüssen auch 1993 und 1994 finanzwirtschaftlich tragfähig ist. Dazu gehören energische Einsparungen im Bundeshaushalt, die insbesondere durch Absenkung der Ausgaben im Verteidigungsbereich erreicht werden sollen.

    (Beifall der Abg. Matthäus-Maier [SPD])

    Eine Einsparung von insgesamt 8 Milliarden DM halten wir durchaus für realistisch.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Und die anderen 30 Milliarden?)

    — Abwarten, Freunde, zuhören!
    Zweitens. Verzicht auf die Abschaffung der Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer.

    (Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Das kannst du nicht rechnen, mein Lieber!)

    9 Milliarden DM verschenken Sie in diesem Bereich.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Sie müssen mal Herrn Engholm fragen, was er dazu sagt!)

    Wir wollen auch an unserer klassischen Ergänzungsabgabe, also einer Ergänzungsabgabe mit sozialer Staffelung, festhalten. Der Bundesfinanzminister hat seine Solidaritätssteuer auf der Rechtsbasis der Ergänzungsabgabe aufgebaut. Wir wären ja durchaus bereit, diesen Weg mit ihm zu gehen. Wenn er sich mit uns über eine sozial verträgliche Einkommensuntergrenze unterhielte, würden wir sofort sagen: Herr Minister, wir gehen mit.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Wir legen uns nicht auf einen Abgabesatz von 7,5 % fest. Das, was Ihnen dadurch fehlt, daß die Menschen, die unter 4 000 DM verdienen, nichts zahlen, legen wir oben drauf. Wir gehen von 7,5 % auf 10 % für die hohen Einkommensgruppen. Darüber können Sie ja mit uns reden. Lassen Sie uns doch in einen Dialog darüber eintreten!

    (Hinsken [CDU/CSU]: Warum nicht gleich auf 20 %?)

    — Wenn Sie mehr zugrunde legen wollen, biete ich das gerne an, natürlich. Bei Einkommensgrößenordnungen, in die auch wir fallen, ist durchaus noch mehr zumutbar, selbstverständlich.

    (Zustimmung bei der SPD — Hinsken [CDU/ CSU]: Primitiver geht es nicht!)

    Wir wollen auch statt einer Erhöhung der Arbeitslosenversicherung, die nur die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer trifft, eine allgemeine Arbeitsmarktabgabe, die die Freiberufler und alle betrifft, die in ihrem Einkommen über einer bestimmten Grenze liegen.
    Dieses Finanzierungskonzept ist für den Bürger in seiner sozialen Ausgewogenheit durchschaubar und bringt ihm Klarheit über die mittelfristig von ihm zu tragenden Belastungen. Die steuerpolitischen Wechselbäder der Koalition dagegen schaffen Verunsicherung, Zukunftsangst und Staatsverdrossenheit —

    (Beifall bei der SPD)




    Helmut Wieczorek (Duisburg)

    Staatsverdrossenheit, meine Damen und Herren, bei den Bürgern in Ost und West.
    Ein zentraler Solidaritätsaspekt liegt darin, daß bei der Ergänzungsabgabe mit sozial gestaffelter Einkommensgrenze die niedrigen Einkommensgruppen im Westen, aber insbesondere die breiten Arbeitnehmerschichten im Osten von diesem Instrument der Mitfinanzierung freigestellt werden.
    Ich will Ihnen auch ein paar „Takte" zur Mineralölsteuer sagen, weil das von Ihnen hier immer als Lieblingsprojekt angesprochen wird. Eine Erhöhung der Mineralölsteuer wird von Sozialdemokraten nur im Rahmen eines Gesamtkonzeptes der ökologischen Umschichtung des Steuersystems mitgetragen.

    (Beifall der Abg. Hämmerle [SPD])

    Dazu gehören die Einführung einer allgemeinen Entfernungspauschale, eine besondere Fernpendlerpauschale und die Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer.
    Wir widersetzen uns allen Bestrebungen der Koalition, die ökologisch überfällige Umstrukturierung der Mineralölsteuer zum Opfer ihrer unsoliden Finanzpolitik werden zu lassen.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Es ist eine völlig irrationale Politik,

    (Borchert [CDU/CSU]: Die Sie jetzt vortragen!)

    aus der Dimension der ökologischen Katastrophe am Golf etwa den Schluß ziehen zu wollen, auf nationale Anstrengungen komme es nun nicht mehr an.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Wer sagt denn das?)

    Meine Damen und Herren, wir stehen vor der Beratung des Haushalts im Haushaltsausschuß. Ich freue mich sehr, daß wir in den Dialog eintreten können. Ich freue mich sehr darauf, zu sehen, wie Sie auf unsere Vorstellungen im einzelnen reagieren werden. Wir werden Ihnen konkrete Vorschläge machen.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Da sind wir aber neugierig!)

    Ich möchte zum Abschluß aber noch daran erinnern, daß der sozialdemokratische Finanzminister der Regierung de Maizière, Walter Romberg, im Kabinett derjenige war

    (Hinsken [CDU/CSU]: Den hat man in die Wüste geschickt!)

    — Sie schicken alle in die Wüste, die Ihnen Nachrichten bringen, die Ihnen nicht gefallen —,

    (Beifall bei der SPD — Borchert [CDU/CSU]: Herr Kollege, die SPD hat die Finanzminister in die Wüste geschickt, einen nach dem anderen!)

    der die im Einigungsvertrag getroffenen Regelungen für die Finanzausstattung der neuen Länder für unvereinbar mit dem Ziel hielt, gleiche Lebensbedingungen in ganz Deutschland zu schaffen. Er befürchtete das Abrutschen Ostdeutschlands in die Zweitklassigkeit, weil die von ihm vorhergesagte Gesamtverschuldung der neuen Länder von 30 Milliarden DM im Jahre 1994 ihre Leistungskraft überfordert.

    (Jungmann [Wittmoldt] [SPD]: Er hatte recht!)

    Er lag richtig mit seiner Befürchtung. Er war ein Patriot, der durch Ihre Politik daran gehindert wurde, seine vorausschauenden finanzpolitischen Vorstellungen vernünftig umzusetzen.

    (Müller [Wadern] [CDU/CSU]: Halten Sie bitte keine Leichenrede! Er lebt doch noch! — Hinsken [CDU/CSU]: Wo sitzt er jetzt bei Ihnen? In der ersten Reihe?)

    Ich hoffe sehr, wir kommen in einen Dialog. Ich danke Ihnen jedenfalls für Ihre lebhafte Teilnahme an meinen Ausführungen.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)