Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Alle meine Vorredner haben hier den katastrophalen Zustand der Ausbildungsplatzsituation in den fünf neuen Ländern vorgetragen. Dieser Situation dürfen wir in der Tat nicht länger zusehen.
Wir haben es dort, in den neuen Ländern, mit einer jungen Generation zu tun, der in der Tat von der Politik versprochen worden war, daß es genug Ausbildungsplätze und keine Arbeitslosigkeit geben werde. Wir haben ihnen Perspektiven für die Zukunft versprochen und nicht Lethargie und Tatenlosigkeit.
Erstaunt war ich, als ich heute morgen im Rundfunk den Bundeskanzler zu dieser Ausbildungsplatzmisere sagen hörte, es sei ein sozialer Dialog notwendig. Das haben wir doch schon einmal zu Beginn der achtziger Jahre gehört.
Aber dazu muß ich sagen: Dieser soziale Dialog konnte in einer Wirtschaft, die in den alten elf Ländern funktionierte, zum Erfolg führen — auch wenn das zehn Jahre gedauert hat —, aber nicht in den fünf neuen Ländern, wo die Wirtschaft zusammenbricht. Wir sind in der Tat alle gefordert zu handeln.
Herr Minister, ich begrüße es, daß man in dem neuen Haushalt einen neuen Punkt, Versuch zu Modelleinrichtungen, finden kann. Aber die Summe, die dort eingesetzt wurde, ist, muß ich sagen, ziemlich klein. Es nützt nichts, an diesem Punkt des Haushalts zu kleckern, sondern da muß geklotzt werden. Vor die genannten 32 Millionen DM schreiben Sie einmal eine 1. Das würde, denke ich, für das erste Jahr in den fünf neuen Ländern reichen.
Auch die Mittel der Bundesanstalt für Arbeit aus dem AFG sind nicht ausreichend. Es muß deswegen ein Aufbauprogramm her. Die sozialdemokratische Fraktion hat schon im letzten Sommer ein Sofortprogramm von 660 Millionen DM gefordert, in dem sich alle diese Punkte wiederfinden: berufsvorbereitende Maßnahmen für die Jugendlichen, die aus der Schule kommen, Schwerpunktprogramm zur Gründung überbetrieblicher Ausbildungsstätten.
Wir haben eben gehört, daß ungefähr 120 000 Schülerinnen und Schüler die Schule verlassen. 40 000 haben vielleicht eine Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Im letzten Jahr, 1990, sind etwa 30 000 nicht vermittelt worden; sie kommen noch hinzu. Das heißt, daß wir ca. 100 000 bis 120 000 jungen Menschen — davon sind 60 % Mädchen; das muß man einmal deutlich sagen — helfen müssen.
Ich schlage deswegen vor, daß alle gesellschaftlichen Gruppen — Handwerk, Industrie- und Handelskammern, Gewerkschaften, die Länder und die Kommunen — in allen mittleren und größeren Städten in den fünf neuen Ländern über- und außerbetriebliche Ausbildungszentren ins Leben rufen, damit die jungen Leute dort eine Ausbildung beginnen können. Ich bestehe nicht darauf, daß dort dann 31/2 Jahre ausgebildet wird. Wenn das Handwerk in den fünf neuen Ländern funktioniert, können die jungen Leute überwechseln; das könnte man im Gesetz so regeln.
Die Gebäude sind da, die Polytechnischen Berufsschulen sind vorhanden. Eben hat der Kollege darüber gesprochen, wie sie bei der Treuhand verscherbelt werden. Wir müssen in diesem Punkt aufpassen. Die Schulen sind nämlich für den genannten Zweck eingerichtet worden und wurden nicht der Wirtschaft gegeben, um sie an den Mann zu bringen.
Wir könnten dies alles machen und dann in der Tat Gelder zur Verfügung stellen. Herr Minister, wir haben schon heute morgen im Ausschuß darüber gesprochen, daß, wenn wir das Benachteiligtenprogramm, das es für die elf alten Länder gibt, verdoppeln — auf die fünf anderen Länder —, es ausreichen würde, diese außerbetrieblichen Ausbildungszentren zu finanzieren, sogar mit Ausbildungsvergütung, und nach dem Benachteiligtenprogramm bekommen sie 460 DM im ersten Ausbildungsjahr. Ich denke, das ist schon eine dolle Sache.
Ich komme zum Handwerk, das in unseren alten Ländern in den letzten zehn Jahren die größte Ausbildungsleistung vollbracht hat. Es gibt eine ganze Menge Handwerker, die sich in den neuen Ländern als Handwerksmeister niedergelassen haben. Ich selber bin als Handwerksmeister oft drüben, diskutiere mit meinen Kollegen. Die sagen immer: Ich bin froh, wenn ich mal über die Runden komme; ich denke nicht an Ausbildung.
Vielleicht sollten wir auch darüber nachdenken, da noch Anreize zu schaffen. Ich bin für alles, was an Anreizen möglich ist, dankbar und wäre auch bereit, dem zuzustimmen, wenn wir damit nur den jungen Leuten in den fünf neuen Ländern helfen können.
Danke schön.