Rede:
ID1201004200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Meckel.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/10 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 10. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Februar 1991 Inhalt: Nachträgliche Überweisung eines Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung 461 A Tagesordnungspunkt 11: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Reise des Bundesministers des Auswärtigen nach Kairo, Damaskus und Amman (12. bis 14. 2. 1991) Genscher, Bundesminister AA 461 B Dr. Vogel SPD 462 C Lamers CDU/CSU 464 D Dr. Gysi PDS/Linke Liste 465 D Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE . . . 467 A Irmer FDP 468B Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags des Abgeordneten Duve, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ostdeutsche Kulturarbeit im Lichte des Grenzvertrages mit Polen (Drucksache 12/59) Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 469 C Duve SPD 470D Werner (Ulm) CDU/CSU 471 A Koschyk CDU/CSU 472A, 475 C Sauer (Salzgitter) CDU/CSU 472 D Frau Dr. Wisniewski CDU/CSU 473 B Dr. Keller PDS/Linke Liste 474 D Poppe Bündnis 90/GRÜNE 475 D Lüder FDP 476D Meckel SPD 478A Schäfer, Staatsminister AA 479 C Duve SPD 480B Nächste Sitzung 480 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 481* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Februar 1991 461 10. Sitzung Bonn, den 22. Februar 1991 Beginn: 9.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Dr. Adam- FDP 22. 02. 91 Schwaetzer Antretter SPD 22. 02. 91 Bachmaier SPD 22. 02. 91 Belle CDU/CSU 22. 02. 91 Frau Blunck SPD 22. 02. 91 Dr. von Bülow SPD 22. 02. 91 Dehnel CDU/CSU 22. 02. 91 Eylmann CDU/CSU 22. 02. 91 Frau Eymer CDU/CSU 22. 02. 91 Formanski SPD 22. 02. 91 Frau Fuchs (Verl) SPD 22. 02. 91 Gattermann FDP 22. 02. 91 Dr. Gautier SPD 22. 02. 91 Gerster (Mainz) CDU/CSU 22. 02. 91 Grünbeck FDP 22. 02. 91 Hauser (Esslingen) CDU/CSU 22. 02. 91 Heyenn SPD 22. 02. 91 Jung (Düsseldorf) SPD 22. 02. 91 Frau Karwatzki CDU/CSU 22. 02. 91 Klein (München) CDU/CSU 22. 02. 91 Kriedner CDU/CSU 22. 02. 91 Dr. Kübler SPD 22. 02. 91 Dr. Graf Lambsdorff FDP 22. 02. 91 Frau Mattischeck SPD 22. 02. 91 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 22. 02. 91 Dr. Mildner CDU/CSU 22. 02. 91 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Nelle CDU/CSU 22.02.91 Dr. Neuling CDU/CSU 22. 02. 91 Poß SPD 22. 02. 91 Frau Priebus CDU/CSU 22. 02. 91 Frau Rahardt-Vahldiek CDU/CSU 22. 02. 91 Rappe (Hildesheim) SPD 22. 02. 91 Reschke SPD 22. 02. 91 Reuschenbach SPD 22. 02. 91 Dr. Schäuble CDU/CSU 22. 02. 91 Schmidbauer (Nürnberg) SPD 22. 02. 91 Dr. Schmieder FDP 22. 02. 91 Dr. Schmude SPD 22. 02. 91 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 22. 02. 91 Frau Schulte (Hameln) SPD 22. 02. 91** Dr. Soell SPD 22. 02. 91* Spilker CDU/CSU 22. 02. 91 Stiegler SPD 22. 02. 91 Dr. Töpfer CDU/CSU 22. 02. 91 Vergin SPD 22. 02. 91 Dr. Vondran CDU/CSU 22. 02. 91 Vosen SPD 22. 02. 91 Weisskirchen (Wiesloch) SPD 22. 02. 91 Dr. Wieczorek CDU/CSU 22. 02. 91 (Auerbach) Frau Wieczorek-Zeul SPD 22. 02. 91 Frau Wohlleben SPD 22. 02. 91 Frau Würfel FDP 22. 02. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Lüder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen heute die erste Debatte im Deutschen Bundestag über die ostdeutsche Kultur nach der Änderung des Grundgesetzes, die die Vollendung der Einheit Deutschlands, wie es in der Präambel heißt, festgeschrieben hat — nach der Änderung des Grundgesetzes, durch die die Option des Art. 23 entfallen ist. Das gibt uns Veranlassung, den Rahmen festzulegen, der für ostdeutsche Kulturarbeit heute und in Zukunft gilt.

    (Duve [SPD]: Wir müssen ihn neu festlegen!)

    Wir Freien Demokraten lassen uns dabei von fünf Grundpositionen leiten.
    Lassen Sie mich aber eines vorweg sagen. Ich unterstreiche voll das Wort des Parlamentarischen Staatssekretärs Lintner zur Friedensarbeit der Vertriebenen in den vierzig Jahren unserer Bundesrepublik. Ich möchte eines in Erinnerung rufen. In der letzten Debatte des Deutschen Bundestages über die ostdeutsche Kulturarbeit am 5. Oktober 1989 hat Herr Dr. Czaja ein Wort vorweggestellt, das für mich nach wie vor maßgebend ist, auch für die Kulturarbeit. Er hat von dem „Rechtsgehorsam gegenüber dem



    Lüder
    Grundgesetz" gesprochen, der uns verpflichtet. Czaja hat sich an Rechtsgehorsam gehalten.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

    Das vorausgeschickt meine ich, daß wir differenzieren müssen, wenn wir politische Äußerungen aus dem Bereich der Vertriebenen hören, die über das hinausgehen, was für uns erträglich sein kann, und was die Verbandsarbeit ist, für die wir öffentliche Gelder bewilligen.

    (Duve [SPD]: Sehr gut!)

    Nun die fünf Grundsätze.
    Erstens. Kulturarbeit ist kein Selbstzweck. Durch die Pflege der eigenen Kultur der Vergangenheit wird die Grundlage für Verstehen und Versöhnen in Gegenwart und Zukunft gelegt. Deutsche Kultur im früheren Ostdeutschland, im heutigen Polen, war deutsche Kultur, aber nicht national oder gar nationalistisch, sondern grenzübergreifend und international. Kant und Comenius stehen dafür als zwei Namen.
    Zweitens. Auch für die öffentliche Kulturarbeit gilt, daß der Staat nur fördern darf, was nach dem Grundgesetz auch gewollt ist. Die Förderung der Kulturarbeit nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes, die in der Begründung angesprochen ist, bezieht sich meines Erachtens allein auf das Inland, auf die Pflege und Entwicklung kultureller Werte aus der Vergangenheit, aus der Zeit vor der Vertreibung. Mit dieser Bestimmung wird kulturelle Arbeit innerhalb der Bundesrepublik, nicht außerhalb ihrer Grenzen gefordert und gefördert.

    (Duve [SPD]: Sehr gut!)

    Wir wollen uns der alten kulturellen Werte Königsberg in Ostpreußen und Königsberg in Pommern bewußt bleiben, und wir wollen diese Werte pflegen. Aber wir wollen auch die heutigen kulturellen Leistungen im polnischen Chojna und im sowjetischen Kaliningrad respektieren.
    Lesen Sie einmal die Kommentierung des Ministerialrats Haberland aus dem Innenministerium in der Sammlung der Bonner Bundesgesetze über die Pflege des Kulturguts der Vertriebenen und Flüchtlinge und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Er schreibt dort genau das, indem er sagt:
    § 96 verpflichtet Bund und Länder im Rahmen ihrer grundgesetzlich festgelegten Zuständigkeit dazu, das Kulturgut der sogenannten Vertreibungsgebiete lebendig zu erhalten. Hierzu sollen Archive, Museen und Bibliotheken gesichert, ergänzt und ausgewertet werden. Archivalien, museumswürdige Gegenstände und Bücher sind als Zeugnisse kultureller Tätigkeit in Obhut zu nehmen. Anschließend sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß das Kulturgut einem möglichst großen Teil der Bevölkerung zugänglich gemacht wird. Erforderlich ist weiter, neue Impulse für das Kulturschaffen zu geben, Ausstellungen und Arbeitstagungen zu veranstalten.
    All diese Bereiche sollen gefördert werden. Hier ist wertvolle historische und kulturelle Arbeit geleistet worden, und zwar insbesondere durch die Einrichtung von Museen, in denen ostdeutsche Kultur lebendig gehalten wird. Dies entspricht § 96 Bundesvertriebenengesetz; so muß diese Vorschrift angewandt werden. Wir werden dem Bericht darüber, was Kulturarbeit ist, den Herr Lintner im Ausschuß angekündigt hat, aufmerksam zuhören.
    Drittens. Die Kulturarbeit in den früher deutschen Gebieten ist nach unserer Auffassung allein Gegenstand der auswärtigen Kulturpolitik und kann nur im Einvernehmen zwischen den Regierungen der beteiligten Staaten erfolgen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Die deutschen Grenzen sind endgültig und verfassungsfest. Wer daran rüttelt, ist Gegner unserer Verfassung.

    (Zustimmung bei der FDP)

    Auswärtige Kulturpolitik vollzieht sich jedoch nicht nur durch das Handeln der Beamten, sondern sie vollzieht sich vor allem auch durch die Mitarbeit freiwilliger Organisationen und auch der Organisationen der Vertriebenen, und zwar in dem Rahmen, der festgesetzt wird. Wir wollen, daß die Kontakte zu den deutschen Menschen aufrechterhalten werden, aber wir wollen säuberlich trennen, was unter welche Rubrik gehört.
    Viertens. Wir sind für eine Fortsetzung der Förderung der Kulturarbeit, wie sie im Inland zur Wahrung kultureller Traditionen und Werte des früheren Ostdeutschlands auch und gerade von den Vertriebenenorganisationen wahrgenommen wird. Wer jedoch mit diesen Mitteln außerhalb unserer Grenzen tätig wird, bringt die gesamte Arbeit in Mißkredit.

    (Beifall bei der FDP, der SPD sowie beim Bündnis 90/GRÜNE)

    Wir wollen, daß die kulturellen Werte des früheren Breslau in der Bundesrepublik gepflegt werden, aber Wroclaw bleibt polnisch.
    Fünftens. Der deutschstämmigen Minderheit in Polen sagen wir, daß sich deutsche Politik bei der Regierung der Republik Polen dafür einsetzt, daß sie in ihrer eigenen kulturellen Identität als deutsche Minderheit in ihrem Staat Polen leben kann und daß sie auch die deutsche Identität und die kulturelle Identität wahren und pflegen kann. Dieser Aufgabe ist die Bundesregierung bisher gut nachgekommen. Hier bedarf es keiner Nachhilfe durch irgendwelche Verbandsäußerungen.
    Meine Damen und Herren, die Aussöhnung mit unseren Nachbarn bleibt eine der Hauptaufgaben europäischer Politik. Ihr hat auch und insbesondere die kulturpolitische Arbeit zu dienen.
    Ich habe mich gefreut, daß Herr Lintner angekündigt hat, ausführlich zu berichten und auch die Fortschreibung der gesamten Programme, die hier zur Erörterung anstehen, im Ausschuß zur Diskussion zu stellen. Wir werden diesen Prozeß auf dem Boden des Grundgesetzes, wie ich es hier dargelegt habe, aufmerksam begleiten und im Ausschuß entsprechend votieren.
    Danke.

    (Beifall im ganzen Hause)






Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Meckel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Markus Meckel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte darauf hinweisen, daß das Problem, das hier zur Debatte steht, nicht nur Polen und die deutsche Minderheit in Polen, sondern ebenso auch die Hilfe für die deutschen Minderheiten in Rumänien betrifft, denn auch sie erhalten Unterstützung durch das Bundesministerium des Innern. Ich denke, daß für diese Minderheit das gleiche gilt, was ich soeben mit äußerster Genugtuung gehört habe, nämlich daß diese Unterstützung künftig anders geregelt werden soll. Sie muß Teil auswärtiger Kulturbeziehungen sein.
    Ich möchte mich jetzt aber nicht konkret zu dieser Frage äußern, sondern ich möchte mich grundsätzlicher dem deutsch-polnischen Verhältnis zuwenden. Vor zehn Monaten — nach meiner Wahl zum Außenminister der DDR — führte mich meine erste Auslandsreise nach Warschau. Das war kein Zufall, sondern es hatte im wesentlichen zwei Gründe.
    Zum einen sollte damit zum Ausdruck gebracht werden, daß wir in der DDR die deutsche Schuld gegenüber Polen im Zweiten Weltkrieg als eigene anerkennen und uns in ihrer Verantwortung wissen. Wir in der damaligen DDR wollten uns öffentlich mit dem Kniefall Willy Brandts von 1971 identifizieren. Viele hatten dies schon damals innerlich getan. 40 Jahre lang war uns diese eigene Geschichte vorenthalten worden, und wir waren von der Verantwortung von ihr ausgeschlossen.
    Zum anderen wollte ich den Polen Dank sagen. Denn Danzig 1980 und Solidarnosc gehören in die den Herbst 1989 in der DDR ermöglichende Vorgeschichte. Wir Deutschen haben den Polen viel zu verdanken, zumal wir alle wissen: Die Einheit Deutschlands ist durch den Herbst 1989 in der DDR ermöglicht worden.
    Nach Jahrzehnten — und das ist erstmalig — begegnen sich nun ein demokratisches und souveränes Polen und ein demokratisches und souveränes Deutschland an einer gemeinsamen völkerrechtlich anerkannten Grenze. Wir haben heute die Chance eines wirklichen Neubeginns in der Beziehung zwischen Deutschen und Polen.
    Die Beziehung zwischen Polen und dem direkten deutschen Nachbarn DDR war in der Vergangenheit offiziell freundschaftlich, die Grenze wurde vorbehaltlos anerkannt. Dies merkt man — übrigens quer durch alle Parteien — daran, daß sich die Volkskammer im April, sofort nach der Wahl im letzten März, dazu geäußert hat, und an klaren Äußerungen aus dem Osten Deutschlands. Die wirklichen Beziehungen der DDR zu Polen waren aber eher kühl. Anfang der 80er Jahre schürte man antipolnische Ressentiments, um uns vor den polnischen Entwicklungen um Solidarnosc abzuschotten.
    Die Beziehungen zum zweiten deutschen Staat waren nicht viel herzlicher. Eine von Willy Brandt begonnene Entspannungs- und Versöhnungspolitik wurde auf bundesdeutscher Seite immer wieder dadurch unterlaufen, daß die angeblich offene Grenzfrage und die Orientierung an den deutschen Minderheiten Kriterien und Streitpunkte der Polenpolitik wurden. Innenpolitische Rücksichtnahmen des Bundeskanzlers auf das eigene rechte Lager in der Partei und unter den Wählern störten immer wieder die Entwicklung wirklich guter Beziehungen.
    Heute ist klar: Die Grenze ist endgültig, die ehemaligen deutschen Ostgebiete sind unwiderruflich Polen. Das anzuerkennen ist von europäischer Bedeutung. Das aber wird Konsequenzen haben müssen — eine nennt der Antrag, der hier zur Debatte steht.
    Doch muß das auch in unserer Sprache deutlich werden. Ich habe mich gefreut, daß auch die anderen Kollegen — bezeichnenderweise Ostdeutsche — dies eben schon deutlich gemacht haben. Auch ich habe mich sehr gewundert, als ich die Begrifflichkeit des Haushaltstitels, in dem es um ostdeutsche Kulturarbeit geht, las. Ostdeutschland, das ist nun einmal die DDR. Die sogenannten fünf bzw. sechs neuen Bundesländer sind nach dem Grenzvertrag unwiderruflich der Osten Deutschlands, weshalb ich auch von den „östlichen deutschen Ländern" spreche. Weiter östlich gibt es keine mehr.

    (Beifall des Abg. Weiß [Berlin] [Bündnis 90/ GRÜNE])

    „Mitteldeutschland" — Sie haben vorhin danach gefragt — ist für dieses Territorium zu einem historischen Begriff geworden.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Wir müssen lernen, klar zu reden und klar zu denken. Wenn wir dies wirklich tun und wenn dies in unserer Gesellschaft deutlich zum Ausdruck kommt, wird es die Polen ermutigen, auch öffentlich, bis in Museen, Landkarten und Geschichtsbücher hinein, die deutsche Vergangenheit in großen Teilen Polens anzuerkennen und das dort vorgefundene Erbe zu würdigen und zu pflegen.
    Am 17. Juli letzten Jahres wurde in Paris abgesprochen, daß ein Grundlagenvertrag geschlossen wird. Dieser Vertrag der jetzt in Vorbereitung ist, wird, so hoffe ich, auf dem Weg zur Vertrauensbildung und Zusammenarbeit ein wichtiger Baustein sein. Ich hoffe, daß auch der offene § 15 in dem Sinne, wie er heute von uns angesprochen wurde, schnell geklärt werden kann.
    Die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen sollen vertrauensvoll und freundschaftlich, die Begegnung zwischen den Menschen soll so selbstverständlich werden, wie es bei Deutschen und Franzosen heute ist. Im Unterschied zu Frankreich besteht jedoch im Verhältnis zu Polen ein zentrales Problem: Die Grenze zu Polen ist gleichzeitig die Grenze der Europäischen Gemeinschaft, Grenze zwischen West-und Osteuropa. Sie wird mittelfristig nach einem Aufschwung in den östlichen deutschen Bundesländern zu einer Wohlstandsgrenze werden. Das kann nicht in unserem Interesse liegen.

    (Koschnick [SPD]: Sehr wahr!)

    Wir werden alles dafür tun müssen, diesen Prozeß zu verringern.
    Die Bundesregierung hat es im letzten Jahr trotz unserer Forderung versäumt, den Osthandel der



    Meckel
    DDR-Betriebe rechtzeitig und stark genug zu stützen. So hat sie u. a. Polen sehr geschadet und vielen Betrieben bei uns im Osten Deutschlands die Chance zur Umstrukturierung genommen.
    Polen muß wirtschaftlich gefördert werden. Dafür trägt die EG mit uns Deutschen wesentliche Verantwortung.
    Das ist für uns aber nicht nur ein Solidaritätsbeweis und Hilfe, sondern ganz wesentlich auch Eigeninteresse. So, wie es früher eine Zonenrandförderung an der Grenze zur DDR gab, müssen nun die Gebiete an unserer Ostgrenze zu Polen besonders gefördert werden; denn die katastrophale Situation der Finanzen in den dortigen Gemeinden läßt dort wenig Spielraum. Die Förderung muß aber langfristig und dauerhaft sein. Zusätzlich erwarten wir finanzielle Mittel aus dem Interregio-Programm der EG und fordern die Bundesregierung auf, sich in Brüssel dafür einzusetzen.
    Die Grenze nach Polen darf keine Festungsmauer werden. Die Gefahr des Aufkommens nationaler Vorurteile und Ressentiments wäre dann hoch, besonders in der Grenzregion beider Seiten. Dem aber müssen wir mit aller Kraft entgegenwirken.
    Wichtig dafür ist eine Strukturpolitik in der Grenzregion beider Seiten, welche das Zusammenleben der Menschen diesseits und jenseits der Oder und Neiße fördert. Wir brauchen eine Vielzahl von Grenzübergängen und Brücken. Die Städte müssen wieder zusammenwachsen können und brauchen dafür entsprechende Hilfe.
    Kommunikationsmöglichkeiten und Verkehrsinfrastruktur müssen verbessert und gemeinsam konzipiert werden. In diesem Bereich liegt eine besondere Aufgabe der Kommunen und Länder an der Ostgrenze Deutschlands.
    Ich begrüße sehr, was in der Kommission für grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Angriff genommen worden ist. Daran muß weitergearbeitet werden, und man muß versuchen, dafür angemessene Strukturen zu finden, auch in der Frage der Kultur- und Bildungsarbeit mit Polen.
    Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang eine finanzielle Förderung. Polen ist finanziell schwach, das wissen wir. Deshalb muß es unterstützt werden, um alles zu fördern, was dem gegenseitigen Kennenlernen dient. Ich denke dabei an Kulturzentren, Studentenaustausch und anderes; ich will das jetzt nicht ausführen.
    Eine ganze Menge von dem hat begonnen, so auch die Arbeit der Schulbuchkommission. Ich denke, gerade mit Blick auf unsere gemeinsame Geschichte und auch auf die unterschiedliche Geschichte haben wir Deutschen in den ehemals zwei deutschen Staaten etwas aufzuarbeiten; denn diese unterschiedliche Geschichte muß bei uns und ebenso in Polen offengelegt werden.
    Wie gesagt: Es hat vieles begonnen, aber alles droht doch kärglich auszugehen, weil die Geldmittel fehlen. Gerade in diesen Wochen, in denen Milliarden für den Krieg aufgebracht werden, erscheint es besonders absurd, daß für die Zukunftsaufgabe der Gestaltung der
    Beziehung zu Polen oft so wenig Geld da ist. Die konkrete Praxis und das Finanzgebaren der Bundesregierung scheinen alle guten Vorsätze zunichte zu machen.
    Ich hoffe aber sehr, daß wir einiges noch ändern können, um dann diese Arbeit gemeinsam gegen einige Gruppierungen, die sie torpedieren wollen, zu tragen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Weiß [Berlin] [Bündnis 90/GRÜNE])