Rede von
Prof. Dr.
Eckhart
Pick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich mit einem kleinen Vorwurf beginne, der sich eigentlich an uns selber richtet: Ich denke, es ist dem Thema nicht angemessen, daß wir hier nur eine halbe Stunde Debattenzeit für dieses Thema haben.
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang anderer Themen, die aus meiner Sicht weit weniger gewichtig sind, und denen wir mehr Zeit gewidmet haben. Ich erinnere mich, daß wir in der letzten Legislaturperiode, als wir über die Rechtsstellung des Tieres debattiert haben, glaube ich, eine ähnliche Debattenzeit zur Verfügung hatten. Jeder und jede kann daran, glaube ich, seine und ihre Folgerungen knüpfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stimme dem Herrn Justizminister zu: Diese Konvention ist in der Tat ein Meilenstein in der Geschichte der UN. Es hat ja fast ein Jahrzehnt gedauert, bis man sich zu dieser Konvention hat bewegen können. Ich glaube, es ist ein ganz wichtiger Vorgang.
Es mag Zufall sein, aber es muß uns dennoch Anlaß zur Fragestellung geben, ob wir den Belangen der Kinder die angemessene Aufmerksamkeit zuwenden. Es ist gesagt worden: Kinder sind mit die schwächsten
Mitglieder unserer Gesellschaft. Schon aus diesem Grunde ist unsere besondere Solidarität notwendig.
Mancher, der das zu ratifizierende Abkommen betrachtet, ist in der Versuchung, sich bequem zurückzulehnen mit der Feststellung, daß diese internationale Konvention eigentlich nur die anderen Staaten treffe. So klingt es gelegentlich auch in der Denkschrift der Bundesregierung zu dieser Konvention an. Ich denke, es gibt keinen Anlaß zur Selbstzufriedenheit, vielmehr gibt es gerade auf diesem Gebiete viel zu tun. Mir ist heute bei der Lektüre der „Süddeutschen Zeitung" ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs besonders aufgefallen, überschrieben: „Kindergarten ja — Spielplatz nein". Die Entscheidung, die dort abgedruckt und zum Teil zitiert ist, ist, meine ich, durchaus typisch. Es geht um die Frage, ob der Kinderlärm für die Nachbarschaft so belastend ist, daß der Bau eines Kinderspielplatzes verhindert werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu meinem Bedauern den Beschwerdeführern insofern Recht gegeben. Was mich an diesem Urteil besonders stört, ist, daß man mangels einer rechtlichen Grundlage versucht hat, Kinderlärm anhand anderer Kategorien, nämlich Gewerbelärm, zu messen. Ich halte das für völlig unangemessen.
Ich denke, es ist gut, daß manche Dinge nicht geregelt sind. Das ist für die Justizpolitiker gelegentlich doch ein Lichtblick.
Solche Urteile sollte es bei uns eigentlich nicht geben. Sie werden mir nachsehen, daß ich die Beurteilung dieser Entscheidung in die Ausführungen einbeziehe, obwohl ich wenig Zeit habe, da auch meinem Kollegen Herrn Schmidt Redezeit zusteht.
Wir können auf unsere Fortschritte in der Gesellschaft im Hinblick auf Kinder nicht allzu stolz sein. Diese Konvention sollte uns Anlaß sein, immer wieder Rechenschaft darüber abzulegen, ob wir genügend in Richtung einer kinderfreundlichen Gesellschaft handeln.
Diese Konvention setzt im übrigen nur Mindeststandards. Das heißt, ein Wettbewerb darin, wie man die Rechte der Kinder und ihre Sorgen ernst nimmt und ihre Rechte weiterführt, ist immer wieder erwünscht. Wir wissen aber auch: Recht und Gesetz können nicht alles erzwingen, insbesondere nicht, was notwendig ist: mehr Verständnis und Toleranz. Hier muß sich in unserer Gesellschaft noch viel ändern. Unsere Bereitschaft und unsere Toleranz sind gefragt, denn Kinderpolitik ist Zukunftspoltitik.
Schönen Dank.