Rede von
Dr.
Rudolf Karl
Krause
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Beim vorliegenden Antrag haben wir den Fall, daß eine Oppositionspartei vom Plenum die Weiterführung von Maßnahmen fordert, die die Regierung seit Monaten ohnehin durchführt.
Warum der Antrag? Wenn dich deine Gegner loben, dann traue ihnen nicht.
— Ich lebte bislang als Dezernent in einem Kreis, in dem die meisten Privatisierungen im Land Sachsen-Anhalt stattgefunden haben. Wenn es hier so dargestellt worden ist, als gäbe es in der Landwirtschaft der ehemaligen DDR nur lammfromme Opfer, so ist das wirklich nur die halbe Wahrheit und führt am Thema vorbei.
Dieser Antrag muß Anlaß sein, das bisherige allgemeine Schuldenmoratorium noch einmal zu hinterfragen.
Woraus resultiert die Verschuldung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften? Ich will nicht das wiederholen, was der Vorredner sagte. Die sogenannten LPGen waren staatlich gelenkte Betriebe. Die Eigentümer waren de facto enteignet. Eine LPG mit Namen Friedrich Schiller war z. B. ebensowenig ein literarischer Verein wie eine Genossenschaft.
Die sogenannte sozialistische Landwirtschaft wurde mit immer höheren Subventionen zu Lasten der Gesamtbevölkerung künstlich am Leben erhalten. Sie können im Statistischen Jahrbuch nachlesen, daß 1989 die tatsächlichen Verluste für den Staatshaushalt netto 4 500 Ostmark pro Hektar betrugen. Dies wurde lügenhaft als Stützung der Verbraucherpreise verkauft. Die Butter war teurer als hier.
— Für die Wasserbutter nicht; dafür gilt es nicht.
Für Investitionen mußten aber auch dann noch Zwangskredite aufgenommen werden, wenn die LPGen ein Guthaben hatten. In den meisten LPGen überstiegen demgegenüber — das ist für einen Westdeutschen ganz schwer verständlich — die Zwangsabführungen an den Staatshaushalt bei weitem die noch offenstehenden Kreditsummen — sie wurden genannt — in Höhe von derzeit 7,6 Milliarden DM. Das heißt, unabhängig von allem anderen Finanztohuwabohu hatten die Betriebe in den letzten fünf bis acht Jahren wesentlich höhere Summen, das Mehrfache, über dieselben Banken abzuführen, bei denen noch Kredite ausstanden. Das Finanzdurcheinander der Papiermark der DDR war auch in der Landwirtschaft rechnerisch richtig und gleichzeitig sachlich völlig falsch.
Es wird die Verlängerung des Schuldenmoratoriums geben; darüber sind sich doch alle einig. Aber sie verlangt konkrete Bedingungen: eine juristisch einwandfreie Umwandlung der sozialistischen Zwangsgenossenschaften, eine Wiederherstellung von Verfügungsgewalt und Verantwortung der Eigentümer, und zwar der Verfügungsgewalt über Vermögen und über die Geschäftsführung. Hören Sie den Vorschlag: die Verfügungsgewalt der Eigentümer über Vermögen und über die Geschäftsführung.
Die Beschäftigten, die heute noch in den Betrieben arbeiten, verfügen seit einem Jahr plötzlich ganz allein über das Betriebsvermögen. Was derzeit in vielen LPGen läuft, wurde angedeutet, ist aber — hören Sie bitte zu, meine Herren Sozialisten — eine Umverteilung des den Bauern geraubten Eigentums auf die Arbeitnehmer und — wie schon gesagt — betriebsfremde kriminelle Elemente.