Meine Damen und Herren! Die Fraktion der PDS/Linke Liste lehnt den von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der Bundesanstalt für Arbeit ab.
Ich möchte dies im folgenden kurz begründen.
Wir werden den Eindruck nicht los: Die Koalition konnte bei den Wahlen großspurig versprechen, auch künftig auf Steuererhöhungen zu verzichten, weil sie bereits ein System ausgeklügelt hatte, wie den Bürgerinnen und Bürgern über die Sozialversicherung direkt und indirekt tiefer in die Tasche gegriffen wird. So sehr wir dafür sind, füreinander einzustehen, so entschieden wenden wir uns dagegen, daß mit dem Gebot der Solidarität allein die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Kasse gebeten werden, um die zu erwartenden Löcher in der Arbeitslosenversicherung zu stopfen. Sie sollen in diesem Jahr schon 18,5 Milliarden DM mehr aufbringen, um die Folgen der Arbeitslosigkeit insbesondere in den fünf neuen Bundesländern sozial abzufedern. Für 1992 sind sogar 23 Milliarden DM an Mehreinnahmen in Aussicht gestellt.
Die Bundesregierung begründet ihre Maßnahme damit, daß Defizite dort gedeckt werden müssen, wo sie entstehen. Wir könnten uns dagegen ein Finanzierungskonzept vorstellen, das bei denjenigen Geld abschöpft, die die Arbeitslosigkeit in diesem Land zu verantworten haben.
Nehmen Sie die Wirtschaft in die Pflicht! Bitten Sie die Anschlußgewinner zur Kasse!
Es kann überhaupt kein Trost sein, wenn die Bundesregierung in Aussicht stellt, ab 1. Januar 1992 den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 abzusenken, und für die nächsten Jahre weitere Senkungen verspricht. Unsere Skepsis begründet sich allein schon daraus, daß die Bundesregierung selbst Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung signalisiert, wenn sie sagt, eine mittelfristige Finanzplanung sei nicht möglich, da noch nicht übersehbar sei, welche Beitragssenkungen durch die zu erwartende bessere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt möglich würden. Das ist also ein Konzept mit mehreren Unbekannten.
Wie kommen Sie eigentlich zu der Annahme, daß sich die Arbeitsmarktlage in den kommenden Jahren verbessern wird? — Es ist doch wohl unbestritten, daß in den Altbundesländern selbst in der Phase der höchsten wirtschaftlichen Prosperität ein Sockel von 2 Millionen Arbeitslosen nicht abgebaut werden konnte.
Selbst wenn Unerwartetes eintreten sollte, hätte die Bundesanstalt für Arbeit ausreichende finanzielle Ausgaben; denn es ist doch wohl ebenso unbestritten, daß das heutige Leistungssystem bei Arbeitslosigkeit eklatante Mängel aufweist: Die durchschnittliche Unterstützung bei Arbeitslosigkeit liegt in den alten Bundesländern bei knapp über 1 000 DM und bei Arbeitslosenhilfe bei 840 DM.
Über die Hälfte der Arbeitslosen liegt allerdings bei einem monatlichen Einkommen von unter 1 000 DM. Der überwiegende Teil von Frauen erhält weniger als 800 DM. Die Einkommensdiskriminierung von Frauen erweitert sich also automatisch in die Sozialversicherung hinein.
Schon heute kann das Leistungssystem der Bundesanstalt für Arbeit ein Abrutschen in die materielle Not nicht verhindern. Unter anderem wegen der undemokratischen Bedürftigkeitsprüfung bleiben 34 % der Arbeitslosen ohne jegliche Unterstützung. Die Folge ist die wachsende Sozialhilfebedürftigkeit.
Angesichts dieser Problematik halten wir es erstens für völlig unwahrscheinlich, daß die geplante Beitragserhöhung in den nächsten Jahren zurückgenommen werden kann, und zweitens finden wir es falsch, daß die von der Bundesregierung verursachten Probleme der Solidargemeinschaft allein denjenigen, die noch Arbeit haben, aufgebürdet werden. Wir erwarten, daß die Bundesregierung ihrerseits einen Beitrag zur Lösung der durch die Arbeitslosigkeit entstandenen Not leistet, insbesondere in den fünf neuen Bundesländern.
Die 2,5 %ige Beitragserhöhung für die Arbeitslosenversicherung enthält ein weiteres Problem: — —