Frau Kollegin, ich finde es schon geradezu unbeschreiblich, daß Sie in einer solchen eigentlich schon brutalen Weise versuchen, das eine gegen das andere so maßlos auszuspielen. Das halte ich für unmöglich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Zusammenbruch des sozialistischen Regimes drüben hat natürlich auch zu einem Zusammenbruch der Gerichtsbarkeit geführt. Es muß unsere Aufgabe sein, drüben so schnell wie möglich eine funktionierende Gerichtsbarkeit aufzubauen. Dazu ist es notwendig, daß möglichst viele Juristen aus dem westlichen Teil hinüberwechseln. Es kommt entscheidend darauf an, daß dies in den nächsten Wochen und Monaten gelingt.
Art. 5 unseres Einigungsvertrags trägt uns auf, daß wir uns über die Frage Gedanken machen, wo wir unser Grundgesetz ergänzen können. Ich glaube, daß niemand — jedenfalls nicht der ganz überwiegende Teil dieses Hauses — daran denkt, nun an eine Totalrevision unseres Grundgesetzes zu gehen. Es ist sicherlich richtig, daß wir da und dort Verbesserungen vorzunehmen haben. Aber wir sollten uns dabei immer dessen bewußt sein, daß wir in einer der freiheitlichsten Ordnungen leben, die wir je in unserer Geschichte hatten, und Grundlage dieser Ordnung ist unser Grundgesetz. Unser Grundgesetz und die darin niedergelegten Wertvorstellungen haben sich in den letzten 40 Jahren hervorragend bewährt. Deshalb kann es letztlich nur um eine Fortschreibung dieser Wertvorstellungen in die neue Situation hinein gehen.
Bei all den großen Fragen, die im Rahmen der Wiedervereinigung auf uns zukommen, dürfen wir nicht vergessen, daß wir auch Aufgaben haben, die schon lange Zeit ihrer Lösung harren, und da stimme ich mit Ihnen überein. Es geht zum Beispiel um den Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Dabei geht es natürlich um das Problem der Gewinnabschöpfung und um das Problem einer vernünftigen Regelung betreffend die Geldwäsche. Hier geht es vor allem aber darum, daß wir die Ermittlungsmöglichkeiten verbessern. Es geht um eine praktikable Regelung der Rasterfahndung und um einen Einsatz von Polizeibeamten als verdeckte Ermittler. Es geht auch darum, daß wir für einen vernünftigen Zeugenschutz sorgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin gefragt worden, weshalb ich gegen den Einigungsvertrag gestimmt habe. Es ist richtig, daß ich dagegen gestimmt habe. Der Einigungsvertrag gibt uns auf, für den § 218 so schnell wie möglich eine mit unserer Verfassung übereinstimmende Regelung zu finden. Daß die jetzt in der vormaligen DDR bestehende Fristenregelung nach den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht 1975 aufgestellt hat, und bei Berücksichtigung dessen, daß diese Fristenregelung noch weiter geht als die Fristenregelung, die damals zur Debatte stand, mit unserem Grundgesetz nicht in Einklang ist, dürfte für die meisten wohl außer Zweifel sein. Deshalb ist es unsere Aufgabe, so schnell wie möglich Sorge dafür zu tragen, daß wir in diesem Bereich, wo es um eine elementare Frage geht, wo es um Freiheit, wo es um Frieden und wo es um Leben geht, nicht versagen. Es kommt sehr darauf an, daß wir mit größerer Rationalität und weniger Emotionen dieses Thema diskutieren und versuchen, hoffentlich mit einer großen Mehrheit, eine gute Regelung zu finden, die dem Schutz des noch nicht geborenen Lebens auch tatsächlich dient.
Ich danke Ihnen.