Rede von
Norbert
Geis
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Lassen Sie mich doch erst einmal ein paar Ausführungen machen, und kommen Sie dann zu Ihrer Frage.
Wir haben heute eine sehr polemische Rede von Herrn Abgeordneten Thierse vernommen.
Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, in den kommenden vier Jahren einen Ausgleich der Lebensverhältnisse im östlichen und westlichen Teil unseres Vaterlandes zu finden. Frau Däubler-Gmelin, wir haben mit Genugtuung Ihre Ausführung vernommen, daß die Verträge zur deutschen Einheit des letzten Jahres vieles auf den Weg gebracht haben; diese Ausführung steht insoweit im Gegensatz zu den Ausführungen des Abgeordneten Thierse. Daß Sie da und dort mit Ihrer Kritik ansetzen, ist das gute Recht der Opposition.
Wir stehen aber erst am Anfang dieser Entwicklung. Es wäre völlig falsch, die zweifellos verständliche Unruhe, die verständliche Ungeduld unserer Mitbürger in den fünf neuen Bundesländern in diesem Parlament jetzt auch noch zu schüren und anzuheizen. Das wäre der falsche Weg. Wir müssen um Geduld werben. Es wird nicht möglich sein, den Ausgleich der Lebensverhältnisse nach 40 Jahren Sozialismus in der vormaligen DDR von heute auf morgen, in wenigen Wochen oder Monaten — nicht einmal in wenigen Jahren — zu erreichen. Deswegen müssen wir um Geduld werben. Das ist meiner Meinung nach eine der wichtigen Aufgaben aller verantwortlichen Politiker.
Wer — wie Herr Thierse das getan hat — den Neubeginn mit solch bitterer Galle, mit einer solchen, bei weitem überzogenen Polemik
— und auch mit Arroganz — von vornherein unmöglich zu machen versucht, handelt nicht im Interesse der Mitbürger und Mitbürgerinnen der neuen fünf Bundesländer, sondern handelt dem genau entgegen.
Wir müssen mit mehr Vernunft, mit mehr Rationalität die großen Schwierigkeiten, die zweifellos vorhanden sind und die niemand leugnet, anpacken und versuchen, sie in Ruhe zu lösen.
Ein großes Problem ist auch, wie wir zu gleichen Lebensverhältnissen im Bereich des Rechts und der Gerichtsbarkeit kommen. Wir haben große Probleme bei der Angleichung des Rechts. Hier kann man nicht mit dem Rasenmäher vorgehen, hier muß differenziert werden. Ich stimme mit dem Gedanken überein, daß wir das Mietrecht staatlich regulieren müssen, solange es zu sehr auf das Einkommen der Familien drückt. Aber es wäre doch ein völlig falscher Weg, wenn wir dadurch jegliche Privatinitiative verhinderten, wenn wir verhinderten, daß Privatkapital auch in den Wohnungsbau in den neuen Ländern strömt. Wenn wir ein zu eingeschränktes Mietrecht haben, dann werden wir private Investoren abschrecken, und dann landen wir zum Schluß genau dort, wo der Sozialismus aufgehört hat, nämlich bei der Wohnungszwangswirtschaft, und das kann niemand von uns wollen.