Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ausführungen von Herrn Thierse zur politischen Kultur sehr wohl zur Kenntnis genommen. Aber ich finde, der jetzt wiederholte und gestern von Ihrem Fraktionsvorsitzenden in der Rede selber doch modifizierte Vorwurf der Kriegssteuer ist schwer mit politischer Kultur zu vereinbaren.
Die Anstrengungen, die wir gemeinsam unternehmen, um die Verbündeten zu unterstützen, betrachte ich als einen Beitrag, den Krieg im Golf so rasch wie möglich beendigen zu können, und infolgedessen als das Gegenteil von dem, was Sie gesagt haben.
Ich möchte Sie herzlich bitten, einmal mit uns darüber zu diskutieren, ob dieser ganzen etwas verwirrenden Diskussion nicht eine unterschiedliche Bewertung der Wertordnungen zugrunde liegt, von denen wir ausgehen.
Ich habe den Eindruck, daß offenbar bei einigen auch in unserem Land die Auffassung vorhanden ist, daß der Friede unter allen Umständen ein oberster Grundwert sei.
Ich bin der Meinung, daß dies wohl nicht richtig sein kann; denn wenn dies richtig wäre, dann hätte ja wohl Adolf Hitler,
ohne Gegenwehr überhaupt finden zu dürfen, sein Unrechtsregime auf der ganzen Welt ausbreiten können.
Ich bin der Meinung, daß richtiger ist — was im übrigen auch die katholische Kirche und die evangelische Kirche vertreten — , daß der Friede die Realisierung der Grundwerte voraussetzt, daß wahrer Friede nur dort gegeben ist, wo Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität vorhanden sind, und daß in Wahrheit erst diejenigen für den Frieden eintreten, die mit ihren Beiträgen dafür sorgen wollen, daß sich Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität in einer bestimmten Region durchsetzen, z. B. dadurch, daß wir dafür sorgen, daß Israel frei bleibt.
Die Freiheit und die Demokratie von Israel wären auf das schwerste gefährdet, wenn wir in der Bundesrepublik Deutschland uns dieser solidarischen Verpflichtung entzögen. Deswegen ist unser Beitrag in Wahrheit ein Beitrag für den Frieden.