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    Plenarprotokoll 12/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Freitag, den 1. Februar 1991 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Aussprache zur Erklärung der Bundesregierung Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . . 227A Dr. Penner SPD 231D Dr. Kinkel, Bundesminister BMJ 234 D Dr. Laufs CDU/CSU 236D Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE . . 237 B Gerster (Mainz) CDU/CSU . . . . 238D, 246D Dr. Heuer PDS/Linke Liste 239B Frau Köppe Bündnis 90/GRÜNE 240A Thierse SPD 242B, 245D Dr. Laufs CDU/CSU 241 C Dr. Geißler CDU/CSU 245B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE 246B Graf von Schönburg-Glauchau CDU/CSU 246 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 247A Dr. Knaape SPD 248A Dr. Brecht SPD 250A Frau Matthäus-Maier SPD 250 B Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 251A Dr. Graf Lambsdorff FDP 254A Scharrenbroich CDU/CSU 255A Geis CDU/CSU 255 D Frau Dr. Götte SPD 256D Frau Jelpke PDS/Linke Liste 257 C Kleinert (Hannover) FDP 259A Dr. Riege PDS/Linke Liste 260 D Bohl CDU/CSU 261D Müller (Pleisweiler) SPD (nach § 28 Abs. 2 GO) 263 D Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 264 C Gansel SPD (Erklärung nach § 31 GO) . 264D Möllemann FDP (Erklärung nach § 31 GO) 265B Dr. Graf Lambsdorff FDP (Erklärung nach § 31 GO) 265 C Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der Bundesanstalt für Arbeit (Drucksache 12/56) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 266A Büttner (Ingolstadt) SPD 268A Heyenn SPD 268 B Schreiner SPD 268D, 277 A Dr. Blüm CDU/CSU 269A, 2798 Gibtner CDU/CSU 269 C Frau Dr. Babel FDP 271 D Frau von Renesse SPD 273 C Frau Bläss PDS/Linke Liste 274 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 275 A Fuchtel CDU/CSU 275 A Frau Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . . 277 B Andres SPD 277 D II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Freitag, den 1. Februar 1991 Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksache 12/57) Jagoda CDU/CSU 280 D Dr. Knaape SPD 282 C Dr. Thomae FDP 283 D Frau Dr. Fischer PDS/Linke Liste . . . 284 A Peter (Kassel) SPD 284 D Frau Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . . 286B Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMG . 287 A Büttner (Ingolstadt) SPD 287 C Nächste Sitzung 288 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 289* A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 289 * D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Freitag, den 1. Februar 1991 227 7. Sitzung Bonn, den 1. Februar 1991 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Antretter SPD 01.02.91 * Bindig SPD 01.02.91 * Frau Blunck SPD 01.02.91 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 01.02.91 * Brandt SPD 01.02.91 Frau Brudlewsky CDU/CSU 01.02.91 Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 01.02.91 * Buwitt CDU/CSU 01.02.91 Erler SPD 01.02.91 Eylmann CDU/CSU 01.02.91 Frau Eymer CDU/CSU 01.02.91 Dr. Feldmann FDP 01.02.91 * Frau Fischer (Unna) CDU/CSU 01.02.91 * Francke (Hamburg) CDU/CSU 01.02.91 Gattermann FDP 01.02.91 Frau Geiger CDU/CSU 01.02.91 Dr. Geisler (Radeberg) CDU/CSU 01.02.91 Gerster (Worms) SPD 01.02.91 Dr. Gysi PDS 01.02.91 Dr. Haussmann FDP 01.02.91 Hollerith CDU/CSU 01.02.91 Dr. Holtz SPD 01.02.91 Jung (Düsseldorf) SPD 01.02.91 Jung (Limburg) CDU/CSU 01.02.91 Kittelmann CDU/CSU 01.02.91 * Klinkert CDU/CSU 01.02.91 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 01.02.91 Kuhlwein SPD 01.02.91 Lenzer CDU/CSU 01.02.91 * Louven CDU/CSU 01.02.91 Lowack CDU/CSU 01.02.91 de Maizière CDU/CSU 01.02.91 Marten CDU/CSU 01.02.91 Matschie SPD 01.02.91 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 01.02.91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller CDU/CSU 01.02.91 * Müller (Wesseling) CDU/CSU 01.02.91 Dr. Neuling CDU/CSU 01.02.91 Frau Odendahl SPD 01.02.91 Pfeifer CDU/CSU 01.02.91 Pfuhl SPD 01.02.91 Reddemann CDU/CSU 01.02.91 * Repnik CDU/CSU 01.02.91 Reuschenbach SPD 01.02.91 Frau Roitzsch CDU/CSU 01.02.91 (Quickborn) Frau Schaich-Walch SPD 01.02.91 Dr. Scheer SPD 01.02.91 * Schmidbauer CDU/CSU 01.02.91 von Schmude CDU/CSU 01.02.91 * Dr. Schuster SPD 01.02.91 Frau Simm SPD 01.02.91 Dr. Soell SPD 01.02.91 * Dr. Sperling SPD 01.02.91 Spilker CDU/CSU 01.02.91 Steiner SPD 01.02.91 * Stiegler SPD 01.02.91 Dr. Vogel SPD 01.02.91 Dr. Warnke CDU/CSU 01.02.91 Dr. Warrikoff CDU/CSU 01.02.91 Weißgerber SPD 01.02.91 Frau Wieczorek-Zeul SPD 01.02.91 Wissmann CDU/CSU 01.02.91 Frau Wollenberger Bündnis 01.02.91 90/GRÜNE Wonneberger CDU/CSU 01.02.91 Zierer CDU/CSU 01.02.91 * Anlage 2 Amtliche Mitteilung Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 22. Januar 1991 mitgeteilt, daß sie ihren Antrag Für eine friedliche Lösung des Golfkonflikts - Drucksache 12/10 - zurückzieht.
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    Rede von Dr. Willfried Penner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Schwerpunkte der Innenpolitik werden, soweit vorhersehbar, bestimmt



    Dr. Penner
    sein von den Konsequenzen des sich vereinigenden Deutschlands, des immer mehr Staatlichkeit annehmenden EG-Europas sowie den Folgen sich auflösender Staats- und Gesellschaftsordnungen in Osteuropa.
    Um mit dem letzteren zu beginnen: Jahrelang erschien die Weltflüchtlingsbewegung für Europa und damit auch für uns Deutsche als ein Geschehen, das weit entfernt, in Asien und Afrika, stattfand und uns Europäer spürbar lediglich in seinen Ausläufern mit steigenden Zahlen von Asylbewerbern wie auch anderen Menschen auf der Flucht erreichte. Das ist seit Jahr und Tag anders. In Rumänien, in Jugoslawien, besonders in der Sowjetunion, offenkundig aber auch immer noch in Polen gärt es. Bittere Not und Angst treibt die Menschen ungeachtet unterschiedlicher Nationalität, unterschiedlicher Herkunft aus ihrem Land, das auch Heimat ist, dorthin, wo sie hoffen, daß es ihnen besser ergehe. Viele entsinnen sich alter Bindungen zum Westen und machen sich auf den Weg. Sie kommen auch zu uns. 400 000 Aussiedler waren es allein im Jahre 1990 gegenüber 40 000 im Jahre 1986, vier Jahre zuvor. Im Vergleich: Knapp 200 000 Asylbewerber haben wir im Jahre 1990 gezählt.
    Kein Zweifel, Europa ist in Bewegung geraten, und wenn nicht alle Zeichen trügen, werden wir, die wir hier leben, Zeugen einer neuen Völkerwanderung in Europa. Wir werden uns nicht darauf verlassen können, daß es bei jenen 2 bis 3 Millionen Rußlanddeutschen oder den 250 000 Rumäniendeutschen oder den polnischen Oberschlesiern bleiben wird. Es interessiert diese Menschen wenig, ob sie als Asylbewerber, Flüchtlinge, De-facto-Flüchtlinge, Aussiedler oder rechtlich anders bei uns eingestuft werden. Sie kommen einfach. Das war in den 80er Jahren nicht anders.
    Ich frage Sie von der CDU/CSU: Glauben Sie wirklich allen Ernstes, daß Sie durch eine bloße Änderung des deutschen Asylrechts auch nur die europäische Flüchtlingsbewegung stoppen könnten, als ob es kein zusammenwachsendes Europa gäbe, das wegen der durchlässigen Grenzen zumindest ein einheitliches Recht in Europa nahelegt, als ob es den KSZE-Prozeß nicht gäbe, dessen langjährige Ablehnung durch die CDU/CSU Bundeskanzler Kohl Ende vergangenen Jahres als Fehler eingeräumt hat? Eben diese Abmachungen über die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die jetzt ja auch Bestandteil der Politik der Union sind, und, darauf aufbauend, die Freundschaftsverträge mit der Sowjetunion und Polen stellen auch zum Osten hin die Signale für Freizügigkeit zwischen den Völkern auf Grün.

    (Beifall bei der SPD)

    Auf Rot stehen unter der Ägide des KSZE-Regimes umgekehrt die Zeichen für eine restriktive Visapolitik.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben den osteuropäischen Nachbarn mehr Öffnung, mehr Hilfe und mehr Gemeinsamkeit versprochen, auch deswegen, weil sie die deutsche Einigung ungeachtet böser geschichtlicher Erfahrungen mit einem großen Deutschland vertrauensvoll begleitet haben.
    Deshalb können und wollen wir uns nicht abschotten.
    Gewiß, es gibt Brüche. Westeuropa erwartet von uns eher, daß wir die EG-Außengrenzen, d. h. unsere Ostgrenze, absichern. Auch darauf bleibt die Union eine Antwort schuldig. Nach unserer Einschätzung diente das mittlerweile jahrelange Gezetere gegen den Artikel 16 wohl denn auch eher als Schlagstock in der innenpolitischen Auseinandersetzung.

    (Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Dr. Ullmann [Bündnis 90/GRÜNE])

    Bis zum heutigen Tage hat die Union keinen förmlichen Antrag auf Änderung des Grundrechts auf Asyl im Deutschen Bundestag eingebracht, geschweige denn zur Abstimmung gestellt.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Aber im Bundesrat durch das Land Baden-Württemberg!)

    — Nein, solche Verengungen bringen uns nicht weiter. Wir brauchen Lösungen und keine Dummschwätzereien.

    (Beifall bei der SPD — Lachen und Beifall bei der CDU/CSU)

    Es geht auch um eine zeitgemäße Anpassung des Aussiedler- und Staatsangehörigkeitsrechts. Wir sind deshalb der Auffassung:
    Erstens. Artikel 116 Grundgesetz ist auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zu begrenzen.
    Zweitens. Der Begriff des Statusdeutschen ist zu streichen.
    Drittens. Damit verbunden müßte ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz mit Übergangsvorschriften und Einbürgerungsrichtlinien geschaffen werden.
    Viertens muß das Bundesvertriebenengesetz so novelliert werden, daß unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nur noch diejenigen Volkszugehörigen den Vertriebenenstatus erwerben können, die bisher keine zumutbare Möglichkeit hatten, in das Bundesgebiet auszusiedeln.

    (Beifall bei der SPD)

    Natürlich — das hat der Bundesminister des Inneren mit Recht hervorgehoben — kommen wir auch nicht um eine Europäisierung des Flüchtlings- und Asylrechts herum. Aber all diese rechtlichen Bemühungen, gleichviel, ob sie das Asylrecht betreffen, ob sie das Flüchtlingsrecht betreffen, ob sie das Aussiedlerrecht betreffen, ob sie anderes Recht betreffen, all diese Bemühungen werden nie und nimmer reichen. Wir müssen mitwirken, daß die Menschen in den Auswanderungsländern Hoffnung schöpfen können und auf der Grundlage dieser Hoffnung dann auch dableiben.
    Wir hoffen, daß dies nun auch endlich die Regierung begreift. Die Worte von Schäuble geben dazu Anlaß.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir laden die Koalitionsparteien und auch andere ein
    mitzumachen. Es geht schließlich um Sorgen, die alle-



    Dr. Penner
    — Bund, Länder und Gemeinden, und zwar unabhängig von parteipolitischer Couleur - drücken.
    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die rein innenpolitischen Fragen dürfen nicht außen vor bleiben. Zunächst macht die Vereinigung beider Teile Deutschlands natürlich eine Verfassungsdiskussion unabweislich. Gewiß, das Bonner Grundgesetz ist ein höchst geglücktes Verfassungswerk. Aber gerade weil das so ist, sollten wir für Ergänzungen und Anpassungen offen sein, die im Zuge der Vereinigung, aber auch nach den Erfahrungen der vergangenen 40 Jahre wichtig werden können. Wir werden uns darüber noch im einzelnen unterhalten müssen.
    Über diesen mehr prinzipiellen Fragen dürfen wir das Naheliegende und Praktische nicht vergessen. Es wird in den fünf neuen Bundesländern nur schwerlich vorwärtsgehen, solange es nicht intakte Verwaltungen gibt. Dafür ist Sachkunde erforderlich; und die kostet um so mehr, je geringer das Angebot ist.
    Eine Qualifizierungsoffensive, die allerdings kurzfristig nicht greifen kann, ist unumgänglich. Ebenso müssen alle öffentlichen Verantwortungsbereiche der Bundesrepublik, nämlich Bund, Länder und Gemeinden, noch mehr als bisher mit Personal bis hin zur Entsendung ganzer Ämter, der sogenannten Organleihe, helfen.
    Doch damit nicht genug. Bei einem rasant ansteigenden Preisniveau in der alten DDR, von dem auch die Mieten nicht verschont bleiben werden, sind Gehälter und Einkommen von gut einem Drittel der Bezüge in der Bundesrepublik kaum verantwortbar, und zwar auch im Interesse einer zügigen Konsolidierung der Lebensverhältnisse in den fünf neuen Bundesländern.
    Dabei denkt der Innenpolitiker natürlich mit ernster Sorge — mit besonders ernster Sorge - an die Lage der Polizei. Wer mit knapp der Hälfte der Bezüge seines westlichen Kollegen auskommen muß, ist nicht so ausgestattet, wie es die häufig schwere Aufgabe, aber auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir stellen fest: Die deutsche Einheit hat auf dem Gebiet der inneren Sicherheit in den fünf neuen Bundesländern zu erheblichen Problemen geführt. Kennzeichnend hierfür sind nicht nur die beinahe bürgerkriegsähnlichen Szenen beim Fußballspiel Sachsen Leipzig - Berlin Ende vergangenen Jahres in Leipzig. Es ist kein Vorwurf, aber fest steht es doch: Beinahe hilflos stehen die Polizeibehörden im Osten neuen Formen der Kriminalität gegenüber. Ich nenne hier nur die Wirtschaftskriminalität. Ich erwähne die Umweltkriminialität, die Eigenturnskriminalität und die wachsende Drogenkriminalität.
    Mit Recht fordert die Gewerkschaft der Polizei ein Sofortprogramm „Innere Sicherheit" für die fünf neuen Ländern. Hauptbestandteil eines solchen Sofortprogramms muß eine intensive Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive für Polizisten sein. Bisher wurden die Polizisten der ehemaligen DDR nach einem sechsmonatigen Grundlehrgang hei der Schutzpolizeibehörde und einem sechsmonatigen Praktikum bei der Verkehrs- und Transportpolizeischule in den
    aktiven Polizeidienst entlassen. Das ist künftig nach unseren Maßstäben nicht mehr verantwortbar.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn in der alten Bundesrepublik dauert die Ausbildung drei Jahre. Für uns heißt das: Die Polizei der fünf neuen Bundesländer muß wenigstens für eine Übergangszeit in die Ausbildungsprogramme der westlichen Bundesländer einbezogen werden.
    Auch die Ausstattung muß verbessert werden. Es geht einfach nicht an, daß die Kriminellen über modernste technische Mittel verfügen, während die Polizei in den fünf neuen Bundesländern mit völlig antiquiertem technischen Gerät arbeiten muß.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Mit dem Rechenschieber fängt man keine Computerkriminellen! Die SPD-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung auf, an den guten Erfahrungen des gemeinsamen Programms von Bund und Ländern für die innere Sicherheit zu Beginn der 70er Jahre anzuknüpfen und zu handeln.
    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir verschweigen nicht, daß auch in der alten Bundesrepublik nicht alles zum besten steht, daß gerade die Personallage bei der Polizei unbefriedigend ist. Immer wieder sind es Haushaltsprobleme, die notwendige Entscheidungen verhindern. Wie dem auch sei: Kernaufgaben der hoheitlichen Tätigkeit — dazu gehört die polizeiliche — dürfen dabei nicht auf der Strecke bleiben.
    Es gibt keinen Grund, beim Thema innere Sicherheit selbstzufrieden zu sein. Seit 1982 werden Jahr für Jahr 4,2 Millionen bis 4,3 Millionen Straftaten verübt. Beim Straßenraub sind sogar massive Steigerungsraten festzustellen.
    Auch die Aufklärungsquote ist unbefriedigend. Seit der Wende 1982 stagniert sie zwischen 45 % und 50 %. Dies wird auch dem selbstgerechten Anspruch der CDU/CSU, gewissermaßen Gralshüter der inneren Sicherheit zu sein, nicht gerecht.
    Die ständig steigende Zahl der Drogentoten ist besorgniserregend. 1 480 Todesopfer haben wir im vergangenen Jahr gezählt. Offenbar ist es immer noch nicht gelungen, den Drogenkonsum gesellschaftlich zu ächten. Das wird ein Thema sein, das uns auch künftig immer wieder begleiten wird. Ich neige dazu: Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Drogenproduzenten und die Drogenhändler mit aller Härte des geltenden und noch zu schaffenden Rechts zu verfolgen und zu bestrafen. Die Drogenkonsumenten hingegen sind nach meiner festen Überzeugung eher ein Fall für den Arzt, nicht aber für Staatsanwaltschaft und Polizei.

    (Beifall bei der SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich muß auch das Datenschutzrecht fortgeschrieben werden. Wir brauchen ein Geheimschutzgesetz für Sicherheitsüberprüfungen, wir brauchen ein Personalaktengesetz und auch neue Gesetze für Statistiken. Leider gibt es auch keine Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzes in der Wirtschaft. Die

    Dr. Penner
    Banken verfügen über eine Unzahl persönlicher Daten, die Versicherungen verfügen über eine Unzahl persönlicher Daten, die Detekteien und Auskunfteien nicht zu vergessen. Diese Daten sind Persönlichkeitsrechte. Mit diesen Daten kann man nicht nach freiem Belieben im rechtsfreien Raum hantieren. Ganz nachdrücklich fordern wir, daß die Arbeitnehmerdaten wiksamer als bisher rechtlich geschützt werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Es gibt ein Sonderproblem — der Minister hat es angesprochen —, das uns noch lange beschäftigen wird. Es ist der Umgang mit den sogenannten Stasi-Akten. Unsere Vorstellungen sind klar:
    Erstens. Die am 12. Dezember 1990 erlassene vorläufige Benutzerordnung muß durch ein Gesetz abgelöst werden.
    Zweitens. An der Institution des Sonderbevollmächtigten ist festzuhalten.
    Drittens. Das heute bestehende Auskunftsrecht ist zu einem Einsichtsrecht zu erweitern.
    Viertens. Die Nutzung für nachrichtendienstliche Zwecke ist strikt auszuschließen.
    Fünftens. Bei der Sicherheitsüberprüfung sind Auskünfte allenfalls der Einstellungsbehörde, nicht aber dem Verfassungsschutz zu erteilen. Akzeptabel ist das Interesse der Dienste für hauptamtliche Mitarbeiter des früheren MfS.
    Sechstens. Dem Sonderbevollmächtigten ist ein Herausgabeanspruch einzuräumen, um die bereits in den Besitz anderer Behörden gelangten Akten des MfS wieder zusammenzuführen. Es kann ja nicht sein, daß die in aller Welt herumvagabundieren.
    Bei den Akten der Blockparteien und der Massenorganisationen der früheren DDR ist differenziertes Vorgehen empfehlenswert. Da die SED und die ihr zuzuordnenden Ablegerparteien Teil des staatlichen Ganzen waren, kann für sie das Parteienprivileg des Grundgesetzes nicht generell gelten.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Soweit Parteiakten Staatsangelegenheiten enthalten, müssen sie wie Staatsakten behandelt werden. Wo sich Nähe zur Stasi-Tätigkeit ergibt, gehören sie zum Aktenbestand der Stasi. Nur insoweit, als es sich um Parteivorgänge nach dem Verständnis des Grundgesetzes oder des Parteiengesetzes handelt, greift das Parteienprivileg.
    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Wort noch zu den Diensten. Da die kommunistische Drohkulisse nicht mehr existiert, entfällt ein wesentlicher Teil der Aufgabenstellung von BfV und BND. Das heißt im Ergebnis Personal- und Aufwandsreduzierung. Wir Innenpolitiker von der SPD lehnen es ab, das Bundesamt für Verfassungsschutz statt dessen mit der Bekämpfung illegalen Waffenexports und internationaler Bandenkriminalität und dabei besonders des Drogenhandels beauftragen zu wollen.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE — Gerster [CDU/CSU]: Da kommt die ganze doppelte Moral zum Ausdruck!)

    Der Verfassungsschutz darf keine polizeilichen oder polizeiähnlichen Tätigkeiten ausüben. Er ist darauf auch gar nicht vorbereitet.
    Noch eines will ich sagen: Wer der Vorfeldbeobachtung das Wort redet, der nimmt in Kauf, die Bundesrepublik Deutschland gewissermaßen zu einer Dependance der Firma Pinkerton zu machen. Das verfassungsrechtlich abgesicherte Trennungsgebot zwischen Verfassungsschutz und Polizei hat sich bewährt.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hirsch [FDP])

    Wenn jemand gefragt ist, dann sind es die Polizei und der Zoll. Beide bringen einschlägige Erfahrungen mit. Wenn sich der BND im Ausland bei der Nachrichtensammlung verstärkt des Waffen- und Drogenthemas annehmen würde, stünde das auf einem anderen Blatt. Hier stellt sich der Kompetenzkonflikt nicht.
    Die Kontrolle der Dienste kann nicht so bleiben wie bisher. Die Aufsplitterung der parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten dient der Sache nicht. Das PKK-Gesetz ist dringend novellierungsbedürftig. Es geht um mehr Konzentration, aber auch um mehr Effizienz der Kontrolle. Als völlig untauglich hat sich die gesetzlich vorgesehene Berichtspflicht der Bundesregierung erwiesen. Der Berichtsrahmen wird durch das Gesetz in das Ermessen der zu kontrollierenden Bundesregierung gestellt. Was die strikte Geheimhaltung der PKK anbetrifft, habe ich bisweilen den Eindruck, daß das meiste bereits offenkundig ist und diese Offenkundigkeit lediglich geheimgehalten werden soll.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Tatsächliche Kontrolle ist gefragt. In diesem Sinne werden wir uns konstruktiv an der Novellierung des PKK-Gesetzes beteiligen, die ja auch die Koalition als notwendig ansieht. Anders ist es nicht zumutbar, sich als Parlamentarier an dem Scheinunternehmen Kontrolle der Dienste zu beteiligen. Darüber kann auch das pompöse Wahlverfahren für die Mitglieder der PKK nicht hinwegtäuschen.

    (Beifall bei der SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie immer ist die Innenpolitik vielfältig und manchmal auch ein steiniges Feld. Gegensätze mit der Koalition werden unvermeidlich sein. Wir wollen uns wie früher um Genauigkeit und Nüchternheit bemühen. Wir — und ich ganz persönlich — freuen uns, daß der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wieder dabei ist. — Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des Bündnisses 90/GRÜNE und der CDU/ CSU)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz, Herr Kinkel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir sehr gewünscht, mein neues Amt als Bundesjustizminister in einer Zeit antreten zu können, die weniger von Gewalt und Unrecht erfüllt ist. Wir alle sind mit großen Hoffnungen in dieses Jahr gegangen: Die Teilung



    Bundesminister Dr. Kinkel
    Deutschlands ist überwunden. Der KSZE-Prozeß ist abgeschlossen. Wir durften glauben, vor einer Zeit des Friedens und des Rechts zu stehen. Aber es ist anders gekommen. Die Welt wird von einer Welle des Unrechts erschüttert. Die Verbrechen Saddam Husseins sind auch eine Niederlage des Rechts. Recht ist eben nicht nur innerstaatliches Recht.
    In den baltischen Republiken müssen die Menschen um die Rechte kämpfen, die bereits die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 als unantastbar und selbstverständlich definiert hat.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Aber das Recht ist eine mächtige Kraft. Ich jedenfalls baue darauf, wir sollten darauf bauen, daß es sich letztlich durchsetzen wird.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Unrecht kann nur durch Recht überwunden werden. Damit meine ich nicht nur Gesetze und Verordnungen. Recht ist mehr: Recht ist, so Radbruch, Wille zur Gerechtigkeit. Auf diesen Willen zur Gerechtigkeit kommt es an. Mit ihm müssen wir versuchen, dem Unrecht entgegenzutreten.
    Neben Recht und Freiheit zählt der Frieden zu unseren höchsten Werten. Der Einsatz für den Frieden verdient deshalb immer Achtung und Respekt. Er ist ein Wert an sich.

    (Frau Dr. Götte [SPD]: Ach nee!)

    Gerade weil wir in unserem Jahrhundert Erfahrungen so entsetzlicher Art gemacht haben, müssen wir diejenigen verstehen, die den Krieg als Mittel der Politik total und endgültig ablehnen. Aber richtig ist eben auch, daß das Recht dem Unrecht nicht weichen darf. Aggression darf nicht belohnt werden; Aggression darf nicht siegen. Wenn das Recht nicht entschieden verteidigt wird, zerfällt es und verliert seine bewußtseins- und handlungsbildende Kraft.
    Ich meine allerdings, daß jede Diskussion dort aufhört, wo unter der Decke von Friedensdemonstrationen klar Antiamerikanismus betrieben wird.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir verdanken den Amerikanern außerordentlich viel. Sie haben sich für unser Recht und für unsere Freiheit in der Vergangenheit in besonderem Maße eingesetzt.
    Dasselbe gilt für unsere Solidarität mit Israel, die vor allem auf seiten der Israelis viel Kraft gekostet hat, bis es zum Aufbau unseres gegenwärtigen Verhältnisses kam. Ich sage klar: Dieses Verhältnis darf nie wieder getrübt werden.
    Vor 40 Jahren hat Thomas Dehler als erster Bundesminister der Justiz dem damaligen Bundestag seinen ersten Bericht über die Aufgaben des Justizministeriums vorgetragen. Die Wiederherstellung der Rechtseinheit und die Erneuerung des Rechtsbewußtseins war damals sein Thema. Damals ging es darum, das Recht der westlichen Besatzungszonen zu vereinheitlichen und es von den Resten des NS-Unrechts zu befreien.
    Heute ist es unsere Aufgabe, die Hinterlassenschaft des SED-Unrechts aufzuarbeiten. Wir stehen, ich stehe als neuer Bundesjustizminister vor der großen Aufgabe, das verlorengegangene Vertrauen der Menschen zueinander, das Vertrauen in den Staat und in den Rechtsstaat neu aufbauen zu müssen. Dehler sagte damals, dieses Vertrauen sei durch eine verbrecherische Zeit des Unrechts erschüttert worden. Gleiches ist in der ehemaligen DDR geschehen. Ministerpräsident Biedenkopf hatte recht, als er gestern sagte, daß das Ausmaß des geschehenen Unrechts täglich leider deutlicher und schrecklicher werde. Ich habe als Bundesjustizminister Akten und Vorgänge aus der früheren DDR übernommen, bei denen es mir im wahrsten Sinne des Wortes schlecht geworden ist. Darüber wird noch an anderer Stelle zu sprechen sein.
    Die tiefgreifende Verunsicherung der Menschen, die aus der jahrelangen Rechtlosigkeit, Bespitzelung und Bevormundung resultiert, muß abgebaut werden. Die Sehnsucht nach dem Recht war eine der großen Triebkräfte für die Revolution. Die Menschen hoffen nun in den fünf neuen Ländern auf den Rechtsstaat. Sie müssen, wie ich sagte, wieder Vertrauen zueinander finden. Diese Hoffnungen müssen und werden wir einlösen.
    Die zentrale rechtspolitische Aufgabe der nächsten vier Jahre wird deshalb — so jedenfalls sehe ich es — der Aufbau des Rechtsstaates in den neuen Bundesländern sein. Kein Mensch würde verstehen, wie ich schon an anderer Stelle gesagt habe, wenn wir unser fein austariertes und ausgebautes Rechtssystem in den alten Bundesländern weiter ausziseliert aufbauen würden, während wir in den fünf neuen Bundesländern eine absolut defizitäre, katastrophale Lage haben.
    Der wirtschaftliche Aufbau ist gewiß ungeheuer wichtig. Für die betroffenen Menschen aber sind die Rechtsstaatsprobleme mindestens von gleichem Gewicht. Das ist für uns in den Altländern nicht so ganz einfach zu verstehen, weil wir nach 40 Jahren gelebtem Rechtsstaat alles als absolut selbstverständlich empfinden.
    Es geht um den Aufbau einer demokratischen Justiz in den neuen Bundesländern, die dafür sorgt, daß die Bürger wieder zu ihrem Recht kommen; denn Recht sichert Freiheit, und nur Recht führt zur Freiheit und zum Vertrauen der Menschen untereinander. Die Justiz muß von Richtern und Staatsanwälten befreit werden, die dem SED-Regime als Steigbügelhalter gedient haben und sich als Instrument der Unterdrükkung mißbrauchen ließen. Wer sich allerdings nichts zuschulden kommen ließ, kann auch bleiben. Kennzeichen des Rechtsstaats ist individuelle Gerechtigkeit.
    Wir brauchen eine Fülle von neuen Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern, Geld aus den Altländern, Fortbildungshilfe, technische Hilfe, kurz: eine gewaltige Unterstützung in der Praxis. Ich habe in den vergangenen Monaten versucht, einiges anzuschieben, und werde meine ganze Kraft diesen Fragen widmen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




    Bundesminister Dr. Kinkel
    Wir brauchen für den Neubeginn vor allem aber auch Kraft, Verständnis und Solidarität. Ich warne gerade in dem Bereich, über den ich spreche, vor Überheblichkeit, auf die die Menschen in den neuen Bundesländern zu Recht hochempfindsam reagieren. Ich warne vor gönnerhafter, meist übrigens nur scheinbarer Überlegenheit.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Wir hatten das Glück, meine Damen und Herren, auf der richtigen Seite zu sein und ab 1949 einen freien und demokratischen Staat aufbauen zu können.
    Wir bekamen auch — das wird heute leicht vergessen — nach der Zeit des Unrechtsstaates, nach der Nazizeit, 1945 die Chance, die schwierigen Spielregeln der Demokratie und der Sozialen Marktwirtschaft einzuüben. Zu diesen Spielregeln gehört die Achtung vor der Meinung des anderen, gehören Toleranz und die ständige Bereitschaft zum Dialog. Im Umgang miteinander können und müssen wir jetzt unter Beweis stellen, wie ernst es uns mit diesen Spielregeln ist.
    Wir stehen heute vor der schweren Aufgabe, die verheerende Hinterlassenschaft der SED aufzuräumen. Das Unrecht hat ja nicht nur 40 Jahre gedauert; es hat leider Gottes auch alle Bereiche des Lebens erfaßt. Gleich nach dem Kriege wurden die Menschen deportiert, interniert und durch die sowjetischen Militärtribunale verurteilt. In den Jahren 1945 bis 1949 wurden viele Menschen ohne jeden Grund aus dem Lande gejagt und um ihr Vermögen gebracht. Der Vorwurf, sie zählten zu den Kriegsschuldigen oder den Naziaktivisten, war eine Lüge.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

    Ihnen wurde allein zum Verhängnis, daß sie einer Gesellschaftsschicht angehörten, der die kommunistische Ideologie das Existenzrecht absprach.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Republikflüchtlingen und verurteilten Regimegegnern hat die DDR ihr Eigentum rigoros entzogen. West-Eigentümer unterlagen einer subtilen Enteignungspraxis.
    Unrecht hat die SED aber nicht nur am Vermögen der Betroffenen begangen; das Regime hat systematisch Menschen zerbrochen und Lebensschicksale zerstört. Kritiker wurden strafrechtlich verfolgt, in psychiatrische Anstalten gesperrt, an Ausbildung und Fortkommen gehindert.
    Aber — auch das gehört zur Tragik der deutschen Geschichte in diesem Jahrhundert — wir können das geschehene Unrecht nicht ungeschehen machen. Um die Einheit unseres Vaterlandes zu gewinnen, mußten wir im Einigungsvertrag schweren Herzens auf die Rückgängigmachung der Enteignungen der Jahre 1945 bis 1949 verzichten. Das ist uns und — das möchte in an dieser Stelle auch einmal deutlich sagen — mir als dem verantwortlichen Verhandlungsführer außerordentlich schwergefallen. Ich möchte mit Nachdruck sagen, daß Ausgleichsleistungen bald kommen müssen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Viele Menschen wurden an Körper, Geist und Seele gebrochen. Sie sind heute alt, einige sind gestorben. Keine moralische Rehabilitierung und kein Geld vermag hier mehr zu helfen. Als Justizminister verspreche ich den Opfern an dieser Stelle, alles in meiner Macht Stehende zu tun — wie es bereits der Ausschuß Deutsche Einheit anläßlich der Beratung des Einigungsvertrages gefordert hat — , um hier zu helfen. Mit der Arbeit an einem Rehabilitierungsgesetz haben wir im Justizministerium bereits begonnen.
    Aber ich bitte die betroffenen Opfer zugleich ganz herzlich — ohne hier irgend etwas verdrängen zu wollen — , uns Vertrauen zu schenken und sich nicht in Bitterkeit zu verhärten. Wir müssen dieses Mal unsere Vergangenheit rechtzeitig bewältigen. Wir müssen unseren inneren Frieden finden und die Kraft zur Aussöhnung aufbringen. Die Kräfte für die Zukunft werden sonst nicht frei, und wir schleppen die Lasten der Vergangenheit sonst immer weiter mit uns herum.
    Ich komme zum Schluß: Von ganz entscheidender Bedeutung sind die offenen Vermögensfragen. Über eine Million Anträge liegen bei den 213 Landratsämtern und den 34 kreisfreien Städten. Wir müssen mit Personal, Technik, Soft- und Hardware versuchen, das möglichst rasch in den Griff zu bekommen, ebenso die gigantischen Probleme der Treuhandanstalt.
    Deshalb erarbeiten wir zur Zeit mit großem Nachdruck das Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen. Dieses Gesetz wird bereits am 6. Februar im Bundeskabinett beraten und diesem Hohen Hause in Kürze vorliegen.
    Der demokratische Rechtsstaat ist keine Parteiensache. Um ihn erfolgreich aufzubauen, müssen wir alle gemeinsam zusammenwirken. Ich möchte Sie deshalb heute auch in meiner neuen Funktion nachdrücklich bitten, mit mir diese großen Aufgaben in Angriff zu nehmen. Ich brauche Sie alle. Ich brauche zur Mitwirkung und zur Bewältigung dessen, was vor uns liegt, gerade im rechtsstaatlichen Bereich vor allem den Deutschen Bundestag.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)