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ID1200700200

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    Plenarprotokoll 12/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Freitag, den 1. Februar 1991 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Aussprache zur Erklärung der Bundesregierung Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . . 227A Dr. Penner SPD 231D Dr. Kinkel, Bundesminister BMJ 234 D Dr. Laufs CDU/CSU 236D Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE . . 237 B Gerster (Mainz) CDU/CSU . . . . 238D, 246D Dr. Heuer PDS/Linke Liste 239B Frau Köppe Bündnis 90/GRÜNE 240A Thierse SPD 242B, 245D Dr. Laufs CDU/CSU 241 C Dr. Geißler CDU/CSU 245B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE 246B Graf von Schönburg-Glauchau CDU/CSU 246 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 247A Dr. Knaape SPD 248A Dr. Brecht SPD 250A Frau Matthäus-Maier SPD 250 B Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 251A Dr. Graf Lambsdorff FDP 254A Scharrenbroich CDU/CSU 255A Geis CDU/CSU 255 D Frau Dr. Götte SPD 256D Frau Jelpke PDS/Linke Liste 257 C Kleinert (Hannover) FDP 259A Dr. Riege PDS/Linke Liste 260 D Bohl CDU/CSU 261D Müller (Pleisweiler) SPD (nach § 28 Abs. 2 GO) 263 D Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 264 C Gansel SPD (Erklärung nach § 31 GO) . 264D Möllemann FDP (Erklärung nach § 31 GO) 265B Dr. Graf Lambsdorff FDP (Erklärung nach § 31 GO) 265 C Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der Bundesanstalt für Arbeit (Drucksache 12/56) Dr. Blüm, Bundesminister BMA 266A Büttner (Ingolstadt) SPD 268A Heyenn SPD 268 B Schreiner SPD 268D, 277 A Dr. Blüm CDU/CSU 269A, 2798 Gibtner CDU/CSU 269 C Frau Dr. Babel FDP 271 D Frau von Renesse SPD 273 C Frau Bläss PDS/Linke Liste 274 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 275 A Fuchtel CDU/CSU 275 A Frau Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . . 277 B Andres SPD 277 D II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Freitag, den 1. Februar 1991 Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksache 12/57) Jagoda CDU/CSU 280 D Dr. Knaape SPD 282 C Dr. Thomae FDP 283 D Frau Dr. Fischer PDS/Linke Liste . . . 284 A Peter (Kassel) SPD 284 D Frau Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . . 286B Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMG . 287 A Büttner (Ingolstadt) SPD 287 C Nächste Sitzung 288 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 289* A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 289 * D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Freitag, den 1. Februar 1991 227 7. Sitzung Bonn, den 1. Februar 1991 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Antretter SPD 01.02.91 * Bindig SPD 01.02.91 * Frau Blunck SPD 01.02.91 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 01.02.91 * Brandt SPD 01.02.91 Frau Brudlewsky CDU/CSU 01.02.91 Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 01.02.91 * Buwitt CDU/CSU 01.02.91 Erler SPD 01.02.91 Eylmann CDU/CSU 01.02.91 Frau Eymer CDU/CSU 01.02.91 Dr. Feldmann FDP 01.02.91 * Frau Fischer (Unna) CDU/CSU 01.02.91 * Francke (Hamburg) CDU/CSU 01.02.91 Gattermann FDP 01.02.91 Frau Geiger CDU/CSU 01.02.91 Dr. Geisler (Radeberg) CDU/CSU 01.02.91 Gerster (Worms) SPD 01.02.91 Dr. Gysi PDS 01.02.91 Dr. Haussmann FDP 01.02.91 Hollerith CDU/CSU 01.02.91 Dr. Holtz SPD 01.02.91 Jung (Düsseldorf) SPD 01.02.91 Jung (Limburg) CDU/CSU 01.02.91 Kittelmann CDU/CSU 01.02.91 * Klinkert CDU/CSU 01.02.91 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 01.02.91 Kuhlwein SPD 01.02.91 Lenzer CDU/CSU 01.02.91 * Louven CDU/CSU 01.02.91 Lowack CDU/CSU 01.02.91 de Maizière CDU/CSU 01.02.91 Marten CDU/CSU 01.02.91 Matschie SPD 01.02.91 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 01.02.91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Müller CDU/CSU 01.02.91 * Müller (Wesseling) CDU/CSU 01.02.91 Dr. Neuling CDU/CSU 01.02.91 Frau Odendahl SPD 01.02.91 Pfeifer CDU/CSU 01.02.91 Pfuhl SPD 01.02.91 Reddemann CDU/CSU 01.02.91 * Repnik CDU/CSU 01.02.91 Reuschenbach SPD 01.02.91 Frau Roitzsch CDU/CSU 01.02.91 (Quickborn) Frau Schaich-Walch SPD 01.02.91 Dr. Scheer SPD 01.02.91 * Schmidbauer CDU/CSU 01.02.91 von Schmude CDU/CSU 01.02.91 * Dr. Schuster SPD 01.02.91 Frau Simm SPD 01.02.91 Dr. Soell SPD 01.02.91 * Dr. Sperling SPD 01.02.91 Spilker CDU/CSU 01.02.91 Steiner SPD 01.02.91 * Stiegler SPD 01.02.91 Dr. Vogel SPD 01.02.91 Dr. Warnke CDU/CSU 01.02.91 Dr. Warrikoff CDU/CSU 01.02.91 Weißgerber SPD 01.02.91 Frau Wieczorek-Zeul SPD 01.02.91 Wissmann CDU/CSU 01.02.91 Frau Wollenberger Bündnis 01.02.91 90/GRÜNE Wonneberger CDU/CSU 01.02.91 Zierer CDU/CSU 01.02.91 * Anlage 2 Amtliche Mitteilung Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 22. Januar 1991 mitgeteilt, daß sie ihren Antrag Für eine friedliche Lösung des Golfkonflikts - Drucksache 12/10 - zurückzieht.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Krieg am Golf, die Entwicklung in der Sowjetunion und in Osteuropa, die Vollendung der deutschen Einheit und die europäische Einigung sind die Schwerpunkte der Aussprache zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers, und sie werden auch die innenpolitischen Arbeiten und Debatten der nächsten Monate und Jahre prägen. Deswegen möchte ich dazu einige Bemerkungen machen.
    Wir können leider nicht ausschließen, daß die Auswirkungen des Krieges am Golf nicht auf die Golfregion beschränkt bleiben. Saddam Husseins Aufruf zur weltweiten Begehung terroristischer Gewalttaten, insbesondere gegen Personen und Einrichtungen der unmittelbar in den Konflikt verwickelten Staaten, hat bei mehreren den Sicherheitsbehörden bekannten nahöstlichen terroristischen Gruppierungen Gehör gefunden. Wir nehmen diese Drohungen ernst.
    Die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern haben sich seit Wochen auf diese Situation vorbereitet. Seit dem Ausbruch des Krieges sind auf allen Ebenen die Sicherheitsmaßnahmen zusätzlich verstärkt worden. In enger Abstimmung insbesondere mit amerikanischen und britischen Stellen werden die Einrichtungen der betroffenen Staaten in besonderem Maße bewacht, und auch an den Außengrenzen der Bundesrepublik Deutschland wird intensiver kontrolliert.
    Vor allem für den Bereich des zivilen Luftverkehrs wurden vielfältige zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, die natürlich auch Beeinträchtigungen für die Bürger, die Reisenden, bedeuten, insbesondere zeitliche Verzögerungen. Aber ich denke, daß unsere Bürgerinnen und Bürger Verständnis für diese Maßnahmen haben. Ich appelliere schon heute an sie,
    nicht nur für einige Wochen das notwendige Verständnis und auch die notwendige Aufmerksamkeit zu haben, sondern sich darauf einzurichten, daß diese Sicherheitsmaßnahmen für einen längeren Zeitraum notwendig sind. Wir werden die Aufmerksamkeit unserer Bürgerinnen und Bürger für einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen müssen.
    Es wird vor terroristischen Bedrohungen niemals eine absolute Sicherheit geben. Aber das Menschenmögliche wird von den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder getan. Darauf können unsere Mitbürger vertrauen. Ich denke, wir sollten uns vor allen Dingen darüber klar sein, daß wir den Terroristen dadurch keine Erfolgschance geben, daß wir dem Druck, der Einschüchterung, der Verbreitung von Angst und Panik nicht nachgeben.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Im übrigen zeigt sich angesichts der vielfältigen Herausforderungen der Sicherheitslage in diesen Tagen und Wochen, wie gut und notwendig es ist, daß wir im Sicherheitsverbund von Bund und Ländern den Bundesgrenzschutz als eine vor allem verbandsmäßig organisierte Polizei des Bundes haben, auf die wir auch in Zukunft nicht verzichten können und nicht verzichten wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Der Wegfall der Grenzschutzaufgaben an der ehemaligen innerdeutschen Grenze — eine der erfreulichsten Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte — sowie die Verringerung der Grenzschutzaufgaben an den Grenzen zu Ost- und Südosteuropa — dem ehemaligen Eisernen Vorhang, der es heute zum Glück nicht mehr ist — dürfen nicht zu der Annahme verleiten, wir bräuchten den Bundesgrenzschutz nicht mehr. Er hat in diesem Sicherheitsverbund vielfältige Aufgaben.
    Gerade in diesen Wochen machen die Polizeien des Bundes und der Länder erneut die Erfahrung, daß wir beinahe schon an der Grenze der Belastbarkeit angelangt sind. Wir können und werden auf den Bundesgrenzschutz nicht verzichten. Wir wollen ihm im Interesse der inneren Sicherheit weitere Aufgaben in der Kompetenzordnung des Grundgesetzes zuweisen. Wir wollen die bundespolizeilichen Aufgaben nach



    Bundesminister Dr. Schäuble
    dem Grundgesetz möglichst auf den Bundesgrenzschutz konzentrieren.
    Beim Aufbau einer neuen Grenzschutzorganisation in den fünf neuen Ländern haben wir die Aufgaben der Bahnpolizei und die Aufgaben zum Schutz des Luftverkehrs bereits auf den Grenzschutz übertragen. In den nächsten Wochen und Monaten wollen wir dafür rasch die gesetzlichen Grundlagen schaffen. Die Bundesregierung wird die entsprechenden Gesetzentwürfe vorlegen, damit wir auch in den elf alten Bundesländern bundespolizeiliche Aufgaben — Bahnpolizei und Schutz des Luftverkehrs - auf den Bundesgrenzschutz übertragen können. Ich bitte das Hohe Haus schon heute um eine zügige Beratung dieser Gesetzentwürfe und um Zustimmung zu ihnen, damit wir diese Aufgaben auf den Bundesgrenzschutz konzentrieren können.
    Diese veränderten Rahmenbedingungen für den Bundesgrenzschutz werden zur Folge haben, daß wir in der Organisation und Dislozierung der Verbände wie auch der Dienststellen des Bundesgrenzschutzes zu einer grundsätzlichen Überprüfung kommen werden. Ich glaube, daß wir hei der anstehenden Neuorganisation alle einzeldienstlichen und verbandspolizeilichen Aufgaben des Bundesgrenzschutzes auf regionaler Ebene jeweils unter einem behördlichen Dach zusammenfassen sollten. Auch dies wird gewisse Umschichtungen unvermeidlich machen. Es wird auch die Frage nach den künftigen Standorten der Verbände und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zu stellen sein. Eine Arbeitsgruppe bereitet derzeit entsprechende Vorschläge vor, die ich dem Hohen Haus so rasch wie möglich vorlegen möchte. Ich bin der Meinung, daß die Zusammenführung von einzeldienstlichen und verbandlichen Komponenten bei der neuen Aufgabenstellung des Bundesgrenzschutzes eine effizientere Form der Organisation sein kann und sein wird. Deshalb möchte ich diese grundsätzliche Neuorganisation in die Wege leiten.
    Wir müssen in den fünf neuen Bundesländern nicht nur den Bundesgrenzschutz aufbauen, sondern eine der zentralen Aufgaben der Innenpolitik in diesen Jahren ist auch der Aufbau einer leistungsfähigen Verwaltung in den fünf neuen Ländern, in den Städten, Gemeinden und Landkreisen. Bund und Länder haben vielfältige Hilfe geleistet. Aber wir wissen, daß zu den Engpässen bei der raschen Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im vereinten Deutschland die noch nicht ausreichende Leistungsfähigkeit der Verwaltung in den fünf neuen Ländern gehört und daß uns noch große Anstrengungen bevorstehen. Wir müssen in den fünf Ländern für die Städte, Gemeinden und Landkreise das notwendige Personal zur Verfügung stellen.
    Ich möchte bei dieser Gelegenheit doch darauf hinweisen, daß der Bund im Bereich der Bundesverwaltung bereits im vergangenen Jahr für etwa 15 000 Beschäftigte in den fünf neuen Ländern Aus- und Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt hat. Dies zeigt, welch große Anstrengungen in der kurzen Zeit unternommen worden sind, die fortgesetzt werden müssen.
    Bund, Länder und Kommunen haben Personal für
    die fünf neuen Länder zur Verfügung gestellt. Der
    Bund hat Personalkostenzuschüsse für die Abordnung von Mitarbeitern aus den Kommunalverwaltungen in den alten Bundesländern gewährt. Ich würde mir allerdings wünschen, daß die für solche Personalkostenzuschüsse zur Verfügung gestellten Mittel in einem höheren Maße in Anspruch genommen würden, als es bisher der Fall ist.
    Mit dem Dank an alle, die sich bisher für die Arbeit in den fünf neuen Ländern zur Verfügung gestellt haben, möchte ich den Appell verbinden, daß diese Möglichkeiten noch mehr genutzt werden. Wir müssen jetzt wirklich sehr schnell und unbürokratisch das Menschenmögliche tun, um leistungsfähige Verwaltungen in den fünf neuen Ländern aufzubauen.

    (Beifall hei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und beim Bündnis 90/GRÜNE)

    Wir haben im Herbst vergangenen Jahres eine Clearing-Stelle zwischen Bund und Ländern unter Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände geschaffen, um diese Verwaltungshilfe zu organisieren. Wir führen nahezu regelmäßig Konferenzen in allen fünf neuen Ländern durch, zu denen wir die Bürgermeister und Landräte aller Landkreise und großen Kreisstädte einladen. In der kommenden Woche wird wieder ein solches Treffen stattfinden.
    Ich möchte vor allem auch die zusätzlichen Mitarbeiter und die zusätzliche Verwaltungskraft, die dem Bundesinnenminister durch die Auflösung des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen zuwächst, dazu nutzen, ganz unbürokratisch Beratungsstäbe aufzubauen, die in den fünf neuen Ländern, in den 200 Landkreisen. Städten und Gemeinden regelmäßig zur Verfügung stehen. So wollen wir ohne allzu kleinliche Rücksicht auf Zuständigkeiten unsere Beratung und unsere Hilfe in allen Ländern anbieten. damit nicht die Klagen, die aus allen Ländern und Landkreisen zu hören sind, weiterhin ihre Berechtigung haben, sondern so rasch wie möglich Abhilfe geschaffen wird und damit wir die notwendigen Transmissionsriemen haben, um hierbei zu schneller Hilfe zu kommen.
    Ein großes Problem ist natürlich die Herstellung einheitlicher Bezahlungsverhältnisse zwischen den elf alten und den fünf neuen Ländern. Da wir am Beginn einer schwierigen, komplizierten Tarifrunde für den öffentlichen Dienst in allen 16 Ländern stehen, möchte ich die Gelegenheit nutzen, an alle Beteiligten, an che Arbeitgeber wie an die Gewerkschaften, zu appellieren, in den Tarifverhandlungen das Ziel der Herstellung einheitlicher Bezahlungsverhältnisse in kurzer Zeit nicht aus den Augen zu verlieren, aber zugleich in diesen Tarifverhandlungen das notwendige Augenmaß auch für die elf alten Bundesländer zu zeigen, weil wir ohne dieses Augenmaß dieses Ziel in kurzer Zeit nicht erreichen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Mir liegt daran, bei dieser Gelegenheit erneut darout hinzuweisen, daß gerade der Prozeß der Vereinigung unseres deutschen Vaterlandes im vergangenen Jahr viele Kritiker der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes widerlegt hat. Ich denke, unser öffentlicher Dient in alien seinen Teilen hat gerade im ver-



    Bundesminister Dr. Schäuble
    gangenen Jahr seine ungewöhnliche Leistungsfähigkeit unter besonderen Herausforderungen und auch seine Flexibilität bewiesen. Dafür möchte ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meinen Respekt und meinen Dank sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und SPD)

    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zur Gewinnung der Zukunft im vereinten Deutschland und zur raschen Lösung der Probleme wird uns in den kommenden Monaten und Jahren auch noch ein Stück weit die Vergangenheit im Bereich der Innenpolitik beschäftigen. Wir haben im Zuge der Ratifizierungsdebatte zum Einigungsvertrag im vergangenen Jahr in diesem Hohen Hause verabredet, daß wir alsbald in der neuen Legislaturperiode eine gesetzliche Grundlage für die Behandlung der Stasi-Akten miteinander schaffen wollen. Ich möchte die notwendigen Gespräche mit den Fraktionen des Hauses unverzüglich aufnehmen. Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung angekündigt, daß wir die notwendigen Formulierungshilfen seitens der Bundesregierung erarbeiten. Sie werden in wenigen Wochen zur Verfügung stehen. Ich hoffe, daß wir im Innenausschuß bald miteinander darüber reden, und hoffe auch, daß wir uns in diesen Fragen der besonderen Schwierigkeiten und der besonderen Verantwortung bewußt sind. Es handelt sich ja ein Stück weit um die Quadratur des Kreises: Wir müssen uns auf der einen Seite davor hüten, alle Kraft nur auf die Bewältigung der Vergangenheit zu konzentrieren; aber wir müssen auf der anderen Seite Grundlagen schaffen, um Gegenwart und Zukunft meistern zu können.
    Zu dem Bedrückendsten, was uns der Machtkomplex in der früheren DDR, der Machtkomplex der SED-Führung und der Staatsapparat, hinterlassen hat, gehören diese unsäglichen Aktenbestände mit Dossiers über 4 Millionen Bürger der früheren DDR und 2 Millionen Bundesbürger. Welch entsetzliches Unheil und welche fast unauflösbare Vermischung zwischen Tätern und Opfern sich aus diesen Akten ergibt, zeigt sich daran, daß jetzt die Täter zu Belastungszeugen gegenüber den Opfern zu werden drohen. Das haben wir in den vergangenen Wochen schon gesehen. Wir sollten uns vor Selbstgerechtigkeit hüten, aber wir sollten auch alles tun, um Nutzung, Aufbewahrung und Sicherung der personenbezogenen Daten und Unterlagen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit so umfassend zu regeln, daß die gemeinsame Zukunft im vereinten Deutschland durch diese Akten keinen Schaden leiden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

    Wir wollen die Akten der SED und der Massenorganisationen der früheren DDR in das Bundesarchiv überführen. Wir denken, daß bei der Struktur der früheren DDR die Akten dieser Organisationen mindestens so sehr staatlichen Akten sind, die der Aktenverwaltung durch das Bundesarchiv zuzuführen sind, wie die staatlichen Akten als solche, also die Akten der Regierungsstellen. Denn in Wahrheit waren die Dienststellen der SED die eigentlichen Machthaber, also mehr als die Regierungsstellen. Ich erinnere mich
    noch daran, daß im Briefkopf einer damals bedeutenden Persönlichkeit zunächst der Titel „Generalsekretär der SED" und erst danach, also an zweiter Stelle, „Vorsitzender des Staatsrats der DDR" stand. Deshalb müssen diese Akten in das Bundesarchiv übergeführt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Was das Vermögen der SED und der anderen Parteien sowie Massenorganisationen anbetrifft, so hat bereits die Regierung der DDR nach dem 18. März eine unabhängige Kommission eingerichtet, die einen Bericht über diese Vermögenswerte erstellen soll. Wir haben im Einigungsvertrag die Voraussetzungen dafür bestätigt und übernommen, daß diese Vermögen, soweit sie unrechtmäßig zustande gekommen sind, in öffentliches Eigentum, verwaltet durch die Treuhandanstalt, übergeführt werden. Es wird sorgfältig zu ermitteln sein — daran wird gearbeitet —, daß nur das Vermögen, das die Parteien und Massenorganisationen nach materiell rechtsstaatlichen Grundsätzen erworben haben, diesen Organisationen zur Verfügung gestellt werden kann. Das andere wird über die Treuhandanstalt zur Beseitigung der Schäden verwendet werden, die der Sozialismus in diesem Teil Deutschlands in 40 Jahren angerichtet hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Wir werden — auch das gehört in den Bereich der Innenpolitik — nicht nur in Deutschland keine Grenzen mehr haben, sondern sind dabei, zumindest in dem Teil Europas, der in der Europäischen Gemeinschaft zusammengefaßt ist, ab Ende 1992 ein Europa ohne Grenzen zu sein. Manche besorgen, daß aus dem Wegfall der Grenzkontrollen ein Verlust an Sicherheit entstehen könnte. Ich habe diese Sorgen nicht; ich teile sie nicht.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Meine Überzeugung ist, daß die großen Bedrohungen für die innere Sicherheit, die organisierte Kriminalität, der internationale Terrorismus und der Drogenhandel, schon heute ohne Behinderung durch die bestehenden Grenzen und Grenzkontrollen arbeiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

    Meine Überzeugung ist, daß der Wegfall der Grenzkontrollen die polizeiliche Zusammenarbeit in Europa ganz zwangsläufig verstärken muß und wird und daß wir auf dem Weg über eine verstärkte polizeiliche Zusammenarbeit auch bei Wegfall der Grenzkontrollen in Europa zu einem Mehr an Sicherheit kommen werden. Aber es ist ganz klar: Wir brauchen diese verstärkte institutionelle Zusammenarbeit in Europa.
    Frau Präsidentin, ich bitte bei dieser Gelegenheit um Nachsicht dafür, daß ich der Debatte nicht bis zum Schluß folgen kann, weil ich heute noch im Verlauf des weiteren Vormittags mit meinem neuen französischen Kollegen zusammentreffen möchte. Ich bitte dafür schon jetzt um Verständnis und Nachsicht.
    Nicht nur in Westeuropa werden die Grenzen wegfallen. Wie ich schon gesagt habe: Auch der Eiserne



    Bundesminister Dr. Schäuble
    Vorhang ist entfallen. Damit sind die Grenzen zwischen Ost und West nicht mehr trennend. Sie halten uns nicht mehr auf. Auch diese erfreuliche Entwicklung hat Kehrseiten für die Innenpolitik, beispielsweise die, daß im vergangenen Jahr 1990 193 000 Menschen als Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland Zuflucht gesucht haben. Das ist die höchste Zahl, die wir in der Bundesrepublik Deutschland jemals seit dem Zweiten Weltkrieg hatten.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bin dafür, daß wir uns vor jeder Illusion schützen. In einem Europa, in dem die Unterschiede zwischen Arm und Reich, in dem das Gefälle in wirtschaftlicher, sozialer und auch noch in politischer Hinsicht so groß ist, wie es noch heute zwischen Ost- und Westeuropa ist, in einer Welt, in der die Spannungen zwischen Süd und Nord so groß sind, wie sie heute sind, und eher größer werden, als sie heute sind, werden die Flüchtlingsströme und die Wanderungsbewegungen eher zu- als abnehmen. In einer Welt, in der wir offene Grenzen in Europa wollen, müssen wir damit rechnen, daß sehr viele Menschen weiterhin im prosperierenden Teil Europas und speziell in Deutschland Zuflucht suchen werden. Das ist eine der großen europäischen Herausforderungen an die Innenpolitik.
    Ich bin ganz sicher, daß wir diese Aufgaben national und allein nicht bewältigen können, sondern daß die Wanderungsströme, die Ströme von Asylbewerbern nur in einer europäischen Dimension bewältigt werden können. Deswegen hat die Koalition verabredet, daß wir eine europäische Lösung, eine Harmonisierung des Asylrechts in Europa auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention anstreben. Ein Europa der offenen Grenzen ist ohne eine Harmonisierung des Asylrechts, der Asylpraxis und der Asylpolitik auf europäischer Ebene überhaupt nicht denkbar. Das heißt, daß wir bis 1992 die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen schaffen müssen und schaffen werden.
    Die Genfer Flüchtlingskonvention ist die materielle Grundlage für eine Harmonisierung des europäischen Asylrechts. Ob sich daraus verfassungsrechtliche Konsequenzen für die Bundesrepublik Deutschland ergeben oder nicht, darüber sind die Meinungen der Verfassungsrechtler geteilt. Ich denke, wir sollten den verbleibenden Zeitraum nutzen, um darüber Klarheit zu schaffen. Aber Einigkeit besteht darüber, daß kein europäisches Land für sich alleine mit diesen Herausforderungen fertig werden kann. Deswegen glaube ich, daß der Weg zu einer Europäisierung der ist, den wir in den kommenden Jahren mit Entschiedenheit gehen müssen.
    Ich begrüße sehr, daß die Flüchtlingskonzeption der Bundesregierung in Europa zunehmend Unterstützung findet. In der vergangenen Woche gab es in Wien eine große Konferenz des Europarates über die Wanderungs- und Flüchtlingsbewegungen in Europa. Dabei hat sich gezeigt, daß der Grundgedanke unserer Flüchtlingspolitik zunehmend Unterstützung gewinnt, daß nämlich noch so effiziente Kontrollen an den Grenzen das Problem nicht lösen, sondern daß letztlich das Entscheidende die Beseitigung der Ursachen, die Bekämpfung der Ursachen der Flüchtlingsströme in den Herkunftsländern ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und beim Bündnis 90/GRÜNE — Dr. Penner [SPD]: Das ist wohl wahr!)

    Wir werden diesen Weg konsequent weiterverfolgen. Wir haben die Möglichkeiten der Beschleunigung von Asylverfahren mit der Gesetzgebung der vergangenen Legislaturperiode im wesentlichen ausgeschöpft. Wir haben auch erreicht, daß die Verfahren für einen großen Teil der Asylbewerber inzwischen nur noch wenige Tage bis einige Wochen dauern. Aber das Problem ist alleine damit nicht zu lösen. Wir werden mit diesem Problem weiter zu leben haben, und wir werden darauf zu achten haben, daß die Bundesrepublik Deutschland ein ausländerfreundliches Land in der Mitte Europas bleibt. Das ist ein Ziel, dem wir mit dem neuen Ausländerrecht, das zum 1. Januar in Kraft getreten ist, ein ganzes Stück weit entgegengekommen sind.
    Zu dem Ziel, ausländerfreundlich zu bleiben, gehört auch — darüber haben wir oft gesprochen, meine Damen und Herren — , daß man die Menschen weder tatsächlich noch in ihren Erwartungen und Ängsten überfordern darf. Deswegen appelliere ich an uns alle, daß wir den Stimmungsschwankungen nicht nachgeben, daß wir den Menschen aber auch nicht das Gefühl verweigern, daß dieser Rechtsstaat ein handlungsfähiger bleibt und daß er entschlossen bleibt, das Mögliche zu tun, um Bedrohungen, die die Bürger empfinden, rechtzeitig zu bekämpfen. Wir dürfen die Bürger in ihren Gefühlen nicht schutzlos lassen. Wir dürfen allerdings auch nicht den Schwankungen der jeweiligen Stimmungslage opportunistisch nachgeben. Der Staat muß beide Aspekte berücksichtigen und darf die Bürger nicht überfordern. Das gilt nicht nur für Asylbewerber; das galt, wenn ich daran erinnern darf, vor einem Jahr für Übersiedler aus der damaligen DDR, und das galt gestern und gilt heute wie morgen auch für die Deutschen und Deutschstämmigen aus den Aussiedlungsgebieten in Osteuropa und in der Sowjetunion.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Koalition hat sich dafür entschieden, Art. 116 des Grundgesetzes nicht zu ändern.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Ich denke, daß das der richtige Weg ist und daß die Erfahrungen mit den Übersiedlern aus der damaligen DDR im vergangenen Jahr jedem von uns auch zeigen, daß es richtig ist, das Tor nicht zuzuschlagen, sondern offenzulassen und zugleich dafür zu arbeiten, daß die Ursachen der Wanderungsbewegungen auch für Deutsche beseitigt werden. Wir haben damit gegenüber den Deutschen, die in Polen leben, im vergangenen Jahr durchaus erste Erfolge gehabt. Auch der Strom von Aussiedlern aus Rumänien hat sich in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres verringert.
    Wir wollen entschieden, mit aller Kraft und allen zur Verfügung stehenden Mitteln auf diesem Weg weiterarbeiten: das Tor für alle Deutschen, für die wir eine



    Bundesminister Dr. Schäuble
    besondere Verantwortung haben, offenlassen, aber zugleich mit den Heimatstaaten, mit Polen, mit Rumänien, mit der Sowjetunion, dafür arbeiten, daß die Deutschen in der Heimat, in der ihre Väter und Vorfahren seit Generationen leben, eine Zukunft haben, weil etwa die Sowjetunion ärmer wäre, wenn die Rußlanddeutschen in der Sowjetunion eine Heimat nicht mehr haben könnten, und weil eine gute Hilfe für die Sowjetunion in ihren Schwierigkeiten dazu beitragen könnte, daß die Rußlanddeutschen auch in Zukunft in ihrer angestammten Heimat leben können. Wir vermeiden aber Torschlußpanik nur, wenn klar ist, daß diese größer, stärker und verantwortungsvoller gewordene Bundesrepublik Deutschland auch in Zukunft Deutschen ihr Recht auf Heimat nicht verweigert und sich ihrer Solidarität hier wie auch in der Heimat drüben nicht entzieht.
    Wenn wir diesen Weg gehen, haben wir eine bessere Chance, mit den Sorgen fertig zu werden, die viele sowohl im Vertriebenenbereich als auch bei den Aussiedlern haben. Ich sage noch einmal: Die Erfahrungen des vergangenen Jahres sollten uns ermutigen, diesen auch nicht immer populären Weg entschieden und mutig weiterzugehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn ich davon gesprochen habe, daß wir nicht bereit sind, Art. 116 unseres Grundgesetzes zu ändern, so gehört in diesen Zusammenhang auch ein Wort dazu, daß wir die Kriegsfolgengesetzgebung zum Abschluß bringen müssen und daß wir insbesondere im Zusammenhang mit den Entschädigungsfragen, die sich uns in bezug auf die fünf neuen Länder auch nach dem Einigungsvertrag stellen, zu einer Abschlußgesetzgebung für den Lastenausgleich kommen müssen und kommen werden. Wir werden die entsprechenden Vorschläge in absehbarer Zeit erarbeiten. Im übrigen müssen wir unsere Anstrengungen zu einer Hilfe für die Deutschen in ihrer angestammten Heimat verstärken.
    Ich möchte daher auch angesichts der Aufgaben, die dem Innenministerium durch die Auflösung des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen zugewachsen sind, im Innenministerium eine eigene Abteilung einrichten, die sich mit den Problemen der Vertriebenen und mit den Problemen und der Hilfe für die Menschen in den Aussiedlungsgebieten beschäftigt, damit wir unsere Arbeit verstärken und konzentrieren können.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich würde bei dieser Gelegenheit gerne all denjenigen meinen Dank und meinen Respekt sagen, die als Vertriebene hier in der Bundesrepublik Deutschland oder als Deutsche in den ehemaligen deutschen Gebieten seit 40 Jahren einen Beitrag zum Frieden in Europa leisten und die wir brauchen, wenn wir eine dauerhafte Friedensordnung in einem Europa ohne trennende Grenzen für die Zukunft gewährleisten wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Das friedliche Zusammenleben der Bürger in einem freiheitlichen Rechtsstaat zu sichern, das ist ja die Aufgabe der Innenpolitik. Diese Aufgabe ist in einer Zeit
    schneller, dramatischer Veränderungen und großer sozialer und wirtschaftlicher Spannungen nicht leichter geworden. Eine solche Zeit schneller Veränderungen und großer Spannungen vermag die Ängste der Bürger zu schüren, und Ängste sind immer ein schlechter Ratgeber, auch für die innere Sicherheit und das friedliche Zusammenleben. Deswegen appelliere ich an uns alle, daß wir uns unserer Verantwortung bewußt bleiben, solche Ängste nicht zu schüren — nicht dadurch, daß wir opportunistisch Stimmungen nachgeben, aber auch nicht dadurch, daß wir den Menschen das Gefühl vermitteln, wir würden sie schutzlos lassen, dieser Staat würde seine Verantwortung für den Schutz der Bürger nicht mit aller Entschiedenheit ernst nehmen.
    Aber ich möchte auch darauf hinweisen, daß wir in den vergangenen Jahren bei der Bewältigung dieser Aufgaben erfolgreich gewesen sind. Denn wenn man sich einmal vorstellt, daß allein in meiner kurzen Amtszeit als Innenminister seit dem April 1989 etwa 2 Millionen Menschen in die damalige Bundesrepublik Deutschland, in die elf alten Bundesländer, neu gekommen sind, dann haben wir diese Herausforderungen eigentlich mit geringen inneren Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen bewältigt, wie auch der Prozeß der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes — bei allen Schwierigkeiten, die bleiben und die ich nicht gering, sondern hoch einschätze — doch im Grunde mit geringen inneren Auseinandersetzungen bewältigt worden ist. Ich bin immer dafür, daß man trotz der Sorgen auch daran erinnert, was gut gelungen ist. Wir sollten uns nicht zu klein machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich würde zum Schluß gern ein persönliches Wort sagen. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe in den zurückliegenden Wochen und Monaten bis in diese Tage hinein von vielen Kolleginnen und Kollegen und vom Hohen Hause insgesamt viel Zuspruch erfahren. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich dafür in aller Form zu bedanken. Es hat mir geholfen, und ich möchte meinen Dank dafür in der Zukunft abstatten, indem ich versuche, so gut ich kann, meinen Beitrag zu der demokratischen Auseinandersetzung für unseren freiheitlichen Rechtsstaat zu leisten, im sachlichen Streit, wo immer dies nötig ist, im demokratischen Miteinander, wo dies möglich ist, aber immer in der gemeinsamen Verantwortung für die Sicherheit und das Recht unserer Bundesrepublik Deutschland und für den Frieden und die Freiheit unserer Bürger.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/GRÜNE sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Bundesminister, wir danken Ihnen für Ihren Einsatz; das darf ich im Namen des ganzen Hauses sagen.
Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Penner das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Willfried Penner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Schwerpunkte der Innenpolitik werden, soweit vorhersehbar, bestimmt



    Dr. Penner
    sein von den Konsequenzen des sich vereinigenden Deutschlands, des immer mehr Staatlichkeit annehmenden EG-Europas sowie den Folgen sich auflösender Staats- und Gesellschaftsordnungen in Osteuropa.
    Um mit dem letzteren zu beginnen: Jahrelang erschien die Weltflüchtlingsbewegung für Europa und damit auch für uns Deutsche als ein Geschehen, das weit entfernt, in Asien und Afrika, stattfand und uns Europäer spürbar lediglich in seinen Ausläufern mit steigenden Zahlen von Asylbewerbern wie auch anderen Menschen auf der Flucht erreichte. Das ist seit Jahr und Tag anders. In Rumänien, in Jugoslawien, besonders in der Sowjetunion, offenkundig aber auch immer noch in Polen gärt es. Bittere Not und Angst treibt die Menschen ungeachtet unterschiedlicher Nationalität, unterschiedlicher Herkunft aus ihrem Land, das auch Heimat ist, dorthin, wo sie hoffen, daß es ihnen besser ergehe. Viele entsinnen sich alter Bindungen zum Westen und machen sich auf den Weg. Sie kommen auch zu uns. 400 000 Aussiedler waren es allein im Jahre 1990 gegenüber 40 000 im Jahre 1986, vier Jahre zuvor. Im Vergleich: Knapp 200 000 Asylbewerber haben wir im Jahre 1990 gezählt.
    Kein Zweifel, Europa ist in Bewegung geraten, und wenn nicht alle Zeichen trügen, werden wir, die wir hier leben, Zeugen einer neuen Völkerwanderung in Europa. Wir werden uns nicht darauf verlassen können, daß es bei jenen 2 bis 3 Millionen Rußlanddeutschen oder den 250 000 Rumäniendeutschen oder den polnischen Oberschlesiern bleiben wird. Es interessiert diese Menschen wenig, ob sie als Asylbewerber, Flüchtlinge, De-facto-Flüchtlinge, Aussiedler oder rechtlich anders bei uns eingestuft werden. Sie kommen einfach. Das war in den 80er Jahren nicht anders.
    Ich frage Sie von der CDU/CSU: Glauben Sie wirklich allen Ernstes, daß Sie durch eine bloße Änderung des deutschen Asylrechts auch nur die europäische Flüchtlingsbewegung stoppen könnten, als ob es kein zusammenwachsendes Europa gäbe, das wegen der durchlässigen Grenzen zumindest ein einheitliches Recht in Europa nahelegt, als ob es den KSZE-Prozeß nicht gäbe, dessen langjährige Ablehnung durch die CDU/CSU Bundeskanzler Kohl Ende vergangenen Jahres als Fehler eingeräumt hat? Eben diese Abmachungen über die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die jetzt ja auch Bestandteil der Politik der Union sind, und, darauf aufbauend, die Freundschaftsverträge mit der Sowjetunion und Polen stellen auch zum Osten hin die Signale für Freizügigkeit zwischen den Völkern auf Grün.

    (Beifall bei der SPD)

    Auf Rot stehen unter der Ägide des KSZE-Regimes umgekehrt die Zeichen für eine restriktive Visapolitik.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben den osteuropäischen Nachbarn mehr Öffnung, mehr Hilfe und mehr Gemeinsamkeit versprochen, auch deswegen, weil sie die deutsche Einigung ungeachtet böser geschichtlicher Erfahrungen mit einem großen Deutschland vertrauensvoll begleitet haben.
    Deshalb können und wollen wir uns nicht abschotten.
    Gewiß, es gibt Brüche. Westeuropa erwartet von uns eher, daß wir die EG-Außengrenzen, d. h. unsere Ostgrenze, absichern. Auch darauf bleibt die Union eine Antwort schuldig. Nach unserer Einschätzung diente das mittlerweile jahrelange Gezetere gegen den Artikel 16 wohl denn auch eher als Schlagstock in der innenpolitischen Auseinandersetzung.

    (Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Dr. Ullmann [Bündnis 90/GRÜNE])

    Bis zum heutigen Tage hat die Union keinen förmlichen Antrag auf Änderung des Grundrechts auf Asyl im Deutschen Bundestag eingebracht, geschweige denn zur Abstimmung gestellt.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Aber im Bundesrat durch das Land Baden-Württemberg!)

    — Nein, solche Verengungen bringen uns nicht weiter. Wir brauchen Lösungen und keine Dummschwätzereien.

    (Beifall bei der SPD — Lachen und Beifall bei der CDU/CSU)

    Es geht auch um eine zeitgemäße Anpassung des Aussiedler- und Staatsangehörigkeitsrechts. Wir sind deshalb der Auffassung:
    Erstens. Artikel 116 Grundgesetz ist auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zu begrenzen.
    Zweitens. Der Begriff des Statusdeutschen ist zu streichen.
    Drittens. Damit verbunden müßte ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz mit Übergangsvorschriften und Einbürgerungsrichtlinien geschaffen werden.
    Viertens muß das Bundesvertriebenengesetz so novelliert werden, daß unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nur noch diejenigen Volkszugehörigen den Vertriebenenstatus erwerben können, die bisher keine zumutbare Möglichkeit hatten, in das Bundesgebiet auszusiedeln.

    (Beifall bei der SPD)

    Natürlich — das hat der Bundesminister des Inneren mit Recht hervorgehoben — kommen wir auch nicht um eine Europäisierung des Flüchtlings- und Asylrechts herum. Aber all diese rechtlichen Bemühungen, gleichviel, ob sie das Asylrecht betreffen, ob sie das Flüchtlingsrecht betreffen, ob sie das Aussiedlerrecht betreffen, ob sie anderes Recht betreffen, all diese Bemühungen werden nie und nimmer reichen. Wir müssen mitwirken, daß die Menschen in den Auswanderungsländern Hoffnung schöpfen können und auf der Grundlage dieser Hoffnung dann auch dableiben.
    Wir hoffen, daß dies nun auch endlich die Regierung begreift. Die Worte von Schäuble geben dazu Anlaß.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir laden die Koalitionsparteien und auch andere ein
    mitzumachen. Es geht schließlich um Sorgen, die alle-



    Dr. Penner
    — Bund, Länder und Gemeinden, und zwar unabhängig von parteipolitischer Couleur - drücken.
    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die rein innenpolitischen Fragen dürfen nicht außen vor bleiben. Zunächst macht die Vereinigung beider Teile Deutschlands natürlich eine Verfassungsdiskussion unabweislich. Gewiß, das Bonner Grundgesetz ist ein höchst geglücktes Verfassungswerk. Aber gerade weil das so ist, sollten wir für Ergänzungen und Anpassungen offen sein, die im Zuge der Vereinigung, aber auch nach den Erfahrungen der vergangenen 40 Jahre wichtig werden können. Wir werden uns darüber noch im einzelnen unterhalten müssen.
    Über diesen mehr prinzipiellen Fragen dürfen wir das Naheliegende und Praktische nicht vergessen. Es wird in den fünf neuen Bundesländern nur schwerlich vorwärtsgehen, solange es nicht intakte Verwaltungen gibt. Dafür ist Sachkunde erforderlich; und die kostet um so mehr, je geringer das Angebot ist.
    Eine Qualifizierungsoffensive, die allerdings kurzfristig nicht greifen kann, ist unumgänglich. Ebenso müssen alle öffentlichen Verantwortungsbereiche der Bundesrepublik, nämlich Bund, Länder und Gemeinden, noch mehr als bisher mit Personal bis hin zur Entsendung ganzer Ämter, der sogenannten Organleihe, helfen.
    Doch damit nicht genug. Bei einem rasant ansteigenden Preisniveau in der alten DDR, von dem auch die Mieten nicht verschont bleiben werden, sind Gehälter und Einkommen von gut einem Drittel der Bezüge in der Bundesrepublik kaum verantwortbar, und zwar auch im Interesse einer zügigen Konsolidierung der Lebensverhältnisse in den fünf neuen Bundesländern.
    Dabei denkt der Innenpolitiker natürlich mit ernster Sorge — mit besonders ernster Sorge - an die Lage der Polizei. Wer mit knapp der Hälfte der Bezüge seines westlichen Kollegen auskommen muß, ist nicht so ausgestattet, wie es die häufig schwere Aufgabe, aber auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir stellen fest: Die deutsche Einheit hat auf dem Gebiet der inneren Sicherheit in den fünf neuen Bundesländern zu erheblichen Problemen geführt. Kennzeichnend hierfür sind nicht nur die beinahe bürgerkriegsähnlichen Szenen beim Fußballspiel Sachsen Leipzig - Berlin Ende vergangenen Jahres in Leipzig. Es ist kein Vorwurf, aber fest steht es doch: Beinahe hilflos stehen die Polizeibehörden im Osten neuen Formen der Kriminalität gegenüber. Ich nenne hier nur die Wirtschaftskriminalität. Ich erwähne die Umweltkriminialität, die Eigenturnskriminalität und die wachsende Drogenkriminalität.
    Mit Recht fordert die Gewerkschaft der Polizei ein Sofortprogramm „Innere Sicherheit" für die fünf neuen Ländern. Hauptbestandteil eines solchen Sofortprogramms muß eine intensive Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive für Polizisten sein. Bisher wurden die Polizisten der ehemaligen DDR nach einem sechsmonatigen Grundlehrgang hei der Schutzpolizeibehörde und einem sechsmonatigen Praktikum bei der Verkehrs- und Transportpolizeischule in den
    aktiven Polizeidienst entlassen. Das ist künftig nach unseren Maßstäben nicht mehr verantwortbar.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn in der alten Bundesrepublik dauert die Ausbildung drei Jahre. Für uns heißt das: Die Polizei der fünf neuen Bundesländer muß wenigstens für eine Übergangszeit in die Ausbildungsprogramme der westlichen Bundesländer einbezogen werden.
    Auch die Ausstattung muß verbessert werden. Es geht einfach nicht an, daß die Kriminellen über modernste technische Mittel verfügen, während die Polizei in den fünf neuen Bundesländern mit völlig antiquiertem technischen Gerät arbeiten muß.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Mit dem Rechenschieber fängt man keine Computerkriminellen! Die SPD-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung auf, an den guten Erfahrungen des gemeinsamen Programms von Bund und Ländern für die innere Sicherheit zu Beginn der 70er Jahre anzuknüpfen und zu handeln.
    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir verschweigen nicht, daß auch in der alten Bundesrepublik nicht alles zum besten steht, daß gerade die Personallage bei der Polizei unbefriedigend ist. Immer wieder sind es Haushaltsprobleme, die notwendige Entscheidungen verhindern. Wie dem auch sei: Kernaufgaben der hoheitlichen Tätigkeit — dazu gehört die polizeiliche — dürfen dabei nicht auf der Strecke bleiben.
    Es gibt keinen Grund, beim Thema innere Sicherheit selbstzufrieden zu sein. Seit 1982 werden Jahr für Jahr 4,2 Millionen bis 4,3 Millionen Straftaten verübt. Beim Straßenraub sind sogar massive Steigerungsraten festzustellen.
    Auch die Aufklärungsquote ist unbefriedigend. Seit der Wende 1982 stagniert sie zwischen 45 % und 50 %. Dies wird auch dem selbstgerechten Anspruch der CDU/CSU, gewissermaßen Gralshüter der inneren Sicherheit zu sein, nicht gerecht.
    Die ständig steigende Zahl der Drogentoten ist besorgniserregend. 1 480 Todesopfer haben wir im vergangenen Jahr gezählt. Offenbar ist es immer noch nicht gelungen, den Drogenkonsum gesellschaftlich zu ächten. Das wird ein Thema sein, das uns auch künftig immer wieder begleiten wird. Ich neige dazu: Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Drogenproduzenten und die Drogenhändler mit aller Härte des geltenden und noch zu schaffenden Rechts zu verfolgen und zu bestrafen. Die Drogenkonsumenten hingegen sind nach meiner festen Überzeugung eher ein Fall für den Arzt, nicht aber für Staatsanwaltschaft und Polizei.

    (Beifall bei der SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich muß auch das Datenschutzrecht fortgeschrieben werden. Wir brauchen ein Geheimschutzgesetz für Sicherheitsüberprüfungen, wir brauchen ein Personalaktengesetz und auch neue Gesetze für Statistiken. Leider gibt es auch keine Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzes in der Wirtschaft. Die

    Dr. Penner
    Banken verfügen über eine Unzahl persönlicher Daten, die Versicherungen verfügen über eine Unzahl persönlicher Daten, die Detekteien und Auskunfteien nicht zu vergessen. Diese Daten sind Persönlichkeitsrechte. Mit diesen Daten kann man nicht nach freiem Belieben im rechtsfreien Raum hantieren. Ganz nachdrücklich fordern wir, daß die Arbeitnehmerdaten wiksamer als bisher rechtlich geschützt werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Es gibt ein Sonderproblem — der Minister hat es angesprochen —, das uns noch lange beschäftigen wird. Es ist der Umgang mit den sogenannten Stasi-Akten. Unsere Vorstellungen sind klar:
    Erstens. Die am 12. Dezember 1990 erlassene vorläufige Benutzerordnung muß durch ein Gesetz abgelöst werden.
    Zweitens. An der Institution des Sonderbevollmächtigten ist festzuhalten.
    Drittens. Das heute bestehende Auskunftsrecht ist zu einem Einsichtsrecht zu erweitern.
    Viertens. Die Nutzung für nachrichtendienstliche Zwecke ist strikt auszuschließen.
    Fünftens. Bei der Sicherheitsüberprüfung sind Auskünfte allenfalls der Einstellungsbehörde, nicht aber dem Verfassungsschutz zu erteilen. Akzeptabel ist das Interesse der Dienste für hauptamtliche Mitarbeiter des früheren MfS.
    Sechstens. Dem Sonderbevollmächtigten ist ein Herausgabeanspruch einzuräumen, um die bereits in den Besitz anderer Behörden gelangten Akten des MfS wieder zusammenzuführen. Es kann ja nicht sein, daß die in aller Welt herumvagabundieren.
    Bei den Akten der Blockparteien und der Massenorganisationen der früheren DDR ist differenziertes Vorgehen empfehlenswert. Da die SED und die ihr zuzuordnenden Ablegerparteien Teil des staatlichen Ganzen waren, kann für sie das Parteienprivileg des Grundgesetzes nicht generell gelten.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Soweit Parteiakten Staatsangelegenheiten enthalten, müssen sie wie Staatsakten behandelt werden. Wo sich Nähe zur Stasi-Tätigkeit ergibt, gehören sie zum Aktenbestand der Stasi. Nur insoweit, als es sich um Parteivorgänge nach dem Verständnis des Grundgesetzes oder des Parteiengesetzes handelt, greift das Parteienprivileg.
    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Wort noch zu den Diensten. Da die kommunistische Drohkulisse nicht mehr existiert, entfällt ein wesentlicher Teil der Aufgabenstellung von BfV und BND. Das heißt im Ergebnis Personal- und Aufwandsreduzierung. Wir Innenpolitiker von der SPD lehnen es ab, das Bundesamt für Verfassungsschutz statt dessen mit der Bekämpfung illegalen Waffenexports und internationaler Bandenkriminalität und dabei besonders des Drogenhandels beauftragen zu wollen.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE — Gerster [CDU/CSU]: Da kommt die ganze doppelte Moral zum Ausdruck!)

    Der Verfassungsschutz darf keine polizeilichen oder polizeiähnlichen Tätigkeiten ausüben. Er ist darauf auch gar nicht vorbereitet.
    Noch eines will ich sagen: Wer der Vorfeldbeobachtung das Wort redet, der nimmt in Kauf, die Bundesrepublik Deutschland gewissermaßen zu einer Dependance der Firma Pinkerton zu machen. Das verfassungsrechtlich abgesicherte Trennungsgebot zwischen Verfassungsschutz und Polizei hat sich bewährt.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hirsch [FDP])

    Wenn jemand gefragt ist, dann sind es die Polizei und der Zoll. Beide bringen einschlägige Erfahrungen mit. Wenn sich der BND im Ausland bei der Nachrichtensammlung verstärkt des Waffen- und Drogenthemas annehmen würde, stünde das auf einem anderen Blatt. Hier stellt sich der Kompetenzkonflikt nicht.
    Die Kontrolle der Dienste kann nicht so bleiben wie bisher. Die Aufsplitterung der parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten dient der Sache nicht. Das PKK-Gesetz ist dringend novellierungsbedürftig. Es geht um mehr Konzentration, aber auch um mehr Effizienz der Kontrolle. Als völlig untauglich hat sich die gesetzlich vorgesehene Berichtspflicht der Bundesregierung erwiesen. Der Berichtsrahmen wird durch das Gesetz in das Ermessen der zu kontrollierenden Bundesregierung gestellt. Was die strikte Geheimhaltung der PKK anbetrifft, habe ich bisweilen den Eindruck, daß das meiste bereits offenkundig ist und diese Offenkundigkeit lediglich geheimgehalten werden soll.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Tatsächliche Kontrolle ist gefragt. In diesem Sinne werden wir uns konstruktiv an der Novellierung des PKK-Gesetzes beteiligen, die ja auch die Koalition als notwendig ansieht. Anders ist es nicht zumutbar, sich als Parlamentarier an dem Scheinunternehmen Kontrolle der Dienste zu beteiligen. Darüber kann auch das pompöse Wahlverfahren für die Mitglieder der PKK nicht hinwegtäuschen.

    (Beifall bei der SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie immer ist die Innenpolitik vielfältig und manchmal auch ein steiniges Feld. Gegensätze mit der Koalition werden unvermeidlich sein. Wir wollen uns wie früher um Genauigkeit und Nüchternheit bemühen. Wir — und ich ganz persönlich — freuen uns, daß der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wieder dabei ist. — Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des Bündnisses 90/GRÜNE und der CDU/ CSU)