Rede:
ID1200617800

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 12006

  • date_rangeDatum: 31. Januar 1991

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    Plenarprotokoll 12/6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 95 A Rücknahme eines in der 5. Sitzung erteilten Ordnungsrufs 95 B Tagesordnungspunkt 1: Aussprache zur Erklärung der Bundesregierung Dr. Vogel SPD 95 B Dr. Dregger CDU/CSU 107 B Dr. Schmude SPD 112C Dr. Solms FDP 113 B Conradi SPD 116D Dr. Modrow PDS/Linke Liste 118B Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE . . . 121D Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 124 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . 126B, 168C Frau Matthäus-Maier SPD . . . . 129D, 154B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 133B, C Genscher, Bundesminister AA 136B Gansel SPD 139C, 162C Dr. Graf Lambsdorff FDP 169A, 174B Dr. Biedenkopf, Ministerpräsident des Landes Sachsen 145 B Kühbacher, Minister des Landes Brandenburg 148B, 171C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 150D Dr. Kohl, Bundeskanzler 152 C Dr. Krause (Börgerende) CDU/CSU 154A, 174B Möllemann, Bundesminister BMWi . . . 154 C Dr. Jens SPD 156C Gansel SPD 157B Rühe CDU/CSU 158D Genscher FDP 163A Möllemann FDP 163B, 166D Frau Lederer PDS/Linke Liste 163 C Roth SPD 165C, 169B Dr. Krause, Bundesminister BMV . . . 169B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . 172A, 177A Glos CDU/CSU 174C, 177B Walther SPD 176A, 180D Roth SPD 176D Dr. Briefs PDS/Linke Liste 177 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 178D Nitsch CDU/CSU 181 B Dr. Seifert PDS/Linke Liste 183 C Schäfer (Offenburg) SPD 184B Gibtner CDU/CSU 187B Baum FDP 188D Frau Braband PDS/Linke Liste 190D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 191B Schäfer (Offenburg) SPD 193A Dr. Feige Bündnis 90/GRÜNE 193D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 195C Dreßler SPD 198B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Cronenberg (Arnsberg) FDP 204 B Dreßler SPD 204C, 209A, 220C Dr. Schumann (Kroppenstedt) PDS/Linke Liste 206 C Frau Rönsch, Bundesminister BMFS . . 207 B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . . . 208A, B Frau von Renesse SPD 208B, C Schwarz CDU/CSU 209 D Frau Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . . 210C Frau Dr. Merkel CDU/CSU 212 C Frau Dr. Höll PDS/Linke Liste 213A Frau Bläss PDS/Linke Liste 213A Frau Becker-Inglau SPD 214B Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Bundesminister BMBau 217B Reschke SPD 218B Conradi SPD 219A Scharrenbroich CDU/CSU 219D Dr. Ortleb, Bundesminister BMBW . . . 222D Kuhlwein SPD 223 C Nächste Sitzung 224 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 225* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 95 6. Sitzung Bonn, den 31. Januar 1991 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Antretter SPD 31. 01. 91 * Bindig SPD 31. 01. 91 * Frau Blunck SPD 31. 01. 91 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Brudlewsky CDU/CSU 31. 01. 91 Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 31. 01. 91 * Buwitt CDU/CSU 31.01.91 Erler SPD 31.01.91 Frau Eymer CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Feldmann FDP 31. 01. 91 * Frau Fischer (Unna) CDU/CSU 31. 01. 91 * Francke (Hamburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Gattermann FDP 31.01.91 Dr. Gysi PDS 31. 01. 91 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Holtz SPD 31. 01. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Kittelmann CDU/CSU 31. 01. 91 * Klinkert CDU/CSU 31.01.91 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Matschie SPD 31.01.91 Dr. Müller CDU/CSU 31. 01. 91 * Dr. Neuling CDU/CSU 31. 01. 91 Pfuhl SPD 31.01.91 Reddemann CDU/CSU 31. 01. 91 * Repnik CDU/CSU 31.01.91 Dr. Schäuble CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Scheer SPD 31. 01. 91 * Schmidbauer CDU/CSU 31.01.91 von Schmude CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Simm SPD 31. 01. 91 Dr. Soell SPD 31. 01. 91 * Dr. Sperling SPD 31. 01. 91 Spilker CDU/CSU 31.01.91 Steiner SPD 31. 01. 91 * Frau Wieczorek-Zeul SPD 31. 01. 91 Frau Wollenberger Bündnis 31. 01. 91 90/GRÜNE Wonneberger CDU/CSU 31.01.91 Zierer CDU/CSU 31. 01. 91 *
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich frage nicht zurück. Eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten hieße, den Fragesteller nicht ernst zu nehmen. Das ist falsch.
    Ich muß Ihnen sagen, daß ich nicht weiß, wie viele Kilometer ich mit der Bahn zurückgelegt habe. Ich kann nur soviel sagen: Seit 1986 habe ich die Zahl der mit Pkw pro Jahr zurückgelegten Kilometer von etwa 40 000/45 000 auf 15 000 bis 25 000 reduziert, weil ich in der Tat auf die umweltfreundliche Bahn setze.
    Ich will aber gleich hinzufügen: Das ist kein Problem der jeweiligen individuellen Entscheidung. Es kommt darauf an, denjenigen, die lieber mit der Bahn und dem öffentlichen Personennahverkehr fahren wollen, durch die Politik auch entsprechende Angebote bereitzustellen. Darum geht es! Es geht nicht um ein jeweils subjektives Verhalten oder Fehlverhalten.

    (Beifall bei der SPD)

    Gerade daran fehlt es. Die entscheidende Schwachstelle in der Regierungserklärung ist, daß Sie von einer ökologischen integrierten Verkehrspolitik offenkundig noch nichts verstanden haben.
    Man kriegt allmählich fast Sehnsucht nach dem Verkehrsminister Zimmermann, wenn man heute den Verkehrsminister Krause gehört hat.

    (Dreßler — Lieber Kollege Dreßler, alle Vergleiche sind relativ. Zurück zum Thema, meine Damen und Herren: Sie reden davon, das Schienennetz und andere öffentliche Verkehrsmittel weiter auszubauen. Wo ist Ihre konkrete Antwort? Sie nehmen der Bundesbahn das Geld weg, das Sie der Reichsbahn geben wollen. Das können Sie uns und dem Bürger doch nicht als Politik zur Förderung der Schiene verkaufen! Sie vertagen die notwendige Fusion von Bundesbahn und Reichsbahn und verschaffen damit in den neuen Bundesländern wieder dem Straßenverkehr einen uneinholbaren Vorsprung. (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Mit Ihrer Unterstützung sind wir dabei, in den neuen Bundesländern die gleichen Fehler zu wiederholen, an denen wir heute in den alten laborieren.
    Noch einmal: Gerade in der Verkehrspolitik ist die Nagelprobe, ob Sie begriffen haben — Sie haben es bis zur Stunde nicht begriffen — , daß integriertes vernetztes Denken in integrierte politische Maßnahmen umgemünzt werden muß. Saubere Umweltrhetorik, Herr Töpfer, und ökologisch gescheiterte Politik, das ist leider ein Kennzeichen dieser Regierung.
    Meine Damen und Herren, wo ist denn Ihr Konzept zur Lösung der Verkehrsprobleme? Die geplante Umgestaltung der Kraftfahrzeugsteuer zu einer schadstoffabhängigen Steuer ist im Grunde nichts als Umweltkosmetik. Der Vielfahrer soll weiterhin soviel



    Schäfer (Offenburg)

    zahlen wie der Wenigfahrer. Ob jemand im Jahr 2 000 km oder 200 000 km zurücklegt, hat auf die Höhe der Schadstoffsteuer keinen Einfluß. Deswegen folgen Sie unserem Vorschlag: Streichen Sie die Kraftfahrzeugsteuer, legen Sie sie auf die Mineralölsteuer aufkommensneutral um! Nicht das stehende Auto belastet über die Luftverpestung die Umwelt, sondern das fahrende Auto, und wer überdurchschnittlich viel fährt, soll entsprechend auch mehr zahlen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das wäre übrigens auch eine Maßnahme, die bürokratischen Aufwand vermindert, statt neue bürokratische Maßnahmen mit enormem Aufwand notwendig zu machen.
    Wenn Sie sich im Verkehrsbereich nicht zu einer wirklich radikalen Neuorientierung, zu einer ökologischen Verkehrspolitik durchringen können, wird auch Ihre Politik zur Reduzierung der klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen zum Scheitern verurteilt sein.

    (Baum [FDP]: Wieso denn?) — Ich erkläre es Ihnen gleich.


    (Baum [FDP]: Ich bitte darum!)

    Wir unterstützen Ihr Ziel, diese Emissionen bis zum Jahr 2005 um 25 bis 30 % zu reduzieren. Auch heute ist übrigens nicht klar geworden, wie die von Ihnen geplante CO2-Abgabe konkret aussehen soll: Soll sie nur für Großfeuerungsanlagen gelten oder auch Gebäudeheizungen und Kraftfahrzeuge einbeziehen, wie hoch soll sie sein, wie groß sind die damit erreichbaren Energieeinsparungen?
    Rund die Hälfte der Kohlendioxidemissionen stammt aus der Verbrennung von Mineralölprodukten, vor allem im Automobilverkehr und bei der Raumheizung. Wir bleiben dabei, daß diese Emissionen am besten durch eine aufkommensneutrale Anhebung der Energiesteuern, durch die Einführung einer Ökosteuer reduziert werden können.
    Im übrigen darf eine Luftschadstoffabgabe als Restverschmutzungsabgabe für Großfeuerungsanlagen nicht nur Kohlendioxid, sondern muß auch alle anderen Luftschadstoffe mit einbeziehen. Wenn wir hier übereinstimmen, dann bin ich darüber, wie Sie wissen, Herr Baum, nicht unglücklich, im Gegenteil.
    Wir haben in den Koalitionsvereinbarungen und in der Regierungserklärung vernommen, daß Sie sich nun endlich ein längst überfälliges energiepolitisches Gesamtkonzept vorgenommen haben. Ihre neuerlich bekundete Aufgabe — dies schon in der zweiten Regierungserklärung nacheinander — , das Energiewirtschaftsgesetz zu reformieren, begrüßen wir. Damit es schnell geht und damit das neue Energiewirtschaftsgesetz auch greift, was Umweltschutz und rationelle Energieverwendung angeht, empfehlen wir Ihnen, unseren vorliegenden ausgearbeiteten Entwurf der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes zu übernehmen. Dann können wir gleich gemeinsam in diesem Bundestag schnell einen wirksamen Gesetzgebungsbeitrag für die Umwelt leisten.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, Ihre Absichten, das Atomgesetz zu novellieren, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß Sie nunmehr auf die langfristige Nutzung der Kernenergie setzen wollen. Das hat der Bundeskanzler gestern deutlich gemacht. Bei Ihrer Absicht, in den neuen Bundesländern neue Kernkraftwerke zu genehmigen, werden Sie mit unserem Widerstand und mit dem Widerstand der meisten Menschen in den neuen Bundesländern zu rechnen haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Im übrigen zeigt gerade der Golfkrieg — um nur ein Argument gegen diese Technologie zu nennen —, daß sich zivile und militärische Nutzung der Atomenergie nicht voneinander trennen lassen. Warum denn sonst hätten die Alliierten die Atomreaktoren im Irak bombardiert, wenn nicht die Gefahr des Mißbrauchs zu militärischen Zwecken als unmittelbar gegeben betrachtet worden wäre? Der sicherste Weg, die schmutzigen Geschäfte skurpelloser Verbrecher zu verhindern, ist, daß wir ganz auf diese Technik verzichten, und mit einem Exportverzicht und einem Verbot des Exports dieser Anlagen in Spannungsgebiete unsere Absicht glaubhaft zu unterstreichen beginnen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Meine Damen und Herren, die Regierungserklärungen und die vorausgegangenen Koalitionsverhandlungen — ich habe nur zwei, drei Bereiche ansprechen können; die Reihe ließe sich leider, leider beliebig fortsetzen — haben gezeigt, daß es die Umweltpolitik in den kommenden Jahren in der Wirklichkeit der Politik — nicht in der Rhetorik! — schwerhaben wird. Für uns Sozialdemokraten bleibt die ökologische Erneuerung ein Herzstück sozialdemokratischer Reformpolitik. Wir werden es deshalb an dem notwendigen oppositionellen Druck nicht fehlen lassen, damit Ihrer Umweltrhetorik wenigstens zum Teil Taten folgen.
    Jetzt bedanke ich mich noch für die Aufmerksamkeit bei Ihnen, vor allem bei der rechten Seite des Hauses.

    (Dr. Geißler [CDU/CSU]: Und andere: Das ist die Mitte!)

    Das ist eher ungewohnt.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Baum.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhart Rudolf Baum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer, Sie haben von der ökologischen Erneuerung gesprochen, und ich habe mich wieder daran erinnert, daß Ihr Programm im letzten Jahr von der deutschen Einheit überrollt worden ist. Wissen Sie, was für mich die wichtigste ökologische Erneuerung ist? — Die Um-



    Baum
    weltsanierung in der DDR. Darüber haben Sie überhaupt nicht gesprochen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das ist doch nicht wahr! Davon haben wir gesprochen! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Gut, Sie haben es beiläufig behandelt. — Ich sage Ihnen jetzt: Die schnellsten Erfolge erreichen wir, wenn wir jetzt alle Kräfte zusammennehmen und uns die Umweltsanierung in der DDR

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Frühere DDR!)

    und in den osteuropäischen Ländern vornehmen. Das ist die wichtigste Aufgabe der Umweltpolitik der Bundesregierung.

    (Zurufe von der SPD)

    Sie haben das auch im Wahlkampf völlig verkannt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie haben an den Kosten der deutschen Einheit herumgemäkelt, anstatt die Chancen zu sehen.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Dazu mache ich eine Kurzintervention!)

    Die Chancen liegen auf diesem Gebiet, und sie müssen genutzt werden. Ich sage für meine Fraktion: Das wird eine der Hauptaufgaben sein, denen wir uns in den nächsten vier Jahren hier widmen werden.
    Der Vergleich der Situation in der früheren DDR und bei uns macht noch etwas deutlich, Herr Schäfer. Ohne Selbstüberheblichkeit, ohne zu vergessen, daß auch wir vieles nicht gemacht haben, Versäumnisse zu verantworten haben, kann ich sagen: Wir sehen, daß eine freie Wirtschaftsordnung mit dieser Herausforderung eben ungleich besser fertig geworden ist als die Kommandowirtschaft.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir haben viele Umweltprobleme gelöst. Ich teile überhaupt nicht Ihre miesmacherische Meinung, daß wir uns hier in Sack und Asche kleiden müssen. Wir in der Bundesrepublik Deutschland sind in vielerlei Hinsicht in einer Pilotfunktion, wir sind auf vielen Gebieten Beispiel für das übrige Europa und für die übrige Welt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Es gibt nicht nur die Bundesregierung, die Sie in Ihrer Rolle als Opposition natürlich angreifen, sondern Sie dürfen auch Ihre Länderregierungen nicht vergessen. Wichtige und wichtigste Dinge geschehen auf Länderebene. Dort haben die Kollegen, welcher Partei auch immer sie angehören, in den letzten Jahrzehnten Großes, Wichtiges geleistet, und auch die Gemeinden haben das getan. Also bitte: Erkennen wir das an, was geschehen ist. Wir brauchen uns wahrlich nicht zu verstecken.

    (Beifall bei der FDP)

    Herr Töpfer, wir beabsichtigen, diese Sonderprogramme für die DDR zu unterstützen. Es geht um die Umweltschäden, deren Behebung am dringendsten ist. Wir haben das in die Wege geleitet. Wir werden das in dieser Legislaturperiode nachhaltig fortsetzen.
    In der früheren DDR ist noch etwas anderes ganz wichtig: Wir müssen dort und später auch bei uns sehr viel intensiver privates Kapital und Know-how zur Durchführung von Umweltschutzinvestitionen nutzen. Warum können Abwasserklärung, Trinkwasserversorgung, Abfallentsorgung denn nicht auch in privater Verantwortung vorangetrieben werden, um die Städte und Gemeinden insoweit von Investitionsaufgaben zu entlasten?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Eine Sache ist von besonderer Bedeutung; das ist die Beseitigung der Altlasten in den neuen Bundesländern. Dies ist eine nationale Herausforderung besonderer Art. Deshalb haben wir eine Solidaritätsaktion in die Regierungserklärung hineingeschrieben, von der Sie, Herr Schäfer, gar nichts gesagt haben, eine Solidaritätsaktion zum ökologischen Aufbau in den neuen Bundesländern. Sie muß getragen werden von der Wirtschaft, vom Bund und von den alten Bundesländern. Das muß sehr schnell geschehen; denn dort gibt es Gesundheitsgefahren, die dringend abgebaut werden müssen. Wir brauchen eine Altlastensanierung auch für die Investitionen in den neuen Bundesländern. Hier liegt ein weiterer Schwerpunkt unserer Politik zur ökologischen Erneuerung von Deutschland, und der Schwerpunkt heißt jetzt: frühere DDR.
    Der zweite Schwerpunkt ist für uns Umwelt und Energie. Das Ziel ist klar: Reduzierung des Treibhausgases CO2. Hier ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen erforderlich — marktwirtschaftliche und ordnungsrechtliche Instrumente. Ein marktwirtschaftliches Instrument ist die CO2-Abgabe, die, Herr Schäfer, keineswegs nur CO2 umfaßt, sondern die natürlich auch die anderen Schadstoffe einbezieht. Dies ist ein marktwirtschaftliches Lenkungsinstrument; denn wir wollen lenken. Das sind keine fiskalischen Instrumente, um unbedingt Geld in die Kasse zu kriegen, sondern wir wollen das Verhalten der Menschen durch eine Verteuerung der Belastung unserer Natur, etwa bei Großfeuerungsanlagen und bei Prozeßfeuerungsanlagen, verändern. Dies gilt auch — das sage ich Ihnen auf Ihre Frage ganz deutlich — bei Kleinfeuerungsanlagen und bei den Kraftfahrzeugen. Hier werden wir in Kürze Vorschläge vorlegen. Zunächst soll die Kraftfahrzeugsteuer in eine Abgassteuer umgewandelt werden. Diese Maßnahmen müssen in europäische Lösungen, in eine europäische Klimaschutzsteuer eingebunden werden.
    Die Waldschäden geben nach wie vor Anlaß zur Sorge. In dieser Legislaturperiode muß auch eine Lösung für die Entschädigung derjenigen Waldbesitzer gefunden werden, die seit Jahren geschädigt werden, ohne jemanden zu haben, den sie in Anspruch nehmen können.
    Wir Liberalen erachten die Nutzung der Kernenergie unter der Voraussetzung für vertretbar, daß gleichzeitig und sichtbar alle Anstrengungen vorgenommen werden, um umweltfreundlichere Energiegewinnungsformen weiter zu entwickeln.
    Das Atomgesetz muß zu einem modernen Umweltgesetz umgewandelt werden. Sie können nun wirklich nichts dagegen haben, wenn wir das Förderprinzip aufgeben, wenn wir Teile der Entsorgung privati-



    Baum
    sieren, wenn wir die Deckungsvorsorge nicht mehr kostenlos machen und wenn wir die Endlagerung ohne Wiederaufarbeitung als eine Option ins Gesetz schreiben. Das müßte eigentlich Ihre Zustimmung finden. Hier wird ein modernes Anlagensicherheitsgesetz von uns vorgelegt werden.
    Wir begrüßen die Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Möllemann, die Wirtschaftspolitik mit der Umweltpolitik stärker verzahnen zu wollen. Dies ist gerade auf dem Gebiet der Energiepolitik, etwa durch das Energiewirtschaftsgesetz, wichtig.
    Umweltpolitik und Verkehr: Die von der FDP geforderte ökologische Bewertung der Verkehrssysteme muß der Schiene eine klare Vorrangstellung geben. Wir werden eine Strukturreform der Eisenbahn bewirken. Die Bundesbahn muß wie ein Privatunternehmen geführt werden können. Eine konsequentere Vernetzung der Verkehrsträger ist erforderlich. Die Umweltverträglichkeit der Fahrzeuge muß weiter verbessert werden. Bessere Abgas- und Lärmgrenzwerte für den Lkw und den Pkw muß es geben. Hier ist vieles geschehen, aber es muß noch fortgesetzt werden. Wir müssen den Treibstoffverbrauch der Kraftfahrzeuge weiter herabsetzen, und wir werden der Industrie dazu staatliche Auflagen und Vorgaben machen.
    Der vierte Schwerpunkt ist die Natur und die Landschaft. Wir fordern erneut und setzen uns mit Nachdruck für ein modernes Naturschutzgebiet ein, um Biotopschutz, Artenschutz und Naturschutz besser bewirken zu können. Das ist bisher an der Finanzierung gescheitert. Wir haben dazu jetzt Vorschläge gemacht. Beispielsweise muß die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur" genutzt werden. Darin sind 700 Millionen DM, die für eine Intensivierung der Landwirtschaft genutzt werden sollen. Hier muß eine Verlagerung der Mittel stattfinden.
    Und, Herr Schäfer, die Länder müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Bisher gibt es kein schlüssiges Konzept — auch nicht der SPD-Länder — für eine Finanzierung des Naturschutzes, so wie wir ihn uns vorstellen.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Ich denke, über die Gemeinschaftsaufgabe?)

    — Das kommt noch hinzu, Herr Schäfer. Die Bundesländer sind nach der Verfassung für den Naturschutz zuständig, und wir zerbrechen uns hier jahrelang den Kopf, wie wir das machen könnten. Ich bin zwar der Meinung, daß wir das auch weiterhin machen müssen, aber die Bundesländer, insbesondere die alten Bundesländer, müssen hier einen Beitrag leisten.
    Der fünfte Schwerpunkt ist die Abfallwirtschaft. Wir wollen ein Abfallwirtschaftskonzept, das wirklich von vornherein eine Bewertung der Produkte nach ihrer Gefährlichkeit und Entsorgungsmöglichkeit bewirkt. Wir werden ein neues, umfassendes Abfallgesetz vorlegen.
    Meine Damen und Herren, ich komme zu meiner Schlußbemerkung. In der Umweltpolitik geht es nach wie vor um eine schrittweise Umstrukturierung unserer wirtschaftlichen Produktion und unserer Lebensweise. Gekrönt werden könnte das — wir setzen uns
    nach wie vor dafür ein — durch ein Staatsziel Umweltschutz in unserer Verfassung.

    (Beifall bei der FDP)

    Dieses Ziel müssen wir in enger Kooperation mit den Staaten der Europäischen Gemeinschaft und immer mehr auch mit den Staaten Osteuropas bewirken.
    Umweltschutz ist keine mehr oder minder notwendige Randbedingung. Das umweltpolitische Vermeidungs- und Vorsorgeprinzip muß in das Planen und Handeln aller Politikbereiche Eingang finden. Wenn Sie die Regierungserklärung genau lesen — so haben auch die Koalitionsberatungen stattgefunden — : Die Umweltpolitik ist immer in die Energiepolitik, in die Verkehrspolitik integriert worden. Die Kollegen aus den verschiedenen Bereichen haben zusammengesessen, um dies zu leisten. Wir sind längst auf dem Weg, Herr Kollege Schäfer, den Sie hier anmahnen.
    In den 90er Jahren müssen verstärkt ökonomische Instrumente eingesetzt werden. Mit den knappen Gütern Luft, Wasser und Boden muß sparsam und schonend umgegangen werden. Sie müssen zu wirklichen Kostenfaktoren werden.
    Die Umweltpolitik muß Bestandteil von Umweltaußenpolitik werden. Die Völkergemeinschaft, die sich jetzt wirksam, jedenfalls einiger als früher um den Frieden, um die Abwehr von Krieg — leider nicht erfolgreich — kümmert, diese Umweltgemeinschaft muß auch den Frieden mit der Natur zu ihrer Aufgabe machen. Mit dem schrecklichen und zynischen Einsatz von Umweltgefahren als Kriegswaffe ist eine neue Dimension entstanden. Diese Aufgabe wird dadurch umso dringlicher.
    Die FDP-Fraktion wird ihre hartnäckige, aber auch verläßliche und berechenbare Umweltpolitik fortsetzen. Das ist ein Schwerpunkt unserer Politik in dieser Legislaturperiode. Wir stehen hinter dieser Koalitionsvereinbarung, die wichtige Forderungen von unserer Seite enthält, und wir unterstützen die Bundesregierung bei der Realisierung dieser wichtigen Aufgabe.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)