Rede:
ID1200617200

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 12006

  • date_rangeDatum: 31. Januar 1991

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    Plenarprotokoll 12/6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 95 A Rücknahme eines in der 5. Sitzung erteilten Ordnungsrufs 95 B Tagesordnungspunkt 1: Aussprache zur Erklärung der Bundesregierung Dr. Vogel SPD 95 B Dr. Dregger CDU/CSU 107 B Dr. Schmude SPD 112C Dr. Solms FDP 113 B Conradi SPD 116D Dr. Modrow PDS/Linke Liste 118B Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE . . . 121D Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 124 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . 126B, 168C Frau Matthäus-Maier SPD . . . . 129D, 154B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 133B, C Genscher, Bundesminister AA 136B Gansel SPD 139C, 162C Dr. Graf Lambsdorff FDP 169A, 174B Dr. Biedenkopf, Ministerpräsident des Landes Sachsen 145 B Kühbacher, Minister des Landes Brandenburg 148B, 171C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 150D Dr. Kohl, Bundeskanzler 152 C Dr. Krause (Börgerende) CDU/CSU 154A, 174B Möllemann, Bundesminister BMWi . . . 154 C Dr. Jens SPD 156C Gansel SPD 157B Rühe CDU/CSU 158D Genscher FDP 163A Möllemann FDP 163B, 166D Frau Lederer PDS/Linke Liste 163 C Roth SPD 165C, 169B Dr. Krause, Bundesminister BMV . . . 169B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . 172A, 177A Glos CDU/CSU 174C, 177B Walther SPD 176A, 180D Roth SPD 176D Dr. Briefs PDS/Linke Liste 177 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 178D Nitsch CDU/CSU 181 B Dr. Seifert PDS/Linke Liste 183 C Schäfer (Offenburg) SPD 184B Gibtner CDU/CSU 187B Baum FDP 188D Frau Braband PDS/Linke Liste 190D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 191B Schäfer (Offenburg) SPD 193A Dr. Feige Bündnis 90/GRÜNE 193D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 195C Dreßler SPD 198B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Cronenberg (Arnsberg) FDP 204 B Dreßler SPD 204C, 209A, 220C Dr. Schumann (Kroppenstedt) PDS/Linke Liste 206 C Frau Rönsch, Bundesminister BMFS . . 207 B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . . . 208A, B Frau von Renesse SPD 208B, C Schwarz CDU/CSU 209 D Frau Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . . 210C Frau Dr. Merkel CDU/CSU 212 C Frau Dr. Höll PDS/Linke Liste 213A Frau Bläss PDS/Linke Liste 213A Frau Becker-Inglau SPD 214B Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Bundesminister BMBau 217B Reschke SPD 218B Conradi SPD 219A Scharrenbroich CDU/CSU 219D Dr. Ortleb, Bundesminister BMBW . . . 222D Kuhlwein SPD 223 C Nächste Sitzung 224 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 225* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 95 6. Sitzung Bonn, den 31. Januar 1991 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Antretter SPD 31. 01. 91 * Bindig SPD 31. 01. 91 * Frau Blunck SPD 31. 01. 91 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Brudlewsky CDU/CSU 31. 01. 91 Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 31. 01. 91 * Buwitt CDU/CSU 31.01.91 Erler SPD 31.01.91 Frau Eymer CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Feldmann FDP 31. 01. 91 * Frau Fischer (Unna) CDU/CSU 31. 01. 91 * Francke (Hamburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Gattermann FDP 31.01.91 Dr. Gysi PDS 31. 01. 91 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Holtz SPD 31. 01. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Kittelmann CDU/CSU 31. 01. 91 * Klinkert CDU/CSU 31.01.91 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Matschie SPD 31.01.91 Dr. Müller CDU/CSU 31. 01. 91 * Dr. Neuling CDU/CSU 31. 01. 91 Pfuhl SPD 31.01.91 Reddemann CDU/CSU 31. 01. 91 * Repnik CDU/CSU 31.01.91 Dr. Schäuble CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Scheer SPD 31. 01. 91 * Schmidbauer CDU/CSU 31.01.91 von Schmude CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Simm SPD 31. 01. 91 Dr. Soell SPD 31. 01. 91 * Dr. Sperling SPD 31. 01. 91 Spilker CDU/CSU 31.01.91 Steiner SPD 31. 01. 91 * Frau Wieczorek-Zeul SPD 31. 01. 91 Frau Wollenberger Bündnis 31. 01. 91 90/GRÜNE Wonneberger CDU/CSU 31.01.91 Zierer CDU/CSU 31. 01. 91 *
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ilja Seifert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Es tut mir leid. Dann sage ich den letzten Satz: Wohnungsfragen sind nun einmal zutiefst menschliche Existenzfragen, und ich wäre froh, wenn hier nicht der Gewinn in Form von Dividende, sondern der Gewinn an Lebensqualität für den einzelnen zum Maßstab aller Dinge würde.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Jetzt müssen wir erst einmal das wieder herrichten, was ihr an Trümmern hinterlassen habt!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schäfer (Offenburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich muß gestehen, daß es mir schwerfällt, hier heute über die Politikbereiche Umwelt und Energie in der Regierungserklärung zu sprechen, während am Persischen Golf der Krieg tobt. Es wird uns wieder einmal bewußt, daß Kriege Menschen töten und immer auch ökologische Katastrophen sind, deren Folgen, auch wenn der Krieg längst vorbei ist und wenn die Waffen längst wieder schweigen, noch lange nachwirken. Ein Krieg wie dieser kann in wenigen Stunden die Lebensgrundlagen einer ganzen Region zerstören. Er vernichtet in Stunden, was in Jahrhunderten, ja Jahrmillionen entstanden ist und was die Umweltpolitik in Jahrzehnten nicht wieder aufbauen kann, wenn Wiederherstellung überhaupt möglich ist.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Folgen von Saddam Husseins Umweltterror für Weltklima, Ozonschicht und Meer sind verheerend.
    Bilder von toten und verletzten Menschen werden uns durch die Zensur vorenthalten. Was wir sehen können, ist die Natur als furchtbar zugerichtetes hilfloses Opfer. Wir sehen qualvoll sterbende Seevögel, und wir wissen, daß die wertvollen Ökosysteme des Persischen Golfs, die Muschel- und Korallenbänke, die Delphine und Kormorane diesen Krieg nicht überleben werden. Neben der humanitären Hilfe muß die Eindämmung der verheerenden ökologischen Folgen dieses Krieges ein Schwerpunkt unserer Hilfeleistungen für die Golfregion sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Schnelle und unbürokratische Hilfe wird durch die andauernden Kriegshandlungen behindert. Die Einrichtung einer ökologischen Eingreifgruppe reicht nicht. Ökologische Hilfe muß — dies sollte eine der Konsequenzen aus diesem Krieg sein — den gleichen völkerrechtlichen Status erhalten wie die humanitäre Hilfe des Roten Kreuzes.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste und des Bündnisses 90/ GRÜNE)

    Auch für „den Tag danach" muß die Wiederherstellung einer intakten Umwelt einen Schwerpunkt unserer Hilfe für die Golfregion bilden. Dafür sollten wir bereits heute die notwendigen Vorbereitungen treffen. Auch für die geschundene Natur am Golf ist das möglichst schnelle Einstellen der kriegerischen Handlungen die zur Zeit wirksamste Hilfe.

    (Beifall bei der SPD)

    Auch bei diesem Krieg werden die katastrophalen Folgen für die betroffenen Menschen und für die Umwelt den Anlaß und die Ursachen überdauern. Die seit einiger Zeit gegebene Möglichkeit des Menschen, sich selbst und seine Umwelt völlig zu vernichten, ist für diese Region in greifbare Nähe gerückt. Wir haben nur eine Welt, meine Damen und Herren, und es gibt kein Ziel, das das Auslöschen dieser Welt rechtfertigen könnte. Kriegsvermeidung, Wiederherstellung des Friedens ist darum das oberste Ziel, dem alle Politik zu dienen hat.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Neben der Wiederherstellung des Friedens ist die Bewahrung und Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen unsere wichtigste Aufgabe. Die ökologische Erneuerung in den Industrieländern darf nicht vernachlässigt werden. Nur wenn wir in den reichen Industrieländern unseren Verbrauch an knappen Rohstoffen und Umweltgütern reduzieren, werden sich die armen Länder und Regionen der Erde entwikkeln können. Die ungleiche Verteilung des Reichtums und der damit verbundenen bzw. unterbundenen Entwicklungschancen ist eine wesentliche Ursache für kriegerische Konflikte. Wenn es nicht gelingt, die Ungleichheit zwischen reichen und armen Ländern abzubauen, besteht die Gefahr, daß diese Konfliktursache in den vor uns liegenden Jahrzehnten angesichts weiter dramatisch wachsender Weltbevölkerung an Bedeutung gewinnt. Der Golfkrieg, meine Damen



    Schäfer (Offenburg)

    und Herren, hat seine Ursachen auch in der Verteilungsungerechtigkeit in dieser Region.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir müssen in dem vor uns liegenden Jahrzehnt auch deshalb den Durchbruch zu einer umwelt- und naturverträglichen Form des Wirtschaftens finden. Wir Sozialdemokraten wollen, daß die Wirtschaft vor allem in den neuen Bundesländern wächst, damit möglichst alle Arbeit finden. Aber dieses Wachstum muß einhergehen mit sinkendem Verbrauch von Energie und Rohstoffen und mit einer zurückgehenden Belastung von Natur und Umwelt. Das, meine Damen und Herren, ist der Kern der ökologisch-sozialen Marktwirtschaft.

    (Beifall bei der SPD)

    Dem muß — da ist noch ein Stück Arbeit zu leisten — auch unser wirtschaftspolitisches Instrumentarium angepaßt werden, das Stabilitäts- und WachstumsGesetz, andere Einzelgesetze wie z. B. das Energiegesetz und die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung.

    (Baum [FDP]: Machen wir!)

    Derzeit entfallen auf 15 % der Weltbevölkerung mehr als 50 % des globalen Energieverbrauchs. Eine Übertragung dieser Entwicklung auf die gesamte Weltbevölkerung bei gleichen Produktionsstrukturen, Produktionsweisen und Konsumgewohnheiten würde den sofortigen ökologischen Zusammenbruch bedeuten.
    Ich will ein Beispiel dafür nennen. Uns wird prognostiziert, daß die Zahl der Kraftfahrzeuge in den nächsten 30 Jahren von heute 500 Millionen weltweit auf zwei Milliarden ansteigen soll. Wenn die Auswirkungen dieser Motorisierung auf unser Klima auch nur konstant gehalten werden sollten, was ökologisch nach allem, was wir wissen, schon einer Katastrophe gleichkäme, dürften diese Kraftfahrzeuge nur noch ein Viertel des heutigen Kraftstoffbedarfs haben, also statt 101 nur noch 2,5 1 Benzin auf 100 km verbrauchen. Dieses kleine Beispiel mag zeigen, wie gewaltig die Aufgabe ist, die vor uns liegt und die wir gemeinsam anzupacken haben.
    Es ist auch in dieser Regierungserklärung — zum Teil schulterklopfend — auf die angeblichen Erfolge in der Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik hingewiesen worden.

    (Baum [FDP]: Ja mit Recht!) Die Fakten sprechen eine andere Sprache.


    (Lennartz [SPD]: So ist es, Baum!)

    Mit dem bisher Geleisteten können wir nicht zufrieden sein. Trotz einzelner Fortschritte bei der Reduzierung bestimmter Schadstoffe — Schwefeldioxid wird zu Recht immer genannt — sind wir einer ökologisch verträglichen Wirtschaftsstruktur insgesamt kaum nähergekommen.

    (Baum [FDP]: Das ist doch falsch! — Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Nein, da hat er recht!)

    Im Gegenteil, meine Damen und Herren, der Wald stirbt unvermindert weiter.

    (Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

    Die Belastung von Nord- und Ostsee nimmt zu.

    (Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Trinkwasser!)

    Immer mehr Arten verschwinden, weil ihre Lebensräume zerstört worden sind. Allergien und umweltbedingte Krankheiten häufen sich.
    Ich sehe gerade den Kollegen Schmidbauer, dem ich für meine Fraktion in seinem neuen Amt alles Gute wünsche. Er stimmt in der Analyse mit uns überein.
    Zudem droht uns mit der Klimakatastrophe eine Umweltzerstörung bisher nicht gekannten Ausmaßes.
    Die Regierungserklärung und das Ergebnis Ihres kleinkarierten Koalitionsgerangels werden diesen gewaltigen Herausforderungen nicht gerecht.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Ein Gesamtkonzept für den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft ist darin nicht erkennbar. Vieles ist allenfalls — und das ist noch positiv an Ihre Adresse gesagt — nur Stückwerk, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist dieselbe Rede, die Sie jedes Jahr halten!)

    Ihre Ankündigungen, den Umweltschutz zu einem Schwerpunkt der künftigen Regierungsarbeit zu machen, werden durch die Regierungserklärung nicht eingelöst. Die Leitlinien Ihrer Umweltpolitik sind nicht von den ökonomisch-ökologischen Notwendigkeiten, sondern in der Schlußphase vom Rotstift des Finanzministers diktiert worden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt doch gar nicht!)

    In der Schlußrunde wurde im Bereich Umweltpolitik bei den Koalitionsverhandlungen alles zusammengestrichen, was Geld kostet.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist dieselbe Rede, die Sie jedes Jahr halten! Schreiben Sie eine neue Rede!)

    Natürlich, meine Damen und Herren, muß im Bundeshaushalt gespart werden. Sie sparen aber an der falschen Stelle.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Sie sparen zu Lasten der Umwelt. Sie haben noch immer nicht begriffen, daß Investitionen zur Erhaltung von Natur und Umwelt die langfristig rentabelsten Investitionen sind, auch wenn wir es ökonomisch betrachten.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE — Zuruf von der CDU/CSU: Sie reiten immer das falsche Pferd!)

    Am Ziel der ökologischen Erneuerung müssen wir auch bei veränderten, verschlechterten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und nachlassender Konjunktur festhalten. Umweltpolitik darf keine Schönwetterpolitik sein, die man sich in Zeiten guter Konjunktur, bei guter Wirtschaftslage gleichsam als



    Schäfer (Offenburg)

    Luxus leisten kann. Umweltpolitik muß fester Bestandteil anderer Politikbereiche, beispielsweise der Wirtschaftspolitik, beispielsweise der Finanzpolitik sein. Moderne Umweltpolitik ist zugleich moderne Industrie- und Wirtschaftspolitik. Moderne Wirtschafts- und Industriepolitik muß zugleich Ökologiepolitik sein, wenn wir die Zukunft ökologisch und überlebensfähig gestalten wollen, meine Damen und Herren. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Auf diese Aufgabe antworten Sie nur mit kleiner, ja, mit kleinkarierter Münze.
    Die Regierung begreift in der Wirklichkeit ihrer Politik — also in der Regierungserklärung, nicht in der Umweltrhetorik, die einige Mitglieder der Bundesregierung wirklich nicht ungekonnt verbreiten — Umweltpolitik immer noch im wesentlichen als nachgeschaltete Reparatur, die nur aus dem Produktivitätsfortschritt finanziert werden kann.

    (Zuruf von der SPD: Ach, noch nicht einmal das!)

    Moderne Umweltpolitik beschränkt sich aber gerade nicht darauf, eingetretene Schäden der Produktion nachträglich zu reparieren. Moderne Umweltpolitik verlangt Produktionsverfahren und Produkte, die von vornherein umweltverträglich sind. Meine Damen und Herren, darüber, wie unsere Wirtschaft zu umweltverträglicheren neuen Produktionsverfahren und Produkten kommen soll, können wir in der Koalitionsvereinbarung leider nichts Konkretes lesen.

    (Walther [SPD]: Darin steht sowieso nichts Konkretes!)

    Darüber haben wir auch in der zweieinhalbstündigen Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers gestern nicht ein einziges konkretes Wort vernommen.

    (Walther [SPD]: Ja, soviel Zeit hat er auch wieder nicht gehabt! — Zuruf von der CDU/ CSU: Sie haben nicht aufgepaßt!)

    Meine Damen und Herren, angesichts der bisherigen Entwicklung sind auch Zweifel daran angebracht, ob unsere Umwelt allein durch mehr Gesetze und Verordnungen, durch noch mehr Auflagen und Grenzwerte wirklich sauberer wird. So helfen beispielsweise anlagebezogene Emissionsgrenzwerte für Schadstoffeinleitungen in Gewässer dann nicht, wenn durch die wachsende Zahl der Produktionsanlagen die Gesamteinleitungen weiter steigen und sich der Zustand der Gewässer weiter verschlechtert. Der positive Effekt des Drei-Wege-Katalysators wird aufgezehrt, wenn die Zahl der Kraftfahrzeuge und die Zahl der gefahrenen Kilometer weiter rasch ansteigen. Das zeigt auch die Bilanz der Zunahme der Stickoxidbelastung und der Zunahme der Umweltbelastung durch den Verkehr insgesamt.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Was wollen Sie denn?)

    Ein neues Instrument sind Qualitätsziele und Qualitätsnormen in der Umweltpolitik. Heute muß festgestellt werden, wie unsere Umwelt im Jahr 2000 aussehen soll. Danach müssen wir dann unsere Maßnahmen und Instrumente ausrichten. Eine solche mittelfristige Zielbeschreibung, etwa in Form eines „Umweltprogramms 2000" nach dem Beispiel der niederländischen Regierung, sucht man in Ihrem Regierungsprogramm jedoch vergeblich.

    (Dr. Geißler [CDU/CSU]: Wir sind aber eindeutig besser als die Holländer! — Zuruf von der FDP: Weit besser!)

    — Das, Herr Geißler, ist ein Gerücht. Wir Sozialdemokraten wollen die umweltverträgliche Erneuerung unserer Produktionstechniken und Produkte, wo immer es zu verantworten ist, dem Einfallsreichtum der Ingenieure, Wissenschaftler, Techniker, Unternehmer und Verbraucher überlassen. Auch die Arbeitnehmer in den Betrieben — das gilt auch und besonders für die neuen Bundesländer — müssen daran besser als bisher mitwirken können.
    Aufgabe der Politik ist es, hierfür Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein wichtiges Instrument ist dabei der Preis. Die tatsächlichen Kosten der Umweltzerstörung müssen im Preis der Produkte enthalten sein. Es muß teurer werden, Energie zu vergeuden und die Umwelt zu belasten. Es muß sich umgekehrt auszahlen, Energie zu sparen und die Umwelt zu schonen.
    Nicht zuletzt der Krieg am Golf zeigt, daß unser Energieverbrauch zu hoch und unsere Abhängigkeit vom Öl immer noch zu groß ist.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Regierung hat die fetten Jahre der niedrigen Ölpreise nicht genutzt, um Vorsorge zu treffen. Höhere Energiepreise sind jedoch in Kombination mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen das effektivste marktwirtschaftliche Mittel,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unsozial!)

    um Energieeinsparung und rationelle Energieverwendung voranzubringen. Die Bürger, Wirtschaft und Verbraucher, sind für eine neue Offensive der Energieeinsparung. Aber auch hier fehlt Ihnen der Mut für ein Konzept.
    Wohin übrigens falsche Preissignale gerade bei der Inanspruchnahme von Natur und der Belastung der Umwelt führen können, ist besonders an unserem Verkehrssystem erkennbar.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hatten wir auch schon!)

    Unser Verkehrssystem ist an den großen ökologischen Zerstörungen wie Waldsterben, Ozonloch und Treibhauseffekt maßgeblich beteiligt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Deshalb will Herr Rau den „Transrapid" haben!?)

    Darüber hinaus erfüllt es die Transportbedürfnisse von Wirtschaft und Gesellschaft immer weniger: Autobahnen und Fernstraßen sind überfüllt; Berufspendler verlieren wichtige Zeit unproduktiv und umweltbelastend im Stau. Mobilität wird immer weniger persönliche Freiheit und in vielen Fällen immer mehr erzwungene Plage.
    Das ist das Ergebnis Ihrer verfehlten Subventions- und Strukturpolitik. Ein großer Teil der Kosten des



    Schäfer (Offenburg)

    Verkehrs wird nicht vom Verursacher, sondern über Ausgaben für Verkehrssicherheit, Unfallkosten und Kosten der Umweltzerstörung von der Allgemeinheit bzw. den nach uns kommenden Generationen getragen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie begünstigen noch immer den Straßen- und Luftverkehr und nehmen damit dem umweltfreundlichen Schienenverkehr Wettbewerbschancen. Diese Verfälschung der Marktwirtschaft, meine Damen und Herren, müssen wir mit Umweltzerstörungen, Verkehrstoten in dramatisch steigender Zahl und Verletzten bezahlen. Mehr als 8 000 Menschen sterben pro Jahr in der Bundesrepublik im Straßenverkehr; mehr als 500 000 Menschen — eine Großstadtbevölkerung — werden Jahr für Jahr im Straßenverkehr verletzt.
    Ihre Antworten auf diese Probleme sowohl in der Koalitionsvereinbarung als auch in der Regierungserklärung und der Jungfernrede des neuen Verkehrsministers Krause sind von beschämender Belanglosigkeit.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE sowie bei Abgeordneten der PDS/ Linke Liste)

    Sie reden nur über den bedarfsgerechten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, aber Sie denken nicht im Traum an Verkehrsvermeidung. Noch nicht einmal zur Entfernungspauschale konnten Sie sich durchringen.

    (Baum [FDP]: Leider sehr teuer!)

    — Leider sehr teuer, sagt Herr Baum. Das ist das alte, kurze, enge betriebswirtschaftliche Denken, das eine Betrachtung der volkswirtschaftlichen Gesamtkosten außen vor läßt. Das ist das Sparen an der falschen Stelle!

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste)

    Das ist das sektorale Denken in verschiedenen Politikbereichen: hier Abteilung Umwelt, dort Abteilung Finanzen, dort Abteilung Wirtschaft. Was wir brauchen, ist ein vernetztes integriertes Denken.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Verkehrssystem als integriertes und vernetztes System ist die Probe aufs Exempel, ob wir die Kraft haben, dies dann auch konkret in die Wirklichkeit umzusetzen.