Rede:
ID1200603400

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 12006

  • date_rangeDatum: 31. Januar 1991

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 95 A Rücknahme eines in der 5. Sitzung erteilten Ordnungsrufs 95 B Tagesordnungspunkt 1: Aussprache zur Erklärung der Bundesregierung Dr. Vogel SPD 95 B Dr. Dregger CDU/CSU 107 B Dr. Schmude SPD 112C Dr. Solms FDP 113 B Conradi SPD 116D Dr. Modrow PDS/Linke Liste 118B Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE . . . 121D Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 124 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . 126B, 168C Frau Matthäus-Maier SPD . . . . 129D, 154B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 133B, C Genscher, Bundesminister AA 136B Gansel SPD 139C, 162C Dr. Graf Lambsdorff FDP 169A, 174B Dr. Biedenkopf, Ministerpräsident des Landes Sachsen 145 B Kühbacher, Minister des Landes Brandenburg 148B, 171C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 150D Dr. Kohl, Bundeskanzler 152 C Dr. Krause (Börgerende) CDU/CSU 154A, 174B Möllemann, Bundesminister BMWi . . . 154 C Dr. Jens SPD 156C Gansel SPD 157B Rühe CDU/CSU 158D Genscher FDP 163A Möllemann FDP 163B, 166D Frau Lederer PDS/Linke Liste 163 C Roth SPD 165C, 169B Dr. Krause, Bundesminister BMV . . . 169B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . 172A, 177A Glos CDU/CSU 174C, 177B Walther SPD 176A, 180D Roth SPD 176D Dr. Briefs PDS/Linke Liste 177 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 178D Nitsch CDU/CSU 181 B Dr. Seifert PDS/Linke Liste 183 C Schäfer (Offenburg) SPD 184B Gibtner CDU/CSU 187B Baum FDP 188D Frau Braband PDS/Linke Liste 190D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 191B Schäfer (Offenburg) SPD 193A Dr. Feige Bündnis 90/GRÜNE 193D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 195C Dreßler SPD 198B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Cronenberg (Arnsberg) FDP 204 B Dreßler SPD 204C, 209A, 220C Dr. Schumann (Kroppenstedt) PDS/Linke Liste 206 C Frau Rönsch, Bundesminister BMFS . . 207 B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . . . 208A, B Frau von Renesse SPD 208B, C Schwarz CDU/CSU 209 D Frau Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . . 210C Frau Dr. Merkel CDU/CSU 212 C Frau Dr. Höll PDS/Linke Liste 213A Frau Bläss PDS/Linke Liste 213A Frau Becker-Inglau SPD 214B Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Bundesminister BMBau 217B Reschke SPD 218B Conradi SPD 219A Scharrenbroich CDU/CSU 219D Dr. Ortleb, Bundesminister BMBW . . . 222D Kuhlwein SPD 223 C Nächste Sitzung 224 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 225* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 95 6. Sitzung Bonn, den 31. Januar 1991 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Antretter SPD 31. 01. 91 * Bindig SPD 31. 01. 91 * Frau Blunck SPD 31. 01. 91 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Brudlewsky CDU/CSU 31. 01. 91 Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 31. 01. 91 * Buwitt CDU/CSU 31.01.91 Erler SPD 31.01.91 Frau Eymer CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Feldmann FDP 31. 01. 91 * Frau Fischer (Unna) CDU/CSU 31. 01. 91 * Francke (Hamburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Gattermann FDP 31.01.91 Dr. Gysi PDS 31. 01. 91 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Holtz SPD 31. 01. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Kittelmann CDU/CSU 31. 01. 91 * Klinkert CDU/CSU 31.01.91 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Matschie SPD 31.01.91 Dr. Müller CDU/CSU 31. 01. 91 * Dr. Neuling CDU/CSU 31. 01. 91 Pfuhl SPD 31.01.91 Reddemann CDU/CSU 31. 01. 91 * Repnik CDU/CSU 31.01.91 Dr. Schäuble CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Scheer SPD 31. 01. 91 * Schmidbauer CDU/CSU 31.01.91 von Schmude CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Simm SPD 31. 01. 91 Dr. Soell SPD 31. 01. 91 * Dr. Sperling SPD 31. 01. 91 Spilker CDU/CSU 31.01.91 Steiner SPD 31. 01. 91 * Frau Wieczorek-Zeul SPD 31. 01. 91 Frau Wollenberger Bündnis 31. 01. 91 90/GRÜNE Wonneberger CDU/CSU 31.01.91 Zierer CDU/CSU 31. 01. 91 *
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    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selten ist eine wiedergewählte Bundesregierung so schnell nach der Wahl vom Alltag eingeholt worden wie die jetzige. Das ist nicht allein die Sicht der Opposition, sondern das allgemeine Urteil, wie einige Zitate aus großen Zeitungen zeigen. „Der Fehlstart" schreibt die „FAZ". „Koalition ohne Konzept" schreibt die „Frankfurter Rundschau", „Steuerschnickschnack" die „Süddeutsche", „Fal-



    Frau Matthäus-Maier
    sche Signale" die „Welt". „Ein kläglicher Neubeginn" , so schreibt die „Zeit".

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: „Regierung ohne Opposition"!)

    Besonders bedrückend war es, mitzuerleben, wie die Bundesregierung nur eine Woche nach der Bundestagswahl ganz ungeniert daran ging, ihre Versprechen von vor der Wahl zu brechen. Dafür nur drei Beispiele.
    Erstens. Wir haben noch im Ohr, wie die Redner von Union und FDP versichert haben, man wolle sparen; Steuererhöhungen werde es nicht geben, jedenfalls nicht für die deutsche Einheit. Schon unmittelbar nach der Wahl wollte die Koalition von ihrem Versprechen nichts mehr wissen. Da wurde in der Art von Winkeladvokaten zwischen Steuererhöhungen, gegen die man sei, und Abgabenerhöhungen, die man nicht ausgeschlossen habe, feinsinnig unterschieden. Statt zu sparen, begann eine fieberhafte Suche nach Einnahmeerhöhungen. Erst sollten es die Autobahngebühren sein. Dann entschied man sich für die Anhebung der Telefongebühren um 2 Milliarden DM im Jahr. In Wahrheit ist das nichts anderes als eine Telefonsteuer, da dieser höheren Belastung des Bürgers keine zusätzlichen Leistungen der Post gegenüberstehen.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Deshalb gehört diese neue Telefonsteuer in das Kapitel Steuerlüge, vor der viele, auch aus Ihren eigenen Reihen, Sie vor der Wahl gewarnt haben. Meine Damen und Herren, diese Telefonsteuer trifft ganz besonders die kleinen Leute, die Schwachen, die Behinderten und die Rentner. Sie ist ungerecht. Mit uns Sozialdemokraten wird es diese Verteuerung des Telefonierens nicht geben.

    (Beifall bei der SPD)

    Zweites Beispiel: die Anhebung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Als im Oktober hier im Bundestag der Verdacht geäußert wurde, Sie wollten diese Beiträge um zwei Punkte anheben — —

    (Unruhe)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. — Meine Damen und Herren, wichtige Gespräche können auch in der Wandelhalle geführt werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE sowie bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

Ich darf Sie wirklich bitten, Platz zu nehmen und der Kollegin zuzuhören.

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    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Als wir vermuteten, Sie würden die Arbeitslosenversicherungsbeiträge um zwei Punkte anheben, wurde das heftig dementiert. Jetzt werden sie um zweieinhalb Punkte angehoben. Das ist schlecht für die Arbeitnehmer. Das ist auch für die kleinen und mittleren Unternehmen schlecht, denn dadurch erhöhen sich die Lohnnebenkosten. Dieser Anhebung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge werden wir Sozialdemokraten nicht zustimmen.

    (Beifall bei der SPD)

    Drittes Beispiel: Das Bundesverfassungsgericht hat im letzten Sommer festgestellt, daß alle Familien mit Kindern in den Jahren 1983 bis 1985 zuviel Steuern zahlen mußten. Die Wahlkämpfer der Union haben vor der Bundestagswahl landauf, landab versichert, daß nicht nur die Familien eine Rückzahlung bekommen, die Einspruch eingelegt haben, sondern auch die, die kein Rechtsmittel eingelegt haben.

    (Zustimmung bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

    — Ich habe es selber mit mehreren von Ihnen im Fernsehen gesehen. Jetzt, nach der Wahl, gilt das alles nicht mehr. Jetzt bekommen nur die etwas, die durch ihren Steuerberater rechtzeitig Einspruch eingelegt haben, und das sind nun leider überwiegend nur Unternehmer und Freiberufler. Hier wird Steuerpolitik nach dem Motto betrieben: Wer rechtzeitig und brav seine Steuern zahlt, ist selber schuld.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Wir Sozialdemokraten werden uns dafür einsetzen, daß auch die Familien berücksichtigt werden, die keinen Einspruch eingelegt haben. Das gebieten die Gerechtigkeit und die politische Glaubwürdigkeit.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Faltlhauser [CDU/ CSU]: Und die 17 Milliarden beschaffen Sie mit dem Jäger '90?!)

    Dieser klare Bruch von Wahlversprechen bedrückt mich sehr weit über die Parteipolitik hinaus. Denn damit beschädigen Sie die politische Kultur und verursachen einen Glaubwürdigkeitsverlust von Politik und Politikern insgesamt.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Richtig!)

    Viele Bürger fragen schon fast resignierend, was man denn dagegen tun könne; man sei doch machtlos. — Dies ist falsch. Wer als Wahlbürger folgenlos hinnimmt, daß Politiker lügen, daß Politiker nach der Wahl etwas anderes tun, als sie vor der Wahl versprochen haben, der gibt den Politikern einen Freibrief, auch in Zukunft so zu handeln. Nein, meine Damen und Herren, gegen Wählertäuschung gibt es eine wirksame Selbstverteidigung und nur eine, und das ist die Quittung mit dem Stimmzettel. Die haben Sie in Hessen schon erhalten, und ich nehme an, das geht in Rheinland-Pfalz weiter so.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Gestern hat der Bundeskanzler nun hier bekanntgegeben, daß er die Steuern erhöhen will. Jetzt ist die Katze also aus dem Sack. Steuererhöhungen für den Golfkrieg, heißt es, aber nicht für die deutsche Einheit. Diese Argumentation macht nun sehr betroffen. Was ist denn das für ein Ausdruck von Solidarität mit den Menschen in den neuen Bundesländern,

    (Beifall bei der SPD)

    wenn man sagt: für die viel größere finanzielle Herausforderung des Aufbaus in den neuen Bundeslän-



    Frau Matthäus-Maier
    dern keine Steuererhöhungen, wohl aber welche für den Golfkrieg! Da hat doch wohl die „Stuttgarter Zeitung" recht, die in diesen Tagen schreibt:
    Als es um die deutsche Einheit ging, haben Kohl, Waigel und Lambsdorff Steuererhöhungen zum Tabu erklärt. Lassen sich nun Steuern für Bomben auf Bagdad plausibler begründen als Steuern für Straßen, Städtebau und Arbeitsplätze in Ostdeutschland?

    (Beifall bei der SPD — Hinsken [CDU/CSU]: Primitiver geht es nicht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Billig! — Primitiv! — Unerhört!)

    Und dann fährt die „Stuttgarter Zeitung" fort:
    Wohl kaum. Der Verdacht, der Krieg werde genutzt, um sich endlich über ein lästiges Wahlversprechen hinwegzusetzen, ist so leicht nicht von der Hand zu weisen.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, die „Stuttgarter Zeitung" hat recht. Das Tempo, mit dem die Koalition wenige Stunden nach der amerikanischen Bitte um finanzielle Unterstützung auf Steuererhöhungen hüpfte und nur noch darüber diskutierte, welche Steuer, wann, wie lange und mit welchem Ziel, zeigt, daß die Koalition nun durch die Hintertür des Golfkrieges die Steuererhöhungen durchführen will, die sie längst vor der Bundestagswahl ins Auge gefaßt hatte.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Um es klar zu sagen: Wir Sozialdemokraten sagen ja zu einem finanziellen Beitrag im Rahmen der internationalen Solidarität, um die UNO-Resolution zum Golf durchzusetzen. Wir Deutschen sind auch deshalb dazu verpflichtet, weil es nicht nur, aber in besonderem Maße auch deutsche Unternehmen waren, die Saddam Hussein aus reiner Gewinnsucht durch verbrecherische Waffenexporte aufgerüstet haben und deshalb am Golfkrieg mitschuldig sind. Diese GolfHilfe gebietet auch unsere besondere Verpflichtung gegenüber Israel.
    Die Art und Weise, mit der die Bundesregierung das Thema Hilfe der Bundesrepublik Deutschland behandelt hat, war allerdings außerordentlich unglücklich. Das internationale Ansehen ist in den letzten Tagen rapide gesunken.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Meinen Sie mehr die inneren Auseinandersetzungen in der SPD? Das ist doch wohl eine Frechheit!)

    Die Bundesregierung versucht, die Verantwortung dafür auf die Friedensdemonstrationen abzuschieben.

    (Hört! Hört! bei der SPD) Das überzeugt nicht.


    (Beifall bei der SPD)

    Friedensdemonstrationen gab es in diesen Tagen in fast allen westlichen Ländern. Gerade der Ablauf und das Erscheinungsbild der großen Friedensdemonstration vom letzten Samstag war dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik Deutschland nicht abträglich.

    (Beifall bei der SPD, dem Bündnis 90/ GRÜNE und der PDS/Linke Liste — Kittelmann [CDU/CSU]: Da müssen Sie die falschen Zeitungen lesen! — Dr. Geißler [CDU/ CSU]: Weil die Veranstalter auf uns gehört haben!)

    Daß Deutsche, die in diesem Jahrhundert zweimal Unglück über ihre Nachbarn gebracht haben, einen Waffengang nicht mit Säbelrasseln begleiten, sondern immer wieder Friedensbemühungen fordern und vor I Krieg und seinen schlimmen Folgen warnen, wird doch gerade von denen im Ausland positiv gesehen, die bei der deutschen Einheit vor einem Jahr noch Angst hatten vor einem Wiedererstarken deutscher Großmannssucht.
    Das heißt nicht, daß wir Sozialdemokraten uns mit allen Forderungen identifizieren, die auf dieser Demonstration erhoben worden sind. Wir ziehen aus der Geschichte des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges die Lehre, daß der Satz „Wir wollen nie mehr Täter sein" auch bedeutet: Die Völkergemeinschaft darf nicht zulassen, daß andere zu Tätern werden. Das heißt für uns: Saddam Hussein muß gestoppt werden, er muß Kuwait verlassen, er ist der Verantwortliche für den Krieg, der am 2. August und nicht am 17. Januar begonnen hat.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP — Kittelmann [CDU/CSU]: Das sagen Sie mal Ihren Genossen!)

    Wir sind solidarisch mit der UNO und ihren Resolutionen und tragen auch durch finanzielle Hilfe zu ihrer Verwirklichung bei.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hätten Sie schon viel früher sagen müssen!)

    Nein, meine Damen und Herren, die Kritik des Auslandes richtet sich nicht gegen Friedensdemonstranten, sie richtet sich gegen diese Bundesregierung.
    Die „Bonner Rundschau" schreibt zu Recht:
    Zu verantworten haben den rapiden Verlust an internationalem Ansehen und gelegentlich fast schon peinlicher Häme aus dem Ausland die neue Bundesregierung und die Koalitionsparteien insgesamt; denn während die Menschen in aller Welt sorgenvoll auf die Entwicklung der Golfkrise und das ablaufende Ultimatum der UN- Resolution gegen den Irak starrten, waren CDU/ CSU und FDP mit Koalitionsverhandlungen beschäftigt, feilschten die Koalitionäre um Posten und Positionen.
    Meine Damen und Herren, das ist der Grund für das gesunkene Ansehen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Falsch!)

    Der Bundeskanzler hat seinem Vorgänger Helmut Schmidt einmal Mangel an geistiger Führung vorgeworfen.

    (Feilcke [CDU/CSU]: Zu Recht!)




    Frau Matthäus-Maier
    Helmut Schmidt hatte nie den Anspruch erhoben, geistig führen zu wollen. Aber er hätte — das weiß hier jeder — in dieser Krisensituation politisch geführt. Sie, Herr Bundeskanzler, haben weder geistig noch politisch geführt. Und das haben die Menschen gespürt.

    (Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Ist das der Herr Schmidt, den Sie abgeschossen haben, oder von wem reden Sie?)

    Während am Golf geschossen wurde, waren Sie vollauf damit beschäftigt, aus Proporzgründen das Familienministerium zu dritteln und jede Menge neue Staatssekretäre einzustellen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihr Postengeschacher war der Bundesregierung wichtiger, als unseren internationalen Freunden und Partnern klarzumachen, wo die Bundesrepublik bei der Golfkrise steht. Es war diese Unterlassung und nicht die Friedensdemonstration, die die Bundesrepublik in der westlichen Solidargemeinschaft international ins Abseits gebracht hat.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Sehr richtig!)

    Statt berechtigte deutsche Interessen wahrzunehmen, ist die Bundesregierung deshalb, um den Schaden zu begrenzen, in überstürzten Aktionismus verfallen. Es war diese Position der selbstverschuldeten Schwäche, in der der Bundeskanzler die finanziellen Nachforderungen der USA in Höhe von mehr als 8 Milliarden Dollar ohne weitere Diskussionen binnen Stunden akzeptiert hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das war richtig so! — Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Hätten Sie 50, 70 DM weniger bezahlt?)

    Das Parlament, das die Mittel bereitstellen muß, und die Opposition hat er nicht einmal gefragt. Es war dieses Wegtauchen, die Sprachlosigkeit der Bundesregierung, die sie daran gehindert hat, die guten Argumente in der internationalen Diskussion vorzutragen, daß die Bundesregierung, die Bundesrepublik Deutschland, bereits einen erheblichen Anteil an der internationalen Lastenteilung erbringt.
    Meine Damen und Herren, ich vermisse ein deutliches Wort des Bundeskanzlers, daß sich die arabischen Ölstaaten, die durch die gestiegenen Ölpreise riesige zusätzliche Einnahmen haben, stärker als bisher an den finanziellen Lasten beteiligen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Faltlhauser [CDU/ CSU]: Nennen Sie doch einmal die Zahlen!)

    Ich habe auch vermißt, daß Sie unsere Partner davon überzeugen, daß der Vergleich mit Japan nicht stimmt, daß Deutschland allein 14 Milliarden DM für den Abzug der sowjetischen Truppen und damit für die militärische Entspannung in Europa erbringt. Dadurch ist es übrigens erst möglich geworden, Ressourcen freizumachen, ohne die es zu den UNO-Resolutionen wahrscheinlich gar nicht gekommen wäre. Der Vergleich mit den Leistungen der Japaner zieht auch schon deswegen nicht, weil diese im Unterschied zu uns nicht von Jahr zu Jahr einen Verteidigungsetat von über 53 Milliarden DM haben.
    Damit keine Mißverständnisse entstehen: Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten. Wir sind aber nicht bereit, jede Forderung unbesehen zu akzeptieren. Auch Deutschland muß für sich das Recht in Anspruch nehmen, sich die Höhe seines Beitrages und den Verwendungszweck genau anzusehen.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE — Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Also doch Groschenschacher!)

    Die Bundesregierung sagt, ohne Steuererhöhungen gehe es nicht, es sei kein Geld da. Das glaubt Ihnen keiner. Wenn an der gestrigen Rede des Herrn Bundeskanzlers etwas auffällt, dann das: Der Bundeskanzler hat in den zweieinhalb Stunden seiner Rede das Wort Sparen nicht ein einziges Mal über seine Lippen gebracht.

    (Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Dafür hat er den Theo Waigel!)

    Das ist kein Zufall; denn die Bundesregierung hat beim Sparen bisher kläglich versagt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wie wollen Sie den Bürgern eigentlich klarmachen, daß Steuererhöhungen nötig sind, wenn Sie gleichzeitig Geld aus dem Fenster werfen für die Dreiteilung eines Ministeriums und für viele neue Staatssekretäre?

    (Beifall bei der SPD)

    Was ist mit den Kosten der Teilung? Herr Bundesfinanzminister Waigel, Sie haben doch im letzten Jahr ununterbrochen die Kosten der Teilung auf 40 Milliarden DM beziffert, aus denen man Gelder für die Einheit freimachen könnte. Tatsächlich haben Sie hiervon bisher nur 2 Milliarden DM Einsparungen in diesem Jahr vorgesehen. Die Bundesregierung muß daran erinnert werden, daß sie hier ein von ihr selbst genanntes Einsparvolumen bisher fast ungenutzt gelassen hat.

    (Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Es sind im letzten Jahr schon 4 Milliarden DM eingespart worden!)

    Auch beim Subventionsabbau hat die Koalition wieder einmal versagt. Die Bundesregierung will nun eine Kommission einsetzen, die Vorschläge zum Abbau von Subventionen mit einem Volumen von rund 5 Milliarden DM bis zum Sommer vorlegen soll. Selbst bei diesem bescheidenen Subventionsabbauziel ergäben sich zusätzliche Mittel, die an die Stelle von Steuererhöhungen treten können. Nach unserer Auffassung muß dringend Subventionsabbau erfolgen. Ich habe Ihnen mehrfach Vorschläge gemacht,

    (Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Sagen Sie endlich, wo!)

    nämlich bei der zivilen Nutzung der Kernenergie, beim Schnellen Brüter, bei der industriellen Agrarproduktion, beim Flugbenzin, beim Dienstmädchenprivileg, bei den Bewirtungsspesen, beim betrieblich benutzten Pkw und, und, und. Ich kann Ihnen die Listen geben, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/ CSU — Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Alles populistisch!)




    Frau Matthäus-Maier
    Sagen Sie nicht, Herr Waigel, Sie hätten bereits genug eingespart. Von den 35 Milliarden DM Haushaltsentlastungen, welche die Koalition für 1991 beschlossen hat, sind tatsächlich nur 4 Milliarden DM Einsparungen. Mehr als 20 Milliarden DM sind dagegen reine Abgabenerhöhungen bei der Telefonsteuer und bei der Arbeitslosenversicherung.
    Über Ihre angebliche Einsparung beim Verteidigungshaushalt von, wie Sie immer sagen, 7,6 Milliarden DM hatte selbst die konservative Presse nur noch Vokabeln wie „Augenwischerei" und „Luftbuchung" übrig. Die Rechnung ist einfach. Der Verteidigungshaushalt betrug im letzten Jahr etwas über 53 Milliarden DM. In diesem Jahr wird er knapp unter 53 Milliarden DM liegen. Das ist fast die gleiche Höhe.

    (Zurufe von der FDP: Das ist unzutreffend! — Und die Nationale Volksarmee?)

    Ich bin der Meinung, in der aktuellen Lage müßten doch wirklich alle Anstrengungen unternommen werden, um Mittel aus dem Verteidigungsetat in einen Solidarbeitrag für den Golf umzulenken.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Faltlhauser [CDU/ CSU]: Da ist doch die Nationale Volksarmee mit drin!)

    — Vielleicht möchten Sie auch Zwischenfragen stellen, wenn Sie immer so rufen?