Rede:
ID1200603200

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 12006

  • date_rangeDatum: 31. Januar 1991

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    Plenarprotokoll 12/6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 95 A Rücknahme eines in der 5. Sitzung erteilten Ordnungsrufs 95 B Tagesordnungspunkt 1: Aussprache zur Erklärung der Bundesregierung Dr. Vogel SPD 95 B Dr. Dregger CDU/CSU 107 B Dr. Schmude SPD 112C Dr. Solms FDP 113 B Conradi SPD 116D Dr. Modrow PDS/Linke Liste 118B Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE . . . 121D Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 124 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . 126B, 168C Frau Matthäus-Maier SPD . . . . 129D, 154B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 133B, C Genscher, Bundesminister AA 136B Gansel SPD 139C, 162C Dr. Graf Lambsdorff FDP 169A, 174B Dr. Biedenkopf, Ministerpräsident des Landes Sachsen 145 B Kühbacher, Minister des Landes Brandenburg 148B, 171C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 150D Dr. Kohl, Bundeskanzler 152 C Dr. Krause (Börgerende) CDU/CSU 154A, 174B Möllemann, Bundesminister BMWi . . . 154 C Dr. Jens SPD 156C Gansel SPD 157B Rühe CDU/CSU 158D Genscher FDP 163A Möllemann FDP 163B, 166D Frau Lederer PDS/Linke Liste 163 C Roth SPD 165C, 169B Dr. Krause, Bundesminister BMV . . . 169B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . 172A, 177A Glos CDU/CSU 174C, 177B Walther SPD 176A, 180D Roth SPD 176D Dr. Briefs PDS/Linke Liste 177 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 178D Nitsch CDU/CSU 181 B Dr. Seifert PDS/Linke Liste 183 C Schäfer (Offenburg) SPD 184B Gibtner CDU/CSU 187B Baum FDP 188D Frau Braband PDS/Linke Liste 190D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 191B Schäfer (Offenburg) SPD 193A Dr. Feige Bündnis 90/GRÜNE 193D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 195C Dreßler SPD 198B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Cronenberg (Arnsberg) FDP 204 B Dreßler SPD 204C, 209A, 220C Dr. Schumann (Kroppenstedt) PDS/Linke Liste 206 C Frau Rönsch, Bundesminister BMFS . . 207 B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . . . 208A, B Frau von Renesse SPD 208B, C Schwarz CDU/CSU 209 D Frau Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . . 210C Frau Dr. Merkel CDU/CSU 212 C Frau Dr. Höll PDS/Linke Liste 213A Frau Bläss PDS/Linke Liste 213A Frau Becker-Inglau SPD 214B Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Bundesminister BMBau 217B Reschke SPD 218B Conradi SPD 219A Scharrenbroich CDU/CSU 219D Dr. Ortleb, Bundesminister BMBW . . . 222D Kuhlwein SPD 223 C Nächste Sitzung 224 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 225* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 95 6. Sitzung Bonn, den 31. Januar 1991 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Antretter SPD 31. 01. 91 * Bindig SPD 31. 01. 91 * Frau Blunck SPD 31. 01. 91 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Brudlewsky CDU/CSU 31. 01. 91 Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 31. 01. 91 * Buwitt CDU/CSU 31.01.91 Erler SPD 31.01.91 Frau Eymer CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Feldmann FDP 31. 01. 91 * Frau Fischer (Unna) CDU/CSU 31. 01. 91 * Francke (Hamburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Gattermann FDP 31.01.91 Dr. Gysi PDS 31. 01. 91 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Holtz SPD 31. 01. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Kittelmann CDU/CSU 31. 01. 91 * Klinkert CDU/CSU 31.01.91 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Matschie SPD 31.01.91 Dr. Müller CDU/CSU 31. 01. 91 * Dr. Neuling CDU/CSU 31. 01. 91 Pfuhl SPD 31.01.91 Reddemann CDU/CSU 31. 01. 91 * Repnik CDU/CSU 31.01.91 Dr. Schäuble CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Scheer SPD 31. 01. 91 * Schmidbauer CDU/CSU 31.01.91 von Schmude CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Simm SPD 31. 01. 91 Dr. Soell SPD 31. 01. 91 * Dr. Sperling SPD 31. 01. 91 Spilker CDU/CSU 31.01.91 Steiner SPD 31. 01. 91 * Frau Wieczorek-Zeul SPD 31. 01. 91 Frau Wollenberger Bündnis 31. 01. 91 90/GRÜNE Wonneberger CDU/CSU 31.01.91 Zierer CDU/CSU 31. 01. 91 *
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Sie können sich erstens darauf verlassen, daß wir in der Finanz- und Steuerpolitik noch zuverlässiger sind als Sie und Ihre Partei.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    Zum zweiten bestand da ja immer mehr Übereinstimmung, als das manchmal nach außen hin in Erscheinung trat. Drittens bekommen Sie natürlich ein Jahresabonnement. Die Exemplare, die bisher bei Ihnen noch nicht eingegangen sind, werden Ihnen nachgeschickt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

    Graf Lambsdorff, so wie ich Sie keime, sind Sie bereit, ihn ab nächstem Jahr — bei diesen großartigen Beiträgen, die Sie dann vor allem auch von mir lesen können — selber zu bezahlen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Und häufig zu zitieren!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, das gestern vom Bundeskanzler vorgetragene und begründete Regierungsprogramm ist eine umfassende Antwort auf die gewaltigen Herausforderungen, die sich uns in den kommenden vier Jahren stellen. Dieses Programm baut auf den Fundamenten einer seit mehr als acht Jahren erfolgreichen Politik auf, die jetzt allen Deutschen in Ost und West Vorteile bringt.
    Wie in den Koalitionsvereinbarungen der Jahre 1983 und 1987 ist auch diesmal die Handschrift der Christlich-Sozialen Union deutlich erkennbar. Wir arbeiten in dieser Koalition und in dieser Regierung konstruktiv mit.
    Im Mittelpunkt unserer Aufgaben und Ziele steht die Vollendung der Deutschen Einheit. Aber die Koalitionsvereinbarungen reichen wesentlich weiter. Wir haben nicht nur gespart und umgeschichtet, sondern wir haben die Voraussetzungen für ein umfassendes Zukunftsprogramm entwickelt.
    Diese Bundesregierung hat im historischen Jahr 1990 Stehvermögen unter Beweis gestellt. Wir haben die Wiedervereinigung innerhalb kürzester Fristen erreichen können, weil die wirtschafts- und finanzpolitischen Fundamente stabil waren. Schon heute zeigt sich, wie richtig es war, die wohl einmalige historische Chance zur Vollendung der Einheit mutig zu ergreifen und nicht — wie es der gescheiterte Kanzlerkandidat der SPD wollte — zu zögern. Wer würde heute noch für das Prinzip Langsamkeit eintreten? Alle Stufenpläne, die es damals gegeben hat, wären heute längst steckengeblieben, ohne daß wir das positive Ende in der Zeit erreicht hätten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Auch angesichts der Dominanz der deutschlandpolitischen Aufgaben war die Solidität unserer Finanz- und Haushaltspolitik zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Statt den seit Frühjahr 1990 immer wieder erhobenen Forderungen nach Steuererhöhungen nachzugeben, haben wir alle Spielräume für Ausgabenbegrenzungen ausgenützt.

    (Lachen bei der SPD)

    Bereits im Nachtragshaushalt 1990 und im ursprünglichen Entwurf für den Bundeshaushalt 1991 wurde der Ausgabenrahmen um 12,5 Milliarden DM reduziert.



    Bundesminister Dr. Waigel
    Im Ergebnis ist der Finanzierungssaldo im Bundeshaushalt 1990 um rund 17 Milliarden DM unter dem ursprünglichen Ansatz geblieben. Insgesamt haben die öffentlichen Haushalte im letzten Jahr statt 120 Milliarden DM nur rund 95 Milliarden DM an Krediten aufgenommen. Mit einem Anteil des Finanzierungssaldos von rund 3,5 % am Bruttosozialprodukt blieb die Belastung der Finanzmärkte in engen Grenzen.

    (Zuruf von der SPD: Viel zu hoch!)

    — Auch mir wäre es lieber, wenn die Belastung niedriger wäre. Nur muß in einem Jahr der Einheit, das es nur einmal in einem Jahrhundert gibt, auch diese Kraftanstrengung geleistet werden. Wir belasten den Kapitalmarkt weniger als andere Länder durch strukturelle Defizite den nationalen oder internationalen Kapitalmarkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die vorsorglich aufgenommenen Kredite des letzten Jahres stehen für die Haushaltsfinanzierung dieses Jahres zur Verfügung. Das ist ein wichtiges Signal für die Finanzmärkte, die wie bisher auf die Solidität der deutschen Finanzpolitik vertrauen können.
    Der günstige Haushaltsabschluß 1990 zeigt auch folgendes: Es liegt nicht in erster Linie am Mangel an finanziellen Mitteln, wenn Verzögerungen bei Infrastrukturinvestitionen in den neuen Bundesländern auftreten. Noch wichtiger ist es, die administrativen Voraussetzungen zu schaffen, damit die ausreichend bereitgestellten Mittel auch dort investiert werden können, wo sie am dringendsten benötigt werden.
    Bei allem Verständnis für die Sorgen der finanzpolitisch Verantwortlichen in den Ländern und Gemeinden, vor allem in den neuen Bundesländern, möchte ich sagen: Es gibt keinen Grund, die Situation der öffentlichen Haushalte zu dramatisieren. Die westlichen Bundesländer haben im letzten Jahr wachstumsbedingte Steuermehreinnahmen von über 1 Milliarde DM erzielen können. Die Defizite der Länder und Gemeinden im ursprünglichen Bundesgebiet werden mit insgesamt rund 20 Milliarden DM deutlich niedriger ausfallen als ursprünglich erwartet.
    Die Finanzausstattung der neuen Bundesländer liegt natürlich noch unter dem Niveau im ursprünglichen Bundesgebiet. Sie erreicht aber schon 1991 gut 72 % dieses Niveaus, viel mehr, als es der relativen Wirtschaftskraft entspricht. Der Bund leistet einen erheblichen Finanztransfer an diese Länder. 76 Milliarden DM sind es allein im Jahre 1991.
    Ich freue mich auch über die grundsätzliche Bereitschaft der westlichen Bundesländer, einen höheren Anteil am Umsatzsteueraufkommen der Länder bereitzustellen. Ich hoffe, daß wir im Februar bei den Gesprächen der Finanzminister und dann auch beim Gespräch des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten zu einer Lösung kommen werden. Es wird höchste Zeit. Dieser Weg ist der beste. Eine weitere Aufstockung des Fonds über Kreditfinanzierung kann für uns aus geldpolitischen Gründen nicht in Frage kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Haushaltsabschluß 1990 ist eine gute Ausgangsbasis für die noch größer werdenden Anforderungen der kommenden Monate, auf die der Bundeskanzler gestern eingegangen ist. Das Bundeskabinett hat vorgestern entschieden, zusätzlich zu den bereits geleisteten 5,3 Milliarden DM weitere 8,3 Milliarden DM zur Finanzierung der multinationalen Golftruppen zur Verfügung zu stellen. Wir sind zur Finanzierung dieses zusätzlichen Engagements bereit. Wären wir im Jahre 1990 statt des steinigen Pfades zur Ausgabenbeschränkung allerdings den breiten Weg zur Steuererhöhung gegangen, dann hätten wir schon die zweite oder dritte Steuererhöhung hinter uns und hätten nun nicht die Möglichkeit, auf diese neue Herausforderung hin — und zwar nicht nur im Nahen Osten, sondern auch zum Aufbau der Demokratien und der Volkswirtschaften in Mittel- und Osteuropa — das Notwendige und Sinnvolle zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Angesichts der absehbaren und möglicher weiterer Anforderungen aus dem Golfkonflikt und der Entwicklung im östlichen Teil Europas werden Steuererhöhungen nicht zu vermeiden sein. Es wird allerdings keinen steuerpolitischen Schnellschuß geben. Wir werden die künftigen Belastungen sorgfältig kalkulieren und die Finanzierungsoptionen genau prüfen. Und: Es muß bei allen Sparbeschlüssen bleiben, die wir in der Koalition und in der Regierung vereinbart haben. Es darf kein Abweichen von dieser Linie für die Jahre 1991 bis 1994 geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das deutsche Unterstützungspaket läßt keinen Zweifel an unserer Bereitschaft zur Verantwortung. Die Bundesregierung hat sich in der gegenwärtigen Situation nicht auf ein kleinliches Feilschen um finanzielle Solidarität denjenigen gegenüber eingelassen, die uns gegenüber im letzten Jahr und in den letzten Jahrzehnten ebenfalls nicht kleinlich gewesen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Schuld am Golfkrieg trägt einzig und allein der Irak durch seinen Überfall auf Kuwait. Nahezu ein halbes Jahr lang wurde auf diplomatischem Weg von US-Präsident Bush über den UNO-Generalsekretär bis hin zu Michail Gorbatschow der Versuch einer friedlichen Lösung unternommen. Alle diese Initiativen waren ebenso erfolglos wie die Gespräche von Willy Brandt. Ich beziehe das nur auf den Frieden, nicht auf die Bemühungen um die Freilassung.
    Wir müssen jetzt unsere Solidarität mit den Alliierten unter Beweis stellen, die die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland 40 Jahre lang garantiert und entscheidende Beiträge zur Vollendung der Einheit unseres Vaterlandes geleistet haben.
    Wer in diesen Tagen aber wie Teile der SPD die Amerikaner und ihre Verbündeten wegen ihres Gegenschlages kritisiert, der handelt verantwortungslos. Er trägt damit — ob gewollt oder ungewollt — zu einem Antiamerikanismus bei. Der Art. 5 des NATO-Vertrages gilt für alle, auch für uns. Wer in diesen Tagen und Wochen die Bündnistreue Deutschlands leichtfertig in Frage stellt, der darf sich nicht wundern,



    Bundesminister Dr. Waigel
    wenn er die Bündnisfähigkeit mittelfristig verlieren könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist es!)

    Das, was die Amerikaner bisher getan haben, darf nicht als Provokation bezeichnet werden, sondern sie haben das getan, was die Völkerfamilie beschlossen hat. Das ist nicht eine Provokation. Die Provokation hat der irakische Diktator vorgenommen und sonst niemand.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Situation am Golf zeigt: Wir benötigen auch in Zukunft eine leistungsfähige Bundeswehr und eine NATO, die über ein glaubwürdiges Maß an nuklearer Abschreckung verfügen und in der Lage sind, die sicherheitspolitischen Belange des Westens weltweit durchzusetzen.

    (Dr. Heuer [PDS/Linke Liste]: Weltweit!)

    Wer die europäische Integration bejaht, muß auch bereit sein, die sicherheitspolitischen Konsequenzen daraus zu ziehen. Wer wie Oskar Lafontaine und seine Freunde die heutigen Nationalstaaten Europas als Provisorien bezeichnet und für die Zukunft auf die europäische politische Union setzt, hat den Anspruch auf Glaubwürdigkeit verloren, wenn er gleichzeitig den Einsatz der Franzosen, Briten, Italiener und Niederländer am Golf ablehnt.
    Ich danke dem Kollegen Klose für seinen mutigen Beitrag in seinem bekanntgewordenen Brief, mit dem er die innere Zerrissenheit der SPD in dieser existenziellen Frage dargelegt hat.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, als Deutsche haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber Israel. Die Solidarität mit diesem Land muß sich gerade jetzt bewähren. Wir haben deshalb Israel umfassende Unterstützung angeboten.
    Wer als Gesinnungspazifist für den Frieden demonstriert, verdient unseren Respekt. Aber mit gesinnungsethischen Haltungen kann weder die Freiheit Kuwaits hergestellt noch die äußere Sicherheit Israels garantiert werden. Die sogenannte Friedensbewegung demonstriert zum falschen Zeitpunkt, am falschen Platz und gegen die falschen Ziele.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Conradi [SPD]: Ein sogenannter Demokrat spricht hier!)

    Ein bedingungsloser Waffenstillstand würde es dem irakischen Diktator nur erlauben, neue militärische Kraft zu schöpfen. Dies liegt nicht in unserem Interesse. Wir können doch keine Politik betreiben nach dem Motto: Stoppt den Golfkrieg; freie Hand für Saddam Hussein!
    Wer heute auf Äquidistanz zum Irak und zu den Alliierten gehen will, der gerät in die Gefahr einer weltweiten Selbstisolierung. Schon heute befinden sich die deutschen Sozialdemokraten in der Sozialistischen Internationale in der Rolle eines alleinstehenden Außenseiters. Der Schlüssel zum Frieden am Golf
    liegt einzig bei Saddam Hussein, der seine Besatzungstruppen aus Kuwait abziehen muß.

    (Conradi [SPD]: Das ist doch euer Lieblingsdiktator!)

    Meine Damen und Herren, wir sind uns sicher alle einig in den Bemühungen, alle noch vorhandenen Möglichkeiten zur Verschärfung der Kontrolle von Waffenexporten auszuschöpfen. Daß bei der Bekämpfung nicht genehmigter, illegaler Exporte die bloße Verschärfung von Strafrechtsbestimmungen erfolgversprechend ist, wage ich zu bezweifeln. Es spricht auch nicht für die Glaubwürdigkeit, wenn jahrelang über die COCOM-Liste in der Art und Weise diskutiert und strittig debattiert wurde, wie es hier ja auch immer wieder von der SPD erfolgt ist.

    (Duve [SPD]: Das ist ja ein tolles Argument, ein unverschämtes Argument in diesem Zusammenhang!)

    Deutschland hat durch die friedliche Wiedervereinigung, durch die Hilfe für die ehemaligen RGW- Staaten und die Finanzierung des sowjetischen Truppenabzugs aus Mitteleuropa entscheidend zur Beendigung des Kalten Krieges beigetragen. Über unser unmittelbares nationales Interesse hinaus haben wir insgesamt an direkten und indirekten Leistungen 37 Milliarden DM für die Staaten des ehemaligen Ostblocks bereitgestellt. Fast die Hälfte des westlichen finanziellen Engagements in unseren östlichen Nachbarstaaten entfällt auf Deutschland.
    Meine Damen und Herren, ein Rückfall der Sowjetunion in die Politik der Konfrontation würde uns und die Sowjetunion teuer zu stehen kommen. Es ist viel wichtiger, die vernünftige wirtschaftliche Kooperation fortzusetzen.
    Aber wir dürfen gegenüber Moskau auch keine Zweifel an unserer entschiedenen Verurteilung der Militäraktion im Baltikum lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Diese Aktion ist ein Schlag gegen das neue Denken und den Frieden in Europa. Man kann nicht eine freie Marktwirtschaft und ein marktwirtschaftliches System aufbauen wollen, ohne daß dem freiheitliche Demokratie, Willensbildung und Pluralismus gleichzeitig folgen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

    An der Einhaltung unserer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Sowjetunion darf es keinen Zweifel geben. Die weiteren Hilfen der Europäischen Gemeinschaft zur Unterstützung der Wirtschaftsreformen in der UdSSR müssen allerdings den Vorgängen in Litauen und Lettland auf geeignete Weise Rechnung tragen. Das haben der EG-Ministerrat und die übrigen Räte ebenfalls zum Ausdruck gebracht.
    Auch nach Anerkennung der polnischen Westgrenze tragen wir, meine Damen und Herren, Verantwortung für unsere Landsleute jenseits von Oder und Neiße. Ein deutsch-polnischer Grundlagenvertrag muß deshalb umfassende Volksgruppen- und Min-



    Bundesminister Dr. Waigel
    derheitenrechte für die Deutschen in Polen enthalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, das große Engagement Deutschlands im östlichen Teil Europas findet auch international zunehmende Anerkennung, zuletzt beim Treffen der Finanzminister und Notenbankpräsidenten der größten Industrienationen in New York und in der letzten Woche beim Rat der Finanzminister in Brüssel. Wir haben einen ganz wichtigen Beitrag zum weltweiten wirtschaftlichen Wachstum erbracht. Wir sind Wachstumsexporteur. Wir bauen unsere Überschüsse ab. Wenn andere Partner in Europa in diesem Zeitraum ihre Exporte uns gegenüber erhöhen, z. B. Spanien um 310/e, Italien um 16 %, Frankreich um 14 %, andere um über 20 %, dann tritt genau das ein, was unsere Partner immer von uns gefordert haben. Wir schaffen damit auch zusätzliches Wachstum, zusätzliche Produktion und zusätzliche Arbeitsplätze bei unseren Handelspartnern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir sind uns mit unserer Haushaltspolitik der Verantwortung für die internationale Zinsentwicklung bewußt. Nur, meine Damen und Herren, die weltweit hohe Nachfrage nach Kapital, auch in vielen Ländern mit einem geringeren Sparaufkommen, ist keine Konsequenz der deutschen Wiedervereinigung. Im Gegensatz zu den meisten anderen bedeutenden Industrieländern deckt die Bundesrepublik Deutschland auch nach der Vereinigung nicht nur ihren Kapitalbedarf vollständig aus eigener Ersparnis, wir leisten darüber hinaus immer noch erhebliche Beiträge, im letzten Jahr rund 70 Milliarden DM, zur Finanzierung von Wachstum und Investitionen in anderen Ländern.
    Das ausgewogene „policy mix" zwischen Geld- und Finanzpolitik in Deutschland ist nicht in Gefahr. Die Verpflichtung der Bundesbank zur Stabilitätssicherung wird durch die Finanzpolitik der Bundesregierung nicht in Frage gestellt. Die vorübergehend höhere Kreditaufnahme der öffentlichen Haushalte in diesem Jahr ist kein Anzeichen struktureller Schwäche oder ungezügelten Ausgabenwachstums. Im Gegenteil: Wir haben den Ausgabenpfad für die kommenden Jahre im Bundeshaushalt auf nur 2 % jährlich festgeschrieben. Wir bleiben bei dem Eckwertebeschluß, den wir bereits vor den Wahlen dem deutschen Volk mitgeteilt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Neben dem Beitrag, der die Arbeitnehmer und Betriebe trifft, muß es auch zu einem Solidarbeitrag aller anderen, die nicht unter die Bemessungsgrenze fallen, im Rahmen der Tarifverträge, aber auch im Rahmen des Subventionsabbaus kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diesem zumutbaren und begrenzten Opfer stehen Verbesserungen gegenüber: Vorrang für die Familie , Familienlastenausgleich, Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub, ein tragfähiger Mietrechtskompromiß, auf den wir stolz sind, Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft,

    (Zuruf von der SPD: Kapituliert habt ihr!)

    Verzahnung mit der Umweltpolitik, wichtige Fortschritte in der Rechts- und Innenpolitik, eine Steuerpolitik für Wachstum und Beschäftigung und eine Steuerentlastung der Betriebe und Arbeitsplätze in dieser Legislaturperiode mit der Gegenfinanzierung, die wir ebenfalls in Gang setzen werden. Das alles ist ein konkludentes, in sich geschlossenes Programm für diese Legislaturperiode, das an die großen steuerpolitischen Leistungen und Erfolge anknüpft, die in der letzten Legislaturperiode erreicht worden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wir haben vom Wähler den Auftrag erhalten, ein einiges Deutschland zu schaffen. Wir werden darüber hinaus die Position unseres freien Vaterlandes in einem zusammenwachsenden Europa und in der Welt neu bestimmen. Wir haben zusätzlichen Gestaltungsspielraum im nationalen wie im internationalen Bereich gewonnen. Zugleich tragen wir zusätzliche Verantwortung in der internationalen Gemeinschaft der Völker. Wir wollen und können die Erfahrungen der Geschichte, vor allem die Verantwortung für die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs, nicht zu den Akten legen. Aber niemand in der Welt würde verstehen, wenn wir unsere Vergangenheit als Grund für eine Sonderrolle Deutschlands in der internationalen Völkergemeinschaft anführten. Deutschland ist keine Großmacht. Aber wir gehören zu den führenden Ländern eines Europas, das zunehmend Verantwortung auf der Weltbühne übernehmen muß. Vom französischen Dichter Molière stammen die Worte:
    Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE sowie bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    — Ich bedanke mich für den Beifall, der nur ein Vorschuß für den Endbeifall ist, den ich dann von Ihnen ebenfalls erwarte.
    In diesen Wochen und Monaten entscheidet sich, welche Rolle Deutschland in der Welt spielen wird und welches Ansehen es gewinnen kann. Wir werden nicht straucheln, sondern unseren Platz in der solidarischen Gemeinschaft der freien, demokratischen und friedliebenden Völker einnehmen.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selten ist eine wiedergewählte Bundesregierung so schnell nach der Wahl vom Alltag eingeholt worden wie die jetzige. Das ist nicht allein die Sicht der Opposition, sondern das allgemeine Urteil, wie einige Zitate aus großen Zeitungen zeigen. „Der Fehlstart" schreibt die „FAZ". „Koalition ohne Konzept" schreibt die „Frankfurter Rundschau", „Steuerschnickschnack" die „Süddeutsche", „Fal-



    Frau Matthäus-Maier
    sche Signale" die „Welt". „Ein kläglicher Neubeginn" , so schreibt die „Zeit".

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: „Regierung ohne Opposition"!)

    Besonders bedrückend war es, mitzuerleben, wie die Bundesregierung nur eine Woche nach der Bundestagswahl ganz ungeniert daran ging, ihre Versprechen von vor der Wahl zu brechen. Dafür nur drei Beispiele.
    Erstens. Wir haben noch im Ohr, wie die Redner von Union und FDP versichert haben, man wolle sparen; Steuererhöhungen werde es nicht geben, jedenfalls nicht für die deutsche Einheit. Schon unmittelbar nach der Wahl wollte die Koalition von ihrem Versprechen nichts mehr wissen. Da wurde in der Art von Winkeladvokaten zwischen Steuererhöhungen, gegen die man sei, und Abgabenerhöhungen, die man nicht ausgeschlossen habe, feinsinnig unterschieden. Statt zu sparen, begann eine fieberhafte Suche nach Einnahmeerhöhungen. Erst sollten es die Autobahngebühren sein. Dann entschied man sich für die Anhebung der Telefongebühren um 2 Milliarden DM im Jahr. In Wahrheit ist das nichts anderes als eine Telefonsteuer, da dieser höheren Belastung des Bürgers keine zusätzlichen Leistungen der Post gegenüberstehen.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE)

    Deshalb gehört diese neue Telefonsteuer in das Kapitel Steuerlüge, vor der viele, auch aus Ihren eigenen Reihen, Sie vor der Wahl gewarnt haben. Meine Damen und Herren, diese Telefonsteuer trifft ganz besonders die kleinen Leute, die Schwachen, die Behinderten und die Rentner. Sie ist ungerecht. Mit uns Sozialdemokraten wird es diese Verteuerung des Telefonierens nicht geben.

    (Beifall bei der SPD)

    Zweites Beispiel: die Anhebung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Als im Oktober hier im Bundestag der Verdacht geäußert wurde, Sie wollten diese Beiträge um zwei Punkte anheben — —

    (Unruhe)