Rede:
ID1200602000

insert_comment

Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 12006

  • date_rangeDatum: 31. Januar 1991

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:29 Uhr

  • fingerprintRedner ID: Nicht erkannt

  • perm_identityRednertyp: Präsident

  • short_textOriginal String: Vizepräsident Klein: info_outline

  • record_voice_overUnterbrechungen/Zurufe: 0

  • subjectLänge: 8 Wörter
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter: 1
    3. Dr.: 1
    4. Modrow,: 1
    5. gestatten: 1
    6. Sie: 1
    7. eine: 1
    8. Zwischenfrage?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 95 A Rücknahme eines in der 5. Sitzung erteilten Ordnungsrufs 95 B Tagesordnungspunkt 1: Aussprache zur Erklärung der Bundesregierung Dr. Vogel SPD 95 B Dr. Dregger CDU/CSU 107 B Dr. Schmude SPD 112C Dr. Solms FDP 113 B Conradi SPD 116D Dr. Modrow PDS/Linke Liste 118B Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE . . . 121D Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 124 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . 126B, 168C Frau Matthäus-Maier SPD . . . . 129D, 154B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 133B, C Genscher, Bundesminister AA 136B Gansel SPD 139C, 162C Dr. Graf Lambsdorff FDP 169A, 174B Dr. Biedenkopf, Ministerpräsident des Landes Sachsen 145 B Kühbacher, Minister des Landes Brandenburg 148B, 171C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 150D Dr. Kohl, Bundeskanzler 152 C Dr. Krause (Börgerende) CDU/CSU 154A, 174B Möllemann, Bundesminister BMWi . . . 154 C Dr. Jens SPD 156C Gansel SPD 157B Rühe CDU/CSU 158D Genscher FDP 163A Möllemann FDP 163B, 166D Frau Lederer PDS/Linke Liste 163 C Roth SPD 165C, 169B Dr. Krause, Bundesminister BMV . . . 169B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . 172A, 177A Glos CDU/CSU 174C, 177B Walther SPD 176A, 180D Roth SPD 176D Dr. Briefs PDS/Linke Liste 177 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 178D Nitsch CDU/CSU 181 B Dr. Seifert PDS/Linke Liste 183 C Schäfer (Offenburg) SPD 184B Gibtner CDU/CSU 187B Baum FDP 188D Frau Braband PDS/Linke Liste 190D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 191B Schäfer (Offenburg) SPD 193A Dr. Feige Bündnis 90/GRÜNE 193D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 195C Dreßler SPD 198B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Cronenberg (Arnsberg) FDP 204 B Dreßler SPD 204C, 209A, 220C Dr. Schumann (Kroppenstedt) PDS/Linke Liste 206 C Frau Rönsch, Bundesminister BMFS . . 207 B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . . . 208A, B Frau von Renesse SPD 208B, C Schwarz CDU/CSU 209 D Frau Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . . 210C Frau Dr. Merkel CDU/CSU 212 C Frau Dr. Höll PDS/Linke Liste 213A Frau Bläss PDS/Linke Liste 213A Frau Becker-Inglau SPD 214B Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Bundesminister BMBau 217B Reschke SPD 218B Conradi SPD 219A Scharrenbroich CDU/CSU 219D Dr. Ortleb, Bundesminister BMBW . . . 222D Kuhlwein SPD 223 C Nächste Sitzung 224 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 225* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 95 6. Sitzung Bonn, den 31. Januar 1991 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Antretter SPD 31. 01. 91 * Bindig SPD 31. 01. 91 * Frau Blunck SPD 31. 01. 91 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Brudlewsky CDU/CSU 31. 01. 91 Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 31. 01. 91 * Buwitt CDU/CSU 31.01.91 Erler SPD 31.01.91 Frau Eymer CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Feldmann FDP 31. 01. 91 * Frau Fischer (Unna) CDU/CSU 31. 01. 91 * Francke (Hamburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Gattermann FDP 31.01.91 Dr. Gysi PDS 31. 01. 91 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Holtz SPD 31. 01. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Kittelmann CDU/CSU 31. 01. 91 * Klinkert CDU/CSU 31.01.91 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Matschie SPD 31.01.91 Dr. Müller CDU/CSU 31. 01. 91 * Dr. Neuling CDU/CSU 31. 01. 91 Pfuhl SPD 31.01.91 Reddemann CDU/CSU 31. 01. 91 * Repnik CDU/CSU 31.01.91 Dr. Schäuble CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Scheer SPD 31. 01. 91 * Schmidbauer CDU/CSU 31.01.91 von Schmude CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Simm SPD 31. 01. 91 Dr. Soell SPD 31. 01. 91 * Dr. Sperling SPD 31. 01. 91 Spilker CDU/CSU 31.01.91 Steiner SPD 31. 01. 91 * Frau Wieczorek-Zeul SPD 31. 01. 91 Frau Wollenberger Bündnis 31. 01. 91 90/GRÜNE Wonneberger CDU/CSU 31.01.91 Zierer CDU/CSU 31. 01. 91 *
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Modrow


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS/LL)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Debatte findet in einer Zeit statt, in der die Menschheit durch den Krieg am Golf an den Rand eines vernichtenden Weltbrandes gestoßen wird. Aber es ist auch an der Zeit, auf die Bedrohung des inneren Friedens zu achten. Im Osten Deutschlands wird die Wirtschaft zerstört, werden Millionen Bürgerinnen und Bürger ihrer sozialen Existenzgrundlage beraubt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Von wem? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    Im Westen unseres Landes werden die sozialen und finanziellen Folgen der Anschlußpolitik von Woche zu Woche deutlicher.

    (Büttner [Garbsen] [CDU/CSU]: Brandstifter! )

    In einer solchen Zeit ist die Regierung in besonderem Maße verpflichtet, für den äußeren und inneren Frieden unseres Landes zu wirken. Dieser hohen Verpflichtung wird die Regierungserklärung leider nicht gerecht.
    Nach der Herausbildung einer Zweidrittelgesellschaft in den alten Bundesländern ist die Politik der Bundesregierung auf dem besten Wege, in den ostdeutschen Bundesländern sogar eine Eindrittelgesellschaft zu Ungunsten von zwei Dritteln der Bevölkerung zustande zu bringen, was natürlich seine negativen Rückwirkungen auf die anderen Bundesländer hätte.
    Die „Frankfurter Allgemeine" überschreibt am 17. Januar ihren Leitartikel zur Entwicklung in den ostdeutschen Ländern mit folgenden Worten: „Auf langer Talfahrt" und stellt fest:
    Die Stimmung ist gedrückt, der große Geldstrom nach der Währungsunion verebbt, Produktion und Beschäftigung sinken weiter, die Zukunft besteht vorwiegend aus Verheißungen, deren Realitätsgehalt schwer zu prüfen ist.
    Meine Damen und Herren, wenn die PDS im Bundestagswahlkampf so etwas gesagt hat, beschuldigten Sie uns stets der Schwarzmalerei.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie können nur rotmalen!)

    Aber wie man sieht: Nach den Wahlen dürfen auch diejenigen, die den Regierungsparteien nahestehen, die Realitäten zur Kenntnis nehmen.

    (Breuer [CDU/CSU]: Sie sind die Täter!)

    Nun haben Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, für diese Misere immer eine sehr einfache Erklärung zur Hand:

    (Zuruf von der CDU/CSU: Modrow!) die vierzigjährige Kommandowirtschaft.


    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

    Diese Formel kennzeichnet schon eine wesentliche Ursache. Aber sie gibt keine Antwort darauf, warum es nicht gelungen ist, in den ostdeutschen Ländern den für die Zeit nach der Währungsunion versprochenen, dann für die Zeit nach dem Beitritt zur BRD zugesicherten und schließlich aber ganz bestimmt für die Zeit nach den Bundestagswahlen vorausgesagten Wirtschaftsaufschwung zustande zu bringen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Da muß man doch die Frage stellen — sie muß erlaubt sein — , ob das bewußt falsche Versprechungen waren oder ob die Regierung diesen Aufschwung nicht zustande bringen konnte.
    Wenn man immer davon spricht, man habe den Wunsch, die Weichen richtig zu stellen, muß ich Sie fragen: Wer hat denn bisher überhaupt die Strecke dafür gelegt?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dr. Modrow, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Modrow


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS/LL)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS/LL)

    Nein. Da auch der PDS vorhin Zwischenfragen abgewiesen wurden, werden wir es gleichermaßen so halten.
    Realität ist jedenfalls, daß trotz Boom im Westen des Landes die Talfahrt im Osten weitergeht. Das sind zwei Seiten einer Medaille. Man kann sich schwer des Eindrucks erwehren, daß dahinter Absicht steht. Die einen verdienen, die anderen verlieren.

    (Dr. Jobst [CDU/CSU]: So war es früher bei euch!)

    Alles, was aus der ehemaligen DDR stammt, ob schlecht oder gut, alles, was an sie erinnert, soll gründlich beseitigt werden. Kurz und leider nicht gut: Die Regierungserklärung ist ein Programm der För-



    Dr. Modrow
    derung der Reichen, deren Interessen diese Koalition vertritt — der letzte Redner hat es noch einmal bestätigt — , und sie ist, was die Außenpolitik angeht, auch das Programm einer so gut wie nicht veränderten NATO, mit deren Hilfe eine besondere Rolle des vereinigten Deutschlands in Europa angestrebt wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

    Mit der Vereinigung ist Deutschland objektiv zu einer Großmacht geworden. Welche Chance für unser Volk und die Weltgemeinschaft, wenn sich dieses größere Deutschland zu einer aktiven Neutralitäts- und Friedenspolitik bekannt hätte! Doch wie wurde diese Chance vertan! Nichts zeigt dies deutlicher als die Haltung der Bundesregierung zum Golfkrieg. Sie hat diesen Krieg zwar ohne Zweifel offiziell bedauert, was sie aber nicht davon abhält, ihn mitzufinanzieren, deutsche Soldaten und Kriegsgerät in die Türkei zu schicken. Dabei war doch absehbar, daß die USA den sogenannten Bündnisfall für das NATO-Mitglied Türkei selbst auslösen und damit Deutschland unmittelbar in den Konflikt hineinziehen könnten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nehmen Sie die UNO ernst?)

    Mit alledem wird die Gefahr eines dritten Weltkrieges immer mehr heraufbeschworen. Die UNO hat keine Pflicht, sondern die Möglichkeit zu diesem Einsatz erklärt.
    Wir bekräftigen unsere Verurteilung der Aggression des Irak und fordern:
    Erstens. Die Bundesrepublik Deutschland scheidet sofort aus der Golfkriegskoalition aus.

    (Beifall bei bei der PDS/Linke Liste)

    Sie setzt sich für die unverzügliche Beendigung der Kampfhandlungen, den Abzug der Interventionstruppen und die Einberufung einer Nahost-Friedenskonferenz ein.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)

    Zweitens. Deutsche Soldaten und Waffen werden sofort aus der Türkei und dem gesamten Konfliktgebiet zurückgezogen.
    Drittens. Waffenexporte deutscher Rüstungsfirmen werden verboten und wirksam unterbunden. Die rechtswidrigen Waffenlieferungen werden geahndet.

    (Zuruf von der SPD: Stasi!)

    Viertens. Jede Unterstützung für den Golfkrieg, ob mit Geld, Waffen, Munition oder Logistik, wird sofort eingestellt.
    Fünftens. Es werden rechtliche Regelungen geschaffen, die für alle Zukunft den Einsatz deutscher Streitkräfte außerhalb des Hoheitsgebietes der DDR

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    — der BRD ausschließen. — Die DDR ist darin mit einbezogen, aber leider bisher immer noch nicht genügend konsequent.

    (Kraus [CDU/CSU]: Früher war das anders! 1968! — Zuruf von der FDP: Der alte Geist!)

    Es darf insbesondere keine Änderung des Grundgesetzes geben, die einen solchen Einsatz zulassen würde.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Tschechoslowakei!)

    Sechstens. Verabschiedung eines konkreten Abrüstungsprogramms durch den Deutschen Bundestag, das die Abschaffung der Wehrpflicht einschließt.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste)

    Meine Damen und Herren von der Koalition, wir hörten heute wiederum: Ein Glück, daß die Vereinigung so schnell gekommen ist. Bei der jetzigen Krisenlage der Sowjetunion hätten wir sie nicht bekommen. — Daran ist nur eines richtig, daß nämlich die Sowjetunion die Vereinigung vorbehaltlos toleriert hat.
    Ich hatte Gelegenheit, darüber am 30. Januar — wohlgemerkt, am 30. Januar! — mit Michail Sergejewitsch Gorbatschow eine sehr gründliche Aussprache zu führen; alle Grundprobleme, die auf diesem Gebiet lagen, sind zwischen uns zu diesem Zeitpunkt beraten worden. Am 1. Februar 1990 habe ich dazu meine Positionen erklärt.

    (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    Aber was haben die Deutschen aus dem gemacht, was im Kaukasus vereinbart worden ist?

    (Zurufe von der CDU/CSU und FDP)

    Wäre nicht die Situation von Präsident Gorbatschow, dessen Perestroika die Bundesregierung angeblich so inständig unterstützt, und deren Erfolg gewünscht wird, besser, wenn die vereinbarten Vertragsbeziehungen von der Bundesregierung zielstrebiger ausgestaltet würden? Auch notwendige Kritik am Baltikum gehört dazu.
    Aber das ändert nichts an pharisäerhaften Eindrükken, die hervorgerufen werden,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    wenn man den Kopf über den so gewandelten Gorbatschow schüttelt und philosophiert, aber die vereinbarten wirtschaftlichen Beziehungen nur sehr langsam vorankommen, was übrigens Hunderttausenden in den östlichen Ländern den Arbeitsplatz kostet. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag ist im Obersten Sowjet noch nicht verhandelt worden. Wir sollten dagegen keine falschen Zeichen und Herausforderungen setzen.
    Das deutsch-sowjetische Verhältnis wird künftig daran gemessen werden, wie der Partnerschaftsvertrag mit seinen Nichtangriffsverpflichtungen erfüllt und in den Dienst des europäischen Friedens gestellt wird.
    Meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion hat dem Einigungsvertrag in der Volkskammer ihre Zustimmung verweigert, vor allem weil er den ökonomischen und sozialen Niedergang in Ostdeutschland vorprogrammiert hat.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)




    Dr. Modrow
    Jetzt stehen wir vor der Notwendigkeit, selbst die minimalen Möglichkeiten dieses Vertrages einzuklagen, der immer mehr ausgehöhlt werden soll.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wo bleiben z. B. die in Art. 28 dieses Vertrages beschworenen konkreten Maßnahmenprogramme zur Beschleunigung des wirtschaftlichen Wachstums und des Strukturwandels für die neuen Bundesländer? Tatsache ist, daß fast drei Millionen um eine sinnvolle Tätigkeit gebracht wurden

    (Dr. Jobst [CDU/CSU]: Meinen Sie Stasi-Tätigkeit? — Kraus [CDU/CSU]: Genauer bitte!)

    und soziale Ängste sie belasten. Für das laufende Jahr geht es allein in den neuen Bundesländern um rund 50 Milliarden DM, die für die Finanzierung der Arbeitslosigkeit eingesetzt werden müssen oder als Steuereinnahmen wegen fehlender Erwerbstätigkeit ausfallen. Wenn weiterhin vorwiegend Arbeitslosigkeit finanziert wird, geht das auch zu Lasten der Steuerzahler in den alten Bundesländern. Drastisch zeigt sich, daß die ungelösten Wirtschaftsprobleme in den neuen Bundesländern auch auf die Lohnabhängigen im Westteil unseres Landes zurückschlagen.
    Während in der Koalitionsvereinbarung nur eine bescheidene Umlenkung von Investitionen in die neuen Bundesländer vorgesehen ist, wird der Treuhandanstalt eine klare Aufgabe gestellt, nämlich die Privatisierung so rasch und so weit wie möglich voranzutreiben. Zu diesem Konzept gehört, die ganze ostdeutsche Wirtschaft marode zu reden und die Filetstücke möglichst zum Nulltarif westdeutschen Unternehmern zu übergeben.

    (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Zuruf von der CDU/CSU: Ihr habt sie marode gemacht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Erst wenn die Betriebe übernommen sind, hört man plötzlich von den neuen Besitzern: Die technische Ausrüstung ist gar nicht so schlecht; Gewinne kann man damit ganz gut machen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Von welchen Betrieben reden Sie? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Anstatt die bestehenden Betriebe bei der Strukturanpassung zu unterstützen, werden viele durch Verweigerung von Entschuldung und Exportförderung zu Produktionsstillegungen und in den Konkurs getrieben.
    Auch die Träume von über 500 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen noch 1990 im Mittelstand sind vom Winde verweht. Analoges vollzieht sich im Bereich von Wissenschaft, Bildung, Kultur und Gesundheitswesen der ehemaligen DDR. Was hier unter dem Stichwort „Abwicklung" läuft, spricht allen Ansprüchen der Grundordnung der BRD auf Freiheit, Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Hohn.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr Vorschlag auch!)

    Die DDR hatte vom November 1989 bis Oktober 1990 zwei Ministerpräsidenten. Auch sie sollen wohl
    abgewickelt werden. Was mich anlangt, so galt ich vor der Wende als Reformer. Mancher Politiker der BRD wollte mich darin in vielfachen Gesprächen bestärken. In meiner Amtszeit als Ministerpräsident waren solche Gespräche von nationaler Verantwortung getragen. Wer das vergessen machen will, muß es mit sich selbst austragen.
    Ich sage es ohne Wertung: Auch manche der hier anwesenden und andere Politiker der BRD sollten nicht verdrängen, daß es für sie im vergangenen Jahrzehnt wichtig war, vom langjährigen ersten Mann der DDR empfangen zu werden, lange und intensive Gespräche mit ihm zu führen,

    (Lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Jetzt hört ihm doch mal zu!)

    was mir — das muß ich sagen — nicht zuteil wurde.
    Zu Toleranz, Achtung und Vertrauen fordert uns der Bundespräsident bei der Vereinigung der beiden deutschen Staaten auf. Wir sollten eines nicht überhören und nicht vergessen: Es gibt nur einen Weg zum inneren Frieden:

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wo das Recht zur Anwendung kommen muß, soll das geschehen. Andersdenkende sollen sich gegenseitig ertragen und tolerieren. Ich muß das mit vielen von Ihnen auch.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Machen Sie sich deshalb dieses Prinzip auch zu eigen. Damit könnte der Bundestag in dieser Frage im Lande hunderttausendfach ein Beispiel geben.
    Meine Damen und Herren, bereits bei der Beratung des Einigungsvertrages hatte die PDS nachdrücklich erklärt, daß die vorgesehenen Finanzausstattungen der Länder und Kommunen Ostdeutschlands völlig unzureichend sind. Das Leben hat es bestätigt. Die Finanzlage in den neuen deutschen Ländern hat sich dramatisch zugespitzt. Das bestätigt auch Ministerpräsident Stolpe mit der Feststellung, daß die für das erste Quartal 1991 bereitgestellten Mittel nur bis Ende Februar reichen werden. Wir erinnern uns sehr wohl daran, wie Finanzminister Waigel den ehemaligen SPD-Finanzminister Romberg der DDR abkanzelte, als dieser forderte, das gesamte Steueraufkommen auf dem Gebiet Ostdeutschlands diesen Ländern bis 1994 zu belassen. Heute stehen die Länder vor fast unlösbaren Problemen.
    Nach den Festlegungen des Einigungsvertrags sollten die Mieten in den neuen Bundesländern nur unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung erhöht werden. Nun sollen sie noch in diesem Jahr rigoros bis auf das Dreifache erhöht werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wohngeld!)

    Sieht man noch die rapide Erhöhung der Energiepreise, der Verkehrstarife und anderer Gebühren, dann wird immer offensichtlicher: Die Gewinne der Einheit Deutschlands werden privatisiert, und ihre



    Dr. Modrow
    Kosten werden auf die Bevölkerung abgewälzt. Der innere Frieden wird damit auf das höchste belastet.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sie sind ein Fossil! — Gebt die PDS-Millionen heraus!)

    Den deutschen Steuerzahlern und den Menschen in der ehemaligen DDR wäre viel erspart geblieben, Herr Bundeskanzler, wenn der Solidarbeitrag zur Ankurbelung der ostdeutschen Wirtschaft zustande gekommen wäre. Ich hoffe, Sie erinnern sich an unsere Willenserklärung von Dresden. Von Schritt- und Augenmaß war damals noch die Rede. Der überstürzte Anschluß fordert nun einen immens hohen Preis.
    Jetzt wird sichtbar, daß die damaligen Argumente, daß man sehr schnell handeln müsse, um den Massenexodus aus der DDR stoppen zu können, auch nur die halbe Wahrheit waren. Die Tatsachen haben dies eindeutig widerlegt. Von Januar bis Ende Oktober 1990 sind 255 000 Menschen in die Altbundesländer übergesiedelt, davon allein 73 000 nach der Währungsunion. Wir alle wissen: Dieser Strom hält weiter an.
    Mit Sorge sehen wir, daß nicht nur der Einigungsvertrag ausgehöhlt, sondern auch am Zwei-plus-VierVertrag gerüttelt wird, nunmehr auch an den unwiderruflich festgeschriebenen Enteignungen auf besatzungsrechtlicher Grundlage der Jahre 1945 bis 1949. Die PDS fordert im Interesse der ohnehin in ihrer Existenz bedrohten ostdeutschen Bäuerinnen und Bauern

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr habt Ihnen die Existenz genommen!)