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ID1200601200

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    Plenarprotokoll 12/6 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 95 A Rücknahme eines in der 5. Sitzung erteilten Ordnungsrufs 95 B Tagesordnungspunkt 1: Aussprache zur Erklärung der Bundesregierung Dr. Vogel SPD 95 B Dr. Dregger CDU/CSU 107 B Dr. Schmude SPD 112C Dr. Solms FDP 113 B Conradi SPD 116D Dr. Modrow PDS/Linke Liste 118B Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE . . . 121D Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 124 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . 126B, 168C Frau Matthäus-Maier SPD . . . . 129D, 154B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 133B, C Genscher, Bundesminister AA 136B Gansel SPD 139C, 162C Dr. Graf Lambsdorff FDP 169A, 174B Dr. Biedenkopf, Ministerpräsident des Landes Sachsen 145 B Kühbacher, Minister des Landes Brandenburg 148B, 171C Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 150D Dr. Kohl, Bundeskanzler 152 C Dr. Krause (Börgerende) CDU/CSU 154A, 174B Möllemann, Bundesminister BMWi . . . 154 C Dr. Jens SPD 156C Gansel SPD 157B Rühe CDU/CSU 158D Genscher FDP 163A Möllemann FDP 163B, 166D Frau Lederer PDS/Linke Liste 163 C Roth SPD 165C, 169B Dr. Krause, Bundesminister BMV . . . 169B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . 172A, 177A Glos CDU/CSU 174C, 177B Walther SPD 176A, 180D Roth SPD 176D Dr. Briefs PDS/Linke Liste 177 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 178D Nitsch CDU/CSU 181 B Dr. Seifert PDS/Linke Liste 183 C Schäfer (Offenburg) SPD 184B Gibtner CDU/CSU 187B Baum FDP 188D Frau Braband PDS/Linke Liste 190D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 191B Schäfer (Offenburg) SPD 193A Dr. Feige Bündnis 90/GRÜNE 193D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 195C Dreßler SPD 198B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 Cronenberg (Arnsberg) FDP 204 B Dreßler SPD 204C, 209A, 220C Dr. Schumann (Kroppenstedt) PDS/Linke Liste 206 C Frau Rönsch, Bundesminister BMFS . . 207 B Dr. Ullmann Bündnis 90/GRÜNE . . . 208A, B Frau von Renesse SPD 208B, C Schwarz CDU/CSU 209 D Frau Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . . 210C Frau Dr. Merkel CDU/CSU 212 C Frau Dr. Höll PDS/Linke Liste 213A Frau Bläss PDS/Linke Liste 213A Frau Becker-Inglau SPD 214B Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Bundesminister BMBau 217B Reschke SPD 218B Conradi SPD 219A Scharrenbroich CDU/CSU 219D Dr. Ortleb, Bundesminister BMBW . . . 222D Kuhlwein SPD 223 C Nächste Sitzung 224 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 225* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. Januar 1991 95 6. Sitzung Bonn, den 31. Januar 1991 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Antretter SPD 31. 01. 91 * Bindig SPD 31. 01. 91 * Frau Blunck SPD 31. 01. 91 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Brudlewsky CDU/CSU 31. 01. 91 Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 31. 01. 91 * Buwitt CDU/CSU 31.01.91 Erler SPD 31.01.91 Frau Eymer CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Feldmann FDP 31. 01. 91 * Frau Fischer (Unna) CDU/CSU 31. 01. 91 * Francke (Hamburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Gattermann FDP 31.01.91 Dr. Gysi PDS 31. 01. 91 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Holtz SPD 31. 01. 91 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Kittelmann CDU/CSU 31. 01. 91 * Klinkert CDU/CSU 31.01.91 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 31. 01. 91 Matschie SPD 31.01.91 Dr. Müller CDU/CSU 31. 01. 91 * Dr. Neuling CDU/CSU 31. 01. 91 Pfuhl SPD 31.01.91 Reddemann CDU/CSU 31. 01. 91 * Repnik CDU/CSU 31.01.91 Dr. Schäuble CDU/CSU 31. 01. 91 Dr. Scheer SPD 31. 01. 91 * Schmidbauer CDU/CSU 31.01.91 von Schmude CDU/CSU 31. 01. 91 * Frau Simm SPD 31. 01. 91 Dr. Soell SPD 31. 01. 91 * Dr. Sperling SPD 31. 01. 91 Spilker CDU/CSU 31.01.91 Steiner SPD 31. 01. 91 * Frau Wieczorek-Zeul SPD 31. 01. 91 Frau Wollenberger Bündnis 31. 01. 91 90/GRÜNE Wonneberger CDU/CSU 31.01.91 Zierer CDU/CSU 31. 01. 91 *
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    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, jetzt nicht mehr. — Wir wissen, daß der Krieg den Aggressor nur in die Schranken weisen, nicht aber die Probleme der Golfregion und des Nahen Ostens lösen kann. Das muß nach Beendigung der Kampfhandlungen tatkräftig angepackt werden.
    Zur Abwehr der Aggression in Kuwait und zum Aufbau einer gerechten Friedensordnung im Nahen Osten, die allen Menschen und Völkern dieser Region ihre freie Existenz sichert, im Rahmen unserer Möglichkeiten beizutragen, dazu sind wir, die CDU/CSUBundestagsfraktion bereit, auch wenn uns diese Beiträge noch mehr als bisher in Anspruch nehmen. Denn es geht in der Tat um den Frieden, um den Frieden in Freiheit: für die Golfregion, für uns und für die Welt.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU — Beifall bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Solms.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Otto Solms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte, die sich eigentlich mit den Aufgaben für die nächsten vier Jahre befassen soll, wird zu unserem großen Bedauern vom Krieg am Golf und von den Entwicklungen im Baltikum sowie darüber hinaus in der ganzen Sowjetunion überschattet.
    Die Opposition wirft uns und unseren Verbündeten vor — Herr Vogel hat das anklingen lassen — , daß die Möglichkeiten der Verhandlungen und der Diplomatie nicht ausreichend genutzt worden seien. In Wahrheit — das ist unsere Überzeugung — sind alle Möglichkeiten der Verhandlungen, alle Möglichkeiten der diplomatischen Initiativen bis zur letzten Minute eingesetzt worden, um die kriegerische Auseinandersetzung zu verhindern.
    Heute muß man feststellen: Der irakische Diktator Saddam Hussein wollte den Krieg. Er war durch nichts zu bewegen, seine Kriegsbeute vom 2. August letzten Jahres wieder herauszurücken;

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    denn begonnen hat dieser Krieg schon mit dem Eingreifen und Einrücken der irakischen Kräfte in Kuwait.
    Ich glaube, in dieser Frage doch nationaler Tragweite könnte man von der großen Oppositionspartei, der SPD, eindeutige — nicht mehrdeutige — Erklärungen zu dem Handeln der Alliierten und zu dem Verhalten der Bundesrepublik Deutschland erwarten.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es stimmt mich traurig, daß dieses eindeutige Verhalten, wie es sozialistische Oppositionsparteien in anderen europäischen Länder zeigen, hier nicht herzustellen ist. Ich glaube, es ist kein Zeichen von Regierungsfähigkeit, wenn man nicht auch die Verantwortung in teils unpopulären Fragen übernimmt, Position zu beziehen.
    Das erinnert mich an 1982. Wenn die SPD damals den NATO-Nachrüstungsbeschluß bestätigt hätte und wenn sie die Wende in der Finanzpolitik mitgetragen hätte, hätte sie die Regierungsfähigkeit nicht verloren.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Das wäre ja nicht zum aushalten!)

    Wenn Sie regierungsfähig werden wollen, müssen Sie nun endlich die Lehren daraus ziehen.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Wenn wir der Amnestie zugestimmt hätten! Das haben Sie nicht erwähnt! Da war doch etwas! Peinlich!)

    Der Krieg am Golf kann nur durch Saddam Hussein selber unterbrochen und beendet werden. Ein Wort der Bereitschaft zum Rückzug aus Kuwait, und der Waffenstillstand wäre möglich. Als Deutsche sollten wir aus unserer eigenen Geschichte wissen, daß ein Diktator, der entschlossen ist, mit kriegerischen Mitteln die Ausdehnung seiner Macht zu erreichen, von dieser Absicht durch nichts, aber auch durch gar nichts abzuhalten ist.



    Dr. Solms
    Wenn er darüber hinaus ankündigt, er wolle den Staat Israel vernichten, dann sind gerade wir Deutschen zu entschlossener Hilfe verpflichtet.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Der zweite Vorwurf richtet sich gegen die mangelnde Bereitschaft der Bundesregierung zur Unterstützung der alliierten Kräfte. Dieser Vorwurf ist ungerechtfertigt. Die Bundesregierung hat nämlich bereits Leistungen in Höhe von mehr als 5 Milliarden DM erbracht. Sie hat der amerikanischen Regierung allein für das erste Quartal dieses Jahres weitere Leistungen in Höhe von mehr als 8 Milliarden DM zugesagt. Hinzu kommen finanzielle Unterstützungen in Höhe von rund 800 Millionen DM, die Großbritannien gestern vom Bundesaußenminister zugesichert worden sind. Das zeigt, daß die Bundesregierung zu einem solidarischen Beitrag bereit ist.
    Es mag sein, meine Damen und Herren, und es ist zu vermuten, daß all diese Lasten nicht aus dem vorhandenen Etat zu finanzieren sind. Dann müssen Einnahmeverbesserungen beschlossen werden. Ich weise nur darauf hin — das ist der entschiedene Wille der FDP-Fraktion —, daß vor einer solchen Entscheidung, die im übrigen auch erst dann getroffen werden könnte, wenn der Bundesfinanzminister seinen Haushalt Ende Februar vorgelegt haben wird, noch einmal alle Einsparungsmöglichkeiten überprüft werden; denn sonst ginge die Disziplin verloren.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Darüber hinaus ist die Bundesregierung bereit, dem Staat Israel Verteidigungswaffen und -systeme zur Verfügung zu stellen, obwohl dies der traditionellen Waffenexportpolitik der Bundesregierung widerspricht. Die besondere deutsche Verantwortung für die Existenz des Staates Israel und seiner Bewohner rechtfertigt diese Maßnahme jedoch.
    Die FDP-Fraktion hat auch der Verlegung der Einheiten der Abwehrsysteme Roland und Hawk in die Türkei zugestimmt. Dies gilt insbesondere dem Schutz der dort stationierten italienischen, belgischen und deutschen Verbände.
    Ich habe den Eindruck, daß genau die gleichen Leitartikler der „Welt", die noch vor wenigen Monaten vor dem Zu-stark-Werden Deutschlands gewarnt hatten, uns jetzt vorwerfen, daß wir uns nicht als stark genug erweisen könnten. Das zeigt auch die Doppelzüngigkeit dieser Argumentation in der internationalen Presse.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Den kritischen Anmerkungen in unseren Bündnisländern muß darüber hinaus entgegengesetzt werden, daß wir zur Verbesserung der Sicherheit in ganz Europa gewaltige Leistungen erbringen. Allein die Bereitstellung von mehr als 14 Milliarden DM zur Ermöglichung des Abzugs von mehr als 300 000 Soldaten der Roten Armee aus Ostdeutschland ist ein einzigartiger Beitrag zur Sicherheit Europas und des Bündnisses.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit Scham erfüllt uns allerdings, daß die Vorwürfe, daß sich deutsche Firmen und Fachleute an der Aufrüstung des Irak beteiligt hätten und daß gerade durch ihre Hilfe ein Angriff mit ABC-Waffen erst möglich geworden sei, offenbar berechtigt sind. Auch die Reichweite der Scud-Raketen soll durch Mithilfe deutscher Spezialisten so erhöht worden sein, daß Israel getroffen werden kann. Zwar haben die jeweiligen Bundesregierungen seit 30 Jahren keine Waffenlieferungen in den Irak genehmigt, gleichwohl sind teils legale, teils illegale Lieferungen und Leistungen erfolgt.

    (Conradi [SPD]: Die Wirtschaftsminister waren immer von der FDP!)

    Trotz der Verschärfung der Gesetze konnte dem kein Einhalt geboten werden.
    Meine Damen und Herren, jetzt muß alles Menschenmögliche getan werden, um zu einer rechtlichen und — was vielleicht noch wichtiger ist — darüber hinaus auch zu einer moralischen Ächtung solcher Taten wie auch der Verantwortlichen zu kommen. Deutsche, die sich an solchen Machenschaften beteiligen, sollten ihren Fuß in Zukunft nicht wieder guten Gewissens auf deutschen Boden setzen können.

    (Beifall bei der FDP)

    Gerade weil die deutsche Wirtschaft mehr als die Wirtschaft anderer Länder auf Exporte angewiesen ist, muß sie für solche Entwicklungen besonders sensibel sein. Wo bleibt ein Verhaltenskodex verbunden mit der dazugehörigen Selbstkontrolle der deutschen Wirtschaft? Noch habe ich nicht gehört, daß der Aufsichtsrat eines Konzerns, dessen Tochtergesellschaft der Mittäterschaft bezichtigt wird, den Gesamtvorstand zur Rede und gegebenenfalls zur Verantwortung gezogen hätte. Ich meine, hier sind sichtbare Maßnahmen dringend notwendig.

    (Vorsitz: Vizepräsident Klein)

    Dies möchte ich gerade als Vertreter einer Partei sagen, die der Wirtschaft nicht fernsteht. Deshalb will ich das entschieden anmahnen.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, es ist für mich eine schöne und ehrenvolle Aufgabe, an dieser Stelle für die FDP-Bundestagsfraktion zu Ihnen sprechen zu dürfen. Besonders freue ich mich, daß ich die zahlenmäßig größte FDP-Fraktion in der Geschichte dieses Hauses vertreten darf.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    In der Größe der Fraktion sehe ich das Ergebnis des gewachsenen Vertrauens der Wähler in die FDP. Ausschlaggebend war sicherlich das Vertrauen in die erfolgreiche Wirtschafts- und Sozialpolitik wie in die verantwortungsvolle Außen- und Sicherheitspolitik der Freien Demokratischen Partei und der sie repräsentierenden Personen.

    (Beifall bei der FDP)

    Dieses Vertrauen bedeutet Anerkennung und Ansporn zugleich. Dieses Vertrauen bedeutet aber vor allem Verantwortung. Wir — übrigens wir alle —



    Dr. Solms
    müssen durch unser politisches Handeln das Vertrauen unserer Wähler rechtfertigen. In vier Jahren müssen wir unseren Wählern Rede und Antwort stehen. Dies ist im Interesse unserer Glaubwürdigkeit durchaus wörtlich zu nehmen. Das gilt für alle Seiten dieses Hauses.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß zugeben, in der Zeit zwischen dem 2. Dezember und dem 15. Januar hat die Führungsmannschaft der FDP ein anderes Bild geboten. Doch ich kann Ihnen versichern — manche mögen enttäuscht sein — , das Schauspiel ist beendet. Unser personalpolitisches Angebot steht; der Generationenwechsel ist vollzogen; die FDP-Bundestagsfraktion wird sich nun in großer Geschlossenheit den Aufgaben zuwenden, die sich der deutschen Politik stellen. Wir werden diese Geschlossenheit vier Jahre durchhalten.

    (Beifall bei der FDP)

    Ihre spöttischen Bemerkungen, Herr Kollege Vogel, über den Kollegen Möllemann möchte ich in folgender Weise kommentieren: „Respice finem. " Am Anfang der letzten Legislaturperiode hat man, als der Kollege Möllemann Bundesbildungsminister geworden war, ähnliche Worte gehört. Diese sind zum Schluß verstummt. Man soll immer auf das Ende warten.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Wir haben ja nur zitiert, was der Graf sagt!)

    Ich sagte, wir müssen dem Wähler Rede und Antwort stehen. Denn Sprache ist nun einmal, wie es mein hessischer Landsmann Jacob Grimm im letzten Jahrhundert ausdrückte, das Gedächtnis eines Volkes. Wie richtig und wichtig diese Grimmsche Erkenntnis ist, zeigt sich bei dem fundamentalen Problem, im vereinten Deutschland zu einer gemeinsamen Sprache zu finden. Die meisten Menschen, die von der politischen Vergangenheit der früheren DDR geprägt sind, werden noch lange brauchen, um sich von der Last der Worte dieses Regimes zu befreien.
    Schon Grimm hat vor der formelhaften Erstarrung der Sprache, vor der Aneinanderreihung beliebig versetzbarer Begriffe, mit denen man alles, aber auch gar nichts sagen kann, gewarnt. Vor dieser Gefahr sind übrigens auch wir im Westen nicht gefeit. Erst wenn sich mit den gleichen Begriffen hier wie dort gleiche Vorstellungen verbinden, wird die Einheit im Denken wirklich vollzogen sein.
    Zunächst einmal müssen wir für das Erreichte dankbar sein, das noch vor zwei oder drei Jahren kaum einem von uns erreichbar schien: die politische Verwirklichung der deutschen Einheit. Unser Dank gilt in diesem Zusammenhang sowohl dem Herrn Bundeskanzler, der die Verantwortung für die schnelle Entwicklung übernommen hat und trägt, als auch dem Bundesaußenminister, der durch seine Beharrlichkeit und sein diplomatisches Geschick das angeblich Unmögliche möglich gemacht hat.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, sie haben beide den historischen Augenblick erkannt.
    Es kommen nun Kommentare aus dem „Bayernkurier" . Ich weiß nicht, ob man ihn überhaupt zitieren sollte. Dazu kann ich nur sagen: Was stört es den Mond, wenn ihn die Hunde anbellen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister haben verstanden, daß Eile geboten war, weil die plötzlich von außen aufgestoßene Tür zur deutschen Einheit ebenso plötzlich wieder ins Schloß fallen konnte. Heute wissen wir, daß auf Grund der Entwicklung in der Sowjetunion die Tür bereits wieder ins Schloß gefallen wäre.
    Die Kritiker, auch auf seiten der Opposition, denen alles zu schnell gegangen ist, sollten so ehrlich sein, endlich zu bekennen, daß die Politik der Bundesregierung die einzig richtige war.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die deutsche Einheit wird erst dann vollzogen sein, wenn in beiden bisherigen Teilen Deutschlands einheitliche Lebensverhältnisse herrschen. Dies zu erreichen ist das vorrangige Ziel unserer gegenwärtigen Politik. Auf dem Weg dorthin ist allerdings noch eine Vielzahl von großen Problemen zu lösen. Diese Probleme, meine Damen und Herren, sind unser aller Probleme. Es kommt ausnahmsweise einmal nicht darauf an, welche Partei sich mit ihren Lösungsvorschlägen durchsetzt, sondern es kommt darauf an, daß das Notwendige schnell geschieht. Die politische Einheit Deutschlands ist hergestellt. Jetzt kommt es darauf an, die ökonomischen und sozialen Trennungen zu überwinden und zu einer Gemeinschaft zusammenzuwachsen.
    Notwendig ist es, in den neuen Bundesländern durch Investitionen neue Arbeitsplätze zu schaffen und damit Einkommen und soziale Sicherheit herzustellen. Dafür sind Investitionen die fundamentale Voraussetzung. Investiert wird jedoch nur dort, wo die Eigentumsverhältnisse gesichert sind. Klare Eigentumsregeln sind Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit einer Marktwirtschaft. Nur Eigentum schafft persönliche Verantwortung. Die FDP bekennt sich zur Garantie des privaten Eigentums. Aber offene Eigentumsfragen dürfen keine Investitionen be- oder verhindern.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Deshalb ist es richtig, daß im Zweifelsfall der mögliche Eigentümer entschädigt und einem konkreten Investitionsprojekt der Vorrang eingeräumt wird.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Für die unrechtmäßigen Enteignungen in der DDR zwischen 1945 und 1949, für die der Einigungsvertrag wegen des Drucks der Regierung der damaligen DDR und der Sowjetunion keine Rückgabe vorsieht, müssen durch den gesamtdeutschen Gesetzgeber möglichst bald Ausgleichsleistungen beschlossen werden. Nach unserer Überzeugung können angemessene Ausgleichsleistungen nicht nur in Geldzahlungen, sondern auch in Vorkaufsrechten, Pachtrechten, Rückgaben an und von Grund und Boden und ande-



    Dr. Solms
    ren Gegenständen bestehen, wo immer das technisch möglich ist und wo immer keine gutgläubig erworbenen Nutzungs- und Eigentumsrechte Dritter verletzt werden.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die FDP ist trotz der erzwungenen Vereinbarung im Einigungsvertrag nicht bereit, die Enteignungen in den Jahren vor 1949 als rechtmäßig zu akzeptieren.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die enteigneten Familien haben mit ihrem Besitz die Basis und die Wurzeln ihrer Existenz, wenn nicht gar ihr Leben verloren. Dieses Unrecht ist nicht wiedergutzumachen.
    Die unzulänglichen Eigentumsregeln sind für die Arbeit der Treuhandanstalt eine schwere Belastung. Die Bundesregierung wird in Kürze Entscheidungen treffen, damit die Treuhandanstalt ihren Aufgaben besser gerecht werden kann.
    Die Privatisierung der Betriebe ist die zentrale Aufgabe der Treuhandanstalt. Jede Verzögerung zerstört die wirtschaftliche Basis. Eile ist geboten.

    (Beifall bei der FDP)

    Alle Maßnahmen, die geeignet sind, Investitionen anzureizen, müssen ausgeschöpft werden. Im vergangenen Jahr hat die Koalition mit den ERP-Programmen, der Investitionszulage und den Sonderabschreibungsregeln einen Grundstock geschaffen. In den Koalitionsvereinbarungen haben wir Zusätzliches erreicht: die rückwirkende Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und der Vermögensteuer für die fünf neuen Bundesländer. Aus welcher Substanz sollten denn die Unternehmen und Betriebe dort diese Steuer bezahlen, meine Damen und Herren? Die Substanz ist doch gar nicht da.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Gemeinden in den fünf neuen Bundesländern, die von diesen Maßnahmen betroffen sind, brauchen zusätzliche Unterstützung, so z. B. durch die Ausweitung des Gemeindekreditprogramms, die in diesen Tagen erfolgt. Weiter wurden zusätzliche Sonderabschreibungen im Ausmaß der bisherigen Zonenrandförderung beschlossen. Außerdem wird ein Freibetrag bei der Lohn- und Einkommensteuer in Höhe von 600 bzw. 1 200 DM bei Verheirateten gewährt. Der Freibetrag war ein Kompromiß. Das will ich ganz offen gestehen. Er sorgt dafür, daß die Arbeitnehmer in Ostdeutschland erst später in die Steuerprogression hineinwachsen. In unseren Augen ist jedoch die Absenkung bei der Lohn- und Einkommensteuer nicht ausreichend, um auch westdeutsche Arbeitnehmer zur Übersiedlung in den Osten und zum dortigen Tätigwerden zu veranlassen. Das technische und kaufmännische Wissen sowie wirtschaftliche Erfahrung und Praxis der Westdeutschen werden dort jedoch dringend gebraucht.

    (Beifall bei der FDP)

    Das Konzept des Niedrigsteuergebiets muß also gegebenenfalls weiter ausgebaut werden.

    (Beifall bei der FDP)

    In der Familienpolitik hat die Koalition in den vergangenen Jahren große Fortschritte erzielt. Diese Politik wird fortgesetzt. Der Familienlastenausgleich wird erheblich verbessert, und das auf der Grundlage des Verfassungsgerichtsurteils vom letzten Jahr.

    (Beifall bei der FDP)

    Die Kinderfreibeträge werden stufenweise angehoben. Das Kindergeld wird entsprechend den Notwendigkeiten der Steuergerechtigkeit ausgebaut. Die FDP stimmt der Verlängerung der Zahlung von Erziehungsgeld auf zwei Jahre zu. Der Erziehungsurlaub wird auf drei Jahre ausgedehnt.
    Durch eine Reihe von weiteren Maßnahmen soll es den Frauen ermöglicht werden, den Wunsch nach Kindern mit dem Wunsch nach beruflicher Tätigkeit zu verbinden.
    Herr Kollege Vogel, Ihre Bemerkungen zu der Haushaltshilfe gehen nun wirklich in die falsche Richtung. Die Steuerbegünstigung trifft ja nicht die direkt Begünstigten, sondern die bei ihnen Beschäftigten. Denn nur im Falle sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse wird diese Steuerbegünstigung gewährt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wer kann sich das denn leisten?)

    Damit erreichen Sie zumindest, daß Tausende von Schwarzarbeitsverhältnissen, die es heute gibt, in legale, sozialversicherungs- und steuerpflichtige Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich meine, das ist gerade für Familien, in denen die Frauen

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Die Ungerechtigkeit sozial verbrämen! — Dr. Briefs [PDS/ Linke Liste]: Unsozial ist das, was Sie da sagen!)

    den Wunsch nach Berufstätigkeit mit dem Wunsch verbinden wollen, Kinder zu haben und aufzuziehen, ein ganz wesentlicher Beitrag.

    (Beifall bei der FDP)