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ID1200200300

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    Plenarprotokoll 12/2 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 2. Sitzung Bonn, Montag, den 14. Januar 1991 Inhalt: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Lage in der Golfregion und in Litauen Dr. Kohl, Bundeskanzler 21 B Brandt SPD 24 C Dr. Bötsch CDU/CSU 28 D Dr. Vogel SPD 30 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 32 B Duve SPD 33 D Dr. Gysi PDS/LL 34 C Frau Wollenberger Bündnis 90/GRÜNE . 36A Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . . 38B Dr. Seifert PDS/LL 40 A Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE (zur GO) 40 C Dr. Gysi PDS/LL (zur GO) 40 D Namentliche Abstimmung 40 D Frau Wieczorek-Zeul SPD (Erklärung nach §31 GO) 41A Nächste Sitzung 42 D Berichtigung 42 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 43* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 2. Sitzung. Bonn, Montag, den 14. Januar 1991 21 2. Sitzung Bonn, den 14. Januar 1991 Beginn: 14.01 Uhr
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    *) Das endgültige Ergebnis und die Namensliste werden als Anlage im Plenarprotokoll 12/3 am 17. 1. 1991 abgedruckt. Berichtigung 1. Sitzung, Seite 17 A*. In die Liste der entschuldigten Abgeordneten ist einzufügen: Dr. Schäuble, CDU/ CSU, 20. 12. 90. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Böhm (Melsungen) CDU/CSU 14. 1. 91 * Buwitt CDU/CSU 14. 1. 91 Conradi SPD 14. 1. 91 Dr. Diederich (Berlin) SPD 14. 1. 91 Frau Fischer (Gräfenhainichen) SPD 14. 1. 91 Gattermann FDP 14. 1. 91 Grünbeck FDP 14. 1. 91 Kretkowski SPD 14. 1. 91 Dr. Modrow PDS 14. 1. 91 Rappe (Hildesheim) SPD 14. 1. 91 Rühe CDU/CSU 14. 1. 91 Dr. Schäuble CDU/CSU 14. 1. 91 Dr. Schöfberger SPD 14. 1. 91 Spilker CDU/CSU 14. 1. 91 Dr. Vondran CDU/CSU 14. 1. 91 Vosen SPD 14. 1. 91 Frau Wiechatzek CDU/CSU 14. 1. 91 Zierer CDU/CSU 14. 1. 91 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Dr. Rita Süssmuth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich möchte die Anwesenden auf der Tribüne bitten, uns die Möglichkeit zu geben, unsere Veranstaltung hier auch ordnungsgemäß durchzuführen. Wir haben hier alle Möglichkeiten eröffnet, auch Ihre Erklärungen, Appelle und Ihre Demonstrationen zur Kenntnis zu nehmen.
    Ich erteile jetzt dem Abgeordneten Herrn Brandt das Wort.
    Brandt: (SPD) : Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über diesem Januar 1991 liegt eine mehrfache Tragik: Da schien das Ende des Kalten Krieges den Weg freigemacht zu haben für eine wesentliche Entlastung der Nord-Süd-Beziehungen. Sogar über eine nutzbringende Friedensdividende durfte man sich Gedanken machen. Und jetzt? Wie weit zurückgeworfen werden wir uns selbst dann finden, wenn die akute Kriegsgefahr am Golf gebannt sein sollte? Aber sie ist es ja nicht; im Augenblick müssen wir doch eher davon ausgehen, daß Krieg stattfinden wird, als daß er abgewendet werden kann.
    Vor kurzem sah es noch so aus, als könnte endlich zukunftsträchtige Zusammenarbeit zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn begründet werden. Wie wichtig dies gerade aus europäischer Sicht und deutscher Mitverantwortung wäre, dazu durfte ich am 20. Dezember in Berlin etwas sagen, nicht zum erstenmal. Und jetzt? Wie lange wird es wohl dauern, bis sich Fäden endlich so knüpfen lassen, daß sie halten?
    Da hatten die Präsidenten der beiden nuklearen Großmächte angefangen, von gemeinsamen Menschheitsaufgaben zu reden, und den Eindruck zu vermitteln, sie zögen friedenspolitisch an einem Strang. Und heute? An wessen Adresse war es eigentlich gerichtet, wenn vor wenigen Tagen in einem Beschluß der Volksdeputierten in Moskau davon die Rede war, die Suche nach einer friedlichen Lösung der Krise werde ganz besonders befürwortet? Man muß, denke ich, nicht aus Lübeck kommen, um das Geschehen an der Ostsee ebenso wichtig zu nehmen wie das an anderen geschichtsträchtigen Küsten.
    Gorbatschow ist in der akuten Gefahr, daß ihm die Grundsubstanz politischen Kredits abhanden kommt. Ich wende mich — da ich es darf — beschwörend an den Träger des Friedensnobelpreises 1990 in der Hoffnung, daß er noch die Möglichkeit hat, weiteres Unheil abzuwenden.

    (Beifall im ganzen Hause)




    Brandt
    Meine Fraktion wird sich durch ihren Vorsitzenden, den Kollegen Vogel, zu diesen tief deprimierenden Vorgängen am Wochenende noch gesondert äußern. Ich stelle aber schon jetzt fest, Herr Bundeskanzler, daß wir, was dieses Thema angeht, mit der Regierung übereinstimmen.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des Bündnisses 90/GRÜNE)

    Mit meinen Freunden, Landsleuten und Ko-Europäern bin auch ich mit guten Gedanken bei den Opfern und ihren Familien. Ich grüße alle diejenigen in Litauen wie in Lettland und in Estland — und nicht nur dort — , die bittere Enttäuschung erfahren, nachdem sie Grund hatten, davon auszugehen, daß die feierlichen gesamteuropäischen Texte von Helsinki und Paris — Menschenrechte, Selbstbestimmung, Verzicht auf Gewalt — auch für sie bestimmt gewesen seien. Ein geschichtlicher Schlußpunkt ist das jedenfalls nicht.
    Aber manche, die uns zuhören und für die wir sprechen, haben sich natürlich über dieses Wochenende die Frage gestellt: Auf wie sicherem Grund steht das, was im hinter uns liegenden Jahr mit der Sowjetunion vereinbart wurde?
    Soweit es an uns liegt, sollte es keine Unklarheiten geben, schon gar nicht hinsichtlich des Wunsches, Schwierigkeiten mit den sowjetischen Soldaten auf deutschem Boden zu vermeiden und ihnen bei ihrer geordneten Heimkehr weiterhin behilflich zu sein.
    Die europäische Politik wird im übrigen viel zu tun haben, um sich illusionsfrei auf den Prozeß fortdauernden Wandels in der bisherigen Sowjetunion einzustellen.
    Zeiten verwirrender Gefahren — wenn ich mich der sehr ernsten Krise am Golf zuwenden darf — dürfen nicht dazu verleiten, den springenden Punkt des Geschehens aus dem Auge zu verlieren. Tatsache ist, daß vor einem knappen halben Jahr nicht etwa Kuwait den Irak angegriffen hat, sondern daß es die irakische Staatsführung war, die Kuwait, Mitglied der Vereinten Nationen, auf brutale Weise hat besetzen lassen. Tatsache ist weiter, daß sich seitdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, wie es dessen Pflicht war, durch vielfache Beschlüsse bemühte, diese schwere Verletzung des Völkerrechts rückgängig machen zu lassen. Die dafür gesetzte Frist läuft morgen ab, nach unserer Zeit Mittwoch früh um 6.00 Uhr.
    Nun stellt sich die Frage, ob sich aus dem Ablauf dieser Frist ein Automatismus ableitet, der nur noch dem Einsatz militärischer Machtmittel Raum läßt. Das mag auf den ersten Blick logisch erscheinen. Doch ich sage hier ganz offen, daß ich mich den Argumenten derer nicht verschließen kann, die in Amerika wie in Europa und in anderen Teilen der Welt, nicht zuletzt in der nahöstlichen Region selbst, hinter einen solchen Automatismus ernste Fragezeichen setzen, die statt dessen gefragt haben, ob die Möglichkeit nichtmilitärischer Sanktionen so hätte genutzt werden können oder noch genutzt werden kann, daß recht bald die gewünschte Wirkung erzielt wird.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Eine Pflicht zur militärischen Intervention vermag ich nicht zu erkennen, zumal dann nicht, wenn andere Mittel noch nicht wirksam genug eingesetzt wurden.

    (Beifall bei der SPD, dem Bündnis 90/ GRÜNE und Abgeordneten der PDS/LL sowie des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP])

    Es ist auch nicht so, daß in eine antiamerikanische Ecke gestellt werden könnte, wer den Sinn der Truppenkonzentrationen in der arabischen Wüste bezweifelt. Er befände sich immerhin in der Gesellschaft früherer Präsidentschaftsberater und hoher Militärs, ganz zu schweigen von einer sehr starken Minderheit im Senat und Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten.
    Wenn in der amerikanischen und der internationalen Debatte wiederholt an Korea und an Vietnam erinnert wurde, so doch wohl nicht zuletzt, um nach den Zielen von Krieg und Frieden zu fragen. Ich mag es auch in diesem Augenblick noch nicht für unabweisbar halten, daß ein Krieg ausbricht, der über das Gebiet am Persischen Golf und über den Nahen Osten hinaus verheerende Ausmaße annehmen könnte und der uns in Europa bestimmt nicht ungeschoren davonkommen ließe.
    Es hatte ja seinen guten Grund, daß sich die Hoffnungen der Europäer in besonderem Maße auf die Torschlußreise von Pérez de Cuéllar konzentrierten und daß viele von uns immer noch glauben möchten, Präsident Mitterrand könnte das Prestige seines Landes und das Gewicht seines Wortes im letzten Augenblick einsetzen, so einsetzen, daß das den Nachbarn in der arabischen Welt nicht weniger zugute käme als uns in Europa.
    Der Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Präsident der Französischen Republik, denke ich, sollten wissen, daß Europa und wir in Deutschland allemal voll hinter ihnen stehen, wo es sich um einen vielleicht entscheidenden, so von vielen schon kaum noch für möglich gehaltenen Dienst am Frieden handelt.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE sowie bei Abgeordneten der CDU/ CSU, der FDP und der Gruppe der PDS/LL)

    Der Generalsekretär der Vereinten Nationen wird dem Weltsicherheitsrat noch heute — oder wird es nach dortiger Zeit erst morgen früh sein? — über seine Friedensbemühungen in Bagdad berichten. Daß bei seinen Gesprächen mit der irakischen Führung die Resolution zu Kuwait eingehend erörtert wurde, zeigt zwar, daß Saddam Hussein weiß, worum es eigentlich geht, aber seine heutige Rede — soweit sie uns zur Kenntnis gekommen ist — vor dem irakischen Parlament hat wiederum nicht erkennen lassen, daß der Irak den UN-Beschlüssen Folge leisten will.
    Kein Zweifel nun, daß schon viel kostbare Zeit verschenkt worden ist, und zwar nicht allein wegen der in Bagdad offensichtlich zur Staatsdoktrin erhobenen Sturheit.
    Ich will beim Wesentlichen bleiben, beim springenden Punkt und sage noch einmal: Verantwortlich für das beängstigende Spiel mit Zeit, unser aller Zeit, ist



    Brandt
    im besonderen die irakische Führung, die nicht wahrhaben wollte, daß sie eine Bringschuld zu erfüllen hat, weil die Beschlüsse des Weltsicherheitsrats unzweideutig verlangen, der Irak muß Kuwait räumen.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des Bündnisses 90/GRÜNE)

    Da möge man sich in Bagdad nichts vormachen: Das meinen auch diejenigen auf beiden Seiten des Atlantik, die von einer eher eingeengten militärischen Handlungslogik nicht überzeugt sind. Das habe ich übrigens vor ein paar Monaten in Bagdad so und nicht anders gesagt. Das habe ich dem dortigen Präsidenten übrigens auch auf Grund meiner nicht staatlichen Verantwortung am 18. Dezember 1990 geschrieben, als der Kollege Hans-Jürgen Wischnewski, der dem Hause nun leider nicht mehr angehört, mit einem sehr enttäuschenden Bericht von dort zurückkam. Inhaltlich gibt es insoweit, so gut ich es verstehe, zwischen Minderheit und Mehrheit im Deutschen Bundestag keinen Unterschied.
    Aber ob es einem gefällt oder nicht: Die harte UN-Resolution 678 hat bis zur Stunde ihre Wirkung verfehlt. Ob aus Fehleinschätzung oder eiskaltem Kalkül: Die irakische Führung hat bis zur Stunde keinerlei Anstalten gemacht, ihre Truppen zurückzuziehen oder unmißverständlich anzukündigen, daß sie damit übermorgen beginnt.
    Ich kehre zu der Frage zurück, ob bei anhaltender Sturheit die militärische Offensive gleichsam automatisch zu folgen habe, da auf Grund der Beschlußlage des Sicherheitsrates dann alle Mittel — so steht es dort — erlaubt seien. Das Recht, Kuwait mit militärischen Mitteln zu befreien — wenn das dann Befreiung wäre—, wenn sich Irak nicht noch auf den Weg des Rückzugs begibt, läßt sich nicht bestreiten. Aber — so fragen Gläubige und Ungläubige, Moslems und Christen — gibt es immer noch eine Alternative, die nicht schwächliche Nachgiebigkeit bedeutete, sondern die den Druck der internationalen Staatengemeinschaft wirksamer als bisher zur Geltung brächte?
    Wir selbst stünden übrigens etwas besser da — lassen Sie mich das in aller Offenheit sagen —, wenn wir guten Gewissens sagen könnten, es hätte im Zeichen unserer neu gewonnenen Souveränität deutlichere deutsche Initiativen gegeben.

    (Beifall bei der SPD, dem Bündnis 90/ GRÜNE und der PDS/LL)

    Bei uns hätte z. B. aber nicht zuletzt gegen jene Profiteure wirksamer, wirksam genug eingeschritten werden können, die sich einer besonderen Art von Entwicklungspolitik angenommen haben,

    (Beifall bei der SPD, dem Bündnis 90/ GRÜNE und der PDS/LL sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    nämlich einer Politik zur Entwicklung von Krieg. Wir stünden besser da, wenn mit dem Pfund deutscher Wirtschaftskraft im Sinne konstruktiver Politik im Nahen Osten im guten Sinne gewuchert worden wäre.
    Weshalb haben nicht die deutsche und die europäische Politik stärker als erkennbar darauf gedrängt, das Wirtschaftsembargo wirksamer zu machen

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE sowie bei Abgeordneten der PDS/ LL)

    und etwa jeden Luftverkehr und alle Arten von Geschäftskontakten zu unterbinden? Ich weiß: Zugenommen hat mancherorts das Verständnis für die Notwendigkeit einer weniger egoistischen und besser koordinierten Erdölpolitik. Aber mit solchen eher abstrakten Einsichten ist im Augenblick nicht viel gewonnen.
    Daß ein Krieg in der Golfregion nur zu leicht zum Flächenbrand werden kann, meine Damen und Herren, darauf habe ich wie andere Debattenredner hier im Bundestag am 15. November hingewiesen. Mittlerweile läßt sich diese Gefahr noch deutlicher als vor zwei Monaten ablesen. Auch mit begleitenden schwerwiegenden Verletzungen des Völkerrechts, darunter Terrorakten außerhalb der Region, muß gerechnet werden. Wie die verschärften Kontrollen auf den Flughäfen zeigen, werden solche Terrordrohungen ernst genommen — zu Recht, wie ich meine. Niemand hier wird allerdings glauben wollen, polizeiliche Maßnahmen böten uns ausreichenden Schutz vor den Fernwirkungen eines Golfkrieges, wenn er denn kommt.
    Inzwischen erkennt man die ganz reale Gefahr eines Krieges, der zusätzlich zu den tödlichen Bedrohungen des Einsatzes chemischer und biologischer Waffen eine Umweltkatastrophe von globalen Ausmaßen heraufbeschwören und außerdem die Weltwirtschaft gewaltig belasten würde. Angesichts dieser Gefahren darf man zwar nicht politisch in die Knie gehen, aber man darf den Kopf auch nicht in den Sand stecken.
    Ich habe hier an jenem 15. November gefragt, ob jemand meinte, wir könnten unbeschadet am Rande stehen, wenn die Golfregion samt Erdölfeldern in Flammen stünde. Was das bedeuten könnte, habe ich, wie andere auch, erst lernen müssen: Die Folgen der Rußwolken wären, wenn sie etwa die Hälfte der Nordhalbkugel überdeckten, nicht weit entfernt von jenem nuklearen Winter, der bei einem entsprechenden Einsatz von Atomwaffen zu vermuten wäre.
    Was die militärische Seite angeht: Ich räume ein, daß man nicht gut ein System weltweiter kollektiver Sicherheit fordern kann und sich dann im Prinzip dagegen wenden darf, daß dies im Rahmen des Möglichen auf dem Boden der Vereinten Nationen verwirklicht wird, allerdings — nach den Vorschriften der Charta — vernünftigerweise unter gemeinsamem Oberbefehl; jedenfalls darf die Kontrolle den Vereinten Nationen nicht entgleiten.

    (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ GRÜNE)

    Nun darf aber bei dieser Gelegenheit nicht die Entscheidung übers Knie gebrochen werden, in welcher Weise sich Deutschland künftig verhält, wenn es aufgefordert wird, sich an friedenssichernden Aufgaben der Vereinten Nationen zu beteiligen. Das Grundgesetz gilt, bis es verändert oder ergänzt ist, was übri-



    Brandt
    gens, da dies ein Zeichen internationaler Verantwortung setzte, recht bald geschehen sollte.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Politisch untauglich erscheint der sozialdemokratischen Fraktion die deutsche Beteiligung an der Entsendung einer mobilen Einsatzeinheit der NATO in die Türkei. Sie hält dies für eine Fehlentscheidung;

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des Bündnisses 90/GRÜNE und der PDS/ LL)

    dies auch deshalb, weil das Entsendungsverlangen in der Türkei selbst lebhaft umstritten ist.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Wer lediglich auf externe Anforderung reagiert, verkennt vermutlich die Brisanz der Lage wie des Problems. Die verfassungsmäßigen Konditionen sollten jedermann bekannt sein. Indirekt leisten wir ohnehin — man denke nur an die Infrastruktur mit allem, was für den Nachschub der Alliierten davon abhängt — erheblich mehr, als den meisten bewußt ist. Ich füge hinzu: Materiell ist das schon heute wesentlich mehr, als der symbolische Marinebeitrag mancher anderer Länder bedeutet.
    In der einen wie in der anderen Richtung muß man sich wohl freilich erst noch daran gewöhnen, daß wir nicht mehr unter fremdem Vorbehaltsrecht leben.
    Was die deutsche Außenpolitik in der Golfregion anbelangt, so will ich Ihr grundsätzliches Einstehen, Herr Bundeskanzler, für eine friedliche Konfliktlösung natürlich überhaupt nicht in Zweifel ziehen. Gleichwohl — ich habe es schon gesagt und wiederhole es — hätte ich mir mit anderen ein höheres Maß an Eigeninitiative gewünscht.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des Bündnisses 90/GRÜNE)

    Ständig wiederholte Bekundungen der Bereitschaft, sich ein- und unterzuordnen, sind eben doch kein Ersatz für zielstrebiges Handeln.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Probst [CDU/ CSU]: Was heißt das denn?)

    Wenn die Europäische Gemeinschaft in der Golfkrise eher als Zwerg denn als ernst zu nehmender Akteur wahrzunehmen war, so schließt dies selbstredend die Kritik an jenen ein, die uns einreden wollten, der Übergang zur politischen Union stehe unmittelbar bevor. Davon kann ja leider überhaupt keine Rede sein.

    (Frau Dr. Hellwig [CDU/CSU]: Ist der gewünscht oder nicht?)

    Davon kann leider keine Rede sein, da, wie die jüngste Erfahrung zeigt, die Handhabung der intergouvernementalen EPZ — Europäische Politische Zusammenarbeit — nicht ausreichend ist, um ernste Dinge zu bewegen. Es ist ja keinem aufmerksamen Beobachter verborgen geblieben, daß die EPZ mit ihrer jetzigen Entscheidungsstruktur, wo es sich um mehr als um nicht verpflichtende Bekenntnisse handelt, lediglich zu einem inhaltsarmen Minimalkonsens führt, und zwar deshalb, weil es an hinreichender inhaltlicher Übereinstimmung mangelte.
    Ernste Beiträge zur Lösung von Konflikten dürfen jedoch nicht auf die lange Bank geschoben werden, bis endlich einmal eine Politische Union verwirklicht sein mag und, wenn ich hinzufügen darf, inzwischen hoffentlich auch der Unsinn halbjährlicher Präsidentschaftswechsel überwunden sein wird;

    (Beifall bei der SPD)

    denn das kommt der Behandlung ernster Dinge nun weiß Gott nicht zugute.
    Nicht von ungefähr, meine Damen und Herren, verlief der Golfgipfel im September in Helsinki ohne europäische Beteiligung auf europäischem Boden, ohne Beteiligung irgendwelcher Art der Gemeinschaft. Das Tauziehen Ende des Jahres um die Befugnisse der italienischen Präsidentschaft wirkte eher peinlich. Das Hin und Her um ein irakisches Treffen mit einer Troika in oder von Luxemburg paßt zusätzlich in das triste Bild dessen, was uns — so wir es nicht besser wissen — als gemeinsame Außenpolitik verkauft wird. Nicht einmal über einen gemeinsamen, geordneten Abzug der Botschaften aus Bagdad hat man sich verständigen können. Ich fand das nicht nur bedauerlich, sondern auch blamabel.
    Aber vielleicht kann Europa ja doch noch etwas tun: Ähnlich wie seine Rede vor den Vereinten Nationen im September setzte François Mitterrands SiebenPunkte-Plan vom vorigen Mittwoch die Räumung Kuwaits in eine zeitliche Abfolge zur Bewältigung anderer Probleme im Nahen und Mittleren Osten. Wem das nicht paßt, weil er darin ein Eingehen auf Saddam Husseins nachträglich konstruierte „linkage", also Zusammenfügung unterschiedlicher Probleme, zwischen Kuwait und Palästina befürchtet, verkennt die Lage und vergißt zudem, daß zur Palästinenser-Frage bereits 1980 — das ist jetzt über zehn Jahre her — auf dem EG-Gipfel in Venedig durch die Außenminister eine europäische Initiative versprochen worden war. Daß daraus dann nichts wurde, war vor allem dem lähmenden Ost-West-Konflikt geschuldet.
    Nun hatten wir gehofft, es können sich neue Chancen zur Lösung auch der zentralen Nahostprobleme bieten. Keine Frage: Die irakische Führung hat das Thema Palästina nachgeschoben. Jedenfalls war bei den Verhandlungen mit Kuwait vor der Invasion, Ende Juli also, davon keine Rede. Keine Frage aber auch, daß es ein politischer Fehler wäre, wenn dieses Thema von europäischer oder westlicher Seite krampfhaft ausgespart würde.
    Man sollte sich nichts vormachen: Der Vorwurf doppelter Standards wird in der Region auch von solchen erhoben, die mit Saddam Hussein nichts am Hut haben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der PDS/LL)

    Das erneut wenig balancierte Äußerungen aus der PLO-Führung die palästinensische Sache nicht gerade erleichtern, steht auf einem anderen Blatt.
    Meine Partei hat — ich will daran überhaupt keinen Zweifel aufkommen lassen — bei aller Verbundenheit mit Israel und zumal mit den dorthin entkommenen Überlebenden des Holocaust das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser seit vielen Jahren befürwortet.



    Brandt
    Ich sehe keinen Grund, warum man wegen der akuten Krise Problemverdrängung betreiben sollte.

    (Beifall bei der SPD)

    Allerdings füge ich da noch einmal hinzu: Nichts darf zu Lasten geschriebener und ungeschriebener Zusicherungen und Verpflichtungen gehen.
    Die Sorgen vor ungezügelter Aufrüstung — nicht allein des Irak — sind sehr ernst zu nehmen. Nur, die Konsequenz, die manche daraus ableiten, Krieg müsse sein, damit aus Kuwait kein zweites München werde, diese Weisheit ist dann doch einem Zweifel ausgesetzt. Sie hätte unkalkulierbare Folgen für eine ohnehin in hohem Maße instabile Region. Machtambitionen haben mehrere, nicht nur der eine.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Und um es gelinde zu sagen: Vordemokratisch ist mehr als eines der dortigen Regime auch.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS/LL)

    Zumal — in der Regel ebenfalls weit über jedes vernünftige Maß hinaus — militärisch gerüstet wird, woran — wie noch einmal erwähnt werden darf — Waffenexporteure aus West und Ost und übrigens auch aus Staaten des Südens kräftig verdient haben und verdienen.
    Die vernünftige Schlußfolgerung daraus, daß nämlich für den Nahen und Mittleren Osten ein dem KSZE-, ein dem Helsinki-Prozeß vergleichbarer Prozeß recht bald begonnen werden sollte, wird mittlerweile von vielen Seiten geteilt. Daß Europa hierzu über dringend erforderliche, höchst restriktive Waffenexportkontrollen hinaus seinen Beitrag leisten sollte, liegt auf der Hand. Allein wegen der geographischen Nähe müssen Europa die politischen und wirtschaftlichen Perspektiven der arabischen Welt in hohem Maße interessieren, was den Südeuropäern so bewußt ist wie uns mittlerweile die schwierige Situation in Osteuropa. Hier wie dort sind gerade auch die damit verbundenen kulturellen Herausforderungen nicht zu übersehen.
    Es gibt — wer hier wüßte es nicht — eine Mehrzahl ungelöster Probleme, z. B. zwischen Zypern und Afghanistan — Libanon nicht zu vergessen — , oder sagen wir: von Marokko bis zum Indischen Ozean. Es gibt den Libanon und die Kurden, den dreisten Reichtum weniger und das Elend der Massen. Es gibt eine wahnsinnige Überrüstung.
    Saddam Hussein, von dem man halten mag, was man will, hat im vergangenen Sommer — ich denke, es war der 12. August — selbst darauf hingewiesen, daß die Mittel der Massenzerstörung unter Kontrolle gebracht werden müssen. Es hätte sich vielleicht gelohnt, ihn rasch beim Wort zu nehmen.
    Im übrigen gibt es keinen Zweifel, daß regionale Vereinbarungen — wo immer möglich — den Vorzug verdienen gegenüber solchen, die als von außen kommend verstanden werden. Stabile Verhältnisse lassen sich ohnehin nur über einen längeren Zeitraum durch vertrauensbildende Zusammenarbeit herstellen: zwischen den arabischen Staaten und mit Israel und mit dem Iran. Europa kann und sollte in diesem langwierigen Prozeß seine vermittelnde und auch sonst hilfreiche Rolle spielen, sowenig erfolgversprechend es auf den Tag bezogen aussehen mag.
    Allerdings gibt es wohl keinen Zweifel daran, daß die jüngsten Veränderungen im Ost-West-Verhältnis, einschließlich der damit neu verbundenen weltpolitischen Ungewißheiten, uns noch mehr Probleme bescheren werden, als man zunächst angenommen hatte. Die irakische Führung hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, das Moskau — übrigens auch Peking — mit Washington auf der Ebene der Vereinten Nationen übereinstimmen würde. Seitdem vermissen manche, die sich sehr daran gewöhnt hatten, die Rolle der Sowjetunion als eines weltpolitischen Faktors.
    Es kommt hinzu, was in Rußland und in den anderen Republiken rumorend im Gange ist. Hoffentlich gehört dazu nicht die Kalkulation einiger Leute, im Windschatten von Nahost lasse sich erledigen, was sonst noch mehr Empörung auslösen würde.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, deutsche Verantwortung hat im Wissen um alle Schwierigkeiten dem Frieden zu gelten — darin stimme ich dem Bundeskanzler ausdrücklich zu — und der Sorge um das internationale Recht. Andere entscheiden in dieser Runde über Krieg oder Frieden.
    Wenn unsere Stimme Gehör finden soll, dann muß sie unmißverständlich als Stimme des Friedens zu hören sein. Wir sind dies auch, denke ich, den vielen Bürgern schuldig, die vielerorts, übrigens gerade auch in den neuen Bundesländern, für Frieden spontan aktiv geworden sind.

    (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ GRÜNE sowie bei Abgeordneten der PDS/LL)

    Wir entscheiden weiterhin darüber, was wir uns aufladen lassen und was wir selbst auf uns nehmen wollen, damit es dem verträglichen Umgang zwischen den Völkern und ihren Staaten zugute kommen kann.
    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Beifall beim Bündnis 90/GRÜNE sowie bei Abgeordneten der FDP und der PDS/LL)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Bötsch.

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    Rede von Dr. Wolfgang Bötsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die jüngsten Ereignisse in Litauen haben leider bestätigt, daß unsere Befürchtungen zum Nationalitätenkonflikt in der Sowjetunion berechtigt gewesen sind. Die Auswirkungen der Entwicklungen in der Sowjetunion auf die weltpolitische Situation und im speziellen auch auf den Golfkonflikt lassen sich derzeit noch nicht völlig abschätzen; sie geben aber jedenfalls zu Sorge Anlaß.
    Mit Erschütterung stellen wir fest, daß die Auffassung, die der KGB-Chef im letzten Dezember vor dem Obersten Sowjet äußerte, nämlich daß die — wie er



    Dr. Bötsch
    sagte — Ordnung notfalls mit Blut wiederhergestellt werden müsse, Realität geworden ist. Dabei ist es zunächst gleichgültig, welche Person den Marschbefehl für das brutale Vorgehen der sowjetischen Truppen in Wilna gegeben hat. Die Schüsse dienten jedenfalls dazu, Menschenrechte und Selbstbestimmung in Litauen zu verletzen.
    Ich habe eine dpa-Meldung von vor einer halben Stunde hier in der Hand, in der es heißt, daß Präsident Gorbatschow nach eigenen Worten erst am Sonntagmorgen von dem militärischen Eingreifen in Wilna erfahren habe. Dem müssen wir zunächst glauben, und zunächst müssen wir davon ausgehen, daß Präsident Gorbatschow weiterhin Perestroika und Glasnost in der Sowjetunion wünscht. Ich möchte ihn auffordern, wenn dies so ist, zu versuchen — ich sage: zu versuchen — , falls dies möglich ist, die Verantwortlichen für den militärischen Einsatz in Wilna zur Rechenschaft zu ziehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, die gute und hoffnungsvolle Zusammenarbeit mit der Sowjetunion, die wir insbesondere in Deutschland im letzten Jahr getätigt haben und die eigentlich in ihren Grundsätzen erst begonnen hat, darf nicht zu einem Kapitel der Vergangenheit werden. Die sowjetische Führung muß begreifen, daß sich heute der Freiheitsdrang der Menschen nicht mehr wie zu Stalins Zeiten mit militärischen Mitteln unterdrücken läßt.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Von Gorbatschow stammen die Worte: Es gibt kein Zurück zum gestrigen Tag. Die Zukunft der Sowjetunion läßt sich nur durch Fortsetzung des Reformkurses und die Achtung der Menschenrechte sichern, nicht durch den Einsatz von Panzern gegen friedliche Demonstranten. Ich glaube, das ist die Quintessenz, die nicht nur wir, sondern die Sowjetunion aus diesen Ereignissen zu ziehen haben.
    Für den Nahen Osten gelten im Grundsatz die gleichen Gesetze. Eine Lösung der Golfkrise kann es nur auf der Grundlage der Entschließungen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen geben. Es ist ja nicht nur die mehrmals erwähnte Entschließung 678, sondern es wurde mit dem Golfkonflikt insgesamt ein Dutzend Entschließungen gefaßt.
    Die durch den Überfall auf Kuwait verletzte Völkerrechtsordnung muß ohne Einschränkung wiederhergestellt werden. Dazu müssen die irakischen Truppen abziehen und muß die widerrechtliche Annexion Kuwaits als irakische Provinz annulliert werden.
    Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt die Haltung der Bundesregierung, die sich mit allen Kräften bis zur letzten Sekunde für eine friedliche Lösung einsetzen will.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Solange noch eine Chance für den Erfolg diplomatischer Mittel besteht, muß der Waffeneinsatz vermieden werden. Darüber besteht wohl in diesem Haus volles Einvernehmen.
    Auch Präsident Bush will eine friedliche Lösung und hat dem Irak zugesagt, daß es bei einer Räumung Kuwaits keinen Angriff geben werde. Auch darauf möchte ich noch einmal hinweisen.
    Wenn der irakische Diktator zu einer nüchternen Analyse seiner eigenen Lage bereit wäre — oder soll ich sagen: in der Lage wäre —, müßte er jetzt die Ausweglosigkeit, in der er sich befindet, einsehen und dem eindeutig erklärten Willen der internationalen Völkergemeinschaft nachgeben. Es liegt allein an ihm, ob der Krieg vermieden werden kann.
    Bisher scheint aber niemand den Weg zu kennen, Saddam Hussein zur Vernunft zu bringen. Der Iraker verstrickt sich in immer mehr folgenschwere Fehlrechnungen. Es scheint ihm gleichgültig zu sein, daß er mit seinem Handeln seinem eigenen Land, aber auch den armen Ländern zumindest in seiner Region großes menschliches Leid und massiven Schaden zufügen wird.
    Der bisherige Verlauf der Krise hat gezeigt, daß er im Grund genommen nur in den Kategorien der militärischen Macht zu denken vermag. Für diplomatische Bemühungen scheint er nur ansprechbar, wenn ihnen mit militärischen Machtmitteln Nachdruck verliehen werden kann.
    Daher, Herr Kollege Brandt, halte ich die Entscheidung, internationale Truppen an den Golf zu senden, für richtig, genauso wie die Entscheidung der Bundesregierung, 18 Kampfflugzeuge im Rahmen der AMF in die Türkei zu entsenden.
    Die Verlegung der deutschen Flugzeuge dient ausschließlich Verteidigungszwecken des NATO-Partners Türkei und dokumentiert unseren Willen, im Rahmen des Bündnisses einen Beitrag zur Abschrekkung und zur Kriegsverhinderung zu leisten; zu nichts anderem.
    Zu der Behauptung mancher, die Verlegung der Maschinen sei eine Angriffsvorbereitung, will ich sagen: Sie grenzt zumindest an Verleumdung. Schließlich gab es die AMF schon, als die SPD noch den Verteidigungsminister stellte; und unter SPD-Ministern hat die AMF schon damals auch an Übungen in der Türkei teilgenommen. Das muß man wissen, wenn man den Sachverhalt objektiv beurteilen will.
    Herr Kollege Vogel, heute ist das Wort nicht mehr gefallen; am Anfang der Debatte wurde diese Entsendung aus Ihrer Partei als Verfassungsbruch bezeichnet. Dann, als dieser Irrtum offensichtlich wurde, hat man sich auf die Formel zurückgezogen: politisch nicht notwendig.
    Meine Damen und Herren, ich würde mir wünschen, daß Sie begreifen, daß gerade die Entsendung von Soldaten ein unverzichtbares Mittel zur friedlichen Beilegung der Krise darstellt, weil nur dann die Abschreckung in diesem Bereich glaubhaft ist. Diplomatie ohne Macht ist wirkungslos. Aggressoren muß man entschlossen entgegentreten, wenn man sie vor weiteren Überfällen abhalten will.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir verstehen die Sorgen der Menschen in unserem Lande um die Erhaltung des Friedens. Ich möchte aber diejenigen, die in diesen Tagen auf die Straße



    Dr. Bötsch
    gingen oder gehen, auch diejenigen, die hier vor dem Parlament demonstrieren und denen ich meinen persönlichen Respekt für ihre subjektive Sorge um den Frieden nicht versagen will, fragen, ob sie dem Frieden nicht weit mehr gedient hätten, wenn sie unmittelbar nach dem 2. August 1990, also nach dem Überfall auf Kuwait, demonstriert hätten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich glaube, daß dies der richtigere Zeitpunkt gewesen wäre.
    Der Bundespräsident hat jüngst in einem Interview mit einer süddeutschen Zeitung zur Frage von außenpolitischer Selbstbeschränkung unterstrichen, daß — ich zitiere — „wir Deutsche uns nicht auf uns selbst zurückziehen dürfen". Deutschland darf also nicht abseits stehen, wenn es um einen Beitrag zur Bewältigung von Krisen und zum Erhalt des Friedens in der Welt geht.
    Meine Damen und Herren, es ist hier schon gesagt worden: Die Krise am Golf wird mit der Räumung Kuwaits nicht beendet sein. Es gibt dort zahlreiche weitere Konfliktfelder mit ähnlicher Brisanz. Wir sollten uns deshalb heute schon damit befassen, wie es danach weitergehen kann. Wir wollen weiter suchen, wie in dieser krisengeschüttelten Region ein dauerhafter Friede gesichert werden kann.
    Der Bundeskanzler und der Kollege Brandt haben das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Lebensraum angesprochen. Es gibt weitere Punkte: Der Reichtum der Golfregion sollte nicht weiter für die Aufrüstung verschwendet werden, der Nahe Osten braucht vielmehr ein wirksames Rüstungskontrollregime mit weitreichenden Abrüstungsvereinbarungen.

    (Zustimmung des Abg. Jäger [CDU/CSU])

    Langfristig wird es darauf ankommen, einen auf Verträge gegründeten Ausgleich auch zwischen den armen und den reichen Staaten in dieser Region zu erreichen und der Bevölkerung dort einen besseren Anteil an den vorhandenen, auch Reichtum bewirkenden Ressourcen zu organisieren.
    Die Länder, die die Natur mit umfangreichen Ressourcen gesegnet hat, sollten in gleicher Weise zur Unterstützung bereit sein, wie dies in der Europäischen Gemeinschaft in den letzten Jahren gegenüber Spanien und Portugal, gegenüber Griechenland und Irland erfolgt ist, in der gleichen Weise, wie jetzt die Europäische Gemeinschaft, die Länder der Europäischen Gemeinschaft und die übrigen Länder Westeuropas bereit sind, den Ländern Ost- und Südosteuropas in ihrer wirtschaftlichen Not zu helfen und die Wohlstandsgrenze überwindbar zu machen. Ich will nicht sagen, daß wir da alles richtig gemacht haben, aber wir, die Europäische Gemeinschaft, sollten unsere Hilfe anbieten, wenn geeignete Wege zur Überwindung der Spannungen gesucht werden müssen und wenn die Vielzahl der in der Golfregion angestauten Probleme gelöst werden müssen.
    Meine Damen und Herren, namens der CDU/CSUFraktion möchte ich die Bundesregierung bitten, in ihren Bemühungen, solange auch nur eine Chance
    besteht, den Krieg zu verhindern, zur friedlichen Lösung des Konflikts am Golf fortzufahren.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)