Rede von
Gertrud
Unruh
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GRÜNE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Frau Präsidentin! Werte Volksvertreter und Volksvertreterinnen! Ob ich ein Höhepunkt bin, das weiß ich nicht zu beurteilen; aber daß die Grauen der Höhepunkt im nächsten Bundestag sein werden, das weiß ich zu beurteilen.
Und eines habe ich in dieser Debatte doch festgestellt: eine Bevölkerungsgruppe hat keine Lobby in diesem Deutschen Bundestag.
Wir werden uns ganz energisch dagegen wehren, daß z. B. die Rentenkassen wieder einmal zur Plünderung anstehen. Es ist ja nicht das erste Mal, daß die kleinen Rentner und Rentnerinnen aus der Pflichtversichertenkasse bluten müssen. Darin waren sich CDU/CSU und FDP und — man höre und staune — seit Ehrenbergs Zeiten auch die SPD einig. Sie waren sich so einig, weil Sie ja Hunderte von Milliarden aus diesen Rentenkassen entnommen haben. Sie haben diese kleinen Rentner um 25 % abdynamisiert. Sie waren sich so sicher und so einig, daß selbst die Sozialdemokraten im August vorigen Jahres einen Renten-Deal mit ihnen gemacht haben.
Also, es gibt kein Stück Lobby für die Renten, die bei uns am niedrigsten sind: vierzig Jahre Erwerbstätigkeit und, wenn es hoch kommt, 1 400 Mark Rente. Was haben Sie denn da angestellt! Anstatt 30 Milliarden für die Finanzierung der Arbeitlosenversicherung in der Ex-DDR zu riskieren, zahlen Sie doch einmal eine 13. Weihnachtsrente für diese kleinen Rentner. Geben Sie, Sozialdemokraten, doch eine einmalige Abfindung für die kleinen Rentner, die ihr so geschädigt habt im Laufe der vierzig Jahre; nein, nicht vierzig, es läuft erst seit 1952. Da sind die ersten Renten geklaut worden — es sind ja eigentlich Renten — zum Aufbau einer Rüstung — 1952! Und stellen Sie sich einmal vor, Graf Lambsdorff: Ohne Zinsen ist das aus der Kasse genommen worden.
Es ist auch nicht wieder reingelegt worden, schon gar nicht mit Zinsen.
So, und jetzt kommt doch ein Punkt:
Wenn eine neue Partei antritt — für wen tritt sie denn an? —
und dann noch den Anspruch erhebt, Lobby der Rentenkassen zu werden, dann kann es natürlich nur für die enttäuschten Rentner und Rentnerinnen sein, denen wir wirklich zurufen: Vertraut noch einmal, geht zur Wahl! — Schämen Sie sich alle gar nicht, daß fast 30 % der Menschen nicht mehr zur Wahl gehen? Das muß doch irgendeinen Hintergrund haben.
Diesen Hintergrund, den haben wir Alten. — Verzeichen Sie, Sie gehören doch noch gar nicht zu den Alten. —
Wir mit unseren Lebenserfahrungen, wir haben es doch gespürt: Es gibt hier keine Mindestrente. Oder gibt es eine? — So.
Auch die Alten in der Ex-DDR haben natürlich eine Mindestrente verdient, mit Recht, und zwar von dem Volksvermögen, das diese Alten geschaffen haben. Die Urkunde ist in eine Mindestrente oder, wie man sagen könnte, in eine Intelligenzrente umzusetzen. Ist es nicht hochintelligent, nach dem Zweiten Weltkrieg überlebt zu haben? Überlegen Sie sich doch einmal: Was bedeutet denn Intelligenz?
Eins darf sich im Deutschen Bundestag natürlich nicht wiederholen: daß CDU-Abgeordnete während einer heißen Debatte rausgehen und sagen: Was kümmert mich das? Gehen wir lieber einen trinken! — Dafür gibt es die Diäten nicht, meine Herren der CDU.
Und — Schlußsatz — : Überlegen Sie sich einmal, was es bedeutet, in unserer Gesellschaft unkündbar zu sein — unkündbar! Wen muß man als Lobby dann haben,
damit die Unkündbarkeit unserer Beamten endlich anders geregelt wird? Oder wir werden alle unkündbar, ein sozial gerechtes System.
In diesem Sinne: Wähler und Wählerinnen, wählt die Grauen!