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    Plenarprotokoll 11/236 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 236. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Bundesministers Dr. Schwarz-Schilling 18861A Erweiterung der Tagesordnung 18861 A Zur Geschäftsordnung Such GRÜNE/Bündnis 90 18861 B Bohl CDU/CSU 18862 B Jahn (Marburg) SPD 18863 A Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 18930 B Außerhalb der Tagesordnung Dr. Ullmann GRÜNE/Bündnis 90 (Erklärung nach § 32 GO) 18930 C Dr. Heuer Gruppe der PDS (Erklärung nach § 32 GO) 18930 D Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu den Ergebnissen des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der KSZE in Paris und zum bevorstehenden Europäischen Rat in Rom Dr. Kohl, Bundeskanzler 18863 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 18869A Dr. Bötsch CDU/CSU 18873 D Duve SPD 18874 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE/Bündnis 90 . 18876 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 18879 D Frau Dr. Kaufmann Gruppe der PDS . . 18883 A Bahr SPD 18885 D Dr. Knabe GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18887A Dr. Hornhues CDU/CSU 18890D Frau Kottwitz GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18892 D Genscher, Bundesminister AA 18893 D Frau Unruh fraktionslos 18895 C Hoppe FDP 18896 D Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE/Bündnis 90 (Erklärung nach § 31 GO) 18897 C Tagesordnungspunkt 2: Aussprache zur Haltung der Bundesregierung zur Erhöhung von Steuern und Abgaben Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlan- des 18898 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 18906 D Frau Matthäus-Maier SPD 18908 B Dr. Ullmann GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18910 D Frau Matthäus-Maier SPD 18912 C Frau Vennegerts GRÜNE/Bündnis 90 . 18912 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 18915 C Westphal SPD 18917 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 18917 C Dr. Gysi Gruppe der PDS 18919 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 18921 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 18924 B Schäfer (Offenburg) SPD 18924 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 Frau Unruh fraktionslos 18925 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 18925D, 18927 C Dreßler SPD 18927 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 18927 C Hoss GRÜNE/Bündnis 90 18928A Wüppesahl fraktionslos 18928 B Präsidentin Dr. Süssmuth 18931A Berichtigung 18932 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .18933* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede des Abg. Glos (CDU/CSU) zu TOP 2 — Aussprache zur Haltung der Bundesregierung zur Erhöhung von Steuern und Abgaben 18933* D Anlage 3 Amtliche Mitteilung 18935* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 18861 236. Sitzung Bonn, den 22. November 1990 Beginn: 10.01 Uhr
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    Berichtigung 235. Sitzung, Seite 18839B, Zeile 10 von unten: Statt „Es wird Überweisung an die zuständigen Ausschüsse beantragt." ist „Es wird Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß beantragt." zu lesen. Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 22. 11. 90 * Antretter SPD 22. 11. 90 * Frau Becker-Inglau SPD 22. 11. 90 Beckmann FDP 22. 11. 90 Frau Beer GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Bindig SPD 22. 11. 90 Frau Birthler GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Börnsen (Ritterhude) SPD 22. 11. 90 Borchert CDU/CSU 22. 11. 90 Brunner CDU/CSU 22. 11. 90 Büchler (Hof) SPD 22. 11. 90 Frau Bulmahn SPD 22. 11. 90 Daweke CDU/CSU 22. 11. 90 Dörfler GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Frau Faße SPD 22. 11. 90 Francke (Hamburg) CDU/CSU 22. 11. 90 Frau Fuchs (Verl) SPD 22. 11. 90 Gattermann FDP 22. 11. 90 Graf SPD 22. 11. 90 Gröbl CDU/CSU 22. 11. 90 Grünbeck FDP 22. 11. 90 Dr. Haack SPD 22. 11. 90 Haack (Extertal) SPD 22. 11. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 22. 11. 90 Häfner GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 22. 11. 90 Hasenfratz SPD 22. 11. 90 Dr. Haussmann FDP 22. 11. 90 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 22. 11. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 22. 11. 90 Frau Hürland-Büning CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Jobst CDU/CSU 22. 11. 90 Jung (Düsseldorf) SPD 22. 11. 90 Frau Kelly GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Kißlinger SPD 22. 11. 90 Koschnick SPD 22. 11. 90 Kossendey CDU/CSU 22. 11. 90 Kreuzeder GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Kühbacher SPD 22. 11. 90 Dr. Langner CDU/CSU 22. 11. 90 Maaß CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 22. 11. 90 Meyer SPD 22. 11. 90 Dr. Modrow Gruppe 22. 11. 90 der PDS Dr. Müller CDU/CSU 22. 11. 90 * Platzeck GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Dr. Pohlmeier CDU/CSU 22. 11. 90 Reddemann CDU/CSU 22. 11. 90 * Regenspurger CDU/CSU 22. 11. 90 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Rehm CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Schäuble CDU/CSU 22. 11. 90 Schmidt (München) SPD 22. 11. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 22. 11. 90 Schütz SPD 22. 11. 90 Schulz GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Dr. Seifert Gruppe 22. 11. 90 der PDS Seiters CDU/CSU 22. 11. 90 Spilker CDU/CSU 22. 11. 90 Frau Trenz GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Vosen SPD 22. 11. 90 Waltemathe SPD 22. 11. 90 Frau Weiler SPD 22. 11. 90 Weinhofer SPD 22. 11. 90 Wiefelspütz SPD 22. 11. 90 Wischnewski SPD 22. 11. 90 Wissmann CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Wittmann CDU/CSU 22. 11. 90 Zeitlmann CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Zimmermann CDU/CSU 22. 11. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede des Abgeordneten Glos (CDU/CSU) zu Tagesordnungspunkt 2 Aussprache zur Haltung der Bundesregierung zur Erhöhung von Steuern und Abgaben Glos (CDU/CSU): Die CDU/CSU plant keine Steuererhöhungen, weder eine höhere Mehrwertsteuer noch eine höhere Mineralölsteuer noch eine sonstige Steuererhöhung. Es gibt keinen Grund, unsere langjährig erfolgreiche Politik des knappen öffentlichen Geldes und der Verbreiterung des privaten Sektors unter dem Vorzeichen der Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland aufzugeben. Unsere Politik der Senkung der Steuerquote - wir haben 1990 mit rund 22,5 Prozent den niedrigsten Stand seit 30 Jahren - hat zum Beispiel entscheidend dazu beigetragen, daß wir - auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik - jetzt in das neunte Jahr ununterbrochenen Wirtschaftswachstums hineingehen. Im Gegensatz zur SPD - die eine 9prozentige Ergänzungsabgabe, eine Erhöhung der Mineralölsteuer um 50 Pfennig je Liter sowie zahlreiche sogenannte Ökosteuern fordert - ist die CDU/CSU der Auffassung, daß Steuererhöhungen das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen und damit die solideste aller Finanzierungsquellen verschütten würden. Entgegen der Äußerung von Graf Lambsdorff am Sonntag in „Bonn direkt" ist die CDU/CSU in Sachen Finanz- und Steuerpolitik mindestens so sattelfest wie die FDP. Anders als die FDP fordern CDU und CSU 18934* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 zum Beispiel keine Vermehrung der Steuervielfalt um eine Klimasteuer. Wenn Graf Lambsdorff am vergangenen Wochenende meinte, feststellen zu müssen, daß die CDU/CSU in der Finanz- und Steuerpolitik wackelt, dann spricht er gegen besseres Wissen, denn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und insbesondere die Finanz- und Steuerpolitiker haben nie gewackelt. In dieser hektischen Wahlkampfzeit ist seine Aussage nur als Profilierungsversuch zu werten, die FDP als bessere Steuererhöhungsverhinderungspartei darzustellen. Bedeutend mehr Freude macht uns natürlich, wenn der wirtschafts- und finanzpolitische Mentor der SPD, Professor Karl Schiller, vor zwei Wochen bei der von der SPD verlangten öffentlichen Anhörung zur Finanzierung der deutschen Einheit bestätigt hat, daß er — Schiller — nicht anders gehandelt hätte als unser CSU-Bundesfinanzminister Theo Waigel. Wir von der CDU/CSU verstehen ja, daß ein solches Lob aus der roten Ecke an die schwarze Adresse die FDP schmerzen muß. Ist es doch ihr Wirtschaftsminister, der seit langem jegliches Lob schmerzlich vermißt. Auf einem anderen Blatt steht die Notwendigkeit, die Leistungs- und Innovationskraft der Sozialen Marktwirtschaft verstärkt in den Dienst der Umwelt zu stellen. Unabhängig von der Finanzierung des Anpassungsprozesses in den neuen Bundesländern und seiner sozialen Absicherung ist eine breitere Anwendung des Verursacherprinzips mit marktwirtschaftlichen Maßnahmen geboten. Dazu können auch nichtsteuerliche Sonderabgaben gehören, wenn sie das Ziel verfolgen und auch geeignet sind, schädliche Umweltbelastungen zu verringern und bereits eingetretene Schäden zu beseitigen. Das Aufkommen solcher Sonderabgaben nimmt in dem Maße ab, in dem das Umweltziel erreicht wird. Eine solche Sonderabgabe hat also nichts mit Steuererhöhungen zur Aufbesserung der Staatseinnahmen zu tun, meine Damen und Herren von der Opposition! Steuererhöhungen schmälern die Investitionsbereitschaft und die Leistungsbereitschaft der Betriebe und der Berufstätigen. Sie wirken preistreibend. Dadurch wird eine verhängnisvolle Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt, die zwar kurzfristig inflationsbedingte Steuermehreinnahmen bringen kann, aber mittelfristig mit realen Wachstumsverlusten und folglich Steuerverlusten bezahlt werden muß. Die richtige Finanzpolitik im vereinten Deutschland heißt vor allem Ausgabendisziplin. Unabweisbare Mehrausgaben für die Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland müssen mit Ausgabeeinsparungen in den öffentlichen Haushalten verbunden werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt deshalb den Beschluß der Bundesregierung, den mittelfristigen Ausgabenanstieg im Bundeshaushalt auf durchschnittlich 2 Prozent jährlich zu begrenzen. Auf Grund der kurzfristig notwendigen Unterstützung des Anpassungsprozesses in den neuen Bundesländern ist auch eine vorübergehend höhere Nettokreditaufnahme im Bundeshaushalt erforderlich. Vor allem 1991 wird es zu Mehrbelastungen kommen, die aber auf der Grundlage der dynamischen Wirtschaftsentwicklung in den alten Bundesländern und des baldigen Aufschwungs in den neuen Bundesländern bewältigt werden können. Meine Damen und Herren! Der Wiederaufbau des östlichen Teils unseres Vaterlandes ist die größte und wichtigste Investition seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Auf mittlere Sicht wird der ökonomische Nutzen der deutschen Wiedervereinigung die zusätzlichen Belastungen von heute deutlich übersteigen. Auch aus diesem Grunde ist eine vorübergehend höhere Nettokreditaufnahme der bessere Weg als die von der SPD geforderten neuen Steuern und Abgaben. Karl Schiller hat der SPD in der öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses am 7. November folgendes vorgerechnet: Die Einführung der SPD-Ergänzungsabgabe würde gerade diejenigen Steuerpflichtigen treffen, die die höchste Sparquote haben. Damit würde das Weniger an Kreditaufnahme des Staates auf ein Weniger an Kreditangebot der Privaten treffen und hätte deshalb keinerlei zinsentlastende Wirkung. Frau Matthäus-Maier sollte noch mal bei Herrn Schiller studieren; vielleicht ist er sogar bereit, ihr Privatunterricht zu geben. Noch eine Bemerkung an die Adresse von Graf Lambsdorff: Die privatwirtschaftliche Finanzierung und Durchführung von Investitionsprojekten soll nach dem Eckwertebeschluß der Bundesregierung, der vor 9 Tagen gefaßt wurde, für eine zusätzliche Entlastung der öffentlichen Haushalte sorgen. Soweit geeignete Objekte vorhanden sind, die Private besser als die öffentliche Hand erbringen können, sind die rechtlichen und sachlichen Voraussetzungen für eine privatwirtschaftliche Finanzierung baldmöglichst geschaffen. Dies ist die Beschlußlage, die die FDP im Kabinett mitgetragen hat. Es ist deshalb — zurückhaltend formuliert — unfair, wenn der Vorsitzende der FDP die Möglichkeit der privaten Finanzierung eines Autobahnbaus im östlichen Deutschland durch Gebühren als ein Marterinstrument bezeichnet und damit den Regierungsbeschluß konterkariert. Oder weiß Graf Lambsdorff nicht, daß die von ihm bevorzugte Vignette nach Schweizer Muster nichts anderes ist als eine Pauschalgebühr für die Autobahnbenutzung? Trotz des wahlkampfbedingten Geplänkels werden wir in der Koalition unsere bewährte Zusammenarbeit im Kampf gegen eine zu hohe Steuerbelastung für Bürger und Unternehmungen fortsetzen. Unsere Finanzpolitik hat die Angebotsbedingungen der Volkswirtschaft innerhalb von 8 Jahren nachhaltig verbessert, den Wohlstand der Bürger erhöht und die Selbstfinanzierungskräfte der Sozialen Marktwirtschaft gestärkt. Die glänzende Verfassung unserer Volkswirtschaft auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik ist ganz wesentlich ein Ergebnis unserer wachstums- und investitionsfreundlichen Finanz- und Steuerpolitik. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 18935* Die Bürger und Bürgerinnen unseres Landes haben keinen Grund, ausgerechnet jetzt die Wirtschafts- und Finanzpolitik den Sozialisten als Experimentierfeld zu überlassen. Das SPD-Konzept eines völligen ökologischen Umbaus unseres Steuersystems verkennt grundlegende finanzpolitische Zusammenhänge. Ein Umkrempeln des Steuer- und Abgabesystems im Zeichen des Umweltschutzes würde irreparable Störungen unserer Wirtschafts- und Sozialordnung zur Folge haben. Dies kann sich das vereinte Deutschland, das international zunehmend in die Pflicht genommen ist, nicht leisten. Anlage 3 Amtliche Mitteilung Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 15. November 1990 ihren Entschließungsantrag auf Drucksache 11/8438 zurückgezogen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Graf Otto Lambsdorff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es ist in der Tat nicht meine letzte Rede in diesem Parlament. Aber es muß ja auch für die Frau Kollegin Vollmer nicht die letzte sein; es kann ja einmal eine Legislaturperiode lang unterbrochen werden. Wer weiß denn, was alles noch geschieht.

    (Hornung [CDU/CSU]: Nur für Gysi wird es die letzte sein!)

    — Für wen auch immer. Jeder hier in diesem Hause hat sicherlich seine Wünsche und wünscht sich manchen als letzten Redner in seiner letzten Legislaturperiode. Da ist der Phantasie keine Grenze gesetzt.
    Meine Damen und Herren, die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden und in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, das sind die



    Dr. Graf Lambsdorff
    Ziele, die das Grundgesetz den Deutschen und insbesondere den politisch Handelnden vorgegeben hat. Für die FDP hat es nie einen Zweifel daran gegeben, daß sie ihre ganze Kraft für die Erfüllung dieser Aufträge einsetzen wird.
    Seit dem 3. Oktober leben die Deutschen wieder in einem Staat mit einer Verfassung, einem Parlament und einer Rechts- und Wirtschaftsordnung. Den ersten Auftrag unseres Grundgesetzes haben wir damit erfüllt.
    In den vergangenen Tagen haben die europäischen Staaten, die USA und Kanada in Paris gemeinsam die Fundamente für eine Friedensordnung in Europa gelegt und in der Charta für Europas Zukunft Einvernehmen über wesentliche Elemente der Konstruktion des gemeinsamen europäischen Hauses gefunden.
    Die europäische Friedensordnung ist damit keine Vision mehr, sondern ein konkretes Handlungsprogramm. Die Entwicklung in Europa seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes hat es nicht immer einfach gemacht, sich den Glauben daran zu erhalten, daß die Einheit Deutschlands und eine europäische Friedensordnung Ziele sind, die durch konkretes politisches Handeln verwirklicht werden können.
    1967, sechs Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer und ein Jahr vor der Niederschlagung des Prager Frühlings, schrieb der Westen im Harmel-Bericht das Konzept dessen auf, was jetzt Wirklichkeit geworden ist:
    Die Entwicklung der sowjetischen und osteuropäischen Politik berechtigt zu der Hoffnung, daß diese Regierungen schließlich die Vorteile erkennen werden, die auch ihnen aus der gemeinsamen Erarbeitung einer friedlichen Regelung erwachsen.
    Und weiter:
    Jede derartige Regelung muß die unnatürlichen Schranken zwischen Ost- und Westeuropa beseitigen, die sich in der Teilung Deutschlands am deutlichsten und grausamsten offenbaren.
    Zu dieser Zeit regierte in Bonn die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD. Beide Parteien zogen außen- und deutschlandpolitisch mit großer Energie in entgegengesetzte Richtungen und sorgten so für Unbeweglichkeit. Die FDP bemühte sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, auf die Notwendigkeit einer neuen Ostpolitik hinzuweisen.
    1969 ermöglichte der Wähler die Bildung der sozialliberalen Koalition, die den deutschen Beitrag zur Schaffung einer europäischen Friedensordnung einleiten konnte.
    Die Regierung Brandt/Scheel schloß die Verträge mit der Sowjetunion, mit Polen, mit der Tschechoslowakei und mit der DDR. Sie waren ein entscheidender Beitrag zur Herstellung der noch schwankenden Vertrauensbasis, die die Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluß des ersten KSZE-Gipfels 1975 in Helsinki war.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Die Ostverträge und die Einleitung des KSZE-Prozesses mußten damals gegen den heftigen Widerstand der CDU/CSU durchgesetzt werden.
    Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, erinnern Sie sich noch daran, wie Sie das KSZE-Dokument von Helsinki damals charakterisiert haben? Sie sagten: „Supermarkt von Attrappen. "

    (Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Der Herr Bötsch war das!)

    — Herr Bötsch hat das alles heute so in Watte verpackt.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das ist jetzt die Abteilung Binnenwahlkampf!)

    — Meine Damen und Herren, zum Thema „Binnenwahlkampf" kann ich nur sagen: Der Kollege Bötsch hat mir vor ein paar Minuten gesagt, die FDP bekomme bald die absolute Mehrheit. Ich habe ihm gesagt: Noch ein paar CSU-Wahlkongresse, dann könnten wir das vielleicht schaffen.

    (Heiterheit und Beifall bei der FDP)

    Selbstverständlich; war auch uns nicht verborgen
    geblieben, daß die Schlußakte von Helsinki nicht viel mehr als ein politisches Programm war, das im Rahmen eines langfristigen Prozesses mit konkretem, vertraglich fixiertem Inhalt ausgefüllt werden mußte. Wir machten uns an die Arbeit.
    Der Pariser Gipfel zeigt, daß wir uns auf den richtigen Weg begeben hatten. Die Sowjetunion war erst unter Präsident Gorbatschow bereit, die Perspektiven des KSZE-Prozesses wirklich auszuloten. Er erkannte die Möglichkeiten, die sich aus den Rahmenbedingungen des KSZE-Prozesses für die Sowjetunion ergeben. Er verzichtete darauf, anderen Völkern mit Gewalt seinen Willen aufzuzwingen. Er verschaffte den Menschenrechten in der Sowjetunion Geltung, und er entsprach damit wesentlichen Forderungen der KSZE-Vereinbarungen. Dies ist sein historisches Verdienst.
    Der von ihm eingeleitete Wandel der sowjetischen Politik machte 1986 den ersten großen Erfolg der KSZE-Sicherheitspolitik möglich: die Stockholmer Vereinbarungen über vertrauensbildende Maßnahmen. 1987 folgte die Vereinbarung über die beiderseitige und vollständige Beseitigung der Mittelstreckenwaffen. Der NATO-Doppelbeschluß, den wir in der Regierung Schmidt gemeinsam mit der SPD gefaßt hatten, wurde zum Erfolg und zugleich zum entscheidenden Beweis für die Veränderung der Politik der Sowjetunion.

    (Beifall bei der FDP)

    Die SPD hatte in dieser wie auch in anderen Fragen schon während der Regierung Schmidt den Mut verloren, und sie hat ihn bis heute nicht wiedergefunden. Auch deswegen hat Helmut Schmidt recht: Oskar Lafontaine hat einen Wahlsieg nicht verdient.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, man muß nicht nur die richtigen politischen Ideen haben, sondern auch den Mut haben, durchzuhalten, wenn es schwierig wird.



    Dr. Graf Lambsdorff
    Ich frage mich schon, Herr Bahr, wie Ihnen zumute ist, wenn Sie nachlesen, was Sie damals — 1988 — in der Veranstaltung „Nachdenken über Deutschland" in den Münchener Kammerspielen gesagt haben: „Wer dabei die deutsche Frage aufwirft, der stört Europa."

    (Zuruf von der CDU/CSU: Übelst!)

    — Nicht übel, aber es war eine Fehleinschätzung. — Jetzt ist die Frage gelöst, und niemand ist gestört.
    Der entscheidende Durchbruch des KSZE-Prozesses kam mit der Wiener Folgekonferenz, die im Januar 1989 mit einem richtungsweisenden Schlußdokument abgeschlossen wurde. Zwei Elemente dieses Dokuments sind hervorzuheben: die Festschreibung der Menschen- und Bürgerrechte und die Einsetzung von Verhandlungen über konventionelle Abrüstung in Europa.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Betonung der Menschen- und Bürgerrechte hat den Reformgruppen in den Staaten Ost- und Südosteuropas den Rücken gestärkt und dazu beigetragen, daß sie sich binnen weniger Monate durchsetzen konnten.
    Die Revolution in der früheren DDR, die den Weg zur Überwindung der Teilung Deutschlands mit friedlichen Mitteln freikämpfte, konnte sich auf die Erklärung zu den Menschenrechten der KSZE-Dokumente und auf das ungarische Beispiel stützen.

    (Hornung [CDU/CSU]: Und auf das Festhalten am Verfassungsauftrag!)

    — Vor allen Dingen auch auf das Festhalten an der einheitlichen Staatsbürgerschaft, die Herr Lafontaine abschaffen wollte.
    Die Deutschen haben ihre Einheit mit Zustimmung und Unterstützung der Vier Mächte und mit Zustimmung und Unterstützung aller ihrer Nachbarn und aller ihrer Partner vollenden können. Es gibt keinen besseren Beweis dafür, daß wir das Vertrauen der Völkergemeinschaft wiedergewonnen haben.
    Das Vertrauen gilt in ganz besonderem Maße dem deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Seine Außenpolitik der Verantwortung und Berechenbarkeit machte die schnelle Verständigung mit den Vier Mächten über die deutsche Einheit möglich. Jeder, der sieht, wie schwierig manches in den Ländern östlich unserer Grenzen heute wird, kann nur glücklich darüber sein,

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    wie schnell wir den Zwei-plus-Vier-Prozeß in trokkene Tücher gebracht haben, daß wir von allen möglichen Entwicklungen nicht mehr beeinträchtigt werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Der römische Gipfel und eigentlich auch die KSZE-Veranstaltung sollten die deutsche Einheit ja noch gewissermaßen absegnen und billigen; man hat nur noch den Vollzug billigend zur Kenntnis nehmen können. Das war schon eine große Leistung.
    Es wird mit der FDP, mit dem Außenminister Genscher auch in Zukunft nationale Alleingänge der Deutschen nicht geben. Der KSZE-Gipfel in Paris hat die Vereinigung Deutschlands als Beitrag zur europäischen Stabilität zur Kenntnis genommen, und er hat die Einbettung der deutschen Einheit in den Aufbau der europäischen Friedensordnung unterstrichen.
    Wie weit wir auf dem Weg von der Konfrontation zur Kooperation vorangekommen sind, zeigt die von den 22 Mitgliedstaaten der NATO und des Warschauer Pakts auf dem Pariser Gipfel abgegebene feierliche Erklärung, die einen Gewaltverzicht zwischen beiden Bündnissen ausspricht und ein neues Verhältnis ihrer Mitgliedstaaten zueinander vorzeichnet.
    Meine Damen und Herren, man muß sich ja immer mühen, noch dreimal die Augen aufzureißen und die Ohren aufzumachen, um das überhaupt alles zu begreifen, was sich in den letzten zwölf Monaten entwickelt hat.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Aber der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten konnte sich noch im Januar dieses Jahres eine solche Entwicklung nicht vorstellen. Wie sonst wäre zu erklären, daß er die Einbindung eines vereinten Deutschland in die NATO für anachronistisch hielt — so wörtlich.

    (Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Hört! Hört! — Kuhlwein [SPD]: Sie wußten es im Januar auch noch nicht!)

    — In dem Zeitpunkt sind wir für die Einbindung des vereinten Deutschlands in die NATO eingetreten, aber Herr Lafontaine hat uns gesagt, das sei eine anachronistische Vorstellung. Der Anachronist und das Provisorium ist er.

    (Zuruf von der FDP: So ist es!)

    Die Bedeutung der Beteiligung der USA und Kanadas bei der Gestaltung des Friedens auf dem europäischen Kontinent unterstreicht die Transatlantische Erklärung, die die zwölf EG-Staaten und die USA und Kanada während des Pariser Gipfels unterzeichnet haben. Die amerikanische Präsenz hat in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend zur Friedenssicherung und zur Stabilität in Europa beigetragen. Gerade in der Zeit des Wandels und der Neuorientierung in Europa können und wollen wir auf diese Präsenz nicht verzichten; das europäische Haus braucht eine nordamerikanische Einliegerwohnung.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Weichen für die Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union sind gestellt. Wir wollen die Vertiefung der Europäischen Gemeinschaft. Der Reformprozeß in der Sowjetunion, Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei und den anderen Staaten Osteuropas muß unumkehrbar werden, und er muß zu einem vollen Erfolg werden. Deshalb muß die Gemeinschaft offen sein für die neuen Demokra-



    Dr. Graf Lambsdorff
    tien und Marktwirtschaften, die schon jetzt die Perspektive einer Integration in die EG brauchen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Bahr [SPD])

    Die FDP ist — anders als der Herr Bundeskanzler — der Meinung, daß wir Deutschen geradezu verpflichtet sind, den Ungarn, den Polen, den Tschechoslowaken den Weg in die Europäische Gemeinschaft zu öffnen.

    (Bahr [SPD]: Sehr wahr!)

    Es kann nicht genug sein, an Sonn- und Feiertagen und in Staatsakten unsere Dankbarkeit gegenüber den Regierungen und Völkern zum Ausdruck zu bringen, ihnen aber das Eigentliche, was sie brauchen
    — das sind nicht Kredite und Lieferungen, sondern Integration in die westliche Wirtschaft — , zu verwehren. Das ist falsch.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    — Nein, nein, nun wollen wir das mal nicht verstekken. Der Herr Bundeskanzler hat ausdrücklich eine andere Position noch vor drei Wochen vertreten.

    (Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Da haben Sie nicht richtig zugehört!)

    — Wir können doch noch lesen und hören.

    (Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Manchmal nur das, was man will!)

    — Aber wenn es nicht so ist, ist es ja ein leichtes, es zu sagen. Dann wäre es ja schön. Dann wären wir einig. Das machte die Koalitionsverhandlungen schon wieder einfacher, meine Damen und Herren.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP — Dr. Soell [SPD]: Ein bißchen zu sicher!)

    Von Europa, meine Damen und Herren, das zu einer neuen Form friedlichen Zusammenlebens findet, wird umfassende, weltweite Solidarität mit den wirtschaftlich, ökologisch, sozial und militärisch gefährdeten Regionen dieser Welt erwartet. Nur, sage ich, Frau Vollmer, noch einmal: Sosehr auch wir selbstverständlich dafür sind, allen ökologischen Forderungen so schnell und so umfassend wie möglich gerecht zu werden, eine Voraussetzung brauchen Sie dafür, nämlich leistungsfähige Wirtschaften; sonst sieht es nämlich am Ende so aus wie in der DDR.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Diesen Herausforderungen gerecht zu werden heißt in diesen Tagen nach Auffassung der Freien Demokraten: wir müssen der Sowjetunion im bevorstehenden Winter helfen. Das ist das Drängendste. Aber, meine Damen und Herren, Winterhilfe allein reicht nicht. Die Sowjetunion und unsere östlichen Nachbarn brauchen weitere Hilfe für ihren Weg der Reformen. Für die FDP sage ich — wohlwissend, wie schwierig das ökonomisch alles zu beurteilen ist, und ich kann das hier nur sehr kurz darstellen — zwei Punkte:
    Erstens: Zuwarten reicht nicht. Jawohl, Kredite brauchen Reformen, aber Reformen brauchen auch Kredite.

    (Bahr [SPD]: Ja!)

    Zweitens: Die Stabilität der Sowjetunion ist auch unsere Stabilität.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Bahr [SPD]: Ja!)

    Meine Damen und Herren, das Konzept für die europäische Friedensordnung liegt vor. Die ersten Baumaßnahmen sind begonnen. Es kommt jetzt darauf an, die Dynamik dieses Prozesses aufrechtzuerhalten und möglichst zu beschleunigen. Die Liberalen haben den Auftrag der Präambel des Grundgesetzes stets als konkrete Aufforderung zu politischem Handeln verstanden.
    Lassen Sie mich dies hier heute einmal sagen: Wir sind stolz auf die kontinuierliche außenpolitische Haltung und Linie unserer Partei. Mit Konrad Adenauer und der CDU/CSU haben wir die Aussöhnung nach Westen getragen, heftig bekämpft von der SPD. Mit Willy Brandt und Helmut Schmidt und der SPD haben wir die Ost- und Entspannungspolitik getragen, heftig bekämpft von CDU und CSU. Ich bekunde dem Bundeskanzler ausdrücklich meinen Respekt für die Einsicht, die er heute hier zum KSZE-Prozeß vorgetragen hat. Ich wünschte mir, Herr Bahr, daß von Ihnen eine ähnliche Erklärung — Herr Ehmke hat nichts dergleichen gesagt — und ähnliche Einsichten zum NATO-Doppelbeschluß und seiner Wirkung auch einmal kämen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich sage, Frau Vollmer, ich sehe keinen Anlaß, uns bei der Friedensbewegung zu bedanken; denn sie hätte uns den falschen Weg gewiesen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Unsere Folgerichtigkeit hat zum KSZE-Gipfel nach Paris geführt. Die Freie Demokratische Partei braucht an ihrem außenpolitischen Weg durch die vier Jahrzehnte Bundesrepublik Deutschland nichts zu korrigieren. Die Namen von zwei liberalen Außenministern stehen für diese Politik, erst Walter Scheel, unser späterer Bundespräsident. Sein Name steht unter dem Brief zur deutschen Einheit. Unter dem Schlußdokument der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen steht der Name des Mannes, der seit sechzehn Jahren die Verantwortung für die deutsche Außenpolitik hat. Die FDP sagt Hans-Dietrich Genscher Dank für eine überragende staatsmännische Leistung.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP — Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Erfolg der Konferenz der KSZE-Staaten in Paris erfüllt uns mit Freude. Meine Damen und Herren, die deutsche Einheit ist vollendet. Die Teilung Deutschlands und Europas ist überwunden.

    (Zuruf der Abg. Frau Dr. Sonntag-Wolgast [SPD])

    — Die deutsche Einheit ist vollendet, nicht die Einheitlichkeit, das wissen wir auch. Aber die staatliche Einheit ist vollendet. Warum müssen wir denn immer davon abstreichen? Warum müssen wir diesen Erfolg



    Dr. Graf Lambsdorff
    denn immer kleinschreiben? Das hat doch überhaupt keinen Sinn.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich wiederhole: Die deutsche Einheit ist vollendet. Am 3. Oktober war sie vollendet. Daß da noch viel zu tun bleibt, wissen alle; und ich glaube, wir haben bessere Konzepte als Sie.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Die Teilung Deutschlands und Europas ist überwunden.
    Heute ist die letzte Plenarsitzung dieser Sitzungsperiode. Für die Freien Demokraten sage ich — und jeder Bürger in unserem Lande kann es nachvollziehen und überprüfen — : Es hat seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland keine ertragreichere, keine erfolgreichere Legislaturperiode gegeben. Wir wollen diese Arbeit fortsetzen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Kaufmann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Pariser Europagipfel ist zu Ende. Die Gruppe der Abgeordneten der PDS begrüßt seine Ergebnisse, insbesondere den Vertrag über die Reduzierung und Begrenzung der konventionellen Streitkräfte. Damit wurde die Tür für erforderliche weitergehende Abrüstungsschritte weit aufgestoßen.
    Ausdrücklich möchte ich erklären, daß wir das Friedensbekenntnis des Bundeskanzlers, seine erneute Bekräftigung der Endgültigkeit der Grenzen als Faktor der Stabilität in Europa begrüßen. Wir tragen die damit einhergehende Forderung, keine neuen Wohlstandsgrenzen zu errichten sowie dem neuen Nationalismus keinen Raum zu gewähren, nicht nur uneingeschränkt mit, sondern werden dies — wo und wann auch immer erforderlich — mit einklagen.
    In Paris sollten die Nachkriegsära, der Kalte Krieg und die Block-Konfrontation endgültig zu Grabe getragen werden, wenngleich nicht wenige Politiker ihn im Innern, z. B. gegenüber der PDS, fortsetzen, wenngleich in der früheren DDR ausgeteilte, entwürdigende Fragebogen von altem antikommunistischen und antisowjetischen Geist geprägt sind.
    Daß die Nachkriegsära in Paris für beendet erklärt werden konnte, dies haben die demokratischen Umwälzungen und die Reformen im Osten Europas ermöglicht.

    (Hornung [CDU/CSU]: Damit ist die PDS überflüssig!)

    Sichtbarster Ausdruck sind die historischen Veränderungen auf der politischen Landkarte, die deutsche Einheit, der eingeleitete Prozeß des Abbaus der überdimensionalen Waffenarsenale und die gegenseitige Versicherung der Staaten von Warschauer Vertrag und NATO, nicht mehr Gegner, sondern künftig Partner zu sein.
    Meine Damen und Herren, Europas neue Horizonte werden aber zugleich von dunklen Wolken der Kriegsgefahr am Golf überschattet. Präsident Bush wollte seine an der Heimatfront zunehmend umstrittene militärische Offensivstrategie in Paris offensichtlich bestätigen lassen; dies mißlang. Und es wäre wohl auch mehr als ein Geburtsfehler gewesen, wenn der europäische Aufbruch von einer De-facto-Kriegserklärung begleitet worden wäre, wo doch die Zeichen aus Bagdad andeuten, daß das gemeinsame, entschlossene Handeln der internationalen Staatengemeinschaft den Agressor ohne Krieg zum Rückzug zwingen kann.

    (Lenzer [CDU/CSU]: Hoffentlich haben Sie recht!)

    Nein, der Zynismus Saddam Husseins in seinem Spiel mit Geiseln und einem okkupierten Staat darf nicht durch Zynismus gegenüber Abertausenden unschuldigen Menschen und der Umwelt ersetzt werden, die Opfer eines Angriffskrieges am Golf werden würden.
    Wir begrüßen die angekündigte Freilassung der deutschen Geiseln und fordern Saddam Hussein auf, alle ausländischen Geiseln freizulassen. Die angekündigte Freilassung der deutschen Geiseln sollte die Bundesregierung nicht in Erklärungszwänge verstrikken, sondern ihr endlich Veranlassung sein, sich politisch aktiv in den Konflikt einzuschalten und seine nichtmilitärische Überwindung in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen.
    Statt dessen wird jedoch über die Änderung des Grundgesetzes nachgedacht, um deutsche Soldaten an den Golf entsenden zu können. Wir sind unter Beachtung der deutschen Geschichte strikt dagegen, daß deutsche Soldaten jemals wieder außerhalb Deutschlands eingesetzt werden.

    (Bohl [CDU/CSU]: Warum habt ihr sie denn 1968 in die Tschechoslowakei geschickt? Warum haben Sie die dahin geschickt?)

    Und die Aufforderung an deutsche Soldaten, sich an einem solchen Einsatz nicht zu beteiligten, ist schon deshalb keine Straftat, weil nach der gegenwärtigen Rechtslage noch ihr Einsatz eine Straftat wäre.
    Meine Damen und Herren, es wäre unredlich, zu übersehen, daß Paris zwar eine historische Etappe in Würde abgeschlossen, zugleich aber über die Zukunft Europas noch nicht bzw. erst in Ansätzen entschieden hat. Diese schwierige Aufgabe liegt erst noch vor uns, und daran müssen alle politischen Kräfte Europas — sowohl die, die Regierungsverantwortung tragen, als auch jene, die sich in der Opposition befinden — teilnehmen können.
    Noch lebt, wie Präsident Mitterrand erklärte, der Kalte Krieg in manchen Köpfen weiter, obwohl er öffentlich für tot erklärt wurde. Die Fähigkeit des vereinten Deutschland, den Bauplan eines künftigen gemeinsamen Hauses Europa kreativ und prägend mitzugestalten, wird in hohem Maße davon abhängen, wie es gelingt, die im eigenen deutschen Haus bestehenden sozialen, wirtschaftlichen und geistigen Grä-



    Frau Dr. Kaufmann
    ben zu überwinden und Versuche der Ausgrenzung Andersdenkender zu beenden.

    (Zuruf von der SPD: Da kenne ich welche, die Gräben gegraben haben!)

    Demokratie kann sich — sei es im Osten Deutschlands, sei es im Osten Europas — nur befestigen, wenn sich alle Bürgerinnen und Bürger chancengleich in der neuen deutschen und europäischen Geschichte wiederfinden.

    (Hornung [CDU/CSU]: Wenn die Überbleibsel der Diktatur beseitigt sind!)

    Internationalisierung darf sich nicht an nationale Grenzen stoßen. Der Ruf nach der Einheit Europas und das Verbot des Wahlrechts für Ausländer sind nicht miteinander vereinbar. Auch dieses Defizit im Grundgesetz zeigt, daß die Ausarbeitung einer neuen deutschen Verfassung in Angriff zu nehmen ist.
    Meine Damen und Herren, was erwarten die Menschen in den ostdeutschen Ländern, im Süden und Osten Europas und in der Sowjetunion von diesem sich einigenden Europa? Sie erwarten Frieden, weit geöffnete Grenzen und vor allem einen wirtschaftlichen Aufschwung, der ihre Lebensqualität deutlich und spürbar verbessert. Ihre Erwartungen in die ökonomische Kraft des Westens sind so hoch, daß es schwerfallen wird, sie auch nur annähernd zu erfüllen. Viele Menschen glauben, daß ihnen die Marktwirtschaft und der Brückenschlag zum Westen gewissermaßen über Nacht ein Schlaraffenland bescheren. Es sollte deshalb auch der Mut aufgebracht werden, die Dimension der tatsächlich bestehenden und noch zu erwartenden Probleme klar zu benennen und ebenso unmißverständlich die Weichen für ihre realistische Bewältigung zu stellen. Die Erfahrungen, die wir im Osten Deutschlands gemacht haben und machen, gebieten dies schlicht und einfach.
    Absichtserklärungen, wonach es keine Wohlstandsmauern, keine Europäer erster und zweiter Klasse, kein Armenhaus und kein Billiglohngebiet Europas geben dürfe, sind die eine Seite. Die andere Seite aber ist, daß eben dies nicht ausreicht. Ein gesamteuropäisches „new deal", das von allen Staaten mitgetragen wird, muß schleunigst entwickelt und am besten baldmöglichst zum Gegenstand einer Art ökonomischer Nachfolge-KSZE gemacht werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gibt es Hunderte, wenn nicht Tausende von Arbeitslosen mit den unterschiedlichsten Berufen, die in der UdSSR und in anderen osteuropäischen Ländern studiert, gelebt und gearbeitet haben und über ausgezeichnete Sprach- und Landeskenntnisse verfügen. Sie sollten die Möglichkeit erhalten, entsprechend ihren Fähigkeiten für diese Länder oder in ihnen tätig zu werden.
    Meine Damen und Herren, der zentralistischen Planwirtschaft einfach eine zum Teil rücksichtslose Marktwirtschaft, wie sie z. B. im Westen Deutschlands kaum noch üblich war, aufzustülpen führt zu neuen gefährlichen Deformationen. Die unvermeidliche Konsequenz enttäuschter Hoffnungen der Menschen, gepaart mit nationalen Leidenschaften und
    über Jahrhunderte gewachsenen ethnischen Konflikten, sind Faktoren der Instabilität, die zu Chaos, Bürgerkrieg und zur Entstehung von regelrechten Krisen-und Konfliktzonen führen können. Wir übersehen nicht die reale Gefahr, daß dadurch die Einigung Europas großen Schaden nehmen und ernsthaft hinausgezögert werden kann.
    Die künftigen sicherheitspolitischen Strukturen, die den Westen u n d den Osten einschließen müssen, sind noch nicht klar erkennbar. Dabei übersehen wir nicht, daß erste Schritte zur Institutionalisierung von Einrichtungen und zur Schaffung von Mechanismen zur Friedensbewahrung in der Pariser Charta festgeschrieben wurden. Wir glauben aber nicht, daß die KSZE künftig nur eine Art multinationaler Rahmen für Entscheidungen sein kann, die in der NATO oder anderswo getroffen werden. Europa braucht ein neues, umfassendes, nicht militärisch geprägtes Sicherheitsdenken; denn die eigentlichen Gefahren für seine Stabilität und Sicherheit erwachsen nicht mehr aus der militärischen Konfrontation, sondern aus nationalen Konflikten, ungelösten ökonomischen und sozialen Problemen. Das heißt, die NATO kann auf Dauer so, wie sie ist, nicht bleiben. Sie muß sich von ihren doktrinären und strukturellen Altlasten lösen.

    (Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Hat Ihnen das einer aufgeschrieben?)

    Es kann doch nicht sein, daß die NATO einerseits in der Sowjetunion keinen Feind mehr sieht, die UdSSR aber andererseits nach wie vor als größte potentielle Bedrohung bezeichnet wird.
    Es stellt sich doch die Frage: Entweder werden beide Blöcke aufgelöst und ein neues, wirklich kollektives Sicherheitssystem im Rahmen der KSZE geschaffen, oder die NATO verändert total ihre Optionen und Strukturen, erklärt sich offen für den Beitritt aller anderen europäischen Staaten, einschließlich der Sowjetunion, und macht so den Weg für die Entstehung eines solchen Systems frei.

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE/Bündnis 90]: Das Dritte wird passieren!)

    Meine Damen und Herren, es darf keine Pause in der Abrüstung zugelassen werden. Der aus der Reduzierung von Quantität resultierende Effekt darf nicht durch Fortsetzung qualitativ neuer Rüstung zunichte gemacht werden.

    (Zustimmung bei der Gruppe der PDS)

    Überhaupt wird die drastische Reduzierung von Ausgaben für militärische Zwecke zur Nagelprobe. Die Bundesregierung muß hier neue Signale setzen, d. h. Verzicht auf weitere Milliarden verschlingende Rüstungsobjekte wie Jäger 90 und Panzerabwehrkampfhubschrauber.
    Die Bundesregierung muß neue Signale setzen, indem sie sich dafür einsetzt, daß die in der ehemaligen DDR entstehende kernwaffenfreie Zone nicht durch luftgestützte nukleare Abstandswaffen praktisch aufgehoben wird, und indem sie auf den Abzug aller Kernwaffen und Kernwaffenträger aus ganz Deutschland hinwirkt.

    (Beifall bei der Gruppe der PDS)




    Frau Dr. Kaufmann
    Die Bevölkerung erwartet ein komplexes, vor allem sozialen und ökologischen Bedürfnissen entsprechendes Konzept für eine umfassende Konversion. Das von der PDS noch in der Volkskammer mit initiierte Konversionsgesetz muß im neuen Bundestag behandelt werden. Diesbezüglich wurden die ehemaligen Volkskammerabgeordneten alle verpflichtet.
    Auch die Fragen von Wehr- und Zivildienst können in einer wirklich demokratisch selbstbestimmten Gesellschaft nur auf der Grundlage freier Entscheidung der Betroffenen gelöst werden. Die Forderung nach der Aufhebung der Wehrpflicht bleibt deshalb aktuell.
    Im Zusammenhang mit der Abrüstung muß deutliche Kritik an der Bundesregierung geübt werden. Radikale Abrüstungsvorschläge kamen bisher noch nie von ihr, sondern immer von anderen Regierungen, insbesondere von der sowjetischen Regierung, und, Herr Graf Lambsdorff, gerade auch von der außerparlamentarischen Friedensbewegung. Der Anteil dieser Bundesregierung bestand stets darin, zu verhindern, daß die Abrüstung zu radikal wird. Viel zu häufig verhandelte sie nach oben statt nach unten. Gerade nach Herstellung der Einheit Deutschlands sollten künftig von einer deutschen Regierung die am weitesten reichenden Abrüstungsvorschläge ausgehen.

    (Hornung [CDU/CSU]: Ein Unsinn! Das ist nicht mehr mit anzuhören!)

    — Das ist überhaupt kein Unsinn.
    Wir würden es begrüßen, wenn im Wettbewerb um die radikalsten Abrüstungsvorschläge künftig die Bundesrepublik Deutschland als Sieger hervorgeht.

    (Beifall bei der Gruppe der PDS)

    Meine Damen und Herren, viele Fragen stehen neu vor uns: die Notwendigkeit, insbesondere die ökonomische, kulturelle und humanitäre Dimension der KSZE weiter auszugestalten und das Verhältnis von EG-Integration und gesamteuropäischem Prozeß, von Europarat und KSZE zu durchdenken.
    Es kommt darauf an, im Rahmen der KSZE die parlamentarisch-demokratische Kontrolle zu stärken und die entsprechende Zusammenarbeit mit gesamteuropäischen Rahmen zu fördern. Dazu gehört eine Erweiterung der Rechte des Europaparlaments.
    Was die Architekten des künftigen Europas betrifft, sieht die PDS eine realistische Vision in der Idee einer gesamteuropäischen Konföderation gleichberechtigter Staaten. Sie könnte die Realisierung von Plänen für eine Vormachtrolle des vereinten Deutschlands in Europa zumindest erschweren. Es ist gefährlich, Träume von einer solchen Vormachtrolle oder von einer Großmachtrolle Deutschlands zu hegen.

    (Hornung [CDU/CSU]: Das ist Ihre Gedankenwelt!)

    — Das ist nicht meine Gedankenwelt. Gucken Sie bitte ins Protokoll: Auf der Sitzung im Reichstag hat Herr Dregger in bezug auf Deutschland von einem Kernland in Europa gesprochen. Dahinter sehe ich schon so etwas.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das ist ein bißchen was anderes! Schauen Sie mal die Landkarte an! Ihr habt doch immer gemeint, wir seien Ausländer! — Frau Schulte [Hameln] [SPD]: Aufschreiben und ablesen!)

    Das neue Europa darf nicht nur durch Regierungen und Eliten gestaltet werden. Es erfordert vielmehr das gemeinsame Handeln aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte, die Mitwirkung seiner Bürgerinnen und Bürger, die als Angehörige ihrer Nationen zugleich Europäer werden möchten.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Wir sind keine Ausländer!)

    Die Bedeutung aller in Europa ablaufenden Prozesse darf jedoch nicht zu einem Eurozentrismus führen. Frieden, d. h. auch ökonomischer, ökologischer und sozialer Ausgleich, muß unbedingt auch mit der sogenannten Dritten Welt gefunden werden.

    (Beifall bei der Gruppe der PDS)

    Es darf nicht dabei bleiben, daß die Industriestaaten auf Kosten der sogenannten Dritten Welt leben, daß zwischen verschiedenen Mächten über die Neuverteilung hinsichtlich der Ausbeutung dieser Welt nur nachgedacht wird.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Ihr habt dafür nichts gemacht! Außer Waffen habt ihr nichts geliefert! Nur Soldaten habt ihr geschickt!)

    Im Ausgleich mit der sogenannten Dritten Welt muß Europa und kann auch die Bundesrepublik Deutschland eine positive Rolle spielen.
    Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der Gruppe der PDS)