Rede:
ID1123602200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. die: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Frau: 1
    7. Dr.: 1
    8. Vollmer.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/236 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 236. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Bundesministers Dr. Schwarz-Schilling 18861A Erweiterung der Tagesordnung 18861 A Zur Geschäftsordnung Such GRÜNE/Bündnis 90 18861 B Bohl CDU/CSU 18862 B Jahn (Marburg) SPD 18863 A Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 18930 B Außerhalb der Tagesordnung Dr. Ullmann GRÜNE/Bündnis 90 (Erklärung nach § 32 GO) 18930 C Dr. Heuer Gruppe der PDS (Erklärung nach § 32 GO) 18930 D Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu den Ergebnissen des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der KSZE in Paris und zum bevorstehenden Europäischen Rat in Rom Dr. Kohl, Bundeskanzler 18863 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 18869A Dr. Bötsch CDU/CSU 18873 D Duve SPD 18874 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE/Bündnis 90 . 18876 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 18879 D Frau Dr. Kaufmann Gruppe der PDS . . 18883 A Bahr SPD 18885 D Dr. Knabe GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18887A Dr. Hornhues CDU/CSU 18890D Frau Kottwitz GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18892 D Genscher, Bundesminister AA 18893 D Frau Unruh fraktionslos 18895 C Hoppe FDP 18896 D Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE/Bündnis 90 (Erklärung nach § 31 GO) 18897 C Tagesordnungspunkt 2: Aussprache zur Haltung der Bundesregierung zur Erhöhung von Steuern und Abgaben Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlan- des 18898 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 18906 D Frau Matthäus-Maier SPD 18908 B Dr. Ullmann GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18910 D Frau Matthäus-Maier SPD 18912 C Frau Vennegerts GRÜNE/Bündnis 90 . 18912 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 18915 C Westphal SPD 18917 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 18917 C Dr. Gysi Gruppe der PDS 18919 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 18921 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 18924 B Schäfer (Offenburg) SPD 18924 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 Frau Unruh fraktionslos 18925 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 18925D, 18927 C Dreßler SPD 18927 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 18927 C Hoss GRÜNE/Bündnis 90 18928A Wüppesahl fraktionslos 18928 B Präsidentin Dr. Süssmuth 18931A Berichtigung 18932 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .18933* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede des Abg. Glos (CDU/CSU) zu TOP 2 — Aussprache zur Haltung der Bundesregierung zur Erhöhung von Steuern und Abgaben 18933* D Anlage 3 Amtliche Mitteilung 18935* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 18861 236. Sitzung Bonn, den 22. November 1990 Beginn: 10.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 235. Sitzung, Seite 18839B, Zeile 10 von unten: Statt „Es wird Überweisung an die zuständigen Ausschüsse beantragt." ist „Es wird Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß beantragt." zu lesen. Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 22. 11. 90 * Antretter SPD 22. 11. 90 * Frau Becker-Inglau SPD 22. 11. 90 Beckmann FDP 22. 11. 90 Frau Beer GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Bindig SPD 22. 11. 90 Frau Birthler GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Börnsen (Ritterhude) SPD 22. 11. 90 Borchert CDU/CSU 22. 11. 90 Brunner CDU/CSU 22. 11. 90 Büchler (Hof) SPD 22. 11. 90 Frau Bulmahn SPD 22. 11. 90 Daweke CDU/CSU 22. 11. 90 Dörfler GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Frau Faße SPD 22. 11. 90 Francke (Hamburg) CDU/CSU 22. 11. 90 Frau Fuchs (Verl) SPD 22. 11. 90 Gattermann FDP 22. 11. 90 Graf SPD 22. 11. 90 Gröbl CDU/CSU 22. 11. 90 Grünbeck FDP 22. 11. 90 Dr. Haack SPD 22. 11. 90 Haack (Extertal) SPD 22. 11. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 22. 11. 90 Häfner GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 22. 11. 90 Hasenfratz SPD 22. 11. 90 Dr. Haussmann FDP 22. 11. 90 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 22. 11. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 22. 11. 90 Frau Hürland-Büning CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Jobst CDU/CSU 22. 11. 90 Jung (Düsseldorf) SPD 22. 11. 90 Frau Kelly GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Kißlinger SPD 22. 11. 90 Koschnick SPD 22. 11. 90 Kossendey CDU/CSU 22. 11. 90 Kreuzeder GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Kühbacher SPD 22. 11. 90 Dr. Langner CDU/CSU 22. 11. 90 Maaß CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 22. 11. 90 Meyer SPD 22. 11. 90 Dr. Modrow Gruppe 22. 11. 90 der PDS Dr. Müller CDU/CSU 22. 11. 90 * Platzeck GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Dr. Pohlmeier CDU/CSU 22. 11. 90 Reddemann CDU/CSU 22. 11. 90 * Regenspurger CDU/CSU 22. 11. 90 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Rehm CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Schäuble CDU/CSU 22. 11. 90 Schmidt (München) SPD 22. 11. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 22. 11. 90 Schütz SPD 22. 11. 90 Schulz GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Dr. Seifert Gruppe 22. 11. 90 der PDS Seiters CDU/CSU 22. 11. 90 Spilker CDU/CSU 22. 11. 90 Frau Trenz GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Vosen SPD 22. 11. 90 Waltemathe SPD 22. 11. 90 Frau Weiler SPD 22. 11. 90 Weinhofer SPD 22. 11. 90 Wiefelspütz SPD 22. 11. 90 Wischnewski SPD 22. 11. 90 Wissmann CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Wittmann CDU/CSU 22. 11. 90 Zeitlmann CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Zimmermann CDU/CSU 22. 11. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede des Abgeordneten Glos (CDU/CSU) zu Tagesordnungspunkt 2 Aussprache zur Haltung der Bundesregierung zur Erhöhung von Steuern und Abgaben Glos (CDU/CSU): Die CDU/CSU plant keine Steuererhöhungen, weder eine höhere Mehrwertsteuer noch eine höhere Mineralölsteuer noch eine sonstige Steuererhöhung. Es gibt keinen Grund, unsere langjährig erfolgreiche Politik des knappen öffentlichen Geldes und der Verbreiterung des privaten Sektors unter dem Vorzeichen der Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland aufzugeben. Unsere Politik der Senkung der Steuerquote - wir haben 1990 mit rund 22,5 Prozent den niedrigsten Stand seit 30 Jahren - hat zum Beispiel entscheidend dazu beigetragen, daß wir - auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik - jetzt in das neunte Jahr ununterbrochenen Wirtschaftswachstums hineingehen. Im Gegensatz zur SPD - die eine 9prozentige Ergänzungsabgabe, eine Erhöhung der Mineralölsteuer um 50 Pfennig je Liter sowie zahlreiche sogenannte Ökosteuern fordert - ist die CDU/CSU der Auffassung, daß Steuererhöhungen das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen und damit die solideste aller Finanzierungsquellen verschütten würden. Entgegen der Äußerung von Graf Lambsdorff am Sonntag in „Bonn direkt" ist die CDU/CSU in Sachen Finanz- und Steuerpolitik mindestens so sattelfest wie die FDP. Anders als die FDP fordern CDU und CSU 18934* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 zum Beispiel keine Vermehrung der Steuervielfalt um eine Klimasteuer. Wenn Graf Lambsdorff am vergangenen Wochenende meinte, feststellen zu müssen, daß die CDU/CSU in der Finanz- und Steuerpolitik wackelt, dann spricht er gegen besseres Wissen, denn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und insbesondere die Finanz- und Steuerpolitiker haben nie gewackelt. In dieser hektischen Wahlkampfzeit ist seine Aussage nur als Profilierungsversuch zu werten, die FDP als bessere Steuererhöhungsverhinderungspartei darzustellen. Bedeutend mehr Freude macht uns natürlich, wenn der wirtschafts- und finanzpolitische Mentor der SPD, Professor Karl Schiller, vor zwei Wochen bei der von der SPD verlangten öffentlichen Anhörung zur Finanzierung der deutschen Einheit bestätigt hat, daß er — Schiller — nicht anders gehandelt hätte als unser CSU-Bundesfinanzminister Theo Waigel. Wir von der CDU/CSU verstehen ja, daß ein solches Lob aus der roten Ecke an die schwarze Adresse die FDP schmerzen muß. Ist es doch ihr Wirtschaftsminister, der seit langem jegliches Lob schmerzlich vermißt. Auf einem anderen Blatt steht die Notwendigkeit, die Leistungs- und Innovationskraft der Sozialen Marktwirtschaft verstärkt in den Dienst der Umwelt zu stellen. Unabhängig von der Finanzierung des Anpassungsprozesses in den neuen Bundesländern und seiner sozialen Absicherung ist eine breitere Anwendung des Verursacherprinzips mit marktwirtschaftlichen Maßnahmen geboten. Dazu können auch nichtsteuerliche Sonderabgaben gehören, wenn sie das Ziel verfolgen und auch geeignet sind, schädliche Umweltbelastungen zu verringern und bereits eingetretene Schäden zu beseitigen. Das Aufkommen solcher Sonderabgaben nimmt in dem Maße ab, in dem das Umweltziel erreicht wird. Eine solche Sonderabgabe hat also nichts mit Steuererhöhungen zur Aufbesserung der Staatseinnahmen zu tun, meine Damen und Herren von der Opposition! Steuererhöhungen schmälern die Investitionsbereitschaft und die Leistungsbereitschaft der Betriebe und der Berufstätigen. Sie wirken preistreibend. Dadurch wird eine verhängnisvolle Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt, die zwar kurzfristig inflationsbedingte Steuermehreinnahmen bringen kann, aber mittelfristig mit realen Wachstumsverlusten und folglich Steuerverlusten bezahlt werden muß. Die richtige Finanzpolitik im vereinten Deutschland heißt vor allem Ausgabendisziplin. Unabweisbare Mehrausgaben für die Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland müssen mit Ausgabeeinsparungen in den öffentlichen Haushalten verbunden werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt deshalb den Beschluß der Bundesregierung, den mittelfristigen Ausgabenanstieg im Bundeshaushalt auf durchschnittlich 2 Prozent jährlich zu begrenzen. Auf Grund der kurzfristig notwendigen Unterstützung des Anpassungsprozesses in den neuen Bundesländern ist auch eine vorübergehend höhere Nettokreditaufnahme im Bundeshaushalt erforderlich. Vor allem 1991 wird es zu Mehrbelastungen kommen, die aber auf der Grundlage der dynamischen Wirtschaftsentwicklung in den alten Bundesländern und des baldigen Aufschwungs in den neuen Bundesländern bewältigt werden können. Meine Damen und Herren! Der Wiederaufbau des östlichen Teils unseres Vaterlandes ist die größte und wichtigste Investition seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Auf mittlere Sicht wird der ökonomische Nutzen der deutschen Wiedervereinigung die zusätzlichen Belastungen von heute deutlich übersteigen. Auch aus diesem Grunde ist eine vorübergehend höhere Nettokreditaufnahme der bessere Weg als die von der SPD geforderten neuen Steuern und Abgaben. Karl Schiller hat der SPD in der öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses am 7. November folgendes vorgerechnet: Die Einführung der SPD-Ergänzungsabgabe würde gerade diejenigen Steuerpflichtigen treffen, die die höchste Sparquote haben. Damit würde das Weniger an Kreditaufnahme des Staates auf ein Weniger an Kreditangebot der Privaten treffen und hätte deshalb keinerlei zinsentlastende Wirkung. Frau Matthäus-Maier sollte noch mal bei Herrn Schiller studieren; vielleicht ist er sogar bereit, ihr Privatunterricht zu geben. Noch eine Bemerkung an die Adresse von Graf Lambsdorff: Die privatwirtschaftliche Finanzierung und Durchführung von Investitionsprojekten soll nach dem Eckwertebeschluß der Bundesregierung, der vor 9 Tagen gefaßt wurde, für eine zusätzliche Entlastung der öffentlichen Haushalte sorgen. Soweit geeignete Objekte vorhanden sind, die Private besser als die öffentliche Hand erbringen können, sind die rechtlichen und sachlichen Voraussetzungen für eine privatwirtschaftliche Finanzierung baldmöglichst geschaffen. Dies ist die Beschlußlage, die die FDP im Kabinett mitgetragen hat. Es ist deshalb — zurückhaltend formuliert — unfair, wenn der Vorsitzende der FDP die Möglichkeit der privaten Finanzierung eines Autobahnbaus im östlichen Deutschland durch Gebühren als ein Marterinstrument bezeichnet und damit den Regierungsbeschluß konterkariert. Oder weiß Graf Lambsdorff nicht, daß die von ihm bevorzugte Vignette nach Schweizer Muster nichts anderes ist als eine Pauschalgebühr für die Autobahnbenutzung? Trotz des wahlkampfbedingten Geplänkels werden wir in der Koalition unsere bewährte Zusammenarbeit im Kampf gegen eine zu hohe Steuerbelastung für Bürger und Unternehmungen fortsetzen. Unsere Finanzpolitik hat die Angebotsbedingungen der Volkswirtschaft innerhalb von 8 Jahren nachhaltig verbessert, den Wohlstand der Bürger erhöht und die Selbstfinanzierungskräfte der Sozialen Marktwirtschaft gestärkt. Die glänzende Verfassung unserer Volkswirtschaft auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik ist ganz wesentlich ein Ergebnis unserer wachstums- und investitionsfreundlichen Finanz- und Steuerpolitik. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 18935* Die Bürger und Bürgerinnen unseres Landes haben keinen Grund, ausgerechnet jetzt die Wirtschafts- und Finanzpolitik den Sozialisten als Experimentierfeld zu überlassen. Das SPD-Konzept eines völligen ökologischen Umbaus unseres Steuersystems verkennt grundlegende finanzpolitische Zusammenhänge. Ein Umkrempeln des Steuer- und Abgabesystems im Zeichen des Umweltschutzes würde irreparable Störungen unserer Wirtschafts- und Sozialordnung zur Folge haben. Dies kann sich das vereinte Deutschland, das international zunehmend in die Pflicht genommen ist, nicht leisten. Anlage 3 Amtliche Mitteilung Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 15. November 1990 ihren Entschließungsantrag auf Drucksache 11/8438 zurückgezogen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Bötsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird immer gesagt: Der Erfolg hat viele Väter. — Diesmal stimmt es jedenfalls. Am Erfolg beteiligt sind die Polen — sie hätten nicht so früh lachen sollen —,

    (Zuruf von der SPD)

    die sich in der Gewerkschaft Solidarität zusammenfanden und einen langen, von Rückschlägen nicht freien, aber letztlich erfolgreichen Kampf gegen Privilegien, gegen Bevormundung und gegen die Diktatur der Politbüros führten.
    Beteiligt sind die Ungarn, die in einer mutigen Entscheidung die Ausreise unserer Landsleute aus der damaligen DDR in die Freiheit gestattet und damit — wie Bundeskanzler Kohl schon im letzten Dezember bei seinem Besuch in Ungarn festgestellt hat — den
    ersten Stein aus der Mauer gerissen haben, die Deutschland und Europa teilte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Beteiligt waren die um ihre Freiheit kämpfenden Tschechen und Slowaken, die mit ihrem Präsidenten Vaclav Havel neue Zeichen für eine friedvolle Nachbarschaft in Europa und das neue Denken setzten.
    Zu verweisen ist auf den Mut der Leipziger, der Dresdener, der Rostocker, der Erfurter, der Berliner und vieler anderer unserer Landsleute, die mit friedlichen Demonstrationen die SED-Unterdrückung abschüttelten. Ich danke Michail Gorbatschow, der durch sein neues Denken von Glasnost und Perestroika dieser Entwicklung nicht nur freien Lauf ließ, sondern sie auch tatkräftig förderte.
    Auch die Politik im freien Teil Deutschlands strebte diesen Erfolg an — hier will ich im Endergebnis keine Partei ausnehmen — , die einen früher, die anderen etwas später. Deutschland, in der Mitte Europas gelegen, von allen europäischen Staaten mit den meisten Nachbarn, war von der Konfrontation zwischen den Blöcken am meisten betroffen und bedroht. Der saarländische Ministerpräsident sagte jedoch vor einer Woche an dieser Stelle, es seien nur die Früchte der langfristig angelegten SPD-Ost- und -Entspannungspolitik, die jetzt geerntet würden, und zwar von anderen geerntet würden. Der Bundeskanzler hat dazu heute in seiner Regierungserklärung einen Dank an die damals handelnden Politiker ausgesprochen, und ich schließe mich diesem Dank an.

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Wer war das denn damals?)

    Nur, meine Damen und Herren von der Opposition und Herr Kollege Klejdzinski — ich spreche Sie jetzt an, weil Sie dazwischengerufen haben — , Ihre Entspannungspolitik war nicht auf die Beseitigung der Spaltung Deutschlands und Europas ausgerichtet,

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    sondern nur darauf, die Spaltung erträglicher zu machen. Nun gut, das war auch schon etwas; das will ich überhaupt nicht bestreiten.
    Herr Ehmke, wenn Sie heute aber sagen, die Ziele seien zunächst anders gewesen, die Ziele hätten erst durch Gorbatschow umgestellt werden können, dann frage ich mich, warum Sie immer wieder die Offenheit der deutschen Frage zur Lebenslüge erklärt haben

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    und warum Ihr Parteivorsitzender noch am 3. Oktober 1989 zur Ablehnung des leichtfertigen und illusionären Wiedervereinigungsgeredes aufgefordert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich sage zum wiederholten Male: Nicht die sogenannte Friedensbewegung, die gegen unsere Verbündeten demonstriert hat, nicht aber gegen die Verletzung der Menschenrechte durch die kommunistische Nomenklatura, hat die deutsche Einheit bewirkt,

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE/Bündnis 90]: Das ist ja unglaublich, diese Einäugigkeit!)




    Dr. Bötsch
    sondern unsere Standfestigkeit in Sicherheitsfragen und in Fragen unserer gesamten Verteidigungspolitik. Das war der Erfolg.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nicht diejenigen haben den Erfolg herbeigeführt, die durch voreilige einseitige Abrüstungsvorschläge in Richtung Sowjetunion nur zu einer Zementierung der Verhältnisse beigetragen hätten.
    Meine Damen und Herren! Sie müssen sich schon vorhalten lassen, daß Sie mehr auf die damaligen Machthaber und weniger auf die betroffenen Menschen gehört haben,

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    wie z. B. auf Alexander Solschenizyn, der in der Dankrede für den Preis, den er wegen des Verbots der sowjetischen Führung in Stockholm nicht entgegennehmen durfte, davor warnte, der grinsenden Fratze der Barbarei nur Nachgiebigkeit und Lächeln entgegenzusetzen. Sie wollten auch die Weisheit und Weitsicht des Harmel-Berichtes nicht erkennen, der 1967 formulierte:

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Den haben wir doch formuliert!)

    Eine endgültige und stabile Regelung in Europa ist jedoch nicht möglich ohne eine Lösung der Deutschlandfrage, die den Kern der gegenwärtigen Spannung in Europa bildet.
    Ihr Kanzlerkandidat wollte diese Tatsache nicht einmal im Spätfrühjahr dieses Jahres akzeptieren, als er die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag aufforderte, den Vertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, den ersten und unumkehrbaren Schritt auf dem Weg zur deutschen Einheit, abzulehnen. Dies ist es, was die Menschen in Deutschland Herrn Lafontaine heute vorwerfen. Deshalb kommt er natürlich als Kanzler für das vereinte Deutschland auch nicht in Frage.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den 70er Jahren wurde die Rüstung im Ostblock ein so starkes Bedrohungspotential für den freien Westen, daß sich die NATO auf Anregung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt — schon damals hatte er recht — zu Ihrem bekannten Doppelbeschluß entschließen mußte.
    Jetzt, während unserer Regierungszeit, wurde der INF-Vertrag über den vollständigen Abbau der atomaren Mittelstreckenraketen in Europa und der vollständige Abzug der Chemiewaffen aus der Bundesrepublik vereinbart und inzwischen vollzogen. Wie auch der erste Vertrag über den Abbau der konventionellen Waffen in Europa mit unserer konstruktiven Abrüstungspolitik die eigene Festigkeit und Verteidigungsfähigkeit mit umfassender Verhandlungsbereitschaft verband, haben wir mehr erreicht, als die SPD je verlangt hat.
    Es ist das Verdienst von Helmut Kohl, es ist das Verdienst von Ronald Reagan, von George Bush und anderen westlichen Staatsmännern, daß die Freiheit
    über den Kommunismus gesiegt hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Politik hat auch wesentlich zu dem Erfolg der KSZE beigetragen. Der Zusammenhalt der westlichen Allianz ist gewahrt geblieben, auch bei der schwersten Bewährungsprobe dieses Bündnisses im Gefolge des von Helmut Schmidt initiierten NATO-Doppelbeschlusses. Die Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada blieben und bleiben über die KSZE ein politischer Machtfaktor in Europa.
    Schon in der Vorbereitung der KSZE wuchs Europa zusammen. Es entwickelte sich über die Wirtschaftsgemeinschaft hinaus die europäische politische Zusammenarbeit der Staaten der Europäischen Gemeinschaft. Der Westen hat seine Grundwerte wie Menschenwürde, Freiheit des Individiums, offene Grenzen für Menschen und damit die Beseitigung der Spaltung Deutschlands, Informationen und Meinungen und das Selbstbestimmungsrecht der Völker in den Mittelpunkt der Konferenz gestellt. Menschenrechte gegen staatliche Willkür, Selbstbestimmungsrecht gegen Fremdbestimmung — das ist die Erfolgsgeschichte der KSZE, besonders ab 1983.
    Vorher hatte die KSZE weder die Breschnew-Doktrin noch die Verbannung Sacharows verhindert, und Vaclav Havel mußte wiederholt ins Gefängnis. Das Belgrader Folgetreffen 1977 war ein Fehlschlag. 1981 wurde das Madrider Folgetreffen von den Ereignissen in Polen überschattet. Der KSZE drohte das endgültige Scheitern. 1982 konnte der Erfolg nur dadurch gerettet werden, daß die KSZE um ein halbes Jahr vertagt wurde.
    Meine Damen und Herren, erst unter unserer Regierungszeit zeigte die KSZE positive Ergebnisse. Die verschiedenen Expertentreffen des Folgetreffens in Wien und die VKSE in Stockholm haben Bewegung in den festgefügten Status quo gebracht. Insofern war Stockholm der erste Durchbruch von der Konfrontation zur Kooperation.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist die Nachkriegsepoche endgültig zu den Akten der Geschichte gelegt, und wir können endlich darangehen, ein Europa zu verwirklichen, in welchem die Menschen miteinander und nicht gegeneinander leben. Trotzdem vermißte dieser Tage ein Journalist den Ausdruck echter Freude bei den Menschen.
    Dies mag beispielsweise an der Golfkrise liegen, die ja auch das Gipfeltreffen von Paris überschattete. Die positive Erfahrung der internationalen Solidarität gegen eine Diktatur wird überlagert von der Sorge über eine bestehende Kriegsgefahr, über das Wohl und Wehe von Menschen, die als Geiseln mißbraucht werden. Ich wiederhole das, was der Bundeskanzler sagte: Wir freuen uns über die Freilassung der deutschen Geiseln und danken allen, die daran beteiligt waren. Wir freuen uns mit ihnen und mit ihren Familien. Doch unsere Forderung nach Freilassung aller Geiseln aller Nationen und nach dem Rückzug des



    Dr. Bötsch
    Irak aus Kuwait bleibt davon unberührt, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Herr Kollege Ehmke, Sie haben da etwas mißverständliche Äußerungen gemacht, so als ob sich der Herr Bundeskanzler nicht immer auf dem Weg des Friedens und auf dem Weg der Verhandlungen befunden hätte. Sie sollten das noch einmal nachlesen und prüfen, ob Sie das wirklich so mißverständlich stehenlassen sollten.
    Sie müssen auch die Frage beantworten, ob angesichts dieses Erfolges der KSZE, angesichts der Sorge, wie es am Golf weitergeht, die von Ihnen für heute nachmittag beantragte Sondersitzung so recht in den Rahmen hineinpaßt. Das ist nicht Ihre Sorge um die Menschen, sondern das ist Ihre Sorge um fehlende Wahlkampfthemen, die Sie dazu getrieben hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, der sozialistische Zentralismus war der Feind der persönlichen Leistung, die der Würde des Menschen entspricht. Deshalb stimme ich dem zu — jetzt ist er gerade hinausgegangen — , was der Kollege Ehmke sagte: Wir müssen diese Strukturen in den Betrieben, in den Verwaltungen beseitigen. Natürlich gibt es da noch alte Seilschaften,

    (Zuruf von der CDU/CSU [zur Gruppe der PDS]: Dort drüben sitzen sie, hier im Bundestag!)

    sowohl in den fünf Ländern als auch in den Ländern des ehemaligen Ostblocks, auch in Polen, auch in der Tschechoslowakei. Das ist eine gemeinsame Aufgabe, die wir hier haben, und es freut mich, meine Damen und Herren, daß die SPD auch für das, was der Bundeskanzler an Hilfe für die Sowjetunion hier angekündigt hat, ihre Unterstützung zugesagt hat. Es ist eine gemeinsame Aufgabe. Der größte Fehler wäre es, wenn wir bei der Schaffung der Friedensordnung die Sowjetunion ausklammerten, ausgrenzten, außen vor ließen. Ich glaube, die Sowjetunion gehört mit dazu, genauso wie die Vereinigten Staaten und Kanada als europäische politische Mächte mit zu diesem Prozeß gehören. Das ist gut so; denn wir müssen die Abrüstung vorantreiben.
    Die Fortsetzung der Gespräche über die konventionelle Abrüstung ab dem 26. November begrüßen wir; denn Abrüstung ist überall vonnöten. Wir brauchen in Europa keine landgestützten Kurzstreckenraketen mehr. Auf wen sollen sie den eigentlich schießen?
    Wir brauchen die freiwerdenden Ressourcen für unsere Aufgaben in Deutschland, für die politische und wirtschaftliche Umstrukturierung in den Staaten des sich auflösenden Warschauer Paktes, für unsere Hilfe zur Selbsthilfe in der Dritten Welt und für den Schutz der Umwelt.

    (Zuruf von der SPD)

    — Wollen Sie mir hier widersprechen?

    (Erneuter Zuruf von der SPD)

    — Nein, wir machen es zum richtigen Zeitpunkt. Sie hätten es als Vorleistung gebracht. Wir machen es in einem gleichmäßigen, gleichzeitigen und die Sicherheit nicht bedrohenden Abrüstungsprozeß. Das ist der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Bundeskanzler, die KSZE-Staaten haben die Vereinigung Deutschlands mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Sie, Herr Bundeskanzler, haben ihnen für den Beitrag zu dieser Entwicklung gedankt. Ich möchte Ihnen heute namens der CDU/CSU-Fraktion für Ihre erfolgreiche Arbeit danken, für die erfolgreiche Arbeit Ihrer gesamten Regierung. Sie haben es verdient, Regierungschef im vereinten Deutschland zu sein und es auch nach dem 2. Dezember zu bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Vollmer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Antje Vollmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzten 500 Jahre europäischer Zivilisation kannten neben unzähligen Kriegen auch vier große europäische Friedenskonferenzen: Den Westfälischen Frieden, den Wiener Kongreß, den Versailler Frieden und nun den KSZE-Gipfel von Paris. Auch aus dem letzten, diesem Kalten Krieg kriechen die Völker Europas heraus wie aus einer zu langen und zu kalten Frostperiode. Sie begreifen die neue Ordnung noch nicht und wissen noch nicht: Wird dieser Frieden nun von Dauer sein?
    Einiges ist diesmal sicher anders als früher und vielleicht hoffnungsvoller: Auf dem Schlachtfeld des Kalten Krieges blieben nicht Millionen Tote zurück wie früher, wenn auch immer noch zu viele Verluste und Schädigungen von Menschen zu beklagen sind. Und es sind diesmal nicht die Sieger, die die Landkarte Europas im Rausch ihres Erfolges neu entwerfen. Formal jedenfalls waren sie alle gleichberechtigt, die am Runden Tisch in Paris Platz nahmen. Es gab also keine Sieger mit Waffen; das ist wahr. Trotzdem hat es so etwas wie Gewinner gegeben, und wir Deutschen gehören dazu. Die Frage aber, die in Paris als Schrift groß an der Wand stand, ist nicht beantwortet worden: Wird es auch keine Verlierer geben?
    Paris war vorerst nur der Abschluß einer Epoche, deren Ordnung berechenbar, waffenstarrend und ungerecht war. Ob es in der unsicheren Zukunft Europas wirklich keine Verlierer geben wird, hängt ganz und gar davon ab, ob es gelingt, eine gerechte Zukunftsordnung für dieses neue europäische Haus zu entwerfen.

    (Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und bei Abgeordneten der SPD)

    Dieser Frage will ich in acht Punkten nachgehen. Diese achte Punkte kann man — je nach Blickwinkel — als Ausdruck von Sorge oder als umgestülpte Hoffnungen ansehen.
    Zum ersten: Entstehen die neuen europäischen Ideen wirklich schneller, als die alten europäischen Wahnideen zurückkehren? Es erscheint keineswegs



    Frau Dr. Vollmer
    zufällig, daß sich mitten im risikoreichen Geburtsvorgang eines neuen Verhältnisses der Völker Europas zueinander wieder die alten Gespenster melden. Mit den Waffen und Techniken der Alten und der Neuen Welt droht — wir haben schon darüber gesprochen — Kriegsgefahr am Golf. Und wieder geht es dabei — neben anderen Gründen — auch um den Anspruch Europas auf Energieressourcen, wie in vielen europäischen Konflikten der früheren Jahrhunderte auch.
    Und da ist die nicht endenwollende Krise der Entkolonialisierung der Sowjetunion mit ihren wild aufbrechenden Nationalitätenkonflikten; da sind Krawalle, Verschärfung der sozialen Konflikte und drohende Hungerrevolten in den großen Städten Osteuropas, und da gibt es wieder Fremdenhaß und Pogrome.
    Dies alles erzeugt ungeheure Anforderungen an die Politik. Sie muß in der Lage sein, durch Selbstfesselung den drohenden Kriegsausbruch zu verhindern. Sie muß in der Lage sein, Hoffnungen gerade aus Osteuropa zu erfüllen, von denen wir nicht einmal wissen, ob es überhaupt möglich ist, sie nicht allzu sehr zu enttäuschen; und sie muß praktisch die Menschenrechte schützen und Toleranz stärken.

    (Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und der SPD)

    Zum zweiten. Michail Gorbatschow hat in seiner Rede am 9. November gesagt: Wir brauchen eine ganz neue Kategorie in den internationalen Beziehungen, das Vertrauen! — Vertrauen ist gut, meinte schon Lenin, aber er konnte hinter diesen Satz keinen Punkt setzen; Kontrolle ist besser, hat er darum gleich hinter's Semikolon gesetzt. Gleiches tun heute alle die, die meine, die Einheit Europas immer noch mit Waffen bewachen zu müssen. Vertrauen ist gut, sagt Gorbatschow, Kontrolle ist besser, murmelt Herr Bush und murmelte Frau Thatcher, die gerade zurückgetreten ist, und murmelt auch Herr Wörner.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat auch Herr Gorbatschow gesagt!)

    Gegenüber der ungeheuren Risikobereitschaft der Selbstauflösung des Warschauer Pakts erscheint die NATO quasi als eine Agentur des Mißtrauens, quasi als letzte Zentrale dieses lenistischen Denkens.

    (Frau Geiger [CDU/CSU]: Das ist wohl ein Witz!)

    Es ist im übrigen bemerkenswert, zu welch romantischen Landschaftsskizzen sich auch die sonst so kühl-rationale FAZ aufwirft, wenn es um die NATO geht. Da schreibt Karl Feldmeyer am 19. November, die NATO gewährleiste „die Teilhabe an der Tiefe des strategischen Raums". — Aha, Teilhabe an der Tiefe des strategischen Raums also! Wer denkt dabei nicht an Napoleon, von anderen Feldherren ganz zu schweigen! Denkt man auch an ihr Ende?

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Wir denken, der Kalte Krieg ist vorbei, aber Sie lassen ihn wieder auferstehen!)

    Zum dritten. NATO und KSZE können auf Dauer keine Partner sein, so wie gewaltfreie Politik und Gewaltpolitik nie Brüder sein können.
    Ob wir mutig genug sind, die Waffen aus der Hand zu legen, oder so feige, daß wir Vertrauen pur nicht ertragen können, daran, glaube ich, entscheidet sich die Zukunft Europas. Was wir brauchen ist nicht mehr und nicht weniger als eine radikale Umwertung aller politischen Werte. Solange uns der ältlich-stählerne Charme der NATO als Stärke und das mutige und idealistische Gebilde KSZE als zu schwach erscheint, solange, glaube ich, bleiben wir weiterhin Kinder des 20. Jahrhunderts.

    (Beifall bei bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und der SPD — Frau Geiger [CDU/CSU]: Die bleiben wir sowieso!)

    Rein realpolitisch gibt es für mich aus diesen Überlegungen nur folgende Konsequenz: Entweder löst sich die NATO in absehbarer Zeit zugunsten eines über die KSZE entstehenden gesamteuropäischen neuen Sicherheitssystems auf, in dem alle Länder Europas Mitglied sein können, oder alle osteuropäischen Staaten, inklusive der Sowjetunion, erhalten die Möglichkeit, Mitglied der NATO zu sein, was eine völlige Umkrempelung der NATO bedeuten würde und somit faktisch auf dasselbe hinausliefe.

    (Beifall bei der GRÜNEN/Bündnis 90 und der SPD)

    Zum vierten: Was fangen die Deutschen mit ihrer neuen Rolle in der Mitte Europas an? — Mein altes Thema. Mit der deutschen Vereinigung ist ein neues Machtzentrum entstanden, genauer, ein altes hat eine neue Qualität bekommen. Das neue Deutschland ist eben nicht die BRD plus ein bißchen. Das Neue besteht nicht nur darin, daß Deutschland jetzt auch ökonomisch noch stärker wird. Das eigentlich Neue liegt auch nicht allein in der günstigen Brückenstellung zwischen Ost und West. Vielmehr ist so etwas wie ein neuer ideologischer Leitstern am Horizont Europas erschienen, der die sowjetische Jahrhundertvision vom proletarischen Weltreich, aber eben auch die Leitfunktion des American way of life ablöst.

    (Duve [SPD]: Ablösen könnte!)

    Von gefährlicher Faszination erstrahlt also nun der „German way of life" eine Lebensart, in der sich Mercedes und die Grünen, Seidenhemden und soziale Sicherung friedlich zu verbinden scheinen.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Die fahren sogar da drin, Frau Kollegin!)

    Die amerikanische Art zu leben, die noch zu Kennedys Zeiten höchst erfolgreich war und seine Politik begleitet hat, hat drei Kennzeichen, die sie heute offenbar zu einem auslaufenden Modell macht.

    (Frau Würfel [FDP]: Nach Ihrer Meinung!)

    Erstens. Die Spaltung zwischen Arm und Reich ist tief und brutal.
    Zweitens. Der Energieverbrauch ist so grotesk hoch, daß diese Art der Verschwendung im beginnenden Zeitalter der Ökologie allzu deutlich die Zeichen ihres eigenen notwendigen Untergangs trägt.



    Frau Dr. Vollmer
    Drittens. Die Neigung der amerikanischen Politik zum Militärischen und zur Weltpolizistenrolle erscheint unausrottbar.

    (Hornung [CDU/CSU]: Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie reden!)

    Dagegen, nur dagegen erscheint Deutschland heute vergleichsweise zurückhaltend, intelligent, effizient und stark. Dieses Bild macht Deutschland im Wortsinn zu einem Fluchtpunkt mitten in Europa, zu einem Punkt, wohin man fliehen will. Doch — darauf bestehe ich — ist dieser „German way of life" nicht die Spitze der globalen Hoffnung, sondern nur ihre am besten funktionierende Illusion. Und doch ist er eher das schillernde und damit gefährliche Ende einer Epoche als der Beginn einer neuen.

    (Hornung [CDU/CSU]: Der antisozialistische Markt hat den Kommunismus besiegt! So ist das!)

    Wir sind derzeit nur das lustigste und eleganteste Bluesorchester auf der Titanic der Weltgesellschaft.

    (Beifall bei der GRÜNEN/Bündnis 90 und der SPD)

    Wie soll daraus ein gemeinsamer Aufbruch zur Überwindung der ökonomischen und sozialen Spaltung Europas entstehen? Das ist die Hauptaufgabe. Wie sollen damit die dunklen Wolken der Armut von Osteuropa vertrieben werden, von denen Tadeusz Mazowiecki gesprochen hat? Das Gegenteil geschieht: Im Osten bahnt sich im Augenblick ein gnadenloser Kampf um einen der wenigen Plätze im Rettungsboot Europa an.

    (Frau Geiger [CDU/CSU]: Warum müßt ihr alles so schwarzsehen? Das ist ja furchtbar!)

    Bei uns werden im Geist und in den Gesetzesschmieden neue Mauern konstruiert. Die Wirkung des westlichen Modells auf den Osten ist mittlerweile so, daß die Menschen dort wie Ertrinkende beginnen, sich von allem zu trennen, was auf dem schnellen Weg zum Westen oder zur Kopie des Westens hinderlich sein könnte.
    Der erste Impuls von West nach Ost war wirklich die Freiheit und die Demokratie, der zweite scheint Brutalität und Egoismus zu sein. Dazu gehört auch die beispiellose Geschichtsvergessenheit, daß wir ausgerechnet die sowjetischen Juden, die zu uns reisen wollen — das ist erstaunlich genug — , zurückweisen. Dagegen bitten wir Sie, unseren Antrag zu unterstützen.

    (Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und bei Abgeordneten der SPD)

    Zum fünften. Wir müssen bei uns anfangen. Wir brauchen einen historischen Kompromiß mit Osteuropa, und wir brauchen einen neuen Begriff von einer europäischen und von einer Weltbürgergemeinsamkeit.
    In bezug auf die Menschenrechte und die politischen Freiheiten konnten die westlichen Demokratien tatsächlich ein Vorbild für Osteuropa sein. In bezug auf die Ökonomie — darauf bestehen wir GRÜNEN — dürfen wir kein Vorbild sein. Darum müssen gerade
    die westlichen Staaten ökonomisch abrüsten. Sie müssen ihren Krieg gegen die Natur, die Zerstörung des Bodens durch die Agrarindustrie und die Überflutung der Erde mit Gift und Abfall beenden.

    (Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und bei Abgeordneten der Gruppe der PDS)

    Oder wollen wir demnächst die Deponie Schönberg erst nach Polen, dann in die Sowjetunion und schließlich nach Afrika exportieren?

    (Hornung [CDU/CSU]: Nach Joschka Fischer!)

    Sicherheit wird auch die KSZE in Zukunft nur noch dann schaffen können, wenn sie die Ökologie in den Mittelpunkt rückt. Die KSZE braucht einen vierten Korb, einen grünen Korb, einen Korb eigens und ausdrücklich für die Ökologie.

    (Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90)

    Nebenbei bemerkt: Daß man ausgerechnet die Frauen einfach mit ins erste Körbchen hineinlegt, kann doch wohl nicht der Beitrag der KSZE zur Emanzipation der Frauen sein.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das wird das Kernproblem der KSZE gewesen sein!)

    Noch zwei weitere Vorschläge. Nach dem Vorbild des Club of Rome sollte es einen Club of Bitterfeld — oder wie immer man ihn nennen will — , einen Zusammenschluß westeuropäischer Wissenschaftler, Unternehmer, Gewerkschafter, Umweltschützer und Banker zur Planung und Durchführung der ökologischen Erneuerung der Industrien und Landwirtschaften Osteuropas, geben. Und man sollte die demütigende Nutzlosigkeit der sowjetischen Soldaten auf dem Boden der ehemaligen DDR beenden.

    (Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90)

    Sie könnten mit einer großzügigen handwerklichen und ökologischen Ausbildung umgeschult werden und damit wichtige Initiativen zur Ausbildung in ihrem Land leisten.

    (Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 sowie bei Abgeordneten der SPD und der Gruppe der PDS)

    Das wäre dann eine Konversion menschlicher Fähigkeiten, die auch allen anderen Soldaten guttäte, insbesondere auch den amerikanischen, die im Augenblick Bremerhaven und Frankfurt Nacht für Nacht zur Drehscheibe im Golfkrieg machen.

    (Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS sowie des Abg. Dr. Soell [SPD])

    Der sechste Punkt. Zur Lösung der Zukunftsaufgaben der zukünftigen Europäer müssen wir alte Lasten loswerden, vor allem die Bürokratien, die durch den Kalten Krieg gewachsen sind. Die Bürokratien sind der neue Feudaladel Europas. Die UdSSR ist unter der Last von 17 Millionen Bürokraten zusammengebrochen, auch ökonomisch.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Sagen Sie den Satz noch einmal ganz langsam zum Mitschreiben!)




    Frau Dr. Vollmer
    Ich befürchte, daß auch dies ein gesamteuropäisches Problem ist. Die überflüssige Nomenklatura wegzukriegen, die überflüssige NATO aufzulösen und den die EG-Bürokratie auf ein rationelles Maß zurückzustutzen, auch das sind gigantische Zukunftsaufgaben für Europa.

    (Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 sowie bei Abgeordneten der SPD und der Gruppe der PDS)

    Weitergehende Abrüstung in Europa wäre dazu der wichtigste Schritt und eine doppelte Befreiung: von den Kosten und von den Sicherheitsapparaten. Warum also geschieht das nicht? Warum geht die mächtige, starke Bundesrepublik da nicht voran? Ich glaube, CDU und FDP können es nicht, weil sie — wie schon die Rüstungsexporte gezeigt haben — mit den Militärbürokratien und -industrien seit Jahrzehnten zu sehr verbrüdert sind. Es fehlt ihnen der Mut, alte Freunde in die Bedeutungslosigkeit zu entlassen; es mangelt ihnen manchmal auch an pazifistischer Phantasie.
    Sie, Herr Genscher, haben in Ihrer Rede letzte Woche die gleichzeitige Anwesenheit von Offizieren verschiedener Pakte

    (Bundesminister Genscher: Soldaten!)

    — oder Soldaten — in ein und derselben Stadt als die Spitze der europäischen Sicherheitspartnerschaft skizziert. Ich kann nur sagen: Die Spitze ist erst erreicht, wenn sich diese Soldaten als Zivilisten begegnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS)

    Wie lange, Herr Bundeskanzler, müssen wir eigentlich noch auf Ihre Phantasie warten, sich endlich einmal bei der Friedensbewegung zu bedanken?

    (Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90, der SPD und der Gruppe der PDS — Duve [SPD]: Bei der er sogar den Slogan geklaut hat!)

    Der siebte Punkt: Der KSZE-Gedanke muß ausgebaut und mit wirklicher Macht ausgestattet werden. Am Anfang der KSZE waren nur die Träumer klug. Die Zweifler waren damals die historisch Dummen. Die CDU gehörte — das hat der Bundeskanzler dankenswerterweise anerkannt — zu den letzteren, zu den Dummen.
    Grundlage des KSZE-Prozesses war ursprünglich nämlich eine Fiktion — eine Fiktion des guten Willens aller Vertragsparteien, eine Fiktion, die zunächst naiv und idealistisch schien, mittlerweile aber geschichtsträchtig geworden ist. Auch in Zukunft geht es bei der KSZE um eine Fiktion, um eine Fiktion des Runden Tisches und der Gleichheit aller Beteiligten. Hoffentlich ist diese Fiktion ebenso erfolgreich, hoffentlich führt sie zu einer Gleichheit unter den Menschen Europas und damit auch inhaltlich zu einer Ablösung des sozialistischen Ideals von Gleichheit.
    Dazu aber ist eine Stärkung dieses Gremiums nötig, die mit den jüngsten Beschlüssen allenfalls angedeutet, aber noch keinesfalls eingeleitet wurde. Die Idee einer europäischen Konföderation ist hier am meisten zu fördern, weil sie am meisten auf diesem Prinzip der Gleichberechtigung besteht.
    Aber eine Konföderation braucht kein Machtzentrum. Europa besteht heute aus mehr als 30 Staaten. Morgen schon können es 40 oder 50 sein, je nachdem, wie sich Jugoslawien, die Sowjetunion, aber auch manche Länder Westeuropas entwickeln werden. Allein schon diese Zahlen zeigen: Jeder Versuch eines gesamteuropäischen Zentralismus fördert nur die alten Großmachtrivalitäten und kann deswegen nur schiefgehen.
    Der letzte Punkt: Das gilt auch für jede Art von neuer europäischer Weltbeglückungsaktion. Was auch immer wir in Europa machen — es darf nur die Hälfte unserer Kraft beanspruchen. Die eigentliche Aufgabe wird immer mehr das Verhältnis zum Süden sein.
    Peter Sloterdijk hat gesagt: Die Pointe des 20. Jahrhundert ist, daß die Dinge so weit gekommen sind, daß der imperiale Ring um den Erdkreis geschlossen ist.
    Durch unsere Wirtschaftsweise wird heute aus jedem Geiselnehmer auch eine Geisel und aus jedem Erpresser auch ein Erpreßter. Das wird das Schicksal der Nationen im 3. Jahrtausend bestimmen.
    Wir werden uns einleben müssen — so Peter Sloterdijk —
    in einer Welt, in der die fremden Lebenden wichtiger werden als die eigenen Toten.
    Das wäre dann auch das Ende der nationalen Egoismen, und genaugenommen ist gerade das eine der größten Hoffnungen für Europa.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN/Bündnis 90, bei der Gruppe der PDS und der SPD)