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    Plenarprotokoll 11/234 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 234. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde und den Richtlinien für die Aktuelle Stunde für die Sitzung am 22. November 1990 sowie Abweichung von § 77 Abs. 1 GO für Gesetzentwürfe und Anträge, die in der laufenden Wahlperiode nicht mehr auf die Tagesordnung kommen 18685 A Erweiterung der Tagesordnung 18685B, 18760 C Absetzung der Punkte 24 b und 24 c von der Tagesordnung 18686 A Kleinert (Hannover) FDP (zur GO) . . . 18686A Jahn (Marburg) SPD (zur GO) 18686 D Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU (zur GO) 18687 B Häfner GRÜNE/Bündnis 90 (zur GO) . . 18687 C Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Zink 18688 B Zusatztagesordnungspunkt 10: Empfehlung des Ältestenrates: Wegfall der positiven Berlin-Klausel (Drucksache 11/8387) 18688B Tagesordnungspunkt 17: a) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Umwelthaftung (Drucksachen 11/6454, 11/7104, 11/7881, 11/8134, 11/8208) b) Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes (Drucksachen 11/391, 11/7928, 11/8136, 11/8209) Dr. Hüsch CDU/CSU 18688C, 18691 A Erklärung nach § 10 Abs. 2 GO VermA Kleinert (Hannover) FDP 18689 D Häfner GRÜNE/Bündnis 90 18690 A Jaunich SPD 18691 D Dr. Seifert Gruppe der PDS 18692 B Tagesordnungspunkt 18: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Wahlprüfungsausschusses zu dem gegen die Gültigkeit der Erweiterung des 11. Deutschen Bundestages gemäß Artikel 42 des Einigungsvertrages eingegangenen Wahleinspruch (Drucksache 11/8284) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Wahlprüfungsausschusses zu den gegen die Gültigkeit der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland eingegangenen Wahleinsprüchen (Drucksache 11/8285) . . . . 18692 C Zusatztagesordnungspunkt 11: Empfehlung des Ältestenrates (zur Behandlung von Vorwürfen gegen Abgeordnete) (Drucksache 11/8386) Präsidentin Dr. Süssmuth 18692 D Hüser GRÜNE/Bündnis 90 18693 A Tagesordnungspunkt 19: a) Beratung des Dritten Berichts der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" Schutz der Erde (Drucksache 11/8030) b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90: Fortsetzung der Arbeit der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 bis zum Ende der laufenden Wahlperiode (Drucksache 11/8171) c) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Fortsetzung der Arbeit der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" bis zum Ende der laufenden Wahlperiode (Drucksache 11/8198) d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht (Drucksache 11/8166) e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend gefährliche Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren (Drucksachen 11/3927 Nr. 3.10, 11/7443) f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Knabe, Brauer, Dr. Daniels (Regensburg), Frau Flinner, Frau Garbe und der Fraktion DIE GRÜNEN: Verbot von FluorChlor-Kohlenwasserstoffen und anderen ozonschädigenden Substanzen (FCKW-Verbot) zu dem Antrag des Abgeordneten Müller (Düsseldorf), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Schutz der Ozonschicht (Drucksachen 11/4900, 11/5268, 11/6710) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Fortsetzung der Arbeit der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" bis zum Ende der laufenden Wahlperiode (Drucksache 11/8354) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrags des Abgeordneten Dr. Knabe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE GRÜNEN: Umfassender Schutz der Erdatmosphäre und des globalen Klimas (Drucksache 11/7872) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag des Abgeordneten Müller (Düsseldorf), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Schutz der Ozonschicht zu dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Montrealer Protokoll vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (Drucksachen 11/2939, 11/2676, 11/3093, 11/3096, 11/7499 Nr. 2.17, 11/8312) Schmidbauer CDU/CSU 18694A, 18699C, 18700 C Müller (Düsseldorf) SPD . . . 18697C, 18700 A Frau Saibold GRÜNE/Bündnis 90 . . . . 18700 B Frau Dr. Segall FDP 18700 C Dr. Knabe GRÜNE/Bündnis 90 18702 D Frau Wegener Gruppe der PDS 18704 B Dr. Knabe GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18704 D Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . 18705 C, 18708 D Dr. Sperling SPD 18705 D Stahl (Kempen) SPD 18706 D Frau Ganseforth SPD 18707 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 18709 B Dr. Knabe GRÜNE/Bündnis 90 (Erklärung nach § 31 GO) 18710D Zusatztagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (Drucksachen 11/4166, 11/8056) 18711B Zusatztagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Die Gemeinschaft und die deutsche Einigung (Drucksache 11/8391) 18711B Tagesordnungspunkt 20: Beratung der Unterrichtung Ergänzende Veröffentlichung zum Bericht des 3. Untersuchungsausschusses „NEUE HEIMAT" der 10. Wahlperiode nach Artikel 44 des Grundgesetzes (Drucksache 10/6779, Drucksache 11/6689) Dr. Hüsch CDU/CSU 18711 C Dr. Sperling SPD 18713D Dr. Hüsch CDU/CSU 18715D Grünbeck FDP 18716D Frau Teubner GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18717 D Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau 18719A Grünbeck FDP 18719D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 III Müntefering SPD 18720 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 18720D Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verwertung volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke im Gebiet der neuen Bundesländer durch die Treuhandanstalt Berlin (Drucksache 11/8210) Dr. Botz SPD 18721 D Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 18723 B Dr. Ullmann GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18724 A Zywietz FDP 18725 A Frau Vennegerts GRÜNE/Bündnis 90 18725 B Dr. Schumann (Kroppenstedt) Gruppe der PDS 18726B Carstens, Parl. Staatssekretär BMF . . . . 18727 A Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Entschädigung für NS-Zwangsarbeiter" (Drucksachen 11/4704, 11/8046, 11/8047) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Politische und rechtliche Initiativen der Bundesregierung gegenüber den Nutznießern der NS-Zwangsarbeit zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer, Dr. Lippelt (Hannover) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Individualentschädigung für ehemalige polnische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter unter der NS-Herrschaft durch ein Globalabkommen zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Errichtung einer Stiftung „Entschädigung für Zwangsarbeit" zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über vorhandene private Initiativen, die im Zusammenhang mit Zwangsarbeit während des 2. Weltkriegs ergriffen wurden (Drucksachen 11/4705, 11/4706, 11/5176, 11/6286, 11/8046) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Verbesserung der in den Richtlinien der Bundesregierung über Härteleistungen an Opfer von nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen im Rahmen des Allgemeinen Kriegsfolgenge- setzes vorgesehenen Leistungen und Erleichterungen bei der Beweisführung zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Errichtung einer Stiftung „Entschädigung für NS-Unrecht" (Drucksachen 11/5164, 11/4838, 11/7899) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 17: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE GRÜNEN: Rehabilitierung und Entschädigung der unter der NS-Herrschaft verfolgten Kriegsdienstverweigerer, Deserteure und „Wehrkraftzersetzer" (Drucksachen 11/7754, 11/8389) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 18: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer, Kleinert (Marburg) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Errichtung einer nationalen Gedenkstätte in Hadamar für die Opfer der NS-„Euthanasie"-Verbrechen (Drucksachen 11/7329, 11/8390) Frau Dr. Vollmer GRÜNE/Bündnis 90 . . 18728 B Frau Dr. Wisniewski CDU/CSU 18729 B Waltemathe SPD 18730 A Lüder FDP 18731A Dr. Friedrich (Delitzsch) Gruppe der PDS 18731D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP (Erklärung nach § 31 GO) 18732 C Waltemathe SPD (Erklärung nach § 31 GO) 18733 D Tagesordnungspunkt 25: Befragung der Bundesregierung (Neuregelung des Ausländerrechts; weitere Themen) Neusel, Staatssekretär BMI 18734 B Wartenberg (Berlin) SPD 18735A Lüder FDP 18735 B Neusel, Staatssekretär BMI 18735 B Dr. Hirsch FDP 18735 C Neusel, Staatssekretär BMI 18735D Lüder FDP 18735 D Duve SPD 18736A Neusel, Staatssekretär BMI 18736A Lüder FDP 18736B Neusel, Staatssekretär BMI 18736 B IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 Dr. Hirsch FDP 18736 C Neusel, Staatssekretär BMI 18736 C Gilges SPD 18736 D Neusel, Staatssekretär BMI 18737 A Meneses Vogl GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18737 A Neusel, Staatssekretär BMI 18737 A Jahn (Marburg) SPD 18737 C Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär BMV . 18737 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 18738B Dr. Stavenhagen, Staatsminister BK . . 18738B Dr. Penner SPD 18738 C Dr. Stavenhagen, Staatsminister BK . . 18738 C Dr. Wöstenberg FDP 18738 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 18738 D Dr. Hirsch FDP 18739A Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 18739A Lüder FDP 18739 A Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 18739 B Duve SPD 18739 C Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär BMV . 18739 C Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrags des Abgeordneten Wetzel und der Fraktion DIE GRÜNEN: Einwanderung sowjetischer Juden in die Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 11/8212) Wetzel GRÜNE/Bündnis 90 18740 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 18741 A Duve SPD 18741 B Dr. Penner SPD 18742 C Dr. Hirsch FDP 18743 C Frau Dr. Bittner Gruppe der PDS . . . 18744 B Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 18744 D Wetzel GRÜNE/Bündnis 90 18745 B Frau Stolfa Gruppe der PDS 18745 D Dr. Riege Gruppe der PDS 18746 C Wetzel GRÜNE/Bündnis 90 (zur GO) . . 18747 D Tagesordnungspunkt 24: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Menschenrechtsbericht der Bundesregierung für die 11. Legislaturperiode (Drucksache 11/6553) d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Kelly und der Fraktion DIE GRÜNEN: Menschenrechtsverletzungen in Ost-Timor (Drucksache 11/6607) e) Beratung des Antrags des Abgeordneten Meneses Vogl und der Fraktion DIE GRÜNEN: Politische Konsequenzen aus der Verletzung der Menschenrechte im Iran (Drucksache 11/7470) f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung aus Anlaß des 40. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 (Drucksachen 11/3659, 11/4761) g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Bernrath, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Lage der Menschenrechte in der Türkei (Drucksachen 11/2600, 11/6709) h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Kelly und der Fraktion DIE GRÜNEN: Menschenrechtsverletzungen und Kriegsrecht in Tibet (Drucksachen 11/4264 [neu], 11/6956) i) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher und weiterer Abgeordneter zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher und weiterer Abgeordneter: Menschenrechtsverletzungen an Frauen (Drucksachen 11/1801 [neu], 11/3250 [neu], 11/3623 [Berichtigung], 11/7901) j) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Gewalt gegen Frauen (Drucksachen 11/5846, 11/8034) k) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Nikkels und der Fraktion DIE GRÜNEN: Keine Todesstrafe durch US-Militärgerichte in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 11/3939, 11/8090) 1) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Nickels, Frau Schmidt (Hamburg) und der Fraktion DIE GRÜNEN zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Menschenhandel mit ausländischen Mädchen und Frauen, sogenannte Heirats- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 V vermittlung und Prostitutionstourismus (Drucksachen 11/2210, 11/3580, 11/4144, 11/8086) m) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Menschenhandel mit ausländischen Mädchen und Frauen, sogenannte Heiratsvermittlung und Prostitutionstourismus (Drucksachen 11/2210, 11/3580, 11/4131, 11/8137) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 19: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Situation der irakisch-kurdischen Flüchtlinge in der Türkei zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Humanitäre Hilfsmöglichkeiten für irakisch-kurdische Flüchtlinge in der Türkei (Drucksachen 11/5228, 11/5229, 11/7875) Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 18749D Bindig SPD 18750 D Frau Männle CDU/CSU 18752 B Frau Kelly GRÜNE/Bündnis 90 18753 A Frau Würfel FDP 18754 B Frau Deneke Gruppe der PDS 18755 A Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 18755 D Frau Ganseforth SPD 18756 C Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU . . . 18757 B Meneses Vogl GRÜNE/Bündnis 90 (Erklärung nach § 31 GO) 18758 C Tagesordnungspunkt 26: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Kunst und Kultur sowie von Stiftungen (Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz — KultStiftFG —) (Drucksachen 11/7584, 11/7833, 11/8346, 11/8347) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Neumann (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Baum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Grundsätze und Ziele der staatlichen Kulturpolitik zu dem Antrag des Abgeordneten Duve, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Grundsätze und Ziele für eine Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland in den neunziger Jahren zu dem Antrag des Abgeordneten Duve, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Deutsches Historisches Museum in Berlin zu dem Antrag des Abgeordneten Duve, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ständige Gemeinsame Kulturkonferenz zu dem Antrag des Abgeordneten Neumann (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Baum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Deutsches Historisches Museum in Berlin zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Überarbeitung des Konzeptes zum „Europäischen Forum für Geschichte und Gegenwart" zu dem Antrag des Abgeordneten Conradi, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: DDR-Mitwirkung an Planungen zum Deutschen Historischen Museum (Drucksachen 11/4488, 11/5469, 11/5470, 11/6265, 11/5309, 11/5487, 11/6593, 11/8114) c) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Odendahl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kulturelle Bildung (Drucksachen 11/6077, 11/7670) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Duve, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kulturpolitik in Europa und in der Europäischen Gemeinschaft (Drucksachen 11/3287, 11/5668, 11/6625, 11/8069) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrags des Abgeordneten Lenzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Dr. Feldmann und der Fraktion der FDP: Förderung der deutschen Sprache im Ausland (Drucksache 11/8377) Lüder FDP 18762 A Neumann (Bremen) CDU/CSU 18762 B Duve SPD 18764 A, 18776 B Baum FDP 18766D Frau Dr. Vollmer GRÜNE/Bündnis 90 . 18768 B Thierse SPD 18769 C Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 18770 D Duve SPD 18771 B Dr. Keller Gruppe der PDS 18772 B Dr. Vondran CDU/CSU 18773 A Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . . 18774 C Duve SPD 18775 A Tagesordnungspunkt 27: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Für einen kinderfreundlichen, gerechten, einfachen und finanziell soliden Familienlastenausgleich (Drucksachen 11/6751, 11/ 8344) Frau Matthäus-Maier SPD . . 18777A, 18789 A Jäger CDU/CSU 18777 C Uldall CDU/CSU 18778B Frau Will-Feld CDU/CSU . . . 18779C, 18789B Frau Matthäus-Maier SPD 18779D Frau Deneke Gruppe der PDS 18782 B Eimer (Fürth) FDP 18782 D Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF 18784B, 18788 C Frau Matthäus-Maier SPD 18784 C Frau Dr. Götte SPD 18785 C Frau Will-Feld CDU/CSU 18785 C Eimer (Fürth) FDP 18786 C Dr. Geisler (Radeberg) CDU/CSU . . . 18787 A Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG . 18787 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 18788 B Tagesordnungspunkt 28: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN: zu Nr. 1 des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (Drucksache 11/1) - Weitergeltung von Geschäftsordnungen zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, weiterer Abgeordneter: Wiederaufnahme der Kabinettsberichterstattung zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: §§ 20, 42, 56, 57, 61, 62, 68, 69, 75, 80, 100, 104, 106a (neu), 122a (neu), Anlage 4 zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher, weiterer Abgeordneter: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: §§ 28, 35, 106 zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Auskunfts- und Aktenvorlagepflicht sowie Antwortpflicht der Bundesregierung gegenüber den Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: § 35 - Rededauer zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsordnung hier: § 57 - Mitgliederzahl der Ausschüsse zu dem Antrag des Abgeordneten Häfner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Einfügung eines § 86a - „Sondersitzungen" zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: § 104 - Kleine Anfragen zu dem Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN zu der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (Drucksache 11/5962) hier: zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher u. a. Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu dem Antrag der Abgeordneten Porzner, Wiefelspütz und der Fraktion der SPD: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksachen 11/6, 11/246, 11/2206, 11/2207, 11/6020, 11/6022, 11/6023, 11/6024, 11/6025, 11/6026, 11/6071, 11/7987) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 21: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher u. a. (Drucksachen 11/6045, 11/6923) Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 18790 D Becker (Nienberge) SPD 18791 D Schwalbe CDU/CSU 18793 A Häfner GRÜNE/Bündnis 90 18793 D Frau Stolfa Gruppe der PDS 18794 D Wüppesahl fraktionslos 18795 D Zusatztagesordnungspunkt: Beratung der Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 187 und 188 zu Petitionen (Drucksa chen 11/8394, 11/8395) 18797 C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 VII Zusatztagesordnungspunkt 22: Aktuelle Stunde betr. die Folgen des Uranabbaus auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Dr. Dörfler GRÜNE/Bündnis 90 18797D, 18802 C Funke FDP 18798D Frau Ganseforth SPD 18799 C Köhler CDU/CSU 18800 B Frau Stolfa Gruppe der PDS 18801 B Frau Rehm CDU/CSU 18802 A Schemmel SPD 18803 A Beckmann, Parl. Staatssekretär BMWi . 18803 D Harries CDU/CSU 18804 D Vosen SPD 18805C, 18808 C Schwarz CDU/CSU 18806 C Gerstein CDU/CSU 18807 C Dr. Dorendorf CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 18809 A Nächste Sitzung 18809 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .18811* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 14a) bis d) (Abrüstung und Sicherheit 1990, Weltweites Chemiewaffenverbot: Notwendige Initiativen nach der Pariser Konferenz, Interparlamentarische Abrüstungskonferenz vom 21. Mai bis 25. Mai in Bonn, Jahresabrüstungsbericht) . . . .18811* C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 16a), b) und c) (Große Anfrage betr. Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln und ihr Gefahrenpotential für die Gesundheit — Tragen Kinder das größte Risiko?, Antrag betr. Schaffung eines Pestizid-Vorsorgegesetzes, Anträge betr. Gewässerschutz und Pflanzenschutz, Grundwasser- und Trinkwassergefährdung durch Pflanzenbehandlungsmittel, Schutz des Grund- und Trinkwassers vor Pestiziden und Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Maßnahmen der Gemeinschaft zum Schutz von Süß-, Küsten- und Meerwasser vor der Verunreinigung durch Nitrate aus diffusen Quellen) .18814* C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 27 (Antrag für einen kinderfreundlichen, gerechten, einfachen und finanziell soliden Familienlastenausgleich) 18815* B Anlage 5 Amtliche Mitteilungen 18816 * B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 18685 234. Sitzung Bonn, den 31. Oktober 1990 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 31. 10. 90 * Bamberg SPD 31. 10.90 Frau Barbe SPD 31. 10. 90 Barthel CDU/CSU 31. 10.90 Frau Becker-Inglau SPD 31. 10. 90 Frau Beer GRÜNE/ 31. 10. 90 Bündnis 90 Dr. Biedenkopf CDU/CSU 31. 10. 90 Frau Birthler GRÜNE/ 31. 10. 90 Bündnis 90 Börnsen (Ritterhude) SPD 31. 10. 90 Borchert CDU/CSU 31. 10.90 Brandt SPD 31. 10.90 Büchner (Speyer) SPD 31. 10. 90 * Dr. von Bülow SPD 31. 10. 90 Frau Bulmahn SPD 31. 10. 90 Catenhusen SPD 31. 10.90 Clemens CDU/CSU 31. 10.90 Daubertshäuser SPD 31. 10.90 Frau Fischer CDU/CSU 31. 10. 90 * Gattermann FDP 31. 10.90 Dr. Götz CDU/CSU 31. 10. 90 Dr. Gysi Gruppe der 31. 10. 90 PDS Dr. Haack SPD 31. 10. 90 Haack (Extertal) SPD 31. 10. 90 Dr. Hauchler SPD 31. 10. 90 Dr. Jenninger CDU/CSU 31. 10. 90 Jung (Düsseldorf) SPD 31. 10. 90 Dr. Klejdzinski SPD 31. 10. 90 ' Kolb CDU/CSU 31. 10.90 Kreuzeder GRÜNE/ 31. 10.90 Bündnis 90 Dr. Kübler SPD 31. 10. 90 Dr. Graf Lambsdorff FDP 31. 10. 90 Dr. Langner CDU/CSU 31. 10. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 31. 10. 90 Meyer SPD 31. 10.90 Dr. Modrow Gruppe der 31. 10. 90 PDS Dr. Müller CDU/CSU 31. 10. 90 * Müller (Pleisweiler) SPD 31. 10. 90 Frau Nickels GRÜNE/ 31. 10. 90 Bündnis 90 Reimann SPD 31. 10.90 Reuschenbach SPD 31. 10.90 Dr. Riedl (München) CDU/CSU 31. 10. 90 Dr. Schäuble CDU/CSU 31. 10. 90 von Schmude CDU/CSU 31. 10. 90 Schreiber CDU/CSU 31. 10.90 Schröer (Mülheim) SPD 31. 10. 90 Schütz SPD 31. 10.90 Seiters CDU/CSU 31. 10.90 Selke CDU/CSU 31. 10.90 Dr. Soell SPD 31. 10. 90 * Stobbe SPD 31. 10.90 Toetemeyer SPD 31. 10.90 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Trenz GRÜNE/ 31. 10. 90 Bündnis 90 Tschiche GRÜNE/ 31.10.90 Bündnis 90 Dr. Waigel CDU/CSU 31. 10. 90 Dr. von Wartenberg CDU/CSU 31. 10. 90 Weinhofer SPD 31. 10.90 Weis (Stendal) SPD 31. 10. 90 Wieczorek (Dusiburg) SPD 31. 10. 90 Wischnewski SPD 31. 10.90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 14 a) bis d) (Abrüstung und Sicherheit 1990, Weltweites Chemiewaffenverbot: Notwendige Initiativen nach der Pariser Konferenz, Interparlamentarische Abrüstungskonferenz vom 21. Mai bis 25. Mai in Bonn, Jahresabrüstungsbericht) * ) Lamers, (CDU/CSU): Dies ist das letzte Mal, daß sich der 11. Deutsche Bundestag mit der Abrüstung beschäftigt. Am Ende dieser Legislaturperiode scheidet der Kollege Bahr aus dem Parlament aus. Er ist nicht nur der Vorsitzende des Unterausschusses Abrüstung und Rüstungskontrolle, er verkörpert dieses Gremium geradezu. Er hat ihm Bedeutung und Gewicht im Parlament und Ansehen draußen verschafft. Ohne Übertreibung wird man sagen können, daß Egon Bahr die deutsche, ja auch die internationale Diskussion über Abrüstung, Rüstungskontrolle, über Sicherheit und Frieden maßgeblich mitbestimmt hat. Ich möchte ihm für meine Fraktion - nicht obwohl, sondern gerade, weil wir oft anderer Meinung waren als er - unseren Dank und unsere Anerkennung ausdrücken. Durch sein Hamburger Institut für Friedens- und Konfliktforschung wird Kollege Bahr auch in der Zukunft an der Debatte über die künftige Sicherheitsstruktur in Europa und darüber hinaus mitwirken. Deswegen ist sein Ausscheiden aus dem Bundestag kein Ausscheiden aus der Politik. Wir jedenfalls wünschen ihm Erfolg bei dieser Tätigkeit und persönlich alles erdenklich Gute. Der unserer Debatte zugrundeliegende Abrüstungsbericht der Bundesregierung ist ein Erfolgsbericht. Dies ist natürlich auch eine Folge des grundlegenden Wandels der sowjetischen Politik; aber es ist in einem doppelten Sinne zugleich ein Erfolg der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen von CDU/CSU und FDP. Einmal, weil dieser Wandel nicht nur durch das Desaster der bisherigen sowjetischen Politik, gerade auch in der Außen- und Sicherheitspolitik, bedingt war, sondern ebenso maßgeblich be- *) Vgl. 233. Sitzung, Seite 18644 C 18812* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 stimmt wurde durch den Erfolg und die Festigkeit des Westens. An dieser Politik des Westens hat nun einmal die Bundesrepublik eine im Wortsinn zentrale Rolle gespielt. Zum anderen hat die Bundesregierung auf der solcher Art erreichten Basis sowjetischer Konzessionsbereitschaft eine wiederum zentrale Rolle in dem abrüstungspolitischen Diskussionsprozeß innerhalb des Westens gespielt. Und so erleben wir denn heute anstelle der von der Friedensbewegung, den GRÜNEN und leider auch der SPD noch vor wenigen Jahren prophezeiten endzeitlichen Nuklearkatastrophe eine Reihe von wichtigen Abrüstungsvereinbarungen und einseitigen Abrüstungsschritten auf allen Seiten. Ja, wir erleben darüber hinaus eine tiefgreifende politische Veränderung in Europa. Wir erleben das Ende des Kalten Krieges, wir erleben den Triumpf der Menschenrechte, der Freiheit, der Demokratie, nicht als Triumpf der einen über die andere Seite, sondern als einen Triumpf des menschlichen Geistes, ja und wir erleben die Wiederherstellung der deutschen und der europäischen Einheit. Zweifelsfrei hat der militärische Faktor in Europa eine radikale Bedeutungsverminderung erfahren. Aber leider kann davon in dem übrigen Teil der Erde, dem weitaus größeren Teil, der noch täglich größer — nicht nur absolut, sondern auch in Relation zu der sogenannten Ersten und Zweiten Welt — wird, nicht die Rede sein. Im Gegenteil! Und das einzige Abrüstungsvorhaben, das ein weltweites sein sollte, an dem eben nicht nur Ost und West beteiligt sind — eine Vereinbarung über die weltweite Beseitigung und Ächtung der chemischen Waffen — , ist trotz der in diesem Jahr erzielten außerordentlich weitreichenden Verständigung zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten leider seiner Verwirklichung noch nicht näher gekommen. Diese Tatsache zeigt, daß die CW-Problematik kein oder zumindest nicht mehr ein Ost-West-Problem ist, sondern ein solches, das seine Wurzeln in den Situationen außerhalb des Ost-West-Bereichs hat. Der Entwicklung der Rüstungspotentiale in diesem Teil der Erde und den Sicherheits- — vielleicht besser gesagt: Unsicherheitsstrukturen — werden wir mit Sicherheit größere Aufmerksamkeit in der Zukunft widmen müssen als bislang. In diesem Zusammenhang ist auch das Problem der Rüstungsexporte zu sehen. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen müssen, um über die bisher beschlossene Verschärfung gesetzgeberischer Vorschriften hinaus eine ungleich restriktivere Rüstungsexportpolitik nicht nur der Bundesrepublik Deutschland, sondern so weit wie irgend möglich aller westlichen, nein aller westlichen und östlichen Industrienationen zu erreichen versuchen. Zu der ungewöhnlich wichtigen, auch uns unmittelbar berührenden, leider aber hier häufig nur am Rande behandelten Problematik der Strategischen Waffen will ich nur soviel bemerken: Das erste, nunmehr ins Auge gefaßte Abkommen, das eine höchstens 30%ige Reduzierung der Arsenale zum Gegenstand haben wird, kann nur ein allererster Schritt sein. Ihm müssen weitere, wesentlich weiterführende folgen, denn das nach einem ersten START-Abkommen noch verbleibende Potential überschreitet bei weitem den Rahmen, der erforderlich ist, um eine den völlig veränderten Umständen im Ost-West-Verhältnis Rechnung tragende, ebenso vollkommen neue Nuklearstrategie, d. h. einer solchen, die statt Abschreckung Abratung zum Inhalt hat, Rechnung tragen zu können. Zum Gegenstand der Wiener Verhandlungen will ich heute nicht viel sagen, weil dazu ja noch Gelegenheit sein wird bei der Sondersitzung des Bundestages am 22. November. Nur sei auch hier angemerkt, so revolutionär die Ergebnisse dieses Abkommens sein werden, so sehr viel wird auch noch nach ihm zu tun sein. Und es stellen sich eine Reihe von Fragen nach diesem Abkommen: Welche Folgen wird der Fortfall der bisherigen Blockstrukturen, d. h. vor allem die faktische Auflösung des Warschauer Paktes, für die Verhandlungen in Wien haben? Wie wird es mit der Abrüstungsbereitschaft der anderen aussehen, nachdem die deutsche Seite eine einseitige Vorleistung erbracht hat? Welche Folgen hat es, daß viele Länder zwar einseitig, aber eben nicht auf Grund von Verträgen abrüsten werden? So erfreulich solche Schritte sind, sie bedeuten auch, daß wieder einseitig aufgerüstet werden kann. Für den Westen stellt sich vor allen Dingen die Frage, welche Folgen hat die Abrüstung nicht nur für die militärischen, sondern wichtiger noch, welche hat sie vor allem für die politischen Strukturen in der Allianz? Der absehbare Rückzug von Streitkräften der Vereinigten Staaten hin auf eine Restpräsenz hat für die Struktur des Atlantischen Bündnisses tiefgreifende Folgen. Die Idee der multinationalen Verbände innerhalb der Allianz sind ein Versuch der Antwort. Aber diese Antwort ist mehr eine solche für die militärischen Strukturen, und sie wirft erst recht Fragen nach den zukünftigen politischen Strukturen auf. Die Verhandlungen über die nuklearen Kurzstrekkensysteme werden sinnvollerweise nur mit einer Beseitigung aller heute noch in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Waffen dieser Art enden können. Aber damit stellt sich die Frage, ob denn die Bundesrepublik Deutschland nuklearwaffenfrei sein soll oder ob sie in anderer Weise als bislang an einer neuen nuklearen Strategie und Struktur und damit an der nuklearen Rolle der Vereinigten Staaten in und für Europa mitwirken soll? Ja oder nein — das wird eine sehr grundsätzliche Debatte sein, und ich will heute hier schon anmerken, daß ein Land von der Bedeutung und Lage der Bundesrepublik Deutschland — gerade auch der neuen Bundesrepublik Deutschland — nicht das „Ob" seiner Mitwirkung bei einem so wichtigen Thema in Frage stellen, wohl aber das „Wie" maßgeblich gestalten kann. Wir können uns nicht verweigern, wohl aber entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung der Dinge nehmen. Das ist die Funktion, das ist die Aufgabe, das ist die Chance des neuen Deutschlands noch mehr als der alten Bundesrepublik. Die Debatte über Abrüstung, Sicherheit und Frieden in Deutschland wird weitergehen. Aber ich bin zuversichtlich, daß sie in einem anderen Klima und mit mehr Sachlichkeit geführt werden kann als bislang. Dazu möchte ich uns am Ende dieser Legislaturperiode mit Nachdruck auffordern. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 18813* Frau Fuchs (Verl) (SPD): Das Jahr 1990 markiert einen weltpolitischen Umbruch. Nicht nur der Kalte Krieg, die gesamte Ost-West-Konfrontation ist vorüber. Aus institutioneller Feindschaft kann jetzt Freundschaft werden, die Begriffe Ost/West werden bald nur noch geographische Bedeutung haben. Europa und die ganze Welt haben eine große, neue Chance. Zu Recht stellt die Bundesregierung diese Veränderung ihrem Abrüstungsbericht voran. Diese Erkenntnis schlägt sich leider zu wenig in tatsächlichem politischem Handeln nieder. Die Bundesregierung hat zum Beispiel bisher kein einziges größeres Rüstungsprojekt gestrichen. Sie hat weitergerüstet, als ob nichts geschehen wäre. Diese widersprüchliche Haltung hat auch die Wiener Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte beeinflußt. In Wien wurde zwar mehr erreicht, als ursprünglich geplant war, aber weniger, als möglich gewesen wäre. Mehr als geplant, weil im Gegensatz zum ursprünglichen Vorschlag der NATO auch die Kampfflugzeuge und Hubschrauber in den Vertrag einbezogen wurden. Damit sind nun gleiche Obergrenzen für alle offensivfähigen Großwaffensysteme erreicht. Das Ziel des westlichen Bündnisses, die östlichen Überlegenheiten abzubauen, ist erreicht. Ich möchte an dieser Stelle den Mitgliedern unserer VKSE -Delegation unter Botschafter Hartmann für ihre hervorragende Arbeit danken. Die Delegation hat wirklich Großartiges geleistet. Aber bei aller Freude über das Abkommen darf man nicht vergessen, daß die Obergrenzen noch viel zu hoch sind. Auch nach Wien I wird es noch 40 000 Panzer in Europa geben, mehr als am Vorabend des 2. Weltkrieges, 40 000 Panzer mitten im Frieden. Allein dies zeigt schon, wie dringlich Folgeverhandlungen sind. Und auch die Obergrenze von 370 000 Mann für die deutschen Streitkräfte ist viel zu hoch. — Stellen Sie sich doch einmal konkret vor, wie es 1994 etwa aussehen wird: Die sowjetischen Truppen werden aus Deutschland abgezogen sein, Polen will auf 130 000, die SFR auf 60 000 Mann reduzieren. Aber in Deutschland stehen dann noch 370 000 Mann plus mindestens 100 000 Mann der Verbündeten, zusammen eine halbe Million. Das heißt, daß die Streitkräfte in Deutschland doppelt so stark sein werden wie die unserer Nachbarn, die Bundeswehr wird die stärkste Armee sein weit und breit. Das ist weder notwendig für die Sicherheit noch politisch wünschenswert. Die Bundeswehr muß viel kleiner werden. Und ganz wichtig: Kein Waffenprojekt darf entwickelt oder gekauft werden, bis die künftige Strategie des Bündnisses und Aufgaben und Struktur der Bundeswehr geklärt sind. Denn es ist doch schizophren: Die NATO will bis 1992 eine neue Militärstrategie, der Verteidigungsminister ist nicht in der Lage, dem Parlament präzise über den künftigen Auftrag und die künftige Struktur der Bundeswehr Auskunft zu geben. Trotzdem hält die Bundesregierung nicht nur an Wahnsinnsprojekten wie dem Jäger 90 fest. Ich erinnere an die namentliche Abstimmung in der letzten Woche, wo die FDP wieder einmal umgefallen ist. Die Bundesregierung wirft das Geld sogar noch zusätzlich mit vollen Händen zum Fenster raus. Allein im September und Oktober diesen Jahres wurden 12 neue Entwicklungs- und Beschaffungsprojekte ins Parlament gebracht. Kostenpunkt: 3,5 Milliarden DM. Es ist schon eine bemerkenswerte Dreistigkeit gegenüber dem Steuerzahler, den Verteidigungshaushalt auf sage und schreibe 57 Milliarden hochgehen zu lassen, jede Senkung zu verweigern und gleichzeitig die Erhöhung der Mehrwertsteuer ins Gespräch zu bringen. Das hat mit Abrüstung nichts zu tun, das ist die Verschleuderung von Steuermilliarden. Wir Sozialdemokraten werden den ersten gesamtdeutschen Verteidigungsetat um mindestens 9 Milliarden senken. Und wenn auf der Hardthöhe doch nachgedacht wird, dann in die falsche Richtung: Kleine, feine, hochmobile High-Tech-Streitkräfte mit hoher Feuerkraft, damit liebäugeln führende Militärs. Daß dies sündhaft teuer und in der Wirkung offensiv ist, sprich: bedrohlich für unsere Nachbarn, kümmert die Herren nicht. Aber gerade das wollen wir Sozialdemokraten verhindern. Der Verdacht schleicht sich ein, daß die Bundesregierung eine effiziente Eingreiftruppe will, womöglich für Einsätze außerhalb des NATO-Gebietes. Der Bundeskanzler hat eine Diskussion über solche Einsätze vom Zaun gebrochen, die gefährlich und grundgesetzwidrig ist. Hier stellt sich die Frage, ob es wirklich einer der ersten Akte eines größeren Deutschland sein soll, deutsches Militär in alle Welt zu schicken. Müssen wir diese Art von Stärke zeigen? Ich will dies nicht, ich will keine deutschen Soldaten am Golf. Dieser Konflikt muß politisch gelöst werden. Und es grenzt an Heuchelei, einem Land wie dem Irak erst für Milliarden modernste Waffen zu verkaufen und dann erstaunt zu tun, wenn ein mörderischer Diktator, der auch vorher einer war, diese Waffen anwendet. Wir haben uns durch unsere Rüstungsexporte mitschuldig gemacht, wenn am Golf ein Krieg ausbricht. Dann wird der Irak französische Raketen auf MBB-Hubschraubern gegen amerikanische Panzer einsetzen, und wenn es ganz schlimm kommt, Giftgas, das mit bundesdeutscher Hilfe hergestellt wurde. Eine gespenstische Situation! Es hätte der Bundesregierung gut angestanden, die C-Waffen-Exporte auch im Abrüstungsbericht offen anzusprechen und darzulegen, wie sie in Zukunft verhindert werden sollen. Natürlich freuen wir uns alle über die Fortschritte auf dem Gebiet der C-Waffen. Es ist wirklich gut, daß Deutschland endlich eine chemiewaffenfreie Zone ist, wie die SPD das schon immer wollte. Auch die Fortschritte in amerikanisch-sowjetischen Verhältnis sind ermutigend. Aber für den Abschluß einer weltweiten und umfassenden C-WaffenKonvention, den wir auch in diesem Jahr wieder nicht erreichen werden, ist der Export von allererster Bedeutung. Rüstungsexporte und damit die Weitergabe all dieser Waffen und Technologien werden zunehmend zu Abrüstungsbremsen. Deshalb müssen Rüstungsexporte verboten werden. Und das gehört in die Verfassung. 18814* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 Wir begrüßen, daß in Kürze zwei Null-Lösungen verhandelt werden: Für die atomare Artillerie und für Kurzstreckenraketen. Wir wollen das schon lange und ich freue mich, daß die Bundesregierung dieser Forderung beigetreten ist. Aber leider geht es hier nur um landgestützte Atomraketen, die luftgestützten sollen völlig außen vor bleiben. Und das ist um so gefährlicher, als es offensichtlich Pläne gibt, die Sprengköpfe der Pershing II, umgebaut als Flugzeugbomben, wieder zurück nach Deutschland zu bringen. Nun bekommen wir mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag ab 1994 eine atomwaffenfreie Zone in Deutschland. Darüber freuen wir uns sehr. Hier ist der Kanzler wiederum einem alten sozialdemokratischen Vorschlag gefolgt. Nun sagen wir: Was für das östliche Gebiet möglich ist, muß auch für ganz Deutschland möglich sein. Denn die unsägliche Diskussion um Neu-, Nach- und Aufrüstungen wird erst dann zu Ende sein, wenn Deutschland dauerhaft frei ist von ABC-Waffen. Deshalb wollen wir unbedingt, daß dieses Verbot im Grundgesetz verankert wird. Wer abrüsten will, muß sagen, was er mit den Soldaten und Waffen, mit den Standorten und Zivilbeschäftigten und mit den Beschäftigten in der Rüstungsindustrie machen will. Das muß geplant werden. Menschen und Regionen haben einen Anspruch, zu wissen, was aus ihnen wird. Umschulung, Qualifizierung und regionale Strukturprogramme sind jetzt gefragt, und zwar schnell. Mehr als einmal haben wir dafür ein Konzept angemahnt. Es ist ein Skandal, daß sich die Bundesregierung weigert, hier tätig zu werden. Es ist unzumutbar, so mit den betroffenen Menschen und Kommunen umzugehen. Greifen Sie doch auf die Vorarbeiten aus der Volkskammer zurück, und sagen Sie endlich den Kommunen, was auf sie zukommt! Übrigens muß Konversion auch ein Thema im nächsten Abrüstungsbericht sein. Das Ende der Ost-West-Konfrontation bringt nicht nur neue Chancen, sondern legt auch bedeutende Gefahrenpotentiale frei, nicht nur Nationalitätenkonflikte, die bisher unterdrückt waren, auch das gewaltige Wohlstandsgefälle zwischen West- und Osteuropa. Die Gefahr einer neuen europäischen Völkerwanderung ist genausowenig von der Hand zu weisen wie die Gefahr vieler Nordirlands. Kein Militärbündnis kann diese Probleme lösen. Aber ein gesamteuropäischer Sicherheitsrahmen bietet — zusammen mit wirtschaftlicher Hilfe und Rechtsstaatlichkeit — die Chance, die Probleme zu bewältigen. Denn entweder gibt es europäische Lösungen, oder es triumphiert ein autoritärer Nationalismus. Das wird ein Wettlauf mit der Zeit werden. Eine Europäische Friedensordnung ist heute nicht mehr in erster Linie deshalb notwendig, weil sie besser ist als Militärbündnisse, sondern weil die Alternative blutiger Unfriede ist. An dieser Ordnung für ein friedliches Europa zu arbeiten, wird die vordringlichste Aufgabe der nächsten Legislaturperiode sein. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 16a), b) und c) (Große Anfrage betr. Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln und ihr Gefahrenpotential für die Gesundheit — Tragen Kinder das größte Risiko?, Antrag betr. Schaffung eines Pestizid-Vorsorgegesetzes, Anträge betr. Gewässerschutz und Pflanzenschutz, Grundwasser- und Trinkwassergefährdung durch Pflanzenbehandlungsmittel, Schutz des Grund- und Trinkwassers vor Pestiziden und Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Maßnahmen der Gemeinschaft zum Schutz von Süß-, Küsten- und Meerwasser vor der Verunreinigung durch Nitrate aus diffusen Quellen)') Frau Limbach (CDU/CSU): Wenn wir in dieser Debatte über Pestizidrückstände in Lebensmitteln sprechen — und dazu gehört auch das Trinkwasser als besonders wichtiges Lebensmittel — dann sollten wir daran denken, daß wir im vereinten Deutschland mit 16 Bundesländern leben und arbeiten. Und wenn ich mir vorstelle, die Bundesregierung hätte die Anfrage auch für die fünf neuen Bundesländer beantworten müssen, dann hätten wir erfahren, daß dort auf Grund unverantwortlicher Ausbeutung von Mensch und Natur durch den „real-existierenden Sozialismus" des SED-Regimes der Zustand der Böden und Gewässer wirklich erschreckend ist. 30 % der Gewässer müssen als ökologisch tot bezeichnet werden. 45 T. der Flüsse und Bäche sind für die Trinkwassergewinnung nicht mehr zu nutzen, da hilft nicht einmal mehr eine noch so aufwendige Technologie. Und da nicht nur Pestizide, über die wir hier sprechen, Schadstoffe sind, sollte vielleicht auch erwähnt werden, daß z. B. der Ausstoß von Schwefeldioxid pro Kopf das Zehnfache dessen beträgt wie in Westdeutschland. Hier muß und wird vordringlich gehandelt werden. Wir danken der Regierung und hier insbesondere dem Umweltminister für die eingeleiteten Maßnahmen. Um die Menschen in unserem Land mit guten Lebensmitteln zu versorgen, d. h. mit Lebensmitteln von hoher Qualität und gesundheitlich unbedenklich, sind Regelungen und Rechtsvorschriften erlassen und neuen Gegebenheiten angepaßt worden, wie z. B. die Pflanzenschutz-Höchstmengenverordnung, die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung, die Trinkwasserverordnung. So sind beispielsweise 34 Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln auf der Verbotsliste; die in der EG geltenden Vorsorgewerte für Trinkwasser sind zwar noch nicht überall eingehalten, aber auch wesentlich strenger als die Werte der Weltgesundheitsorganisation. Das europäische Parlament beschäftigt sich kontinuierlich mit der angesprochenen Problematik gerade auch unter der Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips. Ich möchte aber auch auf eine Tatsache hinweisen, die in der Diskussion oft übersehen wird. Die Grenzwerte, auch die der EG-Trinkwasser-Richtlinien, dürfen nicht mit Gefahren-Grenzwerten verwechselt werden. Deshalb ist es z. B. auch möglich, Abweichungen auf begrenzte Zeit dann zuzulassen — und s) Vgl. 233. Sitzung, Seite 18647C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 18815* zwar nur dann — , wenn eine entsprechende Sanierung eingeleitet wird. Das Bundesgesundheitsamt nimmt die gesundheitliche Bewertung von Pflanzenschutzmitteln im Rahmen des Pflanzenschutzgesetzes vor. Die Prüfung der gestellten Fragen der Großen Anfrage kommt zum Ergebnis, daß keine Gefährdung der Gesundheit für die Menschen bei uns durch Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in der Nahrung besteht. Dabei sind strenge und international anerkannte Grundsätze der Bewertung zugrunde gelegt worden. Die vom Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit gemeinsam mit dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erlassene Pflanzenschutzmittel-Höchstmengenverordnung enthält daher nur solche zulässigen Höchstgehalte für Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln, die zuvor sorgfältig toxikologisch geprüft werden und als gesundheitlich unbedenklich anzusehen sind. Die Werte werden entsprechend dem Minimierungsgedanken so niedrig wie möglich festgesetzt. Meine Fraktion stellt mit Zufriedenheit fest, daß die Bundesregierung dem Schutz des Verbrauchers vor Gesundheitsgefahren durch Pflanzenschutzmittel schon in der Vergangenheit nicht nur ihre Aufmerksamkeit gewidmet, sondern gehandelt hat. Wir werden hier auch weiter tätig bleiben, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern gesunde Lebensmittel zu sichern und dem gesundheitlichen Verbraucherschutz vorrangig Rechnung zu tragen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 27 (Antrag für einen kinderfreundlichen, gerechten, einfachen und finanziell soliden Familienlastenausgleich) Hüser (GRÜNE/Bündnis 90): Der hier vorliegende Antrag der SPD erinnert mich in seiner Grundstruktur an manchen anderen dieser Fraktion: in der Tendenz zwar richtig, in der Konsequenz der Umsetzung jedoch unzulänglich. Aber so muß das wohl sein, wenn man bei allen politischen Entscheidungen nach dem Motto verfahren will: Vielen wohl und keinem wehe. Ich will diese gedämpfte Kritik an den beiden entscheidenden Punkten des Antrags verdeutlichen. Zunächst einmal plädiert die SPD für eine Erhöhung des Kindergeldes bei gleichzeitigem Wegfall der Kinderfreibeträge. Diese Forderung ist richtig. Kinderfreibeträge sind zwar nach den bisherigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht verfassungswidrig, aber eben unsozial. Der herauszuholende Steuervorteil wird um so größer, je höher das Einkommen ist. Oder anders formuliert: Kinder reicher Eltern erhalten unerträglich viel mehr Geld vom Finanzamt als die von durchschnittlichen Einkommensbeziehern. Und die Kinder jener Bürgerinnen und Bürger, die, aus welchen Gründen auch immer, gar nicht einkommensteuerpflichtig sind, erhalten gar nichts bzw. als Trostpflaster einen kleinen Zuschlag zum Kindergeld. Für uns GRÜNE ist eine solche Diskriminierung nicht hinnehmbar. Da der Antrag der SPD, obwohl er nicht ausreichend ist, eine erhebliche Verbesserung gegenüber der jetzigen Situation bringt, werden wir die Beschlußempfehlung, den Antrag abzulehnen, ablehnen. Nun fordert die SPD ein einheitliches Kindergeld von 200 DM im Monat. Das ist eindeutig zuwenig. Immerhin kommt schon eines der vom Finanzministerium auf Grund der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erarbeiteten Modelle zu einem solchen Betrag. Für uns kann das kein Maßstab sein. Wir fordern bereits seit Jahren ein nach Alter gestaffeltes Kindergeld zwischen 250 und 400 DM monatlich. Erst dadurch sind unserer Auffassung nach die durch Kinder verursachten finanziellen Mehrbelastungen der Familien annähernd ausgeglichen. Bei angemessenem Kindergeld entfällt dann auch die Notwendigkeit für den von der SPD beantragten Zuschlag für kinderreiche Familien. Erfreulicherweise will sich die SPD auch an das Ehegattensplitting herantrauen, allerdings nur bei Jahreseinkommen über 100 000 DM. Das ist immerhin das Zweieinhalbfache des Durchschnittsverdienstes. DIE GRÜNEN machen hier keine halben Sachen. Das Ehegattensplitting muß abgeschafft werden. Statt dessen ist der doppelte Grundfreibetrag zu gewähren, der auf 10 000 DM anzuheben ist. Eine Steuerregelung, die vor allem nichterwerbstätige kinderlose Ehepartner begünstigt und die diesen um so mehr zuschustert, je höher das Einkommen steigt, ist sozial unverträglich und mit dem Leistungsfähigkeitsgedanken im Steuerwesen unvereinbar. Hinzu kommt auch hier, daß mindestens ein Drittel der Bevölkerung — und zwar gerade das einkommenschwache — leer ausgeht. Der von der Regierungsmehrheit verfaßte Beschlußentwurf empfiehlt nun die Ablehnung des SPD-Antrags, nicht aber wegen der eben aufgezeigten Unzulänglichkeiten, sondern weil die Bundesregierung einen eigenen Gesetzentwurf in Aussicht stellt. Diese Begründung ist ein Hohn, nachdem die Einzelheiten der Regierungspläne bekannt geworden sind. Während noch vor wenigen Tagen großspurig von einer Anhebung des Grundfreibetrags auf 8 000 DM und von Milliardenentlastungen für Familien mit Kindern die Rede war, wird jetzt nur noch von einer Anhebung des Kindergelds bzw. der Kinderfreibeträge in kleinen Raten und in späteren Zeiten gesprochen. So beschämend bereits die Tatsache war, daß erst eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Regierung zu einer Korrektur ihrer ungerechten Finanzpolitik gegenüber Familien mit Kindern bewegen mußte, so würdelos ist jetzt auch das Bemühen der Bundesregierung, sich dieser Verpflichtung mit möglichst wenig Zugeständnissen und in möglichst langen Fristen zu entledigen. Daß die Koalition die Erkenntnisse des Verfassungsgerichts keineswegs verinnerlicht hat, zeigt bereits die Ankündigung, die vom Gericht angeordnete finanzielle Besserstellung nur jenen 18816* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 Familien zukommen zu lassen, deren Steuerbescheide noch nicht rechtskräftig sind. Wohlgemerkt: Es handelt sich um Steuerbescheide aus den Jahren 1983 bis 1985. Da dürfte nicht mehr allzuviel ausstehen. Leer ausgehen werden all jene, die auf eine verfassungsgerechte Steuergesetzgebung vertraut haben. Daß den Kindern dieser Familien dann Teile ihres Existenzminimums weggesteuert wurden — so der Tenor der Verfassungsgerichtsentscheidung —, scheint diese Regierung nicht zu stören. Die erhoffte Wende zu einem sozial gerechten Familien- und Kinderlastenausgleich scheint die Entscheidung des Verfassungsgerichts also doch nicht zu bringen. Da helfen offenkundig nur andere politische Mehrheiten, Mehrheiten also, die aus diesem Urteil die zutreffende und notwendige Schlußfolgerung ziehen, daß der Grundfreibetrag auf das einem menschlichen Lebensstandard entsprechende Minimum anzuheben ist und daß die finanziellen Bedingungen für Familien mit Kindern so zu gestalten sind, daß Kinder nicht als materielle Last empfunden werden. Es ist schon bezeichnend, daß gerade diejenigen, die sich für werdendes Leben besonders stark machen, immer dann versagen, wenn es um angemessene Lebensbedingungen für bestehendes Leben geht. Und wir brauchen eine politische Mehrheit, die damit aufräumt, daß Kinder und Ehepartner durch Kinderfreibeträge und Ehegattensplitting ungleich behandelt werden. Viel für die Reichen und gar nichts für die Armen. Für uns GRÜNE ist jeder vor dem Gesetz gleich, auch vor dem Steuergesetz. Deshalb gibt es für uns nur eine vertretbare Lösung: 1. ausreichendes Kindergeld und keine Freibeträge; 2. angemessener Grundfreibetrag für jeden Lebenspartner, aber kein Steuersplitting. In dieser Kombination sind unsere Forderungen nahezu haushaltsneutral. Hinweise auf unvertretbare Kostenbelastungen verfangen also nicht. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 26. Oktober 1990 beschlossen, zu dem Gesetz über die Feststellung eines Dritten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1990 (Drittes Nachtragshaushaltsgesetz 1990) einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen. Zu diesem Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung angenommen: 1. Der Bundesrat stellt fest, daß der 3. Nachtragshaushalt 1990 auch nach Abschluß der Beratungen im Deutschen Bundestag keine grundlegenden Veränderungen erfahren hat. Die Bedenken aus dem ersten Durchgang — Drucksache 630/90 (Beschluß) — bestehen unverändert fort. 2. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß nach wie vor — keine Klarheit über den finanzpolitischen Kurs der Bundesregierung besteht, — eine realistische Bestandsaufnahme der derzeitigen Haushaltslage fehlt, — ein Absinken des hohen Niveaus der Neuverschuldung sich nicht abzeichnet, — dringend notwendige Sparmaßnahmen nicht verwirklicht werden und — die Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastrukturen auf dem Gebiete der bisherigen DDR völlig unzureichend sind. Der Bundesrat sieht sich in dieser Beurteilung durch das jüngst vorgelegte Gemeinschaftsgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute bestätigt. 3. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung erneut auf, — eine Haushaltssperre bei den konsumtiven Ausgaben zu verhängen, — alle noch nicht belegten Verpflichtungsermächtigungen im Verteidigungshaushalt zu sperren, — ein Einsparkonzept für die kommenden Jahre vorzulegen und — endlich Klarheit darüber zu schaffen, daß sie auf eine Senkung der Steuern für Unternehmer und Spitzenverdiener verzichten wird. 4. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß es angesichts des großen Investitionsbedarfs und der wachsenden Massenarbeitslosigkeit auf dem Gebiete der bisherigen DDR nicht zu verantworten ist, das Inkrafttreten des 3. Nachtragshaushalts 1990 länger zu verzögern. Er sieht daher davon ab, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksachen 11/5620, 11/6934, 11/7508, 11/7664, 11/7676, 11/7994 Innenausschuß Drucksachen 11/7375,11/7691 Ausschuß für Wirtschaft Drucksachen 10/6828, 11/705, 11/6224, 11/8025 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/7344 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 11/6428 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/7532 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/2486 Drucksache 11/6502 Nr. 10 —15 Drucksache 11/6629 Nr. 2.6, 2.9-2.13 Drucksache 11/6864 Nr. 3.21, 3.22, 3.25 Drucksache 11/6941 Nr. 6, 8, 10, 11 Drucksache 11/7032 Nr. 3.1-3.3 Drucksache 11/7115 Nr. 2.5 — 2.10 Drucksache 11/7192 Nr. 2.8 Drucksache 11/7319 Nr. 2.13 — 2.17 Drucksache 11/7499 Nr. 2.5, 2.7-2.13 Drucksache 11/7609 Nr. 21-25, 27, 29-32 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/7115 Nr. 2.11 Drucksache 11/7319 Nr. 2.18 Drucksache 11/7732 Nr. 24 Drucksache 11/7962 Nr. 2.2, 2.3 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/2580 Nr. 41 Drucksache 11/6502 Nr. 17 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 11/7609 Nr. 38, 39 Drucksache 11/7884 Nr. 2.6 Drucksache 11/8091 Nr. 2.34 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 11/7499 Nr. 2.16 Drucksache 11/7732 Nr. 26-33, 35 Drucksache 11/7755 Nr. 3.12 Drucksache 11/7884 Nr. 2.9, 2.10 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 234. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Oktober 1990 18817* Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 11/7609 Nr. 1 Finanzausschuß Drucksache 11/7332 Nr. 3 Haushaltsausschuß Drucksache 11/7732 Nr. 5 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/3558 Nr. 3,5 Drucksache 11/3703 Nr. 2.3 Drucksache 11/3831 Nr. 3 Drucksache 11/4337 Nr. 5 Drucksache 11/6324 Nr. 2.1 Drucksache 11/6502 Nr. 7 Drucksache 11/6738 Nr. 2.1 Drucksache 11/7609 Nr. 15 Drucksache 11/7822 Nr. 2.2-2.7 Drucksache 11/7884 Nr. 2.3, 2.4 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/5642 Nr. 3.12-3.19 Drucksache 11/5722 Nr. 2.4-2.7, 2.9 Drucksache 11/5954 Nr. 2.10-2.13 Drucksache 11/6125 Nr. 9, 10 Drucksache 11/6285 Nr. 2.4, 2.7-2.11 Drucksache 11/6324 Nr. 2.10-2.12, 2.14-2.29 Drucksache 11/6423 Nr. 2.8-2.10
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    Rede von Freimut Duve


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wäre für die Menschen, die sich um die Kultur in der Ex-DDR sorgen, gut gewesen, wenn wenigstens einer der „8-Wochen-Minister" hier anwesend gewesen wäre, um seine Amtspflichten wahrzunehmen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)

    Am 10. April 1982 schreibt Vaclav Havel in einem Brief an seine Frau von einer beklemmenden Lektüre. Er hatte einen Roman von Saul Bellow gelesen, und er bemerkt, der Held des Romans könne alles sagen und schreiben, was und worüber er wolle. Verblüfft stellt er fest, dieser ehemalige Romanheld verliert den Verstand unter den Bedingungen, in denen das Wort kein Gewicht mehr habe. Ihm fehle — ich zitiere jetzt wörtlich —
    offenbar das, was in den kommunistischen Staaten nicht fehlt. Hier nämlich hat das Wort ein so großes Gewicht, daß man schwer dafür bezahlen muß. Das Wort, das nicht vom Leben garantiert wird, verliert sein Gewicht.
    Das Wort kann also — so Havel weiter — auf zweierlei Weise zum Schweigen gebracht werden: entweder ihm ein solches Gewicht geben, daß niemand es auszusprechen wagt, oder es umgekehrt in Luft verwandeln, indem ihm jedes Gewicht genommen wird.
    Es ist wohl nach meiner Überzeugung Aufgabe der Kulturpolitik in der offenen Demokratie, immer wieder nach Bedingungen und nach Maßstäben zu suchen, die weder die Leichtigkeit der Wörter unerträglich werden lassen noch die Menschen durch das Gewaltgewicht der Sprache zum Verstummen bringen.
    Die Öffnung Europas hat die Kulturpolitik der westlichen Demokratien vor große Herausforderungen gestellt. Wie sieht die faszinierende und zugleich fremde Welt der zusammengebrochenen Staatskulturen aus, die sich aus dem Mißbrauch des europäischen Humanismus genährt hatten? Welche Verantwortung übernehmen wir hier, wo zentral die Werte, die unser
    Grundgesetz im Art. 5 ausdrückt, eingeklagt werden?
    Der Deutsche Bundestag zumindest ist für diese Herausforderung schlecht gerüstet. Wir klagen seit sieben Jahren ein parlamentarisches Gremium ein, um Kulturpolitik zu behandeln. Es ist uns und der Kultur verweigert worden.
    Die Kulturpolitik der Deutschen steht in den 90er Jahren vor vier großen Herausforderungen: erstens den kultur- und medienpolitischen Aufgaben in den fünf Bundesländern, deren Kulturlandschaft zugleich die Kultur der alten DDR ist, zweitens der europäischen Dimension der Kulturpolitik, die durch den Binnenmarkt der EG gekennzeichnet sein wird, drittens der kulturellen Wiedervereinigung des gespaltenen Europa mit den Tschechen, den Ungarn, den Polen und den europäischen Völkern der Sowjetunion, und viertens der interkulturellen Wirklichkeit Europas. Über 13 Millionen Menschen nichteuropäischer Herkunft leben unter uns, sind Europäer geworden und prägen das kulturelle Bild Europas mit.
    Meine Damen und Herren, diese vier Aufgaben gesamtstaatlicher Kulturpolitik können vom Deutschen Bundestag leider nicht angemessen behandelt werden. Regierungshandeln kann nicht, wie von der Verfassung vorgeschrieben, kontrolliert werden.
    Wohl noch niemals seit 1945 haben weniger Bonner Beamte — sie können selber nichts dafür; man hat ihnen das sozusagen zudiktiert — eine so einzigartige Macht gegenüber der Kultur von Deutschen innegehabt wie zur Zeit die Mitarbeiter im Innenministerium, die über das künftige Schicksal der DDR-Kultureinrichtungen und der in ihnen arbeitenden Menschen befinden, und noch niemals war das Parlament so einflußlos wie jetzt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei den GRÜNEN/Bündnis 90)

    Wo die Kulturhoheit der Länder immer wieder beschworen wird, hat der Einigungsprozeß wenigen Mitarbeitern der Exekutive Funktionen übertragen, die weder verfassungsrechtlich noch kulturpolitisch zu verantworten sind. Wir hatten weder Beratungszeit, noch haben wir ein Beratungsgremium.
    Wolfgang Thierse wird zur Lage in der ehemaligen DDR hier Stellung nehmen.
    Ich persönlich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen: Mich schaudert, wenn ich mir vergegenwärtige, wieviel unkontrollierbare Staatsmacht sich jetzt zusammenballt, um über das Schicksal von Kultur zu entscheiden, deren Hauptproblem 40 Jahre lang Staatsmacht war.
    Die SPD hat immer gesagt: Laßt uns Zeit kaufen, damit in einem kulturell verantwortbaren, verantwortungsvollen Prozeß, der die Würde der Menschen respektiert, sich aussortiert, was aussortiert gehört. Weder die alten Bundesländer noch die Bonner Behörden können und dürfen sich zu „reeducation" -Programmierern machen lassen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90)




    Duve
    Meine Damen und Herren, wir sollten alle beherzigen: Wir sind nicht die Amis der Ossis. Darum noch einmal: Gebt der Kultur in den fünf neuen Bundesländern drei Jahre Zeit! Laßt uns diese Zeit finanzieren! Sonst wird dieses Galoppjahr der Einigung nicht zu einer Stunde der glücklichen Geburt, sondern zu einer neuen schmerzenden Wunde. Wo ohne Diskussion die Bannerträger der DDR, die Blockparteien, ins Zentrum unserer Demokratie übernommen wurden, läßt man die Kultur im trüben Nebel des Verdachts und des Mitläufertums stehen. Die Paläste der Blockparteien stilisiert man zu Zentren der tapferen inneren Emigration, und Theater sind von der Schließung bedroht. Ich jedenfalls erinnere mich, daß vor der Öffnung der Mauer in Leipzig und Dresden weit mehr Künstler auf die Straße gingen als etwa Funktionäre der erwähnten Parteien.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90 sowie bei Abgeordneten der Gruppe der PDS)

    Meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag, der Bund insgesamt, muß im Benehmen mit den Ländern die Frage der geregelten Zuständigkeiten klären. Wir alle freuen uns, daß wir in das neue, größere Europa die gelebte Praxis des kulturellen Föderalismus einbringen. Er ist wichtig und vielleicht auch ein Beitrag dazu, dem aufkommenden Nationalismus in Ost- und Südosteuropa eine Perspektive zu vermitteln. Wo die Kultur von Regionen und kleineren Völkern respektiert wird, kann auch leichter die Kultur der bei ihnen und mit ihnen lebenden Minderheiten respektiert werden. Der machtpolitische Nationalstaat, der sich womöglich auch noch monokulturell begreift, darf im künftigen Europa keine Chance haben.
    Das Erstarken des kulturellen Föderalismus, das wir begrüßen, darf aber nicht verkennen, daß wir auch einen gesamtstaatlichen kulturpolitischen, ich nenne das immer: Fokus, einen Brennpunkt, brauchen. Man kann uns nicht immer neidvoll bitten, den französischen Kultusminister, Jack Lang, zu einer Veranstaltung nach Hintertupfing einzuladen, und gleichzeitig das Feldgeschrei erheben, wenn wir uns auf der Bundesebene über grundsätzliche kulturpolitische Fragen unterhalten.
    Damit komme ich zur Kulturpolitik in der Europäischen Gemeinschaft. Oft müssen wir ein und dieselbe kulturpolitische Fördermaßnahme gegenüber den Ländern als ausschließliche Wirtschaftsförderung deklarieren, damit sie nicht böse sind, und gleichzeitig sagen wir in Brüssel — im Falle der Filmförderung vor dem Europäischen Gerichtshof — , daß wir ausschließlich kulturelle Förderung gegenüber dem Film betreiben, die den EG-Regeln nicht unterworfen ist, also europäische Kulturpolitik.
    Ich habe ein bißchen Schwierigkeiten gehabt, der Formulierung unseres Antrages zur europäischen Kulturpolitik in der gemeinsamen Fassung zuzustimmen, weil die Union unserer Formulierung von einer Neuorientierung in der kulturellen Ostpolitik nicht zustimmen konnte. Aber um des gemeinsamen Antrags willen werden wir das mittragen; Sie stimmen ja unserem Antrag zu.
    Aber ich will hier noch einmal deutlich machen: Wir sind überzeugt, daß die ostdeutsche Kulturarbeit einer gründlichen und grundsätzlichen Revision unterzogen werden muß. Wir bedauern, daß es nicht zu der von uns angeregten Anhörung gekommen ist. Wir kündigen schon jetzt diese Anhörung für die nächste Legislaturperiode an.
    Es kann nicht hingenommen werden, daß wir aller Welt im Zuge von Zwei plus Vier und im Rahmen der deutsch-polnischen Vertragspläne Behutsamkeit und gute, freundschaftliche Nachbarschaft signalisieren, während der Bund Organisationen finanziert, deren führende Vertreter nein zu Zwei plus Vier gesagt haben und heute erklären, sie würden alles daran setzen, die Endgültigkeit der polnischen Westgrenze, z. B. durch Aktivitäten in Schlesien, auszuhebeln.

    (Beifall der Abg. Frau Hillerich [GRÜNE/ Bündnis 90])

    Herr Dr. Czaja und sein Nachfolger tragen eine Verantwortung für den Frieden zwischen Deutschen und Polen.

    (Glos [CDU/CSU]: Reden Sie zum Kultur und Stiftungsgesetz?)

    Auch unser Begehren, einen europäischen Übersetzungsfonds zu gründen, der vor allem die Literaturen von bisher wenig oder kaum übersetzten Sprachen fördert, ist in dem Antrag leider abgeschwächt worden. Wir wollen einen Fonds bilden, der Verlage, die sich verpflichten, ukrainische, finnische, litauische, albanische oder andere Literatur herauszubringen, von den Mehrkosten der Übersetzung entlastet.
    Natürlich unterstützen wir alle Anstrengungen des Goethe-Instituts und der anderen Mittlerorganisationen, der großen Nachfrage nach Begegnung mit unserer Sprache und Kultur zu entsprechen. Wir tragen auch die Maßnahmen mit, die im Antrag „Deutsche Sprache im Ausland" — das ist hier erwähnt worden — auch von meinen Kollegen Toetemeyer mitformuliert worden sind. Wir haben nur Bedenken gegen die allzu kräftige, zuweilen expansive, manchmal auch merkantil pompöse Sprache, mit der Teile dieses Antrages begründet worden sind. Das ist der Grund unserer Enthaltung.
    Wir wollen heute aber auch, meine Damen und Herren, über die kulturpolitischen Aktivitäten des Bundes sprechen. Vielleicht ist es ganz gut und entspricht dem pluralistischen Kulturanspruch, wenn beide Anträge, Ihr Antrag und unser Antrag, hier zur Abstimmung stehen. Jeder kann die Unterschiede und natürlich auch hin und wieder die formulierten Gemeinsamkeiten erkennen.
    Nun zum steuerrechtlichen Bereich der Kultur. Als Kind dachte ich immer: Irgendwann muß doch der Metro-Goldwyn-Mayer-Löwe losspringen, irgend etwas tun. Bei der Steuer hat es sieben Jahre gedauert. 1984 gab es das erste Papier im Innenministerium. Fast alles, was damals gefordert wurde, ist dann schon vorher abgefangen worden.

    (Glos [CDU/CSU]: Wie war es denn vor 1984?)

    — Da müssen Sie Herrn Baum fragen. Der war damals
    für die Kultur zuständig und hat sehr, sehr viel für die



    Duve
    kulturelle Förderung durch den Bund in diesem Land getan. Ich danke Ihnen, Herr Baum, daß Sie das mit uns gemeinsam gemacht haben. —

    (Beifall des Abg. Ronneburger [FDP] und bei Abgeordneten der SPD)

    Nein, wir können diesem Paket so jetzt nicht zustimmen. Einige Bundesländer haben auch angemahnt
    — ich höre, auch der Justizminister —, daß die Begrenzung der Spenden auf Beträge ab 100 000 DM verfassungsrechtlich bedenklich sei. Ich denke, daß es hier noch zu einer anderen Formulierung kommt, die auch kleinere Spenden begünstigen wird. Natürlich muß — das ist im Gesetz drin, und dabei bleiben auch wir — mit dieser Vermögenssteuerregelung verbunden sein, daß die Leute ihre Bilder auch wirklich ausstellen.

    (Widerspruch des Abg. Baum [FDP])

    — Es gibt, Herr Baum, keinen kulturpolitischen Grund, Vermögen, das in Bildern ruht, zu begünstigen, wenn es kulturpolitisch in keiner Weise außer der, daß das Bild von jemand besessen wird, begünstigt wird.

    (Neumann [Bremen] [CDU/CSU]: Steht auch drin!)

    — Eben. Ich lobe das ja auch ausdrücklich.
    Ich will zum Schluß noch auf die beiden Museumsvorhaben zu sprechen kommen, die hier auch erwähnt worden sind. Plötzlich sagt der Direktor des Bonner Museums, er wolle gar nicht mehr nur das bisherige Museum machen, was ja jetzt dadurch seine Logik bekommt, daß 40 Jahre bundesrepublikanischer Geschichte mit dem 3. Oktober an ein gewisses Ende gekommen sind. Nein, jetzt stellt er in der Öffentlichkeit, von niemandem gefragt, etwas völlig anderes, in der Wissenschaft noch nie Diskutiertes dar, nämlich ein zeitgeschichtliches Museum, sozusagen einen abendlichen Lumpensammler der Zeitgeschichte, der Tagespolitik. Bevor sich zeitgeschichtliche Wissenschaft überhaupt mit etwas befassen kann, ist dieses regierungsnahe Institut Museum bereits dabei, die großen Ikonen der Macht sozusagen museal zu verwenden. Es ist jetzt die Katze aus dem Sack. Wir werden diese Idee des zeitgeschichtlichen Museums, das sozusagen immer hinter der Politik herrennt, nicht akzeptieren. Bisher ist dafür keine ausreichende Begründung gekommen.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Sehr engstirnig!)

    In Berlin ist mit dem Zeughaus jetzt eine Lösung gefunden worden. Natürlich steht Herr Professor Stölzl vor einigen unvorhergesehenen Problemen. Aber wir werden in der nächsten Legislaturperiode die Trägerkonstruktion dieses Museums wieder aufgreifen. Sie ist jetzt obsolet. Wir haben damals zugestimmt, daß eine GmbH konstruiert wird, weil eine andere Form den Berlin-Status angreifen würde. Der Berlin-Status ist jetzt weg, d. h., wir können ein ordentliches Gesetz machen und uns mit dem Museum auch parlamentarisch in anderer Weise befassen.
    Frau Präsidentin, ich komme zum Schluß.

    (Glos [CDU/CSU]: Bravo!) — Ich freue mich, daß Sie mir wenigstens dann Beifall klatschen. Das ist doch nett.

    Günter Grass und viele andere haben uns in den letzten Wochen und Monaten gemahnt, mit der Höchstgeschwindigkeit dieses Jahres nicht mehr zu zerdeppern, als wir zusammenbringen wollen. Ich denke, daß diese Mahnung oft auch überzogen war, denn vieles muß jetzt zusammengebracht werden. Welche Bundesrepublik Deutschland wir morgen und übermorgen sein werden, wird mehr von der Kultur der Deutschen in diesen 90er Jahren abhängen, als von den politischen Schnellschneidern mit der heißen Nadel. Wird es gelingen, die Vielfalt unserer Kultur und die multikulturelle Wirklichkeit friedlich und in gegenseitigem Respekt zu entwickeln? Wen schließt — ich will jetzt nur ein Beispiel nennen — der Slogan „Wir sind ein Volk" aus von so vielen Mitbürgern, die da nicht ohne weiteres sagen könnten: „Da gehören wir dazu"?

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE/Bündnis 90]: Eine sehr gute Frage!)

    Unsere Nachbarn jenseits unserer Staatsgrenzen, aber auch unsere Nachbarn auf der anderen Straßenseite, die aus anderen Ländern stammen, beobachten uns sehr genau. Halten wir nicht für Bewunderung, was in Wahrheit Verwunderung und in einigen Fällen vielleicht bald wieder neue Verwundung sein könnte!
    Ob die Kulturpolitik der Deutschen helfen kann, eine Kultur des Zusammenlebens zu ermöglichen, mitten in unseren Städten zwischen den Minderheiten, zwischen den Generationen und auch mit unseren Nachbarn in Osteuropa, das werden die nächsten Jahre zeigen. Chancen haben wir nur als zivile Gesellschaft. Die westliche Kultur hat in diesen Jahren keinen Sieg errungen, sondern ihre großen Prinzipien werden eingeklagt, von Millionen Menschen in der Ex-DDR, von Millionen Europäern im Ex-Reich Stalins, von Millionen Nichteuropäern mitten unter uns.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN/ Bündnis 90 sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der Gruppe der PDS)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Baum.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhart Rudolf Baum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die von den Koalitionsfraktionen getragene Beschlußempfehlung ist ein umfassender Sachstandsbericht und eine Zukunftsperspektive, im Grunde ein wichtiger Teil eines künftigen Koalitionsprogrammes; das ist hier gesagt worden. Angesichts der Kürze der Zeit möchte ich nur auf wenige Punkte eingehen:
    Wir stimmen dem Stiftungsförderungsgesetz zu. Es ist eine Fortentwicklung der steuerpolitischen Instrumente, die wir seit langem angemahnt haben. Mit den vorgesehenen weiteren sechs steuerlichen Maßnahmen wird ein Signal zur Ermutigung privaten Engagements gegeben, das notwendig ist.



    Baum
    Wir setzen uns nach wie vor für eine bedingungslose Vermögensteuerbefreiung für die Kunst ein, weil dieser bürokratische Mechanismus, der noch besteht, das eigentliche Ziel ins Gegenteil verkehrt.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir haben hier nicht die Zustimmung bekommen, aber wir werden mit einer Entschließung auf die Sache zurückkommen.
    Die Vereinigung Deutschlands macht deutlich, daß die Notwendigkeit gesamtstaatlicher Verantwortung wächst. Wir alle — auch in diesem Parlament — werden plötzlich für kulturelle Einrichtungen zuständig, die in der ehemaligen DDR gelegen sind. Wir sehen, daß in Kürze große Aufgaben zur Lösung anstehen. Die Vereinigung Deutschlands macht eine Neubesinnung auf die Kulturstaatlichkeit notwendig. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Kulturstaatlichkeit aus dem Grundgesetz abgeleitet. Das ist eben nicht nur eine Verpflichtung zur Freiheit der Kunst, sondern auch zur Schaffung von Rahmenbedingungen für kulturelle Tätigkeit.
    Kulturstaat bedeutet, daß Kunst und Kultur nicht anderen Zielen untergeordnet oder gar dienstbar gemacht werden dürfen. Dies alles ist Verfassungsrechtsprechung. Ich meine aber, daß es an der Zeit wäre, daß der Gesetzgeber selber dies in die Verfassung hineinbringen sollte. Ich setze mich für ein Staatsziel Kulturstaat ein, wie das die von mir als damaligem Innenminister eingesetzte DenningerKommission als Vorschlag für Art. 20 des Grundgesetzes durch den Zusatz formuliert hat: Die Bundesrepublik Deutschland schützt und pflegt die Kultur. Wir sollten diese Auslegung, gerade weil es in Deutschland ganz neue Aufgaben gibt, nicht allein dem Gericht überlassen, sondern sie selber, durch eine Entscheidung zur Verfassung unterstreichen.
    Diese Kulturklausel wäre im übrigen föderalismusneutral. Wir haben nicht die Absicht, die föderalistische Zuständigkeit zu ändern.
    Wir sind auch der Meinung, daß die gewachsenen Aufgaben in diesem Parlament zum Ausdruck kommen müssen. Meine Partei setzt sich eindeutig für die Schaffung eines Kulturausschusses ein, der die verschiedenen Zuständigkeiten bündelt und sich dem Thema widmet.
    Mit einer solchen Verfassungsergänzung würden wir auch dem Geist von Art. 35 des Einigungsvertrages gerecht. Dieser ist gut und muß jetzt ausgefüllt werden. Wir sind der Meinung, daß die Einheit Deutschlands eben nicht nur eine wirtschaftliche, finanzielle und soziale, sondern vor allen Dingen auch eine kulturelle Dimension hat. Diese ist beim Zusammenwachsen zweier Gesellschaften, die jahrzehntelang unterschiedliche Lebenserfahrungen gemacht haben, von besonderer Bedeutung.
    Wir müssen zunächst mit Vorrang dafür sorgen, daß die kulturelle Substanz in der früheren DDR keinen irreparablen Schaden nimmt. Was einmal kaputtgegangen ist, läßt sich nur schwer wiederaufbauen. Art. 35 des Einigungsvertrages muß ausgebaut werden. In den neuen Bundesländern sind nahezu alle kulturellen Einrichtungen ohne sichere Zukunftskonzeption und ohne gesicherte Finanzierung.
    Hier muß Abhilfe geschaffen werden. Der Bund muß einspringen. Über seine Zuständigkeit hinaus muß er wenigstens über einige Jahre eine Finanzierung garantieren können, und zwar in verschiedenen Bereichen. Einmal muß der traditionelle Kulturförderungsbereich, Herr Waffenschmidt, unser eigener, den Aufgaben gerecht werden können. Ein Mehrbedarf ergibt sich für Einrichtungen, die künftig von Bund und Ländern gemeinsam getragen werden, also etwa für die preußischen Sammlungen, die wieder zusammengeführt werden. Wir sind dann der Meinung, daß sich der Bund an Einrichtungen beteiligen muß, die in die Trägerschaft der Länder der früheren DDR übergehen. Ich meine beispielsweise die Einrichtung in Weimar. Schließlich gibt es eine Fülle von kulturellen Einrichtungen, die angesichts der mangelnden finanziellen Potenz der neuen Länder im Moment gar nicht finanziert werden können. Hier muß ein Feuerwehrfonds eingerichtet werden. Es werden erhebliche Summen erforderlich sein, etwa bis 1 Milliarde DM. Aber ich erwarte — ,wie andere hier auch —, daß die Länder ihren Beitrag leisten. Sie können sich aus der Verpflichtung zum Finanzausgleich nicht mit einem Butterbrot davonstehlen.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE/Bündnis 90])

    Es ist im Grunde ihre Zuständigkeit, die wir hier stellvertretend wahrnehmen müssen.
    Wir brauchen mittelfristige Kulturförderungspläne. Wir sollten uns hierzu des Sachverstandes der in Kultur und Kunst Tätigen in unserem Lande bedienen.
    Wir fordern einen Kulturbeirat „Deutsche Einheit". Der Deutsche Kulturrat sollte hier maßgeblich beteiligt werden. Er ist einer der wichtigsten Sprecherorganisationen der Kultur in unserem Lande und hat sich in den letzten Monaten wieder wirklich bewährt, mit geringen Mitteln und einer geringen Zahl von Mitarbeitern.
    Die deutsche Einheit als kulturelle Herausforderung und die europäische Vereinigung als kulturelle Dimension entsprechen dem Kulturstaatsgebot unseres Grundgesetzes. Die Kultur darf in Zeiten schwieriger struktureller Umstellungen und Anpassungen nicht unter die Räder kommen.
    Aus unserer Entschließung möchte ich nur weniges hervorheben: Politik für Minderheiten. Wir anerkennen die Entwicklung eines neuen Kulturbegriffs. Wir sehen Fortschritte in der Verwirklichung des Hauses der Geschichte. Wir sind der Auffassung, daß die Kulturforschung intensiviert werden muß. Wir werden das Künstlersozialversicherungsgesetz weiter daraufhin beobachten, ob es den Bedürfnissen gerecht wird. Wir sehen mit Besorgnis, daß der Anteil des deutschen Films außerordentlich gering ist. Dazu gibt es Maßnahmen, die jetzt auch mit den neuen Fachleuten und Zuständigen aus der früheren DDR behandelt werden müssen. Die Kulturfonds haben sich gut bewährt. Sie sollten weiter ausgestattet werden. Das Denkmalschutzprogramm, die Bedeutung des Buches, Buch-



    Baum
    preisbindung, Aktivitäten im Bereich der kulturellen Bildung, die Unterrepräsentanz von Frauen — angesichts der Kürze der Zeit kann ich das alles jetzt nicht ausführen.
    Wir meinen, meine Damen und Herren, daß wir bei alledem nicht nur uns selber sehen sollten. Wir wollen und müssen in der Kulturpolitik über unser Land hinausblicken. Kunst und Kultur in Deutschland stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der europäischen Kultur, und das ist eben nicht nur die westeuropäische, sondern auch die osteuropäische.

    (Beifall bei der FDP)

    Wir wollen, daß die Kultur zum Zusammenwachsen der Staaten und Menschen in Ost und West beiträgt. Die Aufbrüche in Mittel- und Osteuropa sind Ausdruck der kulturellen Gemeinsamkeit aller Völker in Europa. Es erfordert eine weitgefächerte Zusammenarbeit, um das Trennende zu überwinden.
    Wir können manchen Gruppen in Osteuropa nur raten, die Identität nicht in der Wiederentdeckung oder Wiedererweckung eines abgestandenen konfliktgeladenen Nationalismus zu suchen, sondern in der kulturellen Identität ihrer Völker.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    In unserem Land war in den letzten Jahrzehnten oft zu beklagen, daß die Welt der Ideen weniger politische Aufmerksamkeit findet als Fortschritte in der materiellen Wirklichkeit. An diesem Tag finden wir nun eine gewisse Aufmerksamkeit, nämlich in der einzigen Kulturdebatte dieser Legislaturperiode. Wir als kulturpolitische Sprecher haben uns aber über die Grenzen der Fraktionen hinweg zusammengefunden. Wir werden beispielsweise am 22. November in einem informellen Gremium tagen, um mit der Bundesregierung zusammen diesen wichtigen Prozeß der Sofortmaßnahmen für die frühere DDR zu begleiten.
    Meine Damen und Herren, wir finden diese Aufmerksamkeit jetzt etwas stärker als in früheren Zeiten. Es hat ja in den 70er Jahren einen Aufbruch in der Kulturpolitik des Bundes gegeben. Dieser Aufbruch wird jetzt fortgesetzt. Wir werden nicht locker lassen, die kulturpolitischen Anliegen hier zur Sprache zu bringen.
    Kultur ist eine Dimension des menschlichen Lebens, die seine schöpferischen Möglichkeiten zur Geltung bringt. Ich meine, wir brauchen diese Dimension des menschlichen Lebens in diesen schwierigen, aber auch von Zuversicht geprägten Übergangszeiten.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)