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ID1122109300

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    Plenarprotokoll 11/221 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 221. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. August 1990 Inhalt: Begrüßung des Staatssekretärs Krause und einer Delegation aus der Deutschen Demokratischen Republik 17437 B Glückwünsche zum Geburtstag des Vizepräsidenten Stücklen 17437 B Zusatztagesordnungspunkt: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Beitrittserklärung der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Aussprache zur Vorbereitung der deutschen Einheit in Verbindung mit Tagesordnungspunkt: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 3. August 1990 und vom 20. August 1990 zur Vorbereitung und Durchführung der ersten gesamtdeutschen Wahl des Deutschen Bundestages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Drucksachen 11/7624, 11/7652 (neu), 11/7716, 11/7653) Dr. Kohl, Bundeskanzler 17439 A Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 17443 D Dr. Dregger CDU/CSU 17448 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 17450 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 17451 C Bindig SPD 17453 D Frau Matthäus-Maier SPD 17454 A Trittin, Minister des Landes Niedersachsen 17455 B Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 17456 B Dr. Graf Lambsdorff FDP 17456 C Dr. Schmude SPD 17457 A Frau Unruh fraktionslos 17459 B Wüppesahl fraktionslos 17460A Zur Geschäftsordnung Jahn (Marburg) SPD . 17462C, 17464 A, 17466D Bohl CDU/CSU 17462D, 17466 D Frau Nickels GRÜNE 17463 B Wolfgramm (Göttingen) FDP . 17464D, 17467 A Hüser GRÜNE 17466 C Kleinert (Marburg) FDP 17467 B Stratmann-Mertens GRÜNE 17467 C Zusatztagesordnungspunkt: Bericht der Bundesregierung über die Tagung der WEU und EPZ-Sitzung zur Lage am Golf Genscher, Bundesminister AA 17468 B Wischnewski SPD 17470 B Lamers CDU/CSU 17473 A Frau Nickels GRÜNE 17473 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. August 1990 Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE . . . 17474 B Zeitler CDU/CSU 17474 C Dr. Hoyer FDP 17475 B Brück SPD 17475 C Frau Beer GRÜNE 17475 D Dr. Feldmann FDP 17477 B Dr. Müller CDU/CSU 17478 B Dr. Penner SPD 17479 A Nächste Sitzung 17479 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 17481* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. August 1990 17437 221. Sitzung Bonn, den 23. August 1990 Beginn: 15.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Adler SPD 23. 08. 90 Amling SPD 23. 08. 90 Frau Becker-Inglau SPD 23. 08. 90 Börnsen (Ritterhude) SPD 23. 08. 90 Buschbom CDU/CSU 23. 08. 90 Buschfort SPD 23. 08. 90 Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 23. 08. 90 Daweke CDU/CSU 23. 08. 90 Dr. Ehrenberg SPD 23. 08. 90 Frau Eid GRÜNE 23. 08. 90 Engelsberger CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Flinner GRÜNE 23. 08. 90 Frau Frieß GRÜNE 23. 08. 90 Frau Fuchs (Köln) SPD 23. 08. 90 Ganz (St. Wendel) CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Geiger CDU/CSU 23. 08. 90 Gerster (Worms) SPD 23. 08. 90 Glos CDU/CSU 23. 08. 90 Grünbeck FDP 23. 08. 90 Grunenberg SPD 23. 08. 90 Dr. Haack SPD 23. 08. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 23. 08. 90 Häuser SPD 23. 08. 90 Frau Dr. Hartenstein SPD 23. 08. 90 Heinrich FDP 23. 08. 90 Hinsken CDU/CSU 23. 08. 90 Höffkes CDU/CSU 23. 08. 90 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 23. 08. 90 Hoss GRÜNE 23.08. 90 Dr. Jobst CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Karwatzki CDU/CSU 23. 08. 90 Kirschner SPD 23.08. 90 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU 23. 08. 90 Dr.-Ing. Laermann FDP 23. 08. 90 Frau Limbach CDU/CSU 23. 08. 90 Lowack CDU/CSU 23 .08. 90 Frau Männle CDU/CSU 23. 08. 90 Menzel SPD 23. 08. 90 Pesch CDU/CSU 23. 08. 90 Petersen CDU/CSU 23. 08. 90 Dr. Pick SPD 23. 08. 90 Reuschenbach SPD 23. 08. 90 Frau Saibold GRÜNE 23. 08. 90 Frau Schilling GRÜNE 23. 08. 90 Schmidbauer CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Schmidt (Hamburg) GRÜNE 23. 08. 90 Schmidt (München) SPD 23. 08. 90 Dr. Schöfberger SPD 23. 08. 90 Schulhoff CDU/CSU 23. 08. 90 Seehofer CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Dr. Segall FDP 23. 08. 90 Stahl (Kempen) SPD 23. 08. 90 Frau Verhülsdonk CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Weiler SPD 23. 08. 90 von der Wiesche SPD 23. 08. 90 Wilz CDU/CSU 23. 08. 90 Windelen CDU/CSU 23. 08. 90 Frau Wollny GRÜNE 23. 08. 90
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    Rede von Karl Lamers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Brück, ich bitte Sie, es nicht als Kneifen aufzufassen, wenn ich sage: Dazu sehe ich mich angesichts der Tatsache, daß meine Redezeit eigentlich schon abgelaufen ist, wirklich nicht mehr in der Lage, aber ich verspreche Ihnen, daß jedenfalls ich ernsthaft den Versuch machen will, in den dafür zuständigen Gremien und Ausschüssen präzise über diese Fragen zu reden. Das wird in der Tat notwendig sein. Bitte verstehen Sie, daß ich es jetzt dabei bewenden lasse.
    Was nach meiner Überzeugung vor allen Dingen notwendig ist, ist, den Versuch zu unternehmen, die richtigen Lehren aus der Geschichte zu ziehen, denn das ist der Hintergrund all unserer Debatten. In dieser Frage die richtigen Lehren aus der Geschichte zu ziehen heißt nach meiner Überzeugung, daß wir — bei aller Zurückhaltung, die wir gegenüber der militärischen Macht und ihrem Einsatz unbedingt aufrechterhalten wollen und müssen — doch sehen müssen, daß die militärische Macht auch in der Welt von heute eine Rolle spielt und daß wir insofern ein normales Mitglied der Völkergemeinschaft werden müssen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Beer.

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    Rede von Angelika Beer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Kollegen! Auch die GRÜNEN verurteilen selbstverständlich den Überfall auf Kuwait, die Androhung des Einsatzes chemischer Massenvernichtungsmittel gegen die Nachbarstaaten des Irak und vor allem natürlich des Festhalten der Ausländer im Irak als Geiseln. All dies sind Bestandteile einer menschenrechtsverletzenden, menschenrechtsverachtenden und völkerrechtswidrigen Politik des irakischen Regimes unter Saddam Hussein.
    17476 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. August 1990
    Frau Beer
    Allerdings vertreten die GRÜNEN eine dementsprechende Haltung gegenüber der Politik des Irak nicht erst seit dem 2. August dieses Jahres, d. h. seit dem Überfall auf Kuwait. Wenn der Außenminister Genscher sagt: Wehret den Anfängen, dann möchte ich einige Punkte nennen, die heute noch nicht genannt worden sind und die auch unsere Verantwortung aufzeigen.
    Seit Jahren betreibt der Irak eine aggressive, menschenverachtende Politik nach innen wie auch nach außen. Im September 1980 löste er den Tankerkrieg gegen den Iran aus. Nicht internationale Verurteilung erfolgte, sondern die militärische Unterstützung durch westeuropäische Staaten, die so, hofften sie, einen Verbündeten gegen den islamischen Fundamentalismus im Iran finden würden.

    (Hört! Hört! bei den GRÜNEN)

    Seit 20 Jahren werden Hinweise von Menschenrechtsorganisationen auf die zunehmende Barbarei des Baath-Regimes ignoriert. Völkermordverbrechen, Folter und Todesstrafe gegen Regimekritiker, Giftgaseinsätze gegen Iran und das kurdische Volk führten allenfalls zu verbaler Kritik, wenn überhaupt. Wo waren denn die vor zwei Jahren von den GRÜNEN geforderten Sanktionen gegen den Irak, als die Bilder von 5 000 vergifteten Menschen um die Welt gingen,

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    als 170 000 Menschen aus dem Land fliehen mußten, die heute noch in Flüchtlingslagern leben? Wo ist denn jetzt die Verantwortung, wenn die Türkei immer noch mit Staatsterror gegen diese Flüchtlinge vorgeht und dieser Konflikt in der internationalen Krise Irak/ Kuwait untergegraben wird? Wenn wir wirklich Menschenrechte wiederherstellen wollen, dann heißt das, daß wir weiteren Staatsterror verhindern.
    Die bisherige Ignoranz der internationalen Politik und Verantwortung ist ein Zeichen dafür, daß die jetzige, seit dem 2. August vorhandene Empörung nicht ganz glaubwürdig wirkt. Jahrelang haben wir immer wieder auf die militärische Aufrüstung des Irak durch die Bundesrepublik selber hingewiesen. Über 100 bundesdeutsche Firmen haben sich daran eine goldene Nase verdient. Die Beteiligung deutscher Firmen am Aufbau einer Giftgasfabrik wurde durch verantwortliche Politiker verharmlost und verschleiert.

    (Kittelmann [CDU/CSU] : Auch Wiederholung macht das Ganze nicht wahr!)

    Die Namen der beteiligten Rüstungsfirmen, die erst seit zwei Wochen auf der Anklagebank sitzen, sind doch längst bekannt; vor vier Jahren haben wir sie veröffentlicht. Was ist denn mit Daimler, mit MBB, mit WEB, mit AEG-Telefunken, Philips, IVECO und anderen?
    Auch andere westliche wie natürlich auch östliche Staaten — die will ich hier nicht verschweigen — haben sich an der massiven Aufrüstung des Irak beteiligt. Heute richten sich diese Waffen gegen die Staaten selber. Vor diesem Hintergrund erscheinen die in den letzten zwei Wochen hektisch angefangenen Strafverfahren gegen die verantwortlichen Firmen,
    die als kriminelle Elemente ohne politische Verantwortung bezeichnet werden, als Verdeckung politischer Verantwortung und nicht als tatsächliche Aufdeckung der Verantwortlichen selber.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Und was geschieht im internationalen Rahmen? Einerseits ergibt sich eine nie dagewesene Übereinstimmung bezüglich eines wirtschaftlichen Embargos gegen den Irak; der UNO-Sicherheitsrat beschließt einstimmig entsprechende Maßnahmen. Dieser Beschluß war eine der zwei Grundvoraussetzungen, den aufkeimenden Konflikt ohne militärische Mittel beizulegen.
    Die zweite Grundvoraussetzung wäre es gewesen, daß die Regierungen der westeuropäischen Staaten endlich das Scheitern von 20 Jahren Versagens in der Außenpolitik, 20 Jahren Versagens in der Nahostpolitik zugegeben hätten, um jetzt endlich mit einer neuen Politik der gewaltfreien Auseinandersetzung anzufangen.
    Doch statt das Wirken dieses nichtmilitärischen UNO-Embargos abzuwarten, sind es wie schon im Golfkrieg die westlichen Staaten unter der Führung der USA, die meinen, militärisch eingreifen zu müssen. Verschwiegen werden soll so die eigene Mitverantwortung für einen Konflikt, für den zwar der Irak, die irakische Regierung, die eindeutige Verantwortung jetzt trägt — natürlich —, für den aber die Politik und das Versagen der Politik der jetzt militärisch intervenierenden Staaten erst die Voraussetzung geschaffen haben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die militärische Intervention der USA verschärft die Konfliktsituation und trägt zur Eskalation bei. Die WEU möchte in den Takt des Säbelrasselns zumindest im Mittelmeer, wenn nicht im Golf selber einstimmen. Die USA hat sich über den UNO-Beschluß hinweggesetzt und beweist damit, daß nach wie vor das alte Denken und die Außenpolitik in Form der Kanonenbootpolitik das beherrschende Element ist.
    Die GRÜNEN lehnen jede militärische Intervention ab. Die einzige Chance, in dieser Situation Gewalt nicht mit Gewalt zu beantworten, wäre die strikte Einhaltung des UN-Embargos gegen den Irak gewesen. Wie aber bereits im Golfkrieg werden heute unter dem Vorwand der Sicherung des Friedens im Nahen und Mittleren Osten wirtschaftliche und militärstrategische Interessen durchgesetzt. Der Iran des Schahs wurde gegen die Golfstaaten militärisch aufgerüstet. Im Golfkrieg wurde der Irak gegen den Iran militärisch aufgerüstet. Heute wird Saudi-Arabien gegen den Irak aufgerüstet. Wie wird es morgen sein? Der nächste Konflikt wird so provoziert und steht mit Sicherheit bevor.
    An der Todesspirale wird weiter gedreht, immer mehr und neue Massenvernichtungsmittel werden exportiert, verschiedene Staaten des Nahen Ostens werden weiter mit westlichen Waffen vollgepumpt.
    Auch in der Bundesrepublik mehren sich jetzt wieder die Stimmen, wie wir auch heute gehört haben, die mit dem Hinweis auf die wirtschaftliche und politische Bedeutung Deutschlands eine Beteiligung an
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 221. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. August 1990 17477
    Frau Beer
    einer militärischen Lösung, wenn auch unter UNO-Flagge, derartiger Konflikte fordern. Da ist dann viel von Solidarität, von Verantwortung und von Dank gerade gegenüber den USA die Rede. Etwas leiser wird unter den Militärstrategen erleichtert darüber gesprochen, daß das Feindbild, gegen das man aufrüsten muß, doch noch im Osten ist, zwar nicht mehr im Osten Europas, aber dafür im Nahen Osten.
    Aber gerade die Tatsache, daß die BRD und die DDR erheblich zur Mitaufrüstung und Militarisierung dieses Konfliktes im Nahen Osten beigetragen haben, zeigt, daß das vereinigte Deutschland erst noch unter Beweis zu stellen hat, daß es nicht zu Eskalationen von Konflikten auf der Welt oder gerade in der Dritten Welt beitragen wird.
    In unserem Antrag fordern wir deshalb die strikte militärische Enthaltsamkeit der Bundesrepublik in diesem wie auch in zukünftigen Konflikten. Nicht Kosmetik an Außenwirtschaftsgesetz und Kriegswaffenkontrollgesetz ist nötig, sondern das Verbot jeglichen Rüstungsexportes, weil es anders nicht mehr geht. Nicht Schleichwege über Änderungen des Grundgesetzes sind nötig, um die so heiß ersehnte Beteiligung der Bundeswehr an UNO-Truppen zu ermöglichen,

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    sondern eine Politik der Selbstbeschränkung und der Entmilitarisierung ist gefordert, wenn man jetzt das Wort „Menschenrechte" noch ernsthaft in den Mund nehmen will.
    Auf europäischer wie auf internationaler Ebene ist die Bundesregierung gefordert, sich für diplomatische Lösungen der verschiedenen Konflikte im Nahen Osten unter der Schirmherrschaft der UNO einzusetzen, weil nur so die Rechte der Menschen gewährleistet werden können.