Das Bewußtsein der Menschen, Herr Kollege, ändert man dadurch, daß man ihre realen, sozialen und ökonomischen Probleme löst, und nicht mit Worten.
Ich wollte, auf den Kollegen Rühe eingehend, hinzufügen: Mich bedrückt das, obwohl es — auch nach meinem Urteil — außenpolitisch mit der Einheit bisher gut gelaufen ist, wenn ich von anfänglichen Unklarheiten in der Grenzfrage einmal absehe, und, Herr Bundesaußenminister, weiter gut und verläßlich laufen muß, und zwar bis zum 19. November. Dieses Datum, Herr Bundesminister, hat bei den Beratungen der SPD-Fraktion über den Wahltermin eine gewisse Rolle gespielt.
Innenpolitisch, deutsch-deutsch läuft es allerdings durchaus nicht gut. Wenn wir ehrlich sind, spüren wir das alle.
Ich sage noch einmal: Von heute auf morgen läßt sich das nicht ändern. Aber es muß endlich damit begonnen werden, etwas zu tun, d. h. die Wirtschaft in der DDR wieder anzukurbeln. Da helfen keine Appelle an die bundesdeutsche Wirtschaft. Die handelt nämlich nach rationalen, betriebswirtschaftlichen Kriterien. Erforderlich von seiten der Politik sind vor allem außerordentliche Anstrengungen, um in der DDR eine leistungsfähige Infrastruktur aufzubauen, ohne die es private Investitionen dort nicht geben wird. Damit, meine Damen und Herren von der Regierung, hätten Sie längst anfangen müssen,
Sie und — ich füge hinzu — die Regierung der DDR, mit konkreten Hilfen, aber in dem Bewußtsein, daß Alimentation auf Dauer nicht hilft.
Der künftige Wohlstand in der DDR kommt weder aus den öffentlichen Kassen der Bundesrepublik noch irgendwie aus Bankschaltern, sondern er kommt aus den Betrieben. Um die, meine Damen und Herren, müssen sich die Regierungen kümmern, vor allem die Bundesregierung, denn sie hat spätestens seit Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion das Sagen auch in der DDR.
Sie darf sich nicht weiterhin vor der Verantwortung drücken, die Schuld auf andere schieben und fruchtlose Auseinandersetzungen über Fragen von zweitrangiger Bedeutung führen. Wer die Mehrheit hat und regiert, bei dem liegen die Verantwortung und die Verpflichtung zum Handeln. So einfach und so wahr ist das. Sie müssen uns schon erlauben, daß wir Sie an diese Wahrheit immer wieder erinnern.
— Es rutscht nicht. Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Spilker; das ist sehr fürsorglich. Es ist gut, daß Sie mich ansprechen; denn ich wollte jetzt einige Bemerkungen zu dem zweiten Thema machen, auf das Sie schon warten, nämlich zur Vermögenssituation der Parteien in der DDR. Es geht dabei um drei Problemkreise.
Zunächst geht es um das Problem der Wiedergutmachung für nach 1933 entstandenes und nach 1945 fortgesetztes Unrecht. Das ist ein Thema, das nicht nur die SPD beschäftigt, sondern auch andere Organisationen, wenn ich recht informiert bin, auch die ehemals jüdischen Gemeinden auf dem Territorium der DDR. Über dieses Problem zerbrechen wir uns selber den Kopf; das betreiben wir selber. Wenn wir dabei die Hilfe der Bundesregierung brauchen, werden wir uns melden.
Das zweite Problem ist das der Chancengleichheit, ein Thema, das das Parlament insgesamt durchaus interessieren müßte. Die Chancengleichheit der Parteien, als Grundsatz vom Bundesverfassungsgericht ganz oben angesiedelt, ist einmal durch die Tatsache verletzt, daß die ehemaligen Blockparteien in der DDR — von der SED-Nachfolgerin PDS will ich jetzt nicht reden — über erhebliche Vermögenswerte verfügen. Unsere Kenntnisse darüber sind inzwischen ziemlich gut. Verschiedene Stellen haben dabei geholfen. Der Bericht des Bundesnachrichtendienstes ist ja inzwischen schon in den Medien zitiert worden. Ich halte ihn an dem einen oder anderen Punkte für etwas überzogen, aber insgesamt für stimmig.
Wenn das aber so ist, dann haben wir bei den Parteien in der DDR eine Vermögenslage, die sich drastisch von der Vermögenslage der Parteien hier unterscheidet. Daß dies Chancenungleichheit zur Folge hat, liegt auf der Hand.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990 17409
Klose
Hinzu kommt, daß diese Parteien in der DDR über sachlich oder personell gut ausgestattete Apparate verfügen. Allein die CDU-Ost hat weit über 1 000 Mitarbeiter. Stellen Sie sich das mal vor: 1 000 Mitarbeiter, mit denen gearbeitet werden kann. Daß dies nicht so einfach weiter getragen werden kann, daß da eine Änderung vollzogen werden muß, und zwar vor den ersten gesamtdeutschen Wahlen, davon gehe ich aus. Das ist der zweite Komplex. Glauben Sie nicht, daß wir diesen Punkt aus dem Auge verlieren werden.
Der dritte Komplex ist der der ungerechtfertigten Bereicherung. Es ist ein Problem, wenn sich Parteien aus der Bundesrepublik mit solchen gleichen oder ähnlichen Namens in der DDR vereinigen. Das ist ein politisch-moralisches Problem; aber damit müssen Sie selber fertig werden, beispielsweise mit der Tatsache, daß außer dem Wechsel in der Führung bei der Mitgliedschaft wesentliche Veränderungen nicht stattgefunden haben. Aber das ist Ihre Sache.
Was jedoch nicht sein darf, ist, daß sich die Parteien der Bundesrepublik, indem sie mit den ehemaligen Blockparteien dort drüben fusionieren, ungerechtfertigt, und zwar erheblich, nämlich in Milliardenhöhe, bereichern. Dies darf jedenfalls nicht sein.
Es darf nicht der Eindruck entstehen — —