Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich versuche, kurz zu antworten. Die Landesregierung hat dem Fonds zugestimmt. Auf die finanziellen Fragen im Zusammenhang mit der Einheit werde ich nachher noch eingehen.
Zu Ihrer zweiten Frage. Die SPD-Fraktion hat vielleicht einem von Ihnen gewünschten Programm nicht zugestimmt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß sie unmittelbar nach dem Fall der Mauer ein finanzierbares Strukturprogramm gefordert hat.
Viertens möchten wir mit Ihnen über die Energieversorgung in der DDR reden. Grundlage der realwirtschaftlichen Investitionen in der DDR ist eine ausreichende Energieversorgung. Es muß gelingen, das Kapitel der großen Versorger in der Bundesrepublik zu mobilisieren und gleichzeitig sicherzustellen, daß in der DDR eine dezentrale, ökologische Struktur der Energieversorgung aufgebaut wird.
Fünftens. Wir sind gerne bereit, mit Ihnen über den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Rahmen des Infrastrukturprogramms zu reden. Ebenso wie bei der Energieversorgung gilt es in diesem Zusammenhang, die Erfahrungen unserer Gesellschaft zu nutzen. In erster Linie sollte daher der öffentliche Nahverkehr, der öffentliche Verkehr überhaupt gefördert werden.
Sechstens. Wir bieten an, hinsichtlich der Lösung der Eigentumsfrage zu einer schnellen Regelung zu kommen. Graf Lambsdorff, Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, der Produktionsfaktor Boden stehe nicht zur Verfügung. Aber glauben Sie mir: Eine Regelung dieser Frage wäre für die Investitionen viel, viel wichtiger als ein Vorziehen der Wahlen um ein paar Wochen.
Analog zu dem, was ich im Hinblick auf die schlechten Bedingungen für die steuerliche Abschreibung in der DDR und im Hinblick auf die Zonenrandförderung gesagt habe, ist es keine große Leistung Ihrer Regierung, daß der Produktionsfaktor Grund und Boden noch nicht zur Verfügung steht.
Siebtens. Wir wollen mit Ihnen über den öffentlichen Dienst reden. Auf diesem Gebiet gilt es, eine ganze Reihe unpopulärer Entscheidungen zu treffen. Es gilt, den Menschen dort zu sagen, daß eine solche Überbesetzung des öffentlichen Dienstes in der DDR nicht aufrechtzuerhalten ist. Es ist natürlich unpopulär, solche Vorschläge vor einer Wahl in den Raum zu stellen. Aber es ist noch unzulässiger, so zu tun, als seien die Dinge geregelt. Nein, wir werden Sie zwingen, Vorschläge dazu auf den Tisch zu legen.
Achtens. Über die Einrichtung der Treuhand haben Sie einiges gesagt, Graf Lambsdorff, unter anderem daß sie zu spät eingerichtet worden ist. Ich brauche Ihre Kritik an der Arbeit der Treuhand nicht zu wiederholen. Ich verweise nur auf einen Strukturfehler. Es hat überhaupt keinen Sinn, jetzt immer wieder nach dem Muster alter Debatten in der Bundesrepublik die Lohnabschlüsse in der DDR zum Gegenstand der kritischen Betrachtung der Entwicklung in der DDR zu machen. Es ist nun einmal so: Wenn wir unsere Ordnung dorthin übertragen wollen, dann brau-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990 17393
Ministerpräsident Lafontaine
chen wir Tarifvertragsparteien. Nach Adam Riese ist die Tarifvertragspartei Gewerkschaften nicht dazu da, die Löhne künstlich niedrig zu halten oder gar einzufrieren oder etwa den Tatbestand zu ignorieren, daß die Menschen dort ja zusätzlich Steuern und Sozialabgaben zahlen müssen.
An der Treuhand sehen Sie den Strickfehler der ganzen Einigungspolitik. Sie haben geglaubt, dies könnten Sie alles alleine machen; Sie könnten es ohne die Opposition machen. Aber Sie glauben auch, Sie könnten es ohne die Gewerkschaften machen. Das wird nicht gehen. Ich appelliere an Sie: Beteiligen Sie die Gewerkschaften an der Treuhand, und rufen Sie eine konzertierte Aktion ins Leben, um die Verhältnisse in der DDR in den Griff zu bekommen.