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    Plenarprotokoll 11i220 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 220. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 17379 A Absetzung des Punktes 2 von der Tagesordnung 17379B Stellungnahmen zur geschäftsordnungsrechtlichen Situation Bohl CDU/CSU 17379 C Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 17380 B Baum FDP 17381 A Häfner GRÜNE 17381 C Zusatztagesordnungspunkt 1: Aussprache zur Vorbereitung der deutschen Einheit Dr. Graf Lambsdorff FDP 17382 D Brück SPD 17384 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 17384 D Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlandes 17388A Stratmann-Mertens GRÜNE 17392 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 17393 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF 17394 A Dr. Ehrenberg SPD 17395 A Huonker SPD 17396 A Frau Matthäus-Maier SPD 17399 C Frau Dr. Vollmer GRÜNE 17400 C Rühe CDU/CSU 17404 B Klose SPD 17406 D Breuer CDU/CSU 17408 A Rühe CDU/CSU 17410 A Seiters, Bundesminister BK 17410 D Stratmann-Mertens GRÜNE 17411 C Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi 17413 A Stobbe SPD 17414 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA 17417 A Schreiner SPD 17418 B Dr. Penner SPD 17419 B Frau Matthäus-Maier SPD 17420 C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 17421 A Gattermann FDP 17423 A Dr. Schäuble, Bundesminister BMI 17423 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 17425 A Dr. Sperling SPD 17425 B Frau Unruh fraktionslos 17426 D Wüppesahl fraktionslos 17428A Mischnick FDP 17430 B Namentliche Abstimmungen 17431 B, C Ergebnisse 17431C, 17433 B Nächste Sitzung 17434 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 17435* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Czaja, Dewitz, Sauer (Salzgitter), Lowack, Windelen, Jäger, Lummer, Schulze (Berlin), Nelle, Rossmanith, Dr. Kappes und Böhm (Melsungen) Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zur vereinbarten Aussprache zur Vorbereitung der deutschen Einheit (Drucksache 11/7657) 17435* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990 17379 220. Sitzung Bonn, den 9. August 1990 Beginn: 10.07 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 09. 08. 90 Dr. Biedenkopf CDU/CSU 09. 08. 90 Buschfort SPD 09.08.90 Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 09. 08. 90 Dr. Dollinger CDU/CSU 09. 08. 90 Duve SPD 09.08.90 Frau Folz-Steinacker FDP 09. 08. 90 Frau Garbe GRÜNE 09. 08. 90 Frau Geiger CDU/CSU 09. 08. 90 Grünbeck FDP 09.08.90 Dr. Göhner CDU/CSU 09. 08. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 09. 08. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 09. 08. 90 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 09. 08. 90 Hoss GRÜNE 09.08.90 Kalisch CDU/CSU 09.08.90 Dr. Knabe GRÜNE 09. 08. 90 Kreuzeder GRÜNE 09.08.90 Lennartz SPD 09.08.90 Lenzer CDU/CSU 09.08.90 Frau Luuk SPD 09. 08. 90 Dr. Mahlo CDU/CSU 09. 08. 90 Meneses Vogl GRÜNE 09. 08. 90 Niegel CDU/CSU 09.08.90 Dr. Pfennig CDU/CSU 09. 08. 90 Pfuhl SPD 09.08.90 Rauen CDU/CSU 09.08.90 Dr. Riedl (München) CDU/CSU 09. 08. 90 Frau Rock GRÜNE 09. 08. 90 Frau Schilling GRÜNE 09. 08. 90 Schmidt (München) SPD 09. 08. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 09. 08. 90 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 09. 08. 90 Dr. Schöfberger SPD 09. 08. 90 Schreiber CDU/CSU 09.08.90 Schulhoff CDU/CSU 09.08.90 Frau Dr. Segall FDP 09. 08. 90 Dr. Soell SPD 09. 08. 90 Frau Trenz GRÜNE 09. 08. 90 Waltemathe SPD 09.08.90 Dr. de With SPD 09. 08. 90 Zink CDU/CSU 09.08.90 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Czaja, Dewitz, Sauer (Salzgitter), Lowack, Windelen, Jäger, Lummer, Schulze (Berlin), Nelle, Rosmanith, Dr. Kappes und Böhm (Melsungen) (alle CDU/CSU) zum Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zur vereinbarten Aussprache zur Vorbereitung der deutschen Einheit (Drucksache 11/7657) (Zusatztagesordnungspunkt 1) Unser Abstimmungsverhalten zu Drucksache 11/7657 verbinden wir mit der nachdrücklichen Aufforderung Anlagen zum Stenographischen Bericht an die Bundesregierung, in einer Zusatzvereinbarung die Wahlberechtigung aller deutschen Staatsangehörigen, wo immer sie leben, zu ermöglichen, und stützen uns dabei auf folgende Gründe: 1. Der jetzige § 12 des Bundeswahlgesetzes entspricht nicht in allen Teilen den verfassungsrechtlichen Erfordernissen einer ersten gesamtdeutschen Wahl. Diese ist von einmaliger, überragender Bedeutung, da sie als einen „wichtigen Schritt zur Herstellung der Deutschen Einheit die Wahl des Deutschen Bundestages durch das ganze Deutsche Volk" regeln soll (so zweiter Präambelsatz des Vertrages). Nach allgemeiner Rechtsauffassung ist das Deutsche Volk im Sinne des Grundgesetzes, von dem nach Art. 20 GG „alle Staatsgewalt ausgeht" , die Summe aller deutschen Staatsangehörigen. Dies hat eben erst (in Sachen Kommunalwahlrecht für Ausländer) vor dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts Prof. Papier namens der Bundesregierung vorgetragen. Allen, die deutsche Staatsangehörige sind, muß, soweit sie es wünschen, die Beteiligung an der Wahl möglich sein. Dies verlangt das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG. 2. Die Wahlberechtigung ist in der Bundesrepublik Deutschland und in den westlichen Demokratien nicht an den Wohnsitz im Wahlgebiet gebunden. Nach § 12 des Bundeswahlgesetzes sind u. a. alle deutschen Staatsangehörigen in den 21 Mitgliedstaaten des Europarates, einschließlich aller deutschen Staatsangehörigen im EG-Gebiet und deutschen Staatsangehörigen in anderen Staaten, sofern sie nicht mehr als 10 Jahre dort ihren ordentlichen Wohnsitz haben, in der Regel wahlberechtigt. Vom Prinzip der „Seßhaftigkeit" wurde bei der Wahlberechtigung seit langem zugunsten des Demokratieprinzips abgegangen. Größere Gruppen deutscher Staatsangehöriger vom Wahlvorgang auszuschließen wäre nicht systemgerecht. Nicht wahlberechtigt sind jetzt deutsche Staatsangehörige, die über 10 Jahre im Ausland leben, insbesondere aber auch - bei gesamtdeutschen Wahlen besonders gravierend - alle deutschen Staatsangehörigen, „die vor Inkrafttreten der (Ost-) Verträge die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen" (BVerfG E 40,171). Das gilt nach deutschem Staatsangehörigkeitsrecht auch für deren Nachkommen. Allen deutschen Staatsangehörigen, auch jenen, die bei Beginn der Vertreibungsmaßnahmen die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und die sich darauf berufen, sowie ihre Nachkommen, - auch wenn ihnen später die polnische Staatsangehörigkeit oktroyiert wurde - „steht diese Staatsangehörigkeit weiter zu" (BVerfG E 40,171). Denn es kann u. a. auch den Ostverträgen nicht die Wirkung beigemessen werden, „daß die Gebiete östlich von Oder und Neiße mit dem Inkrafttreten der Ostverträge aus der rechtlichen Zugehörigkeit zu Deutschland entlassen und der Souveränität, also sowohl der territorialen wie der personalen Hoheitsgewalt der Sowjetunion und Polens endgültig unterstellt worden seien" (BVerfG E 40,171). 17436* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990 Das Bundesverfassungsgericht begründet dies auch mit völkerrechtlichen Hinweisen, u. a. mit den von polnischer Seite entgegengenommenen Erklärungen des Bundesaußenministers Scheel im November 1970, mit der über den Notenwechsel mit den Verbündeten vor Vertragsunterschrift unterrichteten Warschauer Regierung, mit dem für die Vertragsmächte erkennbaren Willen der Bundesrepublik, „nicht über den territorialen Status Deutschlands zu verfügen", mit dem Wortlaut von Art. IV des Warschauer Gewaltverzichtsvertrages (BVerfGE 40,171-174). „Nach alledem haben die Vertragspartner die Bundesrepublik Deutschland nicht für befugt halten können, Verfügungen zu treffen, die eine friedensvertragliche Regelung vorwegnehmen". Politische Absichtserklärungen, die weitergehen, können die Vertragsentscheidungen eines gesamtdeutschen Souveräns nicht präjudizieren und die Rechtslage der besonders bedrängten Deutschen nicht verändern. Unser Grundgesetz und seine Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht haben bis zu einer rechtmäßigen Entscheidung des gesamtdeutschen Souveräns mit rechtlicher Verbindlichkeit für das Handeln der deutschen Verfassungsorgane festgeschrieben, daß „Deutschland" rechtlich als Staat und Völkerrechtssubjekt vorerst in den Grenzen von 1937 fortbesteht. 3. Das Wahlrecht gehört zu den wichtigsten Rechten eines Staatsangehörigen. Die Ausgrenzung gerade der bedrängten deutschen Staatsangehörigen durch Ausschluß von der Ausübung des Wahlrechts bei den ersten gesamtdeutschen Wahlen würde einen besonders gravierenden Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, gegen das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG, gegen die von Verfassungs wegen auch für diese Deutschen bestehende Schutzpflicht bedeuten und nicht systemgerecht sein. „Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 GG) untersagt den unberechtigten Ausschluß von Staatsbürgern von der Teilnahme an der Wahl (BVerfG E 36,141). Er verbietet dem Gesetzgeber, bestimmte Bevölkerungsgruppen aus politischen ... Gründen von der Ausübung des Wahlrechts auszuschließen" (BVerfG E 28,229; 36,141). Anders als bei früheren Wahlen müssen diese deutschen Staatsangehörigen bei Wahlen „zur Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands" und zu deren Vorbereitung wahlberechtigt sein, da das gesamte Deutsche Volk aufgefordert bleibt, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Man darf die Deutschen in diesen vorerst noch nicht „aus Deutschland entlassenen Teilen" jenseits von Oder und Neiße nicht anders behandeln als die im Gebiet der DDR lebenden Deutschen oder gar als Deutsche z. B. in der Türkei oder in Argentinien. Ob eine spätere Verfassungsänderung den Deutschlandbegriff „aushebeln" könnte, wird anhand von Art. 25 GG und Art. 79 Abs. 3 GG zu prüfen sein; sie kann aber keinesfalls Grund- und Menschenrechte deutscher Staatsangehöriger beseitigen oder ungeschützt sein lassen. Jedenfalls sind jetzt die Deutschen aus allen Teilen Deutschlands am Wahlvorgang zu beteiligen.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Auch wenn Sie ertappt worden sind, hören Sie sich ruhig an, was die Presse zu Ihren Manövern zu sagen hat:
    Die Aktion Wahltermin 14. Oktober und ihre Begründung sind Wählertäuschung. Wenn es den beiden Regierungschefs Kohl und de Maizière wirklich nur um die Rettung der im Koma liegenden DDR ginge, dann hätten sie den schnellstmöglichen Beitritt vereinbaren sollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn das ist längst überfällig: schneller Beitritt auch ohne Wahlen. Auch dann, verehrter Herr Bundeskanzler, kann man nämlich Kassensturz machen und handeln.
    Aber das ist es ja, was Kohl nicht will. Jetzt gleich und vier Monate vor den Wahlen am 2. Dezember die ganze trostlose Wahrheit der Zahlen auf den Tisch legen und dann vermutlich Steuererhöhungen beschließen.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wenn ich jetzt höre, daß Sie den Haushaltsentwurf zurückgezogen haben und daß Sie von uns verlangen wollen, wir sollten uns ohne Kenntnis eines Haushaltsentwurfes zu einem Wahltermin bereit erklären, dann muß ich Ihnen sagen: Ein solches Täuschungsmanöver der Wählerinnen und Wähler wird es nicht geben.

    (Beifall bei der SPD, bei Abgeordneten der GRÜNEN und der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Sie müssen lernen, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    — Die Wahrheit und die Wirklichkeit in der DDR sind nicht Anlaß zu solch albernem Gelächter, wie Sie es hier abhalten, sondern Anlaß zu tiefer Besorgnis.

    (Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der Abg. Frau Unruh [fraktionslos] — Zuruf von der CDU/CSU: Katastrophenprediger!)

    Hören Sie endlich auf, all diejenigen, die alternative Vorschläge zum Prozedere machen und eine andere Einschätzung der Lage in der DDR haben als Ihre
    beschönigende Einschätzung als Gegner der Einheit zu diffamieren.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Worum es geht, ist, daß Sie sich, Herr Bundeskanzler, der Verantwortung stellen müssen, die jetzt auf Sie zukommt. Verstecken Sie sich nicht immer wieder hinter der Regierung der DDR.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es war fast schäbig, mit anzusehen, wie man zunächst versucht hat, die Frauen und Männer der neuen DDR-Regierung zu hofieren — es war ja regelrecht eine Invasion festzustellen, um Phototermine mit ihnen zu bekommen — , und wie man jetzt probiert, diese Männer und Frauen über die Presse niederzumachen und ihnen Unfähigkeit vorzuwerfen. Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Wenn einige von Ihnen innerhalb kürzester Zeit vor die Aufgabe gestellt worden wären, mit dem ehemaligen Rechtssystem der DDR arbeiten zu müssen, wollte ich nicht sehen, wie diese ausgesehen hätten.

    (Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Unterlassen Sie es, von Ihrer Verantwortlichkeit dadurch abzulenken, daß Sie die Fehler immer wieder der Regierung der DDR anlasten wollen, während die Erfolge wohl immer nur Erfolge der Bundesregierung sind.

    (Beifall bei der SPD — Hüser [GRÜNE]: Was für Erfolge?)

    Ich wies bereits darauf hin — dies scheint sich immer noch nicht durchgesetzt zu haben; ich sehe dabei auf die Regierungsbank — : Sie brauchen für den Fortgang der Einigungspolitik parlamentarische Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat. Ich bitte, dies endlich zur Kenntnis zu nehmen.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Bohl [CDU/ CSU]: Sie müssen einmal die Platte umdrehen!)

    — Ich will Ihnen sagen, warum ich bitte, dies endlich zur Kenntnis zu nehmen: Als wir am Freitag unterrichtet wurden, daß ein neuer Wahltermin ins Auge gefaßt worden sei, verhandelten die Bundesregierung und die Regierung der DDR mit unseren Beauftragten immer noch auf der Grundlage eines Wahltermins im Rahmen des Grundgesetzes. Meine Damen und Herren, eine solche Behandlung lassen wir uns nicht mehr bieten. Das ist der plumpe Versuch, uns zu täuschen und zu betrügen.

    (Beifall bei der SPD, bei Abgeordneten der GRÜNEN und der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Wenn Sie ernsthaft der Überzeugung gewesen wären — Graf Lambsdorff, ich wende mich in Fortsetzung des Gespräches, das sachlich zwischen uns verlief, an Sie —, dann hätte das Prozedere doch ein ganz anderes sein müssen. Man kann doch nicht mit solchen Taschenspielertricks eine solche Vereinbarung erreichen wollen. Man muß doch vorher mit denen
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990 17391
    Ministerpräsident Lafontaine (Saarland)

    reden, die man braucht, um das Grundgesetz zu ändern.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Meine Damen und Herren, Sie haben zu einem Parteiengespräch eingeladen — so habe ich es vom Bundeskanzler gehört —, um darüber zu beraten, was jetzt zu tun sei.

    (Zuruf der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

    Ich greife dieses Parteiengespräch gerne auf. Aber es gibt mehr Parteien — darin stimme ich Ihnen zu, Frau Vollmer — als die, die eingeladen worden sind.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Aber es waren die wichtigsten!)

    Wir müssen uns darüber verständigen, was jetzt zu tun ist, um den Menschen in der DDR zu helfen. Voraussetzung dafür ist eine richtige Analyse der ökonomischen und sozialen Situation. Voraussetzung dafür ist auch eine wahrhaftige Darstellung der finanziellen Entwicklung des Staatshaushaltes der DDR.

    (Beifall bei der SPD) Nun will ich zur Sache kommen.


    (Lachen und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Jobst [CDU/CSU]: Sehr spät!)

    Sie, Graf Lambsdorff, haben im zweiten Teil Ihrer Ausführungen eine Reihe von Maßnahmen angesprochen, die notwendig sind, um jetzt aus der Krise herauszukommen.

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Kein Zitat mehr!)

    — Das Lachen wird Ihnen noch vergehen.

    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich haben Ihnen gesagt: Wenn Sie die notwendigen Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat für die Einigungspolitik sicherstellen wollen, dann müssen Sie sich anständig aufführen und demokratisches Benehmen an den Tag legen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Zirkusdirektor! — Weitere anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich komme nun zum ersten Punkt: Strukturprogramm für die DDR. Wir haben unmittelbar nach dem Fall der Mauer zusammen mit Stimmen in der Öffentlichkeit ein Strukturprogramm für die DDR gefordert. Sie haben das Strukturprogramm damals mit dem Bemerken zurückgewiesen, Sie wollten der Regierung Modrow nicht noch Milliarden hinterherwerfen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Richtig!)

    Dies war eine wirtschaftspolitische Fehlentscheidung,

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Lachen bei der CDU/ CSU)

    und zwar deshalb, weil, ehe die ersten Milliarden verausgabt worden wären, um das Strukturprogramm für die DDR abzuwickeln, die Regierung Modrow längst nicht mehr im Amt gewesen wäre. Sie haben durch Ihr Zögern einen zügigen Ausbau der Infrastruktur verhindert.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

    Es ist ein Grundfehler konservativer Wirtschaftspolitik, zu vernachlässigen, daß eine solide staatliche Infrastruktur Voraussetzung für das Funktionieren realwirtschaftlicher Investitionen ist.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Zweitens. Wir bieten nicht nur an, im Rahmen eines Parteiengespräches über ein Strukturprogramm zu reden, sondern wir bieten auch an, über eine steuerliche Präferenz für Investitionen in der DDR zu reden und die entsprechende Entscheidung im Bundesrat zu begleiten.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn ich heute in der Zeitung lese, daß der Wirtschaftsminister erkannt hat, daß die steuerlichen Investitionsbedingungen in der DDR nicht stimmen, weil — man will es ja gar nicht glauben — die steuerlichen Anreize, um im Zonenrandgebiet oder in Berlin zu investieren, immer noch höher als in der DDR sind, dann ist das doch eine Bankrotterklärung Ihrer Regierung und kein Nachweis seriösen Arbeitens.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Was sagt denn Herr Momper dazu?)

    Drittens. Wir brauchen ein Wohnungsbauprogramm für die DDR, und wir brauchen ein Wohnungsbauprogramm für die Bundesrepublik.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Bringt erst einmal das Saarland in Ordnung!)

    Es geht nicht an, daß wir die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt in der Bundesrepublik vernachlässigen. Sie haben sich hier eine schwere Fehleinschätzung zuschulden kommen lassen. Auf Grund der Wanderungsbewegung aus Osteuropa, auf die ich immer hingewiesen habe, — —

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Lebach!)

    — Ich bin in diesem Zusammenhang von Ihnen lange Zeit wegen Vorschlägen diffamiert worden, die mittlerweile alle im Staatsvertrag enthalten sind.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU: Wo denn? — Welche?)

    Sie haben damals eben nicht begriffen, daß jeder junge Mann, der aus der DDR wegrennt, nicht nur hier die Renten sicherstellt, sondern auch in der DDR fehlt, wenn es darum geht, die Produktion aufzubauen. Dies haben Sie damals nicht begriffen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Ich habe auf die Belastungen des Wohnungsmarktes hingewiesen, die sich auf Grund der Wanderungsbewegungen ergeben. Diese Belastungen sind nicht mehr zu leugnen. Die Mieten steigen. Die Zinsen stei-
    17392 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990
    Ministerpräsident Lafontaine (Saarland)

    gen. Die Erklärungen, der Wohnungsmarkt sei ausgeglichen, waren falsch. Der Abbau der Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau war ein schwerer Fehler.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Wir fordern ein Wohnungsbauprogramm. Die Vorschläge liegen im Bundesrat vor. Wir fordern insbesondere, die Förderung des sozialen Wohnungsbaus wieder aufzunehmen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Und Sie wollen Steuererhöhungen!)

    Das gleiche gilt für die DDR. Richtig wäre es, in der DDR über den Wohnungsbau Eigentumsbildung zu betreiben und eine Sanierung des völlig maroden Wohnungsbestandes über eine staatliche Förderung zu ermöglichen. Dies wäre ein Konjunkturprogramm für Handwerksbetriebe in der DDR.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stratmann-Mertens?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Eckhard Stratmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Lafontaine, da ich unterstelle, daß Sie nicht nur für sich persönlich, sondern auch für die SPD, und zwar sowohl für die SPD-Bundestagsfraktion als auch für die SPD-geführten Bundesländer, sprechen, möchte ich Sie zweierlei fragen. Richtig ist, daß die Zinsen mittlerweile auch in der Bundesrepublik steigen. Richtig ist, daß das auch mit den Folgen des Einigungsprozesses zusammenhängt, unter anderem mit den Kapitalmarktkosten des Fonds Deutsche Einheit. Der Fonds Deutsche Einheit ist von der Bundesregierung und von den Länderregierungen, auch von den SPD-geführten, ausgehandelt worden. Wie hat sich die Regierung des Saarlandes zu diesem Fonds Deutsche Einheit verhalten und damit zu einer Mitverantwortung für den Zinsanstieg, den Sie gerade beklagen?
    Die zweite Frage. Da Sie beklagen, daß von der Bundesregierung im Frühjahr dieses Jahres nicht ein Strukturhilfeprogramm für die DDR aufgelegt worden ist, frage ich Sie, warum die SPD-Fraktion im März dieses Jahres ein umfangreiches Soforthilfeprogramm der GRÜNEN zum ökologischen und sozialen Umbau der bestehenden ökonomischen und infrastrukturellen Strukturen in der DDR abgelehnt hat. Wir hatten 30 Milliarden DM gefordert — nicht die 15 ModrowMilliarden — , womit wir in der Dimension völlig richtig gelegen haben. Die Argumente der SPD für die Ablehnung waren exakt die gleichen wie die der Bundesregierung. Es hieß nämlich, man wolle der bald aus dem Amt scheidenden Modrow-Regierung kein Geld in den Rachen werfen.