Rede von
Friedrich
Bohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns, wie Sie, Frau Präsidentin, soeben schon ausführten, interfraktionell darauf verständigt, den vorgesehenen Tagesordnungspunkt heute nicht zu behandeln. Es ist richtig, daß die Volkskammer entgegen den Planungen, die wir gemeinsam vorgesehen hatten, den Wahlvertrag gestern bzw. heute morgen nicht mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit ratifizieren konnte.
Nach den uns vorliegenden Informationen handelt es sich dabei in erster Linie, wenn ich es so formulieren darf, um ein Präsenzproblem. Die großen, die Koalition tragenden politischen Parteien und Gruppierungen in der Volkskammer, die mehr als eine Zweidrittelmehrheit haben, wollen diesen Wahlvertrag. Es ist ja auch schon vermittelt worden, daß der Wahlvertrag in der Volkskammer am 22. August erneut behandelt werden soll. Sicherlich ist diese Entwicklung unerfreulich, aber so ist nun einmal die Situation.
Vielleicht darf ich die Gelegenheit hier wahrnehmen, zum Ausdruck zu bringen, daß es nach Überzeugung meiner Fraktion keinen Anlaß für Unmutsäußerungen gibt, die wir heute morgen hier schon gehört haben. Die Kollegen in der Volkskammer, die erst jetzt Parlamentarismus erleben, haben in der Tat ein gewaltiges Arbeitsprogramm. Ich finde, man sollte nicht mit dem Finger auf andere zeigen; wir sollten uns da an die eigene Nase fassen.
Wir haben gestern im Ausschuß Deutsche Einheit großes Einvernehmen erzielt, daß dieser Wahlvertrag hier im Bundestag verabschiedet werden soll. Es gibt Einvernehmen, die Fünfprozentklausel und Listenverbindungen nicht konkurrierender Parteien vorzusehen. Deshalb gehe ich davon aus, daß wir uns, wenn wir heute die Beratung absetzen, weiterhin einig sind,
17380 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. August 1990
Bohl
daß wir diesen Wahlvertrag, insbesondere seine Essentials, wollen und ihn am 23. August auch verabschieden.
Ich glaube, es ist richtig, daß wir jetzt nicht den Weg gehen — ich darf es salopp formulieren — : Augen zu und durch. Vielmehr ist dieser Wahlvertrag von der Anlage her, Herr Bundesinnenminister, ein Angebot an die DDR gewesen. Die DDR sollte deshalb das erste Wort haben, weil sie sich bezüglich des Wahlverfahrens und auch bezüglich der organisatorischen Durchführung in unser Verfahren einbringt. Deshalb ist es, glaube ich, richtig, daß die DDR das erste Wort hat, also sie den Wahlvertrag zunächst ratifiziert, und daß wir ihn erst anschließend ratifizieren. Ich meine, daß dies der korrekte Weg ist.
Wenn die DDR, wie wir hören, den Wahlvertrag am
22. August ratifiziert, haben wir Gelegenheit, es am
23. August zu vollziehen. Der Bundesrat wird gebeten, ihn am 24. August — mit Fristverkürzung — zu ratifizieren, so daß wir im Ergebnis, sozusagen vom Erscheinungsdatum im Bundesgesetzblatt her, keine Verzögerung haben. Es ist eine Beschwernis für uns; wir müssen zu einer Sondersitzung am 23. August zusammenkommen. Aber ich glaube, das wollen wir der deutschen Einheit zuliebe gerne tun.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.