Rede von
Gerald
Häfner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Da jetzt dieser Zwischenruf kam: Ich hatte vorhin schon gesagt: Lieber gebrochene Stimme als gebrochenes Recht.
Im Moment geht es darum, daß Sie die Toleranz und die Kraft aufbringen, mich ausreden zu lassen und meine Argumente anzuhören. Sie werden Gelegenheit haben, darauf einzugehen.
Wir haben einen Antrag vorgelegt, der dem Charakter der ersten gesamtdeutschen Wahl dadurch Rechnung trägt, daß er sagt: Alle Kräfte aus der DDR und der Bundesrepublik, die von den Bürgerinnen und Bürgern in das Parlament gewählt werden, sollen eine Chance haben; deshalb keine Fünfprozentklausel bei dieser vor uns stehenden gesamtdeutschen Wahl.
Die Fünfprozentklausel — das habe ich deutlich gemacht — ist ohnehin verfassungspolitisch höchst fragwürdig, da sie das Prinzip der Stimmen- und der Chancengleichheit der Wahlen einschränkt und damit auch das Wahlergebnis verfälscht; denn Stimmen, die für andere Parteien abgegeben werden, werden Parteien zugeschlagen, die diese Bürger gar nicht wählen wollten.
Bei dieser ersten gesamtdeutschen Wahl gibt es ein zusätzliches Argument, auf die Fünfprozentklausel zu verzichten. Es ist das Argument, den Kräften, die in der DDR die Revolution ermöglicht haben, und all denen, die in der DDR eine eigenständige Identität haben — übrigens bis hin zur PDS, die ich politisch schärfstens bekämpfe, von der ich aber ebenfalls meine, daß sie als politische Partei eine Daseinsberechtigung hat und daß sie gleiche Chancen wie andere Parteien haben muß —,
einen fairen Wahlkampf und faire Chancen zum Einzug in dieses Parlament zu ermöglichen.
Wir haben Ihnen im Ausschuß mehrfach eine goldene Brücke gebaut. Wir haben einen Antrag vorgelegt, der ermöglicht hätte, die Fünfprozentklausel, die wir nicht wollen, bei dieser ersten gesamtdeutschen Wahl in der Weise anzuwenden, daß sie lediglich auf die Länder bezogen wird, ähnlich wie 1949, was ermöglicht hätte, daß sie für DDR-Parteien wie für BRD-Parteien in gleicher Weise gilt. Das wäre, wenn man die Fünfprozentklausel nicht streichen will, wie es unser Antrag vorsieht, noch das fairste und demokratischste Verfahren gewesen.
Sie haben sich auch auf diesen Vorschlag nicht eingelassen. — Sie haben recht mit Ihrem Hinweis, daß hier insbesondere die SPD schärfstens anzugreifen ist, weil die Art, lieber Herr Vogel, wie Sie im Ausschuß das „cui bono", und Sie, Herr Penner, heute Überlebensgesichtspunkte und strategische Gesichtspunkte der SPD in den Mittelpunkt gestellt haben, weil diese Art, beim Wahlrecht zu fragen: „Wie können wir es so machen, daß es uns am meisten nützt?",
wirklich unanständig ist, ebenso unanständig wie Ihr Angebot,
das selbstverständlich und stolz zurückgewiesen worden ist, nämlich das Angebot, den Bürgerrechtsbewegungen die eigenen Wahlchancen zu beschneiden und sie auf Ihre Listen einzuladen, um sie sozusagen im großen Magen der SPD zu verdauen. So geht es nicht.
Wir werden demokratisch wählen. Wir werden ein Parlament wählen, in dem die GRÜNEN und die Kräfte der Bürgerbewegung möglichst stark vertreten sind. Wir werden Ihren Wahlrechtsvorschlag hier im Hause und darüber hinaus schärfstens angreifen.